03.10.2024
FOODTECH

60 Tonnen pro Monat: Revo Foods eröffnet neue 3D-Lebensmitteldruck-Anlage in Wien

Das österreichische FoodTech Startup Revo Foods hat eine industrielle Anlage für additive Lebensmittelproduktion in Wien eröffnet. Damit setzt das Unternehmen einen weiteren Schritt in der Skalierung seiner Technologie.
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Revo Foods, The Filet, Fisch Alternative, Salmon, lach, veganer Lachs
(c) Revo Foods - Revo Foods präsentiert mit seiner neuen Anlage zugleich auch ein neues Produkt.

Revo Foods hat in den letzten Monaten öfters für Schlagzeilen gesorgt. Im Februar wies ein Wiener Landesgericht eine Klage wegen einer vermeintlichen Täuschung von Konsument:innen ab. Einen Monat darauf präsentierte das Food-Startup eine vegane Oktopusalternative aus dem 3D-Drucker, während man im Mai des heurigen Jahres mit einem neuen Produktnamen aufwartete, um etwaigen Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen. So wird beispielsweise die Räucherlachsalternative künftig unter dem Namen “Smokey Slices – inspired by Salmon” vertrieben (brutkasten berichtete).

Viel weitreichender sind jedoch die Entwicklungen, die bei Revo Foods im Hintergrund ablaufen. So entwickelte das Unternehmen über die letzten Monate seine industrielle Produktionsmethode für 3D-gedruckte Lebensmittel weiter. Zu Jahresbeginn kündigte das Unternehmen an, mit der Technologie in die Skalierung gehen zu wollen. Zudem soll die Prozesstechnologie künftig über ein B2B-Lizenzmodell an Industriepartner vertrieben werden. Der 3D-Lebensmitteldruck beschränkt sich dabei nicht nur auf die Produktion von Fischalternativen, sondern eröffnet auch “kreative Möglichkeiten”, um neue Lebensmittel zu gestalten, wie es damals von Revo Foods hieß (brutkasten berichtete).

Revo Foods: “3D-Structuring Technology”

Rund zehn Monate nach dieser Ankündigung eröffnet Revo Foods mit der “Taste Factory“ in Wien nun die bisher größte Anlage für additive Lebensmittelproduktion (3D-Lebensmitteldruck). Bei voller Auslastung ist die Anlage auf eine maximale Kapazität von 60 Tonnen pro Monat ausgelegt, und gilt laut dem Startup als die weltweit erste Produktionsanlage mit dieser Technologie im Großmaßstab.

Dabei kombiniert die “3D-Structuring Technology” unterschiedliche Lebensmittel in komplexe Formen, etwa Fett und Protein (wie bei Muskelfleisch). So sollen neuartige Texturen geschaffen und saftige, zarte Faser-Strukturen erzeugt werden können. Dies sei speziell für pflanzliche Filet-, oder Steak Produkte relevant.

Mikronährstoffe bleiben erhalten

Eine weitere Anwendung dieser Technologie ist zudem die Herstellung von proteinreichen Lebensmitteln aus natürlichen Rohstoffen bzw. Biomassen wie Pilzprotein. Herkömmliche Verfahren der Industrie verwenden bei der Produktion oft hohe Temperaturen oder Hochdruck, was sich negativ auf den Nährstoffgehalt im Produkt auswirkt. Die Technologie von Revo Foods könne mit einem milden Prozess (bei niedriger Temperatur und geringem Druck) arbeiten. So blieben mehr Mikronährstoffe erhalten.

Laut Revo Foods sind heutige Lebensmittelproduktionen eher statisch und wenig flexibel für Produktiterationen. Durch die “3D-Structuring-Technologie” könnten komplexe Prozesse automatisiert werden, wodurch die Produktion einer Vielzahl unterschiedlicher Lebensmittel und schnelle Iterationszyklen mit ein und derselben Maschine möglich würden. Die freie Kombination von Inhaltsstoffen ermögliche es zudem, Lebensmittel mit völlig neuen Texturen und Geschmackserlebnissen zu schaffen.

“Mit der Taste Factory zeigen wir erstmals, dass diese Technologie in einem industriellen Maßstab funktioniert. Das öffnet die Tür für eine neue Generation von Lebensmittel-Innovationen. Durch 3D-Strukturierung können wir ganz neue Texturen mit einfachen, aber nährstoffreichen Zutaten wie Mycelium erzeugen, was das finale Produkt viel spannender macht”, sagt Robin Simsa, CEO von Revo Foods.

The Filet – Inspired by Salmon

Mit der neuen Produktionsanlage wird künftig auch “The Filet – Inspired by Salmon” produziert. Konkret handelt es sich dabei um ein 3D-gedrucktes rein pflanzliches Lachsfilet, das bereits im September 2023 auf den Markt gebracht wurde, bislang jedoch in kleinerer Stückzahl produziert wurde. Mit der Skalierung der Produktion kann nun flächendeckend der Einzelhandel beliefert werden. Ab heute ist es in Österreich bei über 500 Billa-Filialen und ab November auch bei Interspar erhältlich, europaweit im Revo Online Shop und bei weiteren Partnern.

Die Hauptzutat, Pilzprotein, gilt als eine der nährstoffreichsten Proteinquellen der Welt. Sie enthält laut Revo Foods ein komplettes Aminosäureprofil und hat eine höhere Bioverfügbarkeit als Rindfleisch. Mycelium wird aufgrund seines hohen Nährwerts oft als “Superfood” bezeichnet. Die natürliche Fasrigkeit mache es zudem zu einem “low processed food”.

Revo Foods und die Textur

“Biomassen wie fermentiertes Pilzprotein liegen im Trend, da sie aufgrund ihrer natürlichen Konsistenz kaum verarbeitet werden müssen und sehr nährstoffreich sind. Wir arbeiten schon an den nächsten Innovationen mit Pilzprotein, was mit 3D-Structuring sehr viel Spaß macht, da es viele Möglichkeiten bietet, das Produkt exakt nach den Vorstellungen unserer Kunden zu gestalten”, sagt Niccolo Galizzi, Head of Food Tech von Revo Food. “Unser Fokus liegt dabei darauf, was das kulinarische Erlebnis zu einem sehr großen Teil ausmacht: Die Textur, also das einzigartige Mundgefühl”.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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