15.10.2024
IM EPIZENTRUM

Wie Prewave die Nadel im Heuhaufen globaler Lieferketten findet

Gestörte Lieferketten können Unternehmen Millionen kosten. Lisa Smith und Harald Nitschinger helfen mit Prewave, schnell darauf zu reagieren – und haben dafür im 2024 ein 63 Mio. Euro Investment aufgenommen.
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Die Prewave-Gründer:innen Lisa Smith und Harald Nitschinger | (c) Viktoria Waba / brutkasten

Dieser Beitrag erschien zuerst in der aktuellen Ausgabe unseres Printmagazins – “Kettenreaktion”. Eine Downloadmöglichkeit findet sich am Ende des Artikels.

Es ist Anfang August. Draußen klettert das Thermometer auf über 30 Grad, doch im Office von Prewave am Austria Campus im zweiten Wiener Bezirk herrscht angenehme Kühle. Im Inneren des modernen Bürogebäudes wirkt es ruhig, fast schon gelassen. Von außen deutet nur ein kleines Schild an einer unscheinbaren Glastür darauf hin, dass hier Prewave seinen Sitz hat. Das 2017 von Lisa Smith und Harald Nitschinger gegründete Unternehmen zählt aktuell zu den erfolgreichsten Scaleups Österreichs: Erst Ende Juni gab das Unternehmen den Abschluss seiner Series-B-Runde in Höhe von 63 Millionen Euro bekannt. Es handelt sich hierzulande um die zweitgrößte Finanzierungsrunde im ersten Halbjahr 2024. Prewave ermöglicht mit seiner Plattform derzeit über 200 Großunternehmen, Risiken in der globalen Lieferkette zu erkennen und zu minimieren. Zu den Kunden zählen bekannte Global Player, darunter BMW, Lufthansa oder Ferrari.

Wer das Büro betritt, muss sich registrieren – ungewöhnlich in der oft legeren Startup-Welt. Sicherheit wird jedoch bei Prewave großgeschrieben. Das gilt nicht nur für die Serverräume im Inneren des Gebäudes, sondern auch für externe Besucher:innen. Im Empfangsbereich sind Plakate an der Wand angebracht: „Protect your People, Protect your Planet“ prangt hier in großen Lettern – ein Leitmotiv von Prewave. Es wirkt fast wie ein Mantra, das die Werte des Unternehmens für die mittlerweile über 200 Mitarbeiter:innen von Prewave klar definiert. Hier geht es um mehr als nur Risikomanagement der Lieferkette: Prewave ist mit der Mission angetreten, Transparenz und Verantwortung in globalen Lieferketten zu fördern.

Schulfreundschaft und akademische Ausgründung

Die Wurzeln von Prewave liegen im akademischen Umfeld. Lisa Smith begann 2012 ihre Forschung an der Technischen Universität Wien im Bereich Wirtschaftsinformatik. Ihr Schwerpunkt lag dabei auf Supply Chain Management. In ihrer Doktorarbeit beschäftigte sich Smith mit maschinellem Lernen und Datenanalyse. Sie bilden die Grundlage, um weltweit lokale Ereignisse anhand von öffentlichen Medien, Social Media oder internationalen Handelsdaten in Echtzeit zu erkennen. Parallel zu ihrer akademischen Arbeit nahm Smith an mehreren Inkubationsprogrammen teil. „Wir wurden dazu motiviert, ‚out of the box‘ zu denken und unsere Forschung in Pitchdecks zu verwandeln. In dieser Zeit ist auch der Gedanke immer mehr gewachsen, gemeinsam mit Harald ein Unternehmen zu gründen“, erzählt Smith.

(c) brutkasten / Viktoria Waba

Kennengelernt hatten sich Smith und Nitschinger schon 2002: an ihrem ersten Schultag in der HTL Spengergasse in Wien. Beide waren in derselben Klasse – ein Zufall, der den Grundstein für eine langjährige Zusammenarbeit und Freundschaft legen sollte. „Wir haben gemeinsam Programmieren gelernt und fünf Jahre lang die HTL durchschritten“, erinnert sich Nitschinger “Viele der ersten Mitarbeiter unseres späteren Unternehmens waren ebenfalls aus unserer HTL Abschlussklasse.“ Beide verband eine enge Freundschaft: „Wir waren gut befreundet und sind nach der Matura in Kontakt geblieben. Lisa und ich haben immer das Hobby des Wanderns geteilt“, erzählt Nitschinger weiter. Beim Wandern tauschten sie sich oft über ihre beruflichen Pläne aus. Der Entschluss zur Unternehmensgründung fiel schließlich im September 2016. „Harald und ich waren in einem indischen Restaurant essen und haben darüber gesprochen. Es war keine große Überzeugungsarbeit auf beiden Seiten nötig. Wir haben uns dann entschieden: Wir machen das gemeinsam“, so Smith.

Komplementäre Fähigkeiten

Während Smith ihren PhD-Background an der TU Wien hat, studierte Nitschinger an der FH Joanneum in Graz Internationales Management. Später sammelte er über drei Jahre Erfahrung im Vertrieb einer Grazer Softwarefirma. „Ich würde sagen, wir ergänzen uns auf jeden Fall, haben aber auch einen großen Overlap“, erklärt Smith in Bezug auf die komplementären Fähigkeiten des Gründerduos. „Harald hat auch ein starkes Verständnis für die technischen Themen. Umgekehrt habe ich aber auch Wirtschaftsinformatik studiert und deshalb ebenso ein Verständnis für die betriebswirtschaftlichen Aspekte.“ Und sie ergänzt: „Dieses ganze Thema rund um EnterpriseSoftware-Sales war für mich allerdings komplett neu. Es ist eine ganz andere Denkweise als im akademischen Bereich, wo man sehr genau und exakt arbeitet.“ Ihr Co-Founder fügt schmunzelnd hinzu: „Enterprise-Software-Sales ist mehr eine Kunst als eine Wissenschaft.“

Enterprise-SoftwareSales ist mehr eine Kunst als eine Wissenschaft.

Harald Nitschinger

Unternehmensgründung und Product-Market-Fit von Prewave

Die Unternehmensgründung von Prewave im Sommer 2017 folgte einer klaren Vision. „Unser Ziel war es immer, eine globale Plattform zu bauen, die sich wiederholbar verkaufen lässt“, so Smith. Nitschinger ergänzt: „Es war erstaunlich konstant, wir haben eigentlich nicht wirklich gepivotet. Wir hatten aus Lisas Forschung bereits einen funktionierenden Prototyp, aber es hat uns trotzdem gut zwei Jahre gekostet, den richtigen Product-Market-Fit zu finden.

Nachdem es Smith und Nitschinger gelungen war, die Technologie in ein konkretes Produkt zu überführen, begann Prewave, richtig Fahrt aufzunehmen. Erste finanzielle Unterstützung erhielten sie unter anderem durch eine Förderung der Austria Wirtschaftsservice (aws). Durch zahlreiche Pilotprojekte und enge Zusammenarbeit mit ersten Kunden konnten sie die Technologie verfeinern und auf die Bedürfnisse des Markts zuschneiden. Heute nutzen über 200 Unternehmen weltweit die Plattform von Prewave, um globale Ereignisse in Echtzeit zu erkennen. Im Zentrum steht das Erkennen von Risiken, um anschließend Aktionen setzen zu können.

(c) brutkasten / Viktoria Waba

Von Naturkatastrophen über politische Unruhen bis hin zu Menschenrechtsverletzungen – Prewave überwacht eine Vielzahl von Risiken und warnt Unternehmen frühzeitig. „Unsere Plattform analysiert über 1,3 Millionen Lieferanten in mehr als 400 Sprachen“, erklärt Smith. „Wir können aktuell über 150 verschiedene Risikoereignistypen in Echtzeit erkennen. Das reicht von Umweltverstößen über Streiks bis hin zu Schließungen von Fabriken.”

Die Macht der Daten

Prewave setzt auf öffentlich zugängliche Datenquellen wie Nachrichtenmedien, soziale Netzwerke oder Websites von lokalen Regierungen sowie Sanktionslisten. Für das sogenannte Lieferketten Mapping werden zudem Lieferkettendaten von Kunden hinzugezogen. Diese Informationen werden von der KI in Echtzeit verarbeitet und gefiltert. Ziel ist es, die wichtigsten Risikofaktoren zu identifizieren.

Die größte Herausforderung ist es, die relevanten Daten aus einer riesigen Menge an Informationen herauszufiltern“, sagt Smith. „Wir reden hier von Millionen von Nachrichtenmeldungen täglich. Es ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.“ In der Arbeit von Prewave geht es nicht nur darum, die Risiken zu erkennen, sondern sie auch verständlich und handhabbar für die Kunden zu machen. Prewave fasst die Daten zusammen, filtert sie nach Relevanz. „Der erste Schritt ist es, relevante Inhalte aus einer Vielzahl von Quellen zu identifizieren. Step zwei ist dann, diese Informationen zu clustern und in eine verwertbare Meldung, einen ‚Actionable Alert‘, für unsere Kunden zu verwandeln“, so Smith.

Reaktives und aktives Handeln

Die Prewave-Technologie zur Überwachung von Lieferketten findet branchenübergreifend Anwendung, einer der Hauptkundenstämme der Plattform ist jedoch die Automobilindustrie. “Gerade in der Automotive-Industrie, die sehr stark von Lieferketten abhängig ist, helfen wir, Risiken frühzeitig zu identifizieren und Maßnahmen zu ergreifen“, so Nitschinger. Als Beispiel führt er BMW an: Der deutsche Automobilhersteller verfügt über 50.000 Lieferanten weltweit. BMW nutzt aktuell die Plattform von Prewave, um frühzeitig Informationen über Risiken in der Lieferkette zu erhalten, bevor diese in westlichen Medien auftauchen. „Es gab Fälle, in denen wir Informationen über Umweltverschmutzung in Entwicklungsländern schon Monate vorher an BMW übermittelt haben, bevor es in westlichen Medien wie dem ‚Spiegel‘ oder der ‚Frankfurter Allgemeinen‘ berichtet wurde“, erklärt Nitschinger. BMW oder andere Kunden von Prewave können so „rechtzeitig darauf reagieren“ und proaktiv Maßnahmen ergreifen. „Das Ziel ist nicht, die Lieferanten abzustoßen, sondern sie zu verbessern“, so Nitschinger.

Unsere Plattform analysiert über 1,3 Millionen Lieferanten in mehr als 400 Sprachen.

Lisa Smith

Prewave versteht sich jedoch nicht als Consulting-Unternehmen, sondern arbeitet im Bereich von Maßnahmen mit Partnern zusammen. „Ein Beispiel ist der TÜV Süd, einer der weltweit größten Auditoren, der Teil unserer Action-Plattform ist. Dort schlagen wir unseren Kunden vor, in bestimmten Fällen Audits oder Trainings mit Partnern durchzuführen, um Risiken in der Lieferkette zu minimieren“, erläutert Nitschinger. Es geht jedoch nicht nur um das reaktive Handeln „Interessanter ist eigentlich fast noch der proaktive Teil. Hier schauen wir uns bereits im Vorfeld an, wo die riskanten Stellen in der Lieferkette sind“, so Smith.

Ein Ereignis, das viele Unternehmen unerwartet getroffen hat, war der Ukraine-Krieg. Viele hätten erst zwei bis drei Wochen nach Kriegsbeginn bemerkt, dass ihre Lieferkette betroffen war, erklärt Nitschinger. „Es kam oft vor, dass Unternehmen erst nachträglich herausfanden, dass Lieferungen nicht mehr kommen, weil sie nicht vom direkten Lieferanten, sondern von einem Unterlieferanten in der zweiten oder dritten Stufe aus der Ukraine stammten.“ Besonders Automobilhersteller waren betroffen, die aufgrund dieser Unterbrechungen mehrere Wochen schließen mussten. Prewave half seinen Kunden, diese Risiken frühzeitig zu identifizieren und das gesamte Liefernetzwerk besser zu verstehen. “Heute zeigen wir unseren Kunden nicht nur, was passiert, sondern auch, was die nächste ‚Ukraine-Situation‘ sein könnte, etwa durch Szenarien wie Taiwan. So können sie schon jetzt proaktive Maßnahmen ergreifen, etwa alternative Lieferanten als Plan B identifizieren“, erläutert Nitschinger.

Prewave: Verdreifachung des Umsatzes im Jahr 2023

In den vergangenen Jahren haben sich geopolitische Unsicherheiten stark auf globale Lieferketten ausgewirkt, etwa die Spannungen zwischen den USA und China oder die Konflikte im Nahen Osten. Hinzu kommen immer strengere Regulierungen, etwa das EU-Lieferkettengesetz, die Batterieverordnung oder die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR). „Das alles zusammen erzeugt einen enormen Bedarf, dass sich alle Unternehmen von Groß bis Klein softwaremäßig neu aufstellen müssen“, erklärt Nitschinger. Das EU-Lieferkettengesetz wird von den beiden Gründer:innen als wichtiger Rückenwind für das Wachstum der Plattform gesehen, allerdings nicht als der einzige Treiber.

(c) brutkasten / Viktoria Waba

Prewave verdreifachte 2023 den Umsatz – genaue Angaben zur Höhe des Umsatzes machen die beiden Gründer:innen allerdings nicht. Smith hält jedoch fest: „Wir sehen gerade eine sehr große Welle vor uns. Mit unserer All-in-one-Lösung können wir Disruptionsrisiken, Nachhaltigkeitsrisiken und Compliance-Risiken bearbeiten. Wir befinden uns im Epizentrum dieser drei Segmente.“

Während viele heimische Scaleups im vergangenen Jahr ihr Wachstum der Profitabilität unterordneten, liegt der Fokus bei Prewave klar auf Umsatzwachstum. „Wir sind ein klassisches VC-finanziertes Startup, bei dem Profitabilität aktuell nicht an erster Stelle steht“, so Smith. Die nächsten drei bis fünf Jahre sieht die Gründerin als „Window of Opportunity“, in dem das Unternehmen so viel Marktanteil wie möglich gewinnen will. „Unsere Aufgabe ist es, jetzt möglichst viel von diesem Markt zu besetzen“, so Smith. Das Ziel ist es, ein initiales Wachstum zu erzielen, bevor es langfristig um Profitabilität und einen möglichen Börsengang (IPO) geht. Ein solcher käme jedoch frühestens in fünf Jahren infrage.

63 Millionen Euro Finanzierungsrunde von Prewave

Die jüngste SeriesB-Finanzierungsrunde in Höhe von 63 Millionen Euro beschreibt Smith als sehr kompetitiv. „Natürlich ist Fundraising immer viel Arbeit, aber es gab viel Nachfrage, was den Prozess erleichtert hat“, so die Gründerin. Die Runde wurde von der britischen Investmentgesellschaft Hedosophia angeführt, weiters beteiligten sich die Bestandsinvestoren Creandum, Ventech, Kompas, Speedinvest und Working Capital Fund. Innerhalb des Teams haben Smith und Nitschinger eine klare Rollenverteilung: „Ich bin die Fundraiserin und Harald ist der Seller. Wir holen beide das Geld aus unterschiedlichen Bereichen rein“, so Smith.

Wir reden hier von Millionen von Nachrichtenmeldungen täglich. Es ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

Lisa Smith

Mit dem gesammelten Kapital setzen die beiden Gründer:innen zwei Prioritäten: „Zum einen werden wir weiterhin in unsere Produktentwicklung und das AI-Modell investieren, um unsere Technologieführerschaft auszubauen. Zum anderen liegt der Fokus auf der internationalen Expansion, vor allem in Europa, wo wir uns als Marktführer positionieren wollen“, sagt Smith.

Prewave legt den Fokus aktuell klar auf den europäischen Markt. Dieser entwickle sich aufgrund von Regulierungen und eines starken Nachhaltigkeitstrends besonders dynamisch. „Der Markt in Europa ist gerade wahnsinnig spannend, und vieles wird durch die europäischen Werte und die Regulatorik getrieben. Deshalb liegt unser Hauptaugenmerk darauf, uns hier als europäischer Marktführer zu etablieren“, sagt Nitschinger. Obwohl der amerikanische Markt ebenfalls interessant ist und Prewave derzeit plant, den ersten Schritt in die USA zu machen, steht Europa im Vordergrund: „Wir befinden uns in der ungewöhnlichen Situation, dass der europäische Markt momentan attraktiver ist als der amerikanische. Europa ist der Hotspot, und alle schauen hierher“, betont Nitschinger.

Die Herausforderungen des Wachstums von Prewave

Prewave wächst rasant – die Mitarbeiter:innenzahl verdoppelte sich innerhalb eines Jahres. Dies stellt das Unternehmen jedoch auch vor eine Reihe von Herausforderungen. „Natürlich ist es nicht einfach, wenn man so schnell wächst. Es geht nicht nur darum, ein bestehendes, laufendes Geschäft erfolgreich zu halten, sondern auch darum, gleichzeitig neue Dinge zu entwickeln und weiterhin innovativ zu bleiben“, erklärt Smith.

Ich bin die Fundraiserin und Harald ist der Seller. Wir holen beide das Geld aus unterschiedlichen Bereichen rein.

Lisa Smith

Eine wichtige Erkenntnis dabei ist, proaktiv zu sein, insbesondere bei Management Entscheidungen. „Man muss immer vorausdenken und sich darauf einstellen, was die Organisation in sechs oder zwölf Monaten braucht“, betont Smith. Ein weiteres Learning ist, dass Change Management mit zunehmender Unternehmensgröße immer komplexer wird. Es ist entscheidend, die Kommunikation und Einbindung aller Mitarbeiter:innen sorgfältig zu planen, um Überraschungen zu vermeiden. Neben diesen organisatorischen Aspekten hebt Nitschinger hervor, dass Qualität vor Quantität stehen muss: „Es sind nicht immer nur mehr Leute die Lösung, sondern die richtigen Leute.”

Trotz der Herausforderungen des schnellen Wachstums sind die beiden Gründer:innen fest entschlossen, neue Maßstäbe im globalen Lieferkettenmanagement zu setzen. „Je größer Prewave wird, desto stärker ist unser Impact; mit jedem neuen Kunden“, sagt Smith über ihre Vision, Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße in Lieferketten zu vermeiden. Und sie merkt an: „Wir wollen es so machen, dass das Ganze zu besseren Lieferketten führt und nicht zu Bürokratie oder anderen Effizienzverlusten.“ Und so bleibt die Botschaft an der Wand im Prewave Office, „Protect your People, Protect your Planet“, mehr als nur ein Slogan – sie ist auch der persönliche Antrieb der beiden Gründer:innen, die sich einst an ihrem ersten Schultag an der HTL kennenlernten. Zum Abschluss geben Smith und Nitschinger jungen Gründer:innen noch einen Rat mit auf den Weg: „Fragt euch, ob ihr bereit seid, die nächsten zehn Jahre eures Lebens in diese eine Sache zu investieren“, so Smith. Und Nitschinger ergänzt: „Wenn die Antwort Ja ist, dann macht es. Wenn nicht, dann lasst es.”



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Das Holloid-Team (c) Laszlo Toth

Österreich ist bekannt für sein gutes Leitungswasser. Umso überraschender kam vor einigen Wochen die Nachricht, dass das Leitungswasser im Klagenfurter Becken nicht getrunken werden darf. Der Grund: Verunreinigung. Mehrere Wochen dauerte es, bis das Wasser wieder zum Trinken freigegeben wurde.

Das Wiener Startup Holloid kann dafür sorgen, dass derartige Verunreinigungen viel rascher erkannt werden, um rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen treffen zu können. Das BioTech wurde im April 2022 gegründet – mit dabei war der heutige CEO Marcus Lebesmühlbacher, CPO Pinar Frank sowie CTO Peter van Oostrum und Erik Reimhult.

Seine Wurzeln schlug Holloid schon im Jahr 2011 an der Universität für Bodenkultur – heute BOKU University – in Wien: Mitgründer van Oostrum und Reimhult arbeiteten damals als Senior Scientist und Professor zusammen. Kurz danach wurde das erste Mikroskop für Holographie angepasst. 2018 wurde das erste von mehreren Patenten angemeldet. 2020 kam der heutige CEO Marcus Lebesmühlbacher hinzu. Gemeinsam wurde der Name “Holloid”, ein Kofferwort aus “Holographie” und “Kolloid” erdacht. 2021 komplettierte CPO Pinar Frank das Gründerteam.

Holloid Graphic Monitoring (c) Laszlo Toth

Ob Flüssigkeiten und Gewässer sauber sind, weiß Holloid

Zu viert ging es an die Sache: Das Team entwickelte eine Hard- und Software, die Bioprozesse überwachen und Krankheitserreger in Flüssigkeiten entdecken kann.

Konkret bietet Holloid sogenannte “holographische Mikroskopie zur Bioprozesskontrolle”, unter anderem zur Prüfung der Hygiene von Wasser oder Flüssigkeiten. Angewandt wird das Ganze in der Pharma-, Lebensmittel-, Umwelt- und Chemiebranche und eignet sich unter anderem zur Herstellung von Pharmazeutika und Lebensmitteln sowie zum Monitoring der Wasserqualität in Flüssen, Seen oder Gewässern.

Mit seiner Lösung richtet sich Holloid nicht direkt an den Endverbraucher, sondern an Business-Kund:innen. Das Unternehmen bietet diesen ein Leasing- und SaaS-Modell sowie eine Hardware-Lösung mit zugrunde liegender Technologie. Die Soft- und Hardware-Kombi erstellt “3D-Bilddaten und KI-gestützte Analysen”, wie Lebesmühlbacher gegenüber brutkasten erklärt.

“Tausendmal schneller als manuelle Mikroskope”

Der Durchsatz, also die Menge an Flüssigkeitsproben, ist bei Holloid-Analysen mehrere Millionen Mal so hoch und “tausendmal schneller” als bei manuellen Mikroskopen. Außerdem passiert der Prozess “vollautomatisiert” und Cloud-basiert.

Hollometer, die Hardware von Holloid (c) Laszlo Toth

“Wir können Dinge sehen, die mit manueller Mikroskopie verloren gehen”

Dafür hat Holloid ein Gerät gebaut, das über Pumpen Proben aus durchlaufenden Flüssigkeiten ziehen kann. “Die Probe wird aus der zu analysierenden Flüssigkeit gezogen, geht durch unser Gerät, wird analysiert und geht dann wieder zurück in den Prozess oder in den Abfluss”, erklärt Lebesmühlbacher.

In der besagten Holloid-Hardware-Box, Hollometer genannt, durch die die aufgenommene Flüssigkeit fließt, werden Bilder mit Lichtmikroskopie erstellt, verarbeitet und an die Holloid-Cloud geschickt. Dort kommt es dann zur “Magic”, so Lebesmühlbacher: “Wir gewinnen 3D-Daten über alle Partikel, die im Sichtfeld sind, und das in einem viel höheren Volumen als bei manueller Mikroskopie. Wir können dort Dinge sehen, die mit manueller Mikroskopie verloren gehen”.

Damit kann Holloid “kontinuierliches Monitoring” betreiben. Dank der automatischen Auswertung meldet sich die Holloid-Software sofort, sollte es in den Proben zu Normabweichungen kommen. Die Analyse von (Leitungs-)Wasser und das Sicherstellen sauberen Trinkwassers ist dabei ein häufiges Thema, meint Lebesmühlbacher.

aws-Förderung war “größte finanzielle Stütze”

In puncto Finanzierung ist das Wiener Spinoff bislang viergleisig gefahren: “Die größte und wichtigste Stütze waren die Förderungen der Austria Wirtschaftsservice”, erzählt Lebesmühlbacher im Interview.

Konkret habe das Startup die aws Pre-Seed- und Seed-Förderung sowie den aws Innovationsschutz erhalten. Für Holloid gab es neben den aws-Förderungen auch finanzielle Hilfen vonseiten der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und der Wirtschaftsagentur Wien.

“Wir gehen voll in das Risiko rein”

Die zweite große Finanzierungsquelle sei das eingebrachte Kapital vonseiten des Gründerteams: “Wir gehen voll in das Risiko rein. Wir sind von unserer Technologie überzeugt”, meint der CEO gegenüber brutkasten. “Wir hören, was unsere Kunden sagen. Und das stimmt uns optimistisch. Deshalb ist auch der Anteil unserer Eigenmittel am Unternehmen recht groß.”

Mittlerweile generiert das Spinoff auch zunehmend Umsätze – die dritte Säule des Startups. Und schließlich erhält sich das Spinoff auch aus Preisgeldern: Holloid hat bisher zehn Awards abräumen können. “Das waren insgesamt schon mehrere 10.000 Euro”, verrät Lebesmühlbacher.

Kunden zahlen und sind streng vertraulich

Im Markt vertreten ist Holloid bereits. Das Kundenfeld sei allerdings “streng vertraulich” und ziemlich international, aber vorerst mehrheitlich auf Europa fokussiert: “Wir haben mehrere wiederkehrende Kunden, inklusive laufender monatlicher Zahlungen. Dabei sehen wir, dass unser Geschäfts- und Preismodell funktioniert und nachhaltig ist”, sagt Lebesmühlbacher gegenüber brutkasten.

Ergo: Das Startup befindet sich nach wie vor zu 100 Prozent in Gründerhand. “Eine Finanzierungsrunde ist in Planung – und zwar in den nächsten Monaten, ab 2025”, verrät Lebesmühlbacher.

Gute Experten und hilfreiche Beratung

Was Holloid zu seinem bisherigen Erfolg verholfen hat, war neben der Expertise des Gründerteams schließlich auch die Unterstützung von außen: “Vor allem die aws Pre-Seed- und Seed-Förderung waren für die Anfänge unseres Forschungs- und Entwicklungsprojektes wichtig. Der aws Innovationsschutz gab uns dann hilfreiche Beratung. In puncto Intellectual Property hat die aws echt gute Experten”, merkt der CEO weiter an. Gemeinsam erarbeitete man eine Patent- und Intellectual-Property-Strategy.

Breites Anwendungsgebiet, klare Strategie

Bislang hat das Wiener Spinoff die Bereiche Wasserversorgung, Pharma, Lebensmittel, Umwelt und Chemie ausgelotet. Dieses breite Anwendungsgebiet macht eine klar strukturierte Markteintritts- und expansionsstrategie unabdingbar. Diese hat Holloid, erläutert Co-Gründer Lebesmühlbacher.

Langfristig will sich das Unternehmen in der Überwachung von Bioprozessen etablieren. Anwendungsbereiche sind die Pharmaindustrie von der Forschung und Entwicklung bis zur Produktionsüberwachung, die Lebensmittelindustrie rund um alternative Proteine, Lipide (Fette), Vitamine und Antioxidantien sowie die Grüne Chemie mit Kunststoffen aus Mikroben und deren Umwandlung für einen natürlichen Stoffkreislauf.

Positiven Einfluss auf Umwelt maximieren

“Gemeinsam mit unserem kommerziellen Erfolg streben wir danach, unseren positiven Einfluss auf die Umwelt und die Gesellschaft zu maximieren”, sagt Lebesmühlbacher. Statt geografischer Expansion priorisiert man bei Holloid die Frage: “Wie priorisieren wir die Ziel-Anwendungen mit Blick auf das Marktpotenzial und eine effiziente Produktentwicklung.”

“Wir sehen verschiedene Hebel, um unsere Expansion voranzutreiben. Unser Ziel ist es, innerhalb von fünf Jahren einen Umsatz in zweistelliger Millionenhöhe zu erzielen und eine strategisch wichtige Position in den Wertschöpfungsketten der Pharma- und Lebensmittelindustrie sowie in der Grünen Chemie zu erreichen”, meint Lebesmühlbacher und schließt das Gespräch mit einem kräftigen Mission-Statement: ”Im Bereich der Bioprozessüberwachung wollen wir die Nummer eins werden – kein Weg soll an uns vorbei führen.”


*Disclaimer: Das Startup-Porträt wurde in Kooperation mit der Austria Wirtschaftsservice (aws) erstellt.

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