21.12.2023

Female Funding: Der große Gap zur Gleichberechtigung

Neun von zehn investierten Euros fließen in rein männliche Gründungsteams und 95 Prozent der Business Angels sind Männer. Drei Gründerinnen erzählen, wie es ihnen mit dem Gender Funding Gap geht.
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Sophie Bolzer von Audvice (c) Audvice | Katharina Herzog von money:care (c) Julia Oberhauser | Anna Greil von uptraded (c) uptraded

Dieser Artikel erschien zuerst in unserem neuen Printmagazin in der Ausgabe Dez/2023. Mehr darüber könnt ihr hier erfahren.

Anzug, Krawatte und frisches Kapital für mein Startup: ein Szenario, das den Gründerinnen Österreichs sehr oft vorenthalten wird. Hierzulande werden Finanzierungsrunden nämlich fast ausschließlich von Männern getragen, und deren frisches Kapital wandert ebenso fast ausschließlich in die Geldbörsen rein männlicher Gründungsteams – ein nachgewiesenes Phänomen mit dem Namen „Female Funding Gap“.

Der Begriff besagt, dass Female Startups, also Jungunternehmen mit rein weiblichen oder diversen Gründungsteams, weniger Investments bekommen als rein männliche. Davon können die Länder der EU, und leider auch Österreich, ein Lied singen: Zwar zählt Österreich im EU-Vergleich die verhältnismäßig meisten Female Startups (39 Prozent laut ASM 2022, S. 10); dennoch ist der österreichische Venture-Capital-Markt männlich dominiert.

„Seit 2010 ist die Zahl der Female Startups in der EU um 64 Prozent gestiegen. Das ist großartig, da auch mehrere Studien zeigen, dass Female Startups einen weit höheren Return on Investment als rein männliche Startups erreichen. Die in unserem Report dokumentierten Performanceunterschiede liegen je nach Entwicklungsphase zwischen 25 und 250 Prozent“, sagt Monique Schlömmer, Head of Operations am WU Entrepreneurship Center. Schlömmer ist Co-Autorin des letzten Female Startup & Investing Reports des WU Gründungszentrums und selbst als Researcher am Institut für Entrepreneurship & Innovation der WU Wien tätig.

Nur jeder neunte investierte Euro geht an ein Female Startup.

Monique Schlömmer, Head of Operations des WU Entrepreneurship Centers
Monique Schlömmer (c) WU Vienna

Die Expertin weiß auch, dass für Female Startups hierzulande wenig Kapital übrig bleibt: „Obwohl die Anzahl der Female Startups in der EU und in Österreich stark ansteigt, gibt es einen Geschlechter Gap, wenn es um den Erwerb von Risikokapital geht. Die Chancen, Venture Capital zu erhalten, sind zwar für Female und Male Startups fast gleich hoch – nämlich 44 und 46 Prozent – dennoch sehen wir im tatsächlich investierten Volumen einen großen Unterschied. Nur jeder neunte investierte Euro geht an ein Female Startup.“

Der Gender Funding Gap ist in den letzten Jahren größer geworden: 2022 flossen nur elf Prozent des EU-weit zur Verfügung stehenden Risikolkapitals in Female Startups; 2010 waren es noch 15 Prozent. Ähnliche Ergebnisse zeigt der Female Startup Funding Index der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) aus diesem Frühjahr: Fast 90 Prozent des bundesweiten Finanzierungsvolumens gingen in rein männliche Gründungsteams.

Die Männer-Frage

Schlömmer zufolge kann es dafür mehrere Gründe geben. Zwei davon sind der Überschuss an Männern in der VC-Szene und ein unbewusster Gender Bias. Beides äußert sich in heimischen Finanzierungsrunden unter anderem durch geschlechterdiskriminierende Fragestellungen. „Investoren reagieren und fragen anders, je nachdem, ob ein Female Startup oder ein rein männliches Gründungsteam vor ihnen sitzt“, erklärt Schlömmer.

„Es gibt zwei Fragetypen in VC-Runden: promotion-focused und prevention-focused questions. Erstere drücken Interesse und Vertrauen an der geplanten Umsetzung aus. Zweitere, also prevention-focused questions, drängen ihr Gegenüber in eine eher defensive Haltung“, so die Expertin.

Dem jüngsten WU-Report zufolge bekommen rein männliche Gründungsteams eher promotion-focused-Fragen gestellt, während Frauenteams viel eher in defensive Positionen gedrängt werden. „Außerdem sind Investorinnen in Österreich sehr rar gesät“, führt die Expertin weiter aus – ganze 95 Prozent der österreichischen Business Angels sind nämlich Männer; auf EU-Ebene sind es 87 Prozent.

„Hinzu kommt noch der sogenannte Similarity Bias: Gleich und Gleich gesellt sich gern“, sagt Schlömmer. Dieser Bias besagt nichts anderes, als dass Menschen gerne in Menschen investieren, mit denen sie sich identifizieren. Investor:innen stecken ihr Kapital also gerne in jüngere, charakterähnliche Versionen ihrer selbst. Da rund 80 Prozent der EU-weiten VC-Runden von rein männlichen Partnerteams geführt werden, lässt sich die Schlussfolgerung schon erkennen, ohne sie aussprechen zu müssen: Frauen bleibt das Kapital weg.

Drei Gründerinnen erzählen

Wie es drei Gründerinnen mit dieser Situation am Venture-Capital-Markt geht? Sophie Bolzer, Katharina Herzog und Anna Greil berichten von ihren nicht ganz übereinstimmenden Erfahrungen in der Gründungs- und Funding-Phase, klären Gerüchte und reden Klartext über Fragetypen und den Gender Bias unserer Gesellschaft.


Sophie Bolzer von Audvice

Sophie Bolzer, CEO von Audvice
(c) Audvice

Die Salzburgerin Sophie Bolzer hat im August 2018 ihr Startup Audvice gegründet, mit dem sie ein internes Podcasting-Tool für Unternehmen mit dezentralen Teams entwickelt. „Ich komme aus einer Familie, in der Selbstständigkeit ein großes Thema war“, sagt sie. Während des Studiums wurde ihr klar: „Ich will mein eigenes Team leiten. Ich wusste aber: Will ich das als Frau in einem Konzern machen, dauert das ewig. Ich wollte keine Nummer sein und meine Ideen auch wirklich umsetzen – also habe ich mein Startup gegründet.“

brutkasten: Wie war die Funding- und Gründungsphase für dich?

Sophie Bolzer: Um ehrlich zu sein: Das erste Investment zu bekommen ist das Schwierigste. Obwohl der Anfang schwer war, war ich schon in der Pre-Seed-Phase der Meinung: Lieber Smart Money als Geld um jeden Preis.

Meine erste Angel-Investorin war Heike Thiele. Das war damals auch ihr erstes Startup-Investment, und sie meinte zu mir: „Du taugst mir, ich investiere, egal wer noch dabei ist.“ So etwas hatte ich bis dahin noch nicht erlebt.

Alle anderen Angel-Investoren meinten bis dato, sie warten lieber, bis ich noch andere an Bord habe. Heike hat den Bann gebrochen, den Anfang gemacht und nach ihrem Investment haben auch andere Investoren nachgezogen – und auch bei ihnen bin ich mit einem durchwegs respektvollen Umgang konfrontiert worden.

Lieber Smart Money als Geld um jeden Preis.

Sophie Bolzer von Audvice

Der Female Startup & Investing Report der WU sagt: Frauen werden in Gesprächen mit Investoren eher in defensive Positionen gedrängt. Wie stehst du dazu?

Bolzer: Grundsätzlich habe ich eine ähnliche Erfahrung mit Venture-Capital-Unternehmen gemacht: Die ersten Gespräche mit Investmentmanagern oder Analysts laufen ja meist sehr unpersönlich ab; da geht es primär darum, Zahlen, Daten und Fakten abzufragen. Oft hatte ich das Gefühl, dass ich schon eher negativ konnotierte Fragen gestellt bekomme. Das kann aber auch an der Datengetriebenheit der Erstgespräche liegen.

Was mir allerdings in Gesprächen mit Business Angels aufgefallen ist: Männer und Frauen hatten ganz andere Fragestellungen für mich parat. So fragte mich Heike etwa, wie mein soziales Umfeld aussieht – sie wollte also wissen: Bin ich sozial stabil genug, um ein eigenes Unternehmen aufzubauen? Das hat andere Investoren gar nicht interessiert.

Was sind deiner Meinung nach die Ursachen für den Gender Funding Gap?

Bolzer: Ein großer Punkt ist der Gender Bias in unserer Gesellschaft. Im Endeffekt bevorzugen wir das, womit wir uns am ehesten identifizieren, ob bewusst oder unterbewusst. Die Venture-CapitalSzene ist nun mal voll mit Männern, da ist es klar, dass die sich eher mit jungen Gründern als mit Gründerinnen – oder zumindest mit bestimmten Charakterzügen – identifizieren und dementsprechend investieren. Gleichermaßen neigen Frauen dazu, eher in Frauen zu investieren. Leider gibt es weit weniger weibliche als männliche Investoren, weshalb weniger oft in Frauen investiert wird.

Dazu kommt noch, dass es weniger Gründerinnen als Gründer gibt. Ich glaube, ein Grund dafür ist, dass Frauen meistens einfach anders erzogen werden und weit seltener beruflich erfolgreiche und ambitionierte weibliche Role Models haben, mit denen sie sich identifizieren können. Klar kann man versuchen, als Individuum in Kindergarten, Schule und Uni diese Gender-Stereotype aufzubrechen, aber im Endeffekt liegt ein Großteil der Prägung ganz stark im Elternhaus.

Ich habe den Vorteil gehabt, dass meine Mama selbstständig war und eine ganz besondere Vorbildwirkung für mich hatte. Meine Eltern haben mir beide immer das Gefühl gegeben, dass es in dem, was ich erreichen kann, kein Limit gibt. Sie haben mich immer dazu ermutigt, es einfach mal zu probieren.

Inwiefern bist du in deiner Gründungs- und Fundraising-Phase mit Gender Biases konfrontiert worden?

Bolzer: Ich habe Audvice ursprünglich mit einem CoFounder gegründet, ich war CEO und er CTO. Ich erinnere mich an ein Angel-Investor-Gespräch, bei dem klassische CEO-Fragen allerdings immer erst an ihn gerichtet wurden, selbst nachdem die Rollenverteilung klar war. Auch bei Veranstaltungen wurde bei Fragen die Aufmerksamkeit auto matisch zuerst auf ihn gerichtet.

Neben männlichen Co-Foundern muss man als Frau seine Position leider extra betonen und immer wieder erneut klarstellen, dass man „die“ CEO ist, was natürlich oft frustrierend ist. „Frau CEO“ ist offensichtlich noch nicht in den Köpfen der Leute angekommen. Das fängt meiner Meinung nach bereits bei der Kindererziehung an – und hat viel damit zu tun, welche Rollenbilder wir schon früh vermitteln.

Was würdest du ändern, um den aktuellen Female Funding Gap zu schließen?

Bolzer: Ich glaube, wir brauchen weit mehr weibliche Business Angels und weibliche Partnerinnen in Venture-Capital-Funds. Genauso wie Männer dazu tendieren, in Männer zu investieren, neigen Frauen dazu, in Frauen zu investieren. Haben wir mehr Investorinnen, werden wir auch automatisch mehr Investments in frauengeführte Startups sehen.

Auf der anderen Seite brauchen wir mehr Frauen, die sich zutrauen, zu gründen und ein Unternehmen aufzubauen. Zum Gründen braucht es immer Mut, und den sollten wir nicht nur Männern, sondern auch Frauen von klein auf antrainieren.

Hattest du je Zweifel in deiner Fundraising-Phase?

Bolzer: Ich hatte nie das Gefühl, dass ich es nicht kann, weil ich eine Frau bin. Wenn mir etwas nicht gelungen ist, ist mir nie mein Geschlecht als Grund in den Sinn gekommen. Meine ersten Fundraising-Versuche waren definitiv auch nicht erfolgreich.

Meine Erkenntnis daraus war, dass ich besser verstehen muss, wie Investorinnen und Investoren ticken, was sie sich erwarten und wie sie Investment-Entscheidungen treffen. Wenn man das versteht, muss man es nur noch schaffen, sein ganzes Selbstbewusstsein auf Knopfdruck auszupacken, was man definitiv üben kann. Das lege ich jedem und jeder ans Herz, egal ob Mann oder Frau.


Katharina Herzog von money:care

Katharina Herzog von money:care
(c) Julia Oberhauser

Eine weitere Female-Stimme aus der Startup-Szene ist Katharina Herzog. Sie ist CEO und Co-Founderin von money:care, einer KI-gestützten Plattform für nachhaltiges Investieren. Ende Oktober hat die Unternehmerin die Beta-Version ihrer Plattform mit ihren Co-Foundern Timo Nothdurft und Ulrich Penitz gelauncht, die GmbH-Gründung erfolgte bereits im Sommer.

Ihre Startup-Idee verfolgte Katharina mit ihren Kollegen schon länger. „Zusammen zu gründen ist wie eine Eheschließung – das Team muss passen“, sagt die Gründerin mit einem Augenzwinkern, bevor sie von ihrer Gründungsphase erzählt.

brutkasten: Wie war die Funding- und Gründungsphase für dich?

Katharina Herzog: Unsere Anknüpfungspunkte waren Förderungen, Inkubatoren und Acceleratoren. Dort kam ich auch das erste Mal in Kontakt mit Geldgebenden, und dabei hatte ich schon ein bisschen das Gefühl, in einer Bubble zu sein. Wir waren unter anderem beim Social Impact Award und im Impact Hub Vienna; dort waren gefühlt überdurchschnittlich viele gemischte und diverse Gründungsteams. Auch beim Hightech-Inkubator INiTS sucht man jetzt aktiv danach – es war ein Bonus, wenn man als gemischtes Team gegründet hat.

Bist du bei der Gründung oder bei Förderprogrammen mit Gender Biases konfrontiert worden?

Herzog: Das ist schwer zu sagen und immer sehr subjektiv. Wenn wir jetzt an Finanzierungsrunden denken, dann sind da oft einfach drei Dudes auf dem Foto, die Millionen geraist haben. Man weiß aber nie: Was steckt wirklich dahinter?

Ich hatte schon ein paarmal das Gefühl, dass die Tatsache, dass ich eine Frau bin und im Fintech- und Nachhaltigkeitsbereich tätig bin, in Gesprächen mit Investoren mehr Fragen und eventuell auch mehr Zweifel aufwirft. Das kann aber auch am Inhaltlichen liegen, also an dem außergewöhnlichen Geschäftszweck, den wir mit money:care verfolgen.

Das Gründen als Frau ist einfach eine andere Reise als bei Männern – vielleicht auch ein bisschen herausfordernder.

Katharina Herzog, CEO von money:care

Wie waren Gespräche mit Investor:innen für dich als Female Founder?

Herzog: Wir wollen ein Startup sein, das nach gendergerechten Prinzipien lebt, das Frauen an die Spitze bringt. Uns war das allen von Anfang an klar. In Gesprächen mit Investor:innen habe ich dann gemerkt, dass sich ein Bild abzeichnet: Mit männlichen Investoren habe ich eine andere Gesprächsdynamik vernommen als mit Frauen. Das war nicht per se ein Hindernis, aber ein ganz anderes Gefühl.

In Gesprächen mit Investorinnen ging es sehr um uns als Personen, um die Menschen und die Idee, nicht so sehr aber um das Ausfragen. Ich hatte das Gefühl, ich konnte mit weiblichen Investorinnen mehr ich selbst und selbstbewusster sein – und ich habe mich öfter gesehen gefühlt.

Was sind deiner Meinung nach Ursachen für die Gender-Unterschiede im Gründen und Investieren?

Herzog: Ich glaube, ein Riesenfaktor ist dieses “Sich-Identifizieren”. Am Ende des Tages ist das alles ja Vertrauenssache. Da liegt es, wenn es vorwiegend männliche Investoren gibt, auf der Hand, dass diese sich eher mit männlichen Gründungsteams als mit Frauen identifizieren. Wenn zudem noch Erfahrungswerte mit Female Startups fehlen, dann entsteht schnell eine höhere Skepsis auf der Investorenseite.

Andererseits kann das auch an der Art und Weise liegen, wie wir aufgewachsen sind: Männern wurde in unserer Gesellschaft einfach sehr lange eine andere Autorität zugesprochen. Natürlich ist in Startup-Investor:innen-Gesprächen immer ein gewisses Machtgefälle vorhanden. Aber an sich ist es eine Beziehung, die von zwei Seiten ausgeht und zu der beide etwas beitragen – und dadurch, dass nicht viele Frauen Investorinnen sind, ist die Chance viel größer, männlich geprägte Gesprächsdynamiken zu entwickeln.

Welche Tipps gibst du Gründerinnen (to be) mit?

Herzog: Ich rate allen, sich auf jeden Fall eine Möglichkeit zum Austauschen und Vernetzen zu suchen. Wir müssen es schaffen, dass wir Frauen uns gegenseitig noch mehr unterstützen. Das Gründen als Frau ist einfach eine andere Reise als bei Männern, vielleicht sogar ein bisschen herausfordernder. Deshalb: Gehen wir öfter mal auf einen Kaffee und reden über unsere Erfahrungen!


Anna Greil von uptraded

Anna Greil von uptraded (c) uptraded

Anna Greil ist Founderin und CEO des 2020 in Innsbruck gestarteten und in Wien gegründeten Startups uptraded. Mit ihrem Team hat Greil eine digitale Plattform für Kleidertausch entwickelt, die auf das Prinzip Swipe and Match, wie es von Datingplattformen bekannt ist, setzt.

brutkasten: Warum hast du dich dazu entschlossen, ein Startup zu gründen?

Anna Greil: Ich habe uptraded gegründet, weil ich zur Transformation Richtung Kreislaufwirtschaft in der Modeindustrie beitragen wollte. Außerdem wollte ich das Problem, das mit dem klassischen Fast-Fashion-Modell unserer Modeindustrie einhergeht, lösen – oder zumindest einen Beitrag zur Problemlösung leisten. Ich habe uptraded also gegründet, um meine eigene Vision umzusetzen. Ich wollte etwas erschaffen, das wirklich einen Impact hat.

Wie war deine erste Finanzierungsrunde für dich?

Greil: Wir haben im Jänner 2022 mit dem Fundraising gestartet. Zu Beginn war ich sehr optimistisch, dass wir innerhalb kürzester Zeit einen passenden Investor oder eine passende Investorin finden können; nach und nach stellte sich aber heraus: Fundraising ist ein aufregender und zugleich stressiger Vollzeitjob. Man muss Beziehungen aufbauen, und das braucht Zeit. Wir haben sehr viel Ressourcen in die Vorbereitung gesteckt und mussten anfangs sehr viel Überzeugungsarbeit leisten – ich musste lernen, Investor:innen zu verstehen.

Hattest du im Gründungs- und Fundraising-Prozess Zweifel?

Greil: Ich hatte sicherlich jeden Tag Zweifel und Ängste. Ich denke aber, dass es vielen im Gründungsprozess so geht. Wenn ich an mir zweifle, versuche ich, mich an den Purpose, also an den Grund, warum ich uptraded gegründet habe, zu erinnern: Es geht mir darum, die Kreislaufwirtschaft in der Modeindustrie voranzutreiben. Wenn man sich den Purpose ständig ins Gedächtnis ruft, dann übertrifft der Tatendrang die Zweifel.

Wie waren die Gespräche mit Investor:innen für dich?

Greil: Meine Gespräche mit Investor:innen waren großteils konstruktiv und hilfreich. In vielen Gesprächen wurde mir bewusst, wo die größten Schwächen, aber auch die Stärken meines Startups liegen. Andererseits gab es auch Gespräche, die mich eher entmutigt haben. In manchen Fällen habe ich eine sehr konservative Einstellung wahrgenommen; nach dem Motto „Das schaffst du nie“ oder „Du denkst viel zu groß“.

Hast du in Gesprächen mit Investor:innen Gender Biases wahrgenommen?

Greil: In manchen Gesprächen ja, meist in Form von skeptischen Fragen oder Unsicherheiten. Das hat sich grundsätzlich aber in Grenzen gehalten; vielleicht auch deshalb, weil ich in der Fashionbranche – und damit eher in einem klassischen Frauenbereich – tätig bin.

In Investorengesprächen lag der Fokus der kritischen Fragen immer sehr stark auf der Skalierbarkeit unseres Geschäftsmodells, unabhängig vom Geschlecht der fragenden Person. Das kann aber auch daran liegen, dass ich hauptsächlich mit Impact-Investor:innen in Gesprächen war, die sehr gut über Genderungleichheit im Funding- und Startup-Bereich Bescheid wissen und sich auch für mehr Gerechtigkeit diesbezüglich einsetzen.

Laut Female Startups & Investing Report werden Frauen bei Investitionsgesprächen meist in eine defensive Position gedrängt. Wie ist dein Empfinden dazu?

Greil: Bei sehr vielen Pitch-Events habe ich gemerkt, dass mehrere Investor:innen im Publikum kritische Fragen stellten, die mich oft in defensive Positionen gedrängt haben. Da sind mir Gender Biases sowie der Unterschied von „männlichen“ und „weiblichen“ Fragestellungen viel eher aufgefallen. Bei One-on-one-Meetings mit Angels war das eher nicht so.

Was könnten die Ursachen für den Gender Funding Gap sein?

Greil: Grundsätzlich glaube ich, dass es daran liegt, dass wir auch im 21. Jahrhundert noch in einem Patriarchat leben, in dem der Mann in vielen Gesellschaftsbereichen eine höhere Autorität genießt als die Frau. Vorurteile und veraltete Rollenbilder spielen dabei auch eine Rolle. Deshalb bin ich der Meinung, dass es viel mehr Vielfalt in der Funding- und Investor:innen-Branche braucht. Erst, wenn mehr Frauen investieren und der Markt diverser wird, kann sich etwas ändern.

Welche Tipps würdest du Gründerinnen (to be) mit geben?

Greil: Ein starker Purpose ist fundamental – nur so könnt ihr den Startup-Rollercoaster überstehen. Außerdem: Das richtige Team ist key!


“Frauen gehören vor den Vorhang, weil sie großartige Dinge bewegen.”

Die Gespräche mit drei ausgewählten Gründerinnen zeigen durchaus unterschiedliche Gründungs- und Fundraising-Erfahrungen. Dennoch sind sich die drei Female Founders in einer Sache einig: Es braucht mehr Frauen in der Gründungs- und Funding-Szene.

Erfahrungs- und Umfragewerte zeigen, dass genderdiverse Teams deutlich höher performen als nicht diverse Teams, bestätigt Monique Schlömmer vom WU Entrepreneurship Center: „Verschiedene Talente führen besser zum Ziel. Es gilt, Vielfalt und Unterschiede – sowohl in Bezug auf Kultur und Ausbildung als auch in Bezug auf das Geschlecht – wertzuschätzen und positiv zu nutzen. Dadurch entstehen spannende Projekte, die die Chancengleichheit und unser Ökosystem nachhaltig wachsen lassen.“

Schlömmer meint weiter: „Wir brauchen mehr Diversität auf Investor:innenseite und mehr Role Models vor dem Vorhang. Es passiert in dieser Hinsicht zwar schon viel, das volle Maß haben wir aber noch nicht ausgeschöpft. Female Startups gehören nicht nur vor den Vorhang, weil Frauen dahinter stehen, sondern weil sie wirklich großartige Dinge bewegen.“

Schlömmer fordert im selben Atemzug das Aufbrechen klassischer Rollenbilder und appelliert an ein ganzheitliches Umdenken: „Am Ende des Tages ist es wichtig, Rahmenbedingungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zu schaffen, sodass jede Person für sich frei entscheiden kann, wie sie ihr Leben gestalten will, ohne durch ihr Geschlecht benachteiligt oder bevorzugt zu sein.“

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Österreichische Startups spielen mit ihren Klimatechnologien eine zentrale Rolle bei der Dekarbonierung des Wirtschaftsstandorts. Doch trotz ihrer Bedeutung sahen sich viele dieser Unternehmen 2024 mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert – insbesondere aufgrund der schwierigen Finanzierungslage, die den Zugang zu Kapital deutlich erschwert hat.

Ein Blick auf das jüngste EY-Startup-Barometer zeigt: 2024 hatten immerhin 25 der insgesamt registrierten 149 Finanzierungsrunden einen Bezug zum Thema Nachhaltigkeit, das entspricht jeder sechsten Finanzierungsrunde. 2023 hatte dieser Anteil mit 20 Prozent noch höher gelegen.

Das Gesamtvolumen der Finanzierungsrunden im Jahr 2024, an denen Startups mit Nachhaltigkeits-Fokus beteiligt waren, belief sich laut EY auf 148 Millionen Euro – das entspricht einem Anteil von fast 26 Prozent am insgesamt investierten Risikokapital in Höhe von 578 Millionen Euro. Im Vorjahr waren es noch 175 Millionen Euro, die an Sustainability Startups ausgeschüttet wurden.

Trotz dieser Herausforderungen war 2024 ein Jahr, in dem österreichische ClimateTech-Startups ihre Innovationskraft und Resilienz unter Beweis stellten. Viele Unternehmen konnten wichtige Fortschritte erzielen und ihre Technologien weiterentwickeln, während einige sogar ihre internationale Expansion vorantrieben. Wir werfen hier einen Rückblick auf die wichtigsten Ereignisse heimischer Startups in den Bereichen Energie, Mobilität, Ernährung, Landwirtschaft, Kreislaufwirtschaft, CO₂-Monitoring und Lieferketten-Management.


Energie

Das Jahr 2024 stand im Energiesektor ganz im Zeichen der Energiewende. Besonders beeindruckte das Wiener Startup enspired, das im Mai eine der größten Finanzierungsrunden des Jahres abschloss und 25,5 Millionen Euro in einer Series-B-Runde einsammelte. Mit diesem Kapital plant das Unternehmen die Expansion in die USA und Asien sowie die Vermarktung von über 50 Gigawatt erneuerbarer Energien bis 2035. Die KI-basierte Technologie von enspired optimiert den Handel auf Strommärkten und setzt neue Maßstäbe in der Effizienz von Energienutzung – ein klares Signal für die Stärke Österreichs im globalen Energiemarkt.

enspired-Gründer Jürgen Mayerhofer und Wolfgang Eichberger | (c) enspired

Auch das Wiener Startup Nobile trägt mit seiner Plattform Nobile:Connected zur Transformation der Energiebranche bei. Das Unternehmen kommunizierte im November eine Finanzierungsrunde von fünf Millionen Euro und verfolgt das Ziel, Energieerzeuger in sogenannten Energiegemeinschaften zu verbinden. Diese fördern die Dezentralisierung der Stromnetze und ermöglichen eine direkte Versorgung von Verbrauchern mit erneuerbarer Energie. Zudem kündigte Nobile an, in mehrere europäische Märkte zu expandieren – darunter Italien, Deutschland und Belgien.

Die Nobile-Gründer:innen Peter Gönitzer und Lorena Skiljan | (c) Nobile

Die Energiewende und die Wärmewende sind eng miteinander verknüpft, da die Transformation des Energiesystems ohne die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung nicht vollständig erreicht werden kann. Auch hierfür liefern österreichische Startups Lösungen. Das junge Wiener Unternehmen Heizma, das sich seit März auf die Installation von Wärmepumpen spezialisiert hat, erzielte in seinem ersten Geschäftsjahr Aufträge in Höhe von zehn Millionen Euro. 2024 bewies auch ecop, ein Spezialist für industrielle Hochtemperatur-Wärmepumpen, mit einer Finanzierung von 8,5 Millionen Euro und der Einführung neuer Technologien, dass nachhaltige Lösungen auch in der Industrie auf dem Vormarsch sind.

Das Gründerteam von Heizma rund um Michael Kowatschew (Mitte) | (c) Heizma

Das oberösterreichische Scaleup neoom meisterte 2024 trotz eines Personalabbaus Ende 2023 die Herausforderungen des Marktes und setzte seinen Wachstumskurs fort. Mit über 300 Mitarbeitenden und einer starken Präsenz in Deutschland, das bereits 40 Prozent des Umsatzes ausmacht, fokussierte sich das Unternehmen auf digitale Lösungen wie die Energiemanagementsoftware Connect AI. Diese ermöglicht intelligente Energieentscheidungen und treibt die Vernetzung von über 58.000 Geräten an 15.000 Standorten voran, wodurch neoom seinen Beitrag zur Digitalisierung der Energiewirtschaft leistet.

neoom
neoom-CFO Philipp Lobnig und Gründer Walter Kreisel (c) neoom

Das Wiener Startup Hydrogrid setzt mit seiner Softwarelösung zur Optimierung von Wasserkraftwerken neue Maßstäbe in der Energiewirtschaft. Die Technologie ermöglicht eine automatische Anpassung der Stromproduktion an Marktpreise und Umweltbedingungen, wodurch Gewinne maximiert und die Energieerzeugung effizienter gestaltet werden. Hydrogrid hat 2024 einen wichtigen Meilenstein erreicht: In Zusammenarbeit mit dem schwedischen Energieversorger Vattenfall wird die Software künftig in 32 Wasserkraftwerken in Schweden implementiert. Damit stärkte das Unternehmen 2024 seine internationale Präsenz und trägt zur nachhaltigen Nutzung erneuerbarer Energien bei.

Zudem wurden im Energiebereich 2024 auch neue Startups gegründet. Dazu zählt beispielsweise 2nd Cycle, das eine automatisierte Upcycling-Anlage für gebrauchte Photovoltaik-Module entwickelt. Gleichzeitig sicherte sich das im Dezember 2023 gegründete Wiener Startup Balun, das eine Forecasting-Lösung für erneuerbare Energien entwickelt, eine Finanzierung im sechsstelligen Bereich. Diese Technologie soll die Integration von erneuerbaren Energiequellen ins Stromnetz optimieren und damit die Energiewende weiter vorantreiben.

Mobilität

Das Wiener Carsharing-Startup eloop musste im April seinen Betrieb einstellen und ein Sanierungsverfahren einleiten. Als Gründe nannte das Unternehmen erschwerte Wachstumsbedingungen sowie hohe Kosten durch nicht versicherte Fahrzeugschäden.

Eloop, 360Grad
(c) Eloop – Das Eloop-Team erhält Kapital für den Ausbau der „Tokenization as a service“-Plattform.

Ebenfalls von finanziellen Herausforderungen betroffen, konnte das Wiener Mobility-Startup goUrban nach einem Sanierungsantrag im Vorjahr im März 2024 eine Finanzierung von drei Millionen Euro durch Bestandsinvestoren sichern. Im September folgte die Übernahme durch den Hamburger Mitbewerber Wunder Mobility, wobei Marke und Team unter der Leitung von CEO Bojan Jukic erhalten blieben. Gemeinsam streben die Unternehmen an, eine unabhängige Technologieplattform zu schaffen, die neue Maßstäbe für die Sharing-Branche setzt.

Bojan Jukić | (c) GoUrban

Das Grazer Startup Easelink erhielt im Oktober ein Investment von 1,5 Millionen Euro von Verbund X Ventures, um die Internationalisierung seiner “Matrix Charging”-Technologie voranzutreiben. Diese Lösung für automatisiertes Laden von E-Autos wird bereits in Projekten wie “eTaxi Austria” eingesetzt und soll als globaler Industriestandard etabliert werden. In Salzburg arbeitet das Startup FlyNow Aviation an automatisierten eCopter-Flügen. Mit Plänen für erste Cargoflüge 2025 in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie Investitionen im Millionenbereich will FlyNow die Skalierung seiner Produktion vorantreiben und erschwingliche Fluglösungen realisieren.

COO Yvonne Winter und CEO Jürgen Greil | (c) FlyNow
COO Yvonne Winter und CEO Jürgen Greil | (c) FlyNow

Das Wiener Scaleup Necture, ehemals bekannt als Ubiq, sicherte sich 2024 ebenfalls neue finanzielle Mittel. Mit einer erweiterten Series-A-Finanzierungsrunde in Höhe von insgesamt 2,5 Millionen Euro und einem Rebranding fokussiert sich das Unternehmen auf die Weiterentwicklung seiner SaaS-Plattform. Sie bietet Datenanalysen und Empfehlungen für das sogenannte “Rebalancing” der Flotten, einschließlich optimaler Zeitpunkte und Orte zum Laden von Elektrofahrzeugen.

Christian Adelsberger | (c) Necture

Ernährung und Landwirtschaft

Das Jahr 2024 brachte bedeutende Fortschritte und Innovationen im Bereich Ernährung und Landwirtschaft hervor, wobei österreichische Startups im Bereich der alternativen Proteine zahlreiche Fortschritte erzielten.

Das Wiener Food-Tech-Startup Revo Foods setzte mit der Eröffnung der “Taste Factory” einen neuen Maßstab. Diese weltweit größte Anlage für 3D-Lebensmitteldruck im industriellen Maßstab ermöglicht die Produktion von bis zu 60 Tonnen pflanzlicher Fischalternativen pro Monat. Mit der innovativen “3D-Structuring Technology” entwickelt Revo Foods komplexe Texturen, die Muskelfleisch täuschend echt nachahmen. Das Unternehmen plant, mit seinem Produkt “The Filet – Inspired by Salmon” pflanzliche Fischalternativen im großen Stil verfügbar zu machen.

Gründer Robin Simsa | (c) Revo Foods

Fortschritte erzielte auch das Wiener Biotech-Startup Fermify, dessen rein pflanzliches Kasein im Jahr 2024 von der US-amerikanischen Lebensmittelbehörde FDA als “Generally Recognized As Safe” (GRAS) eingestuft wurde. Dieses pflanzenbasierte Milcheiweiß, entwickelt unter der Leitung von Gründerin und CEO Eva Sommer, ermöglicht die Herstellung von Käse- und Molkereiprodukten ohne tierische Bestandteile. Die GRAS-Anerkennung öffnet Fermify den Weg zur internationalen Markteinführung und unterstreicht die Bedeutung der Präzisionsfermentation für die Entwicklung nachhaltiger Lebensmittelalternativen.

Fermify, veganer Käse, GRAS, FDA
(c) Dani-Ella-Photography – Christoph Herwig und Eva Sommer von Fermify.

Auch neue Startups am Markt wie Green Lilly zeigten, wie Innovation und Nachhaltigkeit in der Lebensmittelbranche kombiniert werden können. Das erst 2024 gegründete oberösterreichische Unternehmen spezialisierte sich auf vegane Gemüseaufstriche in der Tube, die durch natürliche Zutaten, hohen Proteingehalt und lange Haltbarkeit überzeugen. Mit fünf Sorten, die bereits auf internationalen Märkten Aufmerksamkeit erregen, möchte Green Lilly 2025 seine Expansion in Europa vorantreiben.

Gründerin Lilly Messner und Markenbotschafter & Profifußballer Kevin Danso (c) Green Lilly

Im Bereich alternativer Proteinquellen setzte das Wiener Startup Livin Farms seine Expansion in Europa fort. Mit automatisierten Insektenmastanlagen, die jährlich bis zu 100.000 Tonnen organisches Material in Ressourcen wie Protein, Fett und Düngemittel umwandeln, betreut das Unternehmen nun Projekte in Österreich, Spanien, Belgien und Deutschland.

Livin Farms-Gründerin Katharina Unger | (c) Paris Tsitsos / Livin Farms
Livin-Farms-Gründerin Katharina Unger | (c) Paris Tsitsos / Livin Farms

Einen Beitrag zur landwirtschaftlichen Ressourcenschonung leistete das Boku-Spin-off Agrobiogel mit seinem Hydrogel-Granulat “Retentis”. Das biobasierte Produkt kann ein Vielfaches seines Eigengewichts an Wasser speichern und Pflanzen während Trockenperioden versorgen, wodurch Dürreschäden reduziert werden. Dank eines Millioneninvestments wird im ersten Quartal 2025 eine Produktionsanlage in Kooperation mit der Austrocel Hallein GmbH in Betrieb genommen, um die Skalierung dieser innovativen Technologie voranzutreiben.

Gibson S. Nyanhongo, Christoph Ertl und Tobias Keplinger | (c) Agrobiogel

Kreislaufwirtschaft

Das steirische Unternehmen Supaso eröffnete in Löffelbach einen neuen Produktionsstandort, der mit einer Investition von drei Millionen Euro finanziert wurde. In der 3.000 Quadratmeter großen Produktionsstätte produziert Supaso nachhaltige Isolierverpackungen aus recyceltem Altpapier, die insbesondere für den Kühl- und Tiefkühlversand von Lebensmitteln, Babynahrung, Tierfutter und Arzneimitteln eingesetzt werden. Zukünftig plant das Unternehmen, auch Akustikpaneele zur Schalldämmung sowie stoßsichere Verpackungslösungen anzubieten.

Supaso Verpackung aus Recylcingpapier Isoliermaterial umweltfreundlich Fabian Gems Georg Lackner
v.l. Co-Founder Georg Lackner und Fabian Gems (c) Elisabeth Pollak

Im Bereich Kohlefaser-Recycling machte das Linzer Startup Carbon Cleanup 2024 bedeutende Fortschritte. Mit der Inbetriebnahme einer neuen, leistungsstarken Anlagengeneration im August konnte das Unternehmen seine Kapazität auf bis zu 200 Tonnen Kohlenstofffasern pro Jahr erhöhen. Zusätzlich erhielt Carbon Cleanup eine Förderung der Austria Wirtschaftsservice (aws) in Höhe von 700.000 Euro, um die Produktion weiter auszubauen. Eine Kooperation mit KTM Technologies ermöglicht es dem Unternehmen, einen geschlossenen Materialkreislauf für Carbonfaser-Abfälle zu etablieren, was einen wichtigen Schritt für die Kreislaufwirtschaft in der Industrie darstellt.

(c) Carbon Cleanup

Auch der Gründer von öKlo, Niko Bogianzidis, präsentierte 2024 ein visionäres Projekt: “öKlo-Land”, ein Biomasse-Recycling-Center auf 13.000 Quadratmetern nahe Wien, soll ab 2026 organische Wertstoffe wie menschliche Fäkalien in nachhaltige Produkte wie Struvit-Langzeitdünger, Biogas und Holzfaser-Beton umwandeln. Um das Vorhaben zu realisieren, ist die Gründung eines neuen Unternehmens geplant. Bogianzidis möchte sich künftig vollständig auf dieses Projekt konzentrieren und sich aus dem operativen Geschäft von öKlo zurückziehen.

öKlo, Toilette der Zukunft, Phosphor,
(c) öKlo – öKlo-Gründer Niko Bogiansidis.

Neben diesen Entwicklungen setzte das Wiener Scaleup refurbed seinen Wachstumskurs fort und expandierte in die Märkte Belgien, Finnland, Portugal und Tschechien. Mit über 18.000 erneuerten Elektronikprodukten und einer starken Akzeptanz in Osteuropa stärkte refurbed 2024 seine Position als führender Anbieter nachhaltiger Elektroniklösungen. Das Unternehmen plant auch 2025, sein Sortiment weiter auszubauen und beschäftigt mittlerweile über 300 Mitarbeitende.

Das refurbed-Founderteam Kilian Kaminski, Peter Windischhofer und Jürgen Riedl (c) refurbed

Das Grazer Startup Metaloop, ehemals Schrott24, beschleunigte 2024 sein Wachstum nach einer erfolgreichen Series-A-Finanzierungsrunde 2023. Mit monatlichen Umsätzen im achtstelligen Bereich und einem Fokus auf größere B2B-Kunden sowie Produktentwicklung verfolgt Metaloop das Ziel, einen globalen Standard für den Altmetallhandel zu etablieren.

Metaloop, Investment
(c) Metaloop – Die beiden Metaloop-Founder Jan Pannenbäcker (r.) und Alexander Schlick.

Auch nachhaltige Lösungen im Hotelgewerbe zeigten Erfolge: Das Wiener Startup MATR erhielt eine weitere Finanzierung durch Greiner Innoventures und baut sein Angebot für nachhaltige Matratzenlösungen aus, die vollständig recycelbar sind. Neben der Belieferung von über zehn renommierten Hotels plant MATR für 2025 eine Expansion in den Endkundenmarkt und setzt auf EU-Ecodesign- und Circular-Design-Kriterien, um die Kreislaufwirtschaft auch in der Hotellerie voranzutreiben.

v. l. n. r.: Die MATR-Gründerinnen Michaela Stephen und Verena Judmayer mit Christoph Zipko, Senior Venture & Business Model Manager bei Greiner Innoventures und Philipp Kranewitter, Senior Expert Innovation Manager bei Greiner Innoventures | (c) Lisi Specht

Lieferketten und C02-Monitoring

Das Wiener Scaleup Prewave, spezialisiert auf KI-basierte Lösungen für Lieferkettenrisikomanagement, sicherte sich 2024 in einer Series-B-Finanzierungsrunde 63 Millionen Euro. Angeführt wurde die Runde von der Investmentgesellschaft Hedosophia, mit Beteiligung bestehender Investoren wie Creandum, Ventech, Kompas, Speedinvest und Working Capital Fund. Das 2017 von Lisa Smith und Harald Nitschinger gegründete Unternehmen plant auch 2025, mit diesem Investment seine globale Expansion voranzutreiben und die Weiterentwicklung seiner KI-Technologie zu forcieren. Prewaves Plattform identifiziert weltweit 140 Risikoarten, darunter Naturkatastrophen, Cyber-Risiken und ESG-Verstöße, und analysiert Daten in über 400 Sprachen, um Unternehmen bei der Einhaltung internationaler Vorschriften zu unterstützen. Mit dieser Finanzierung strebt Prewave insbesondere eine Expansion in den US-Markt an.

Die Prewave-Gründer:innen Lisa Smith und Harald Nitschinger | (c) Viktoria Waba / brutkasten

Das Wiener Startup EcoNetix, gegründet 2023 von Jakob Zenz und Paul Nimmerfall, erhielt 2024 ein Millioneninvestment, um seine datengetriebene Lösung zum Monitoring und Tracking von CO2-Einsparungen weiterzuentwickeln. Das Unternehmen arbeitet bereits mit Partnern in sechs Ländern auf drei Kontinenten, darunter Aufforstungsprojekte in Afrika und Renaturierungsprojekte an Küsten, und strebt den Aufbau eines weltweiten Carbon-Credit-Portfolios an. Mit Sensoren sammelt EcoNetix Live-Daten, die mehr Transparenz im CO2-Markt schaffen und das Vertrauen in Kompensationsprojekte stärken.

Die beiden EcoNetix-Gründer Paul Nimmerfall und Jakob Zenz (v.l.n.r.) | (c) brutkasten / fabian krausböck

Einen weiteren wichtigen Meilenstein erreichte 2024 auch Everest Carbon, ein Climate-Tech-Startup mit Wurzeln in Linz und Sitz in San Francisco. Das Unternehmen sicherte sich 2024 ein Investment von drei Millionen US-Dollar, finanziert durch Carbon Removal Partners aus Zürich, Ponderosa Ventures aus New York und die Carbon Drawdown Initiative aus Bayern. Trotz der internationalen Ausrichtung bleibt die Forschungs- und Entwicklungsarbeit im Linzer Tech Harbor verankert. Das Kapital fließt in die Weiterentwicklung und Skalierung der firmeneigenen Sensortechnologie, die den Prozess der beschleunigten Gesteinsverwitterung zur CO2-Bindung messbar und skalierbar macht.

Das Gründerteam von Everest Carbon (c) Everest Carbon

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