12.04.2021

Bitcoin verbieten? Das wird schwer. Teil 3: Coinbase geht an die Börse

Je stärker das Ökosystem rund um Bitcoin wächst und je rascher „normale“ Unternehmen einsteigen, desto unwahrscheinlicher wird ein Verbot. Vor allem im freien Westen. Teil 3 unserer Miniserie.
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brutkasten-Kolumnist Niko Jilch zu Bitcoin-Verbot und Coinbase-Börsengang
brutkasten-Kolumnist Niko Jilch | Hintergrund (c) Adobe Stock
Dieser Artikel ist Teil 3 einer Miniserie zum Thema Bitcoin-Verbot. Hier geht’s zu Teil 1 und hier zu Teil 2.

Dass Bitcoin verboten wird, scheint für viele klar zu sein. Selbst Hedgefonds-Legende Ray Dalio rechnet damit. Aber die Chancen auf ein Verbot werden in Wahrheit jeden Tag kleiner. Bitcoin ist ein offenes Netzwerk, das jeder für seine Zwecke nutzen kann. Mit jeder neuen Firma, die Bitcoin in die Bilanz nimmt oder als Zahlungsmittel akzeptiert, dringt die Technologie weiter in den Mainstream vor.

Am 14. April geht mit Coinbase die größte Kryptobörse der USA an die Börse, genauer gesagt die Nasdaq, wo alle coolen Tech-Titel gelistet sind. Coinbase hat rund 50 Millionen Kunden – viermal so viel wie die Aktien-App Robinhood. Coinbase ist nach nur wenigen Jahren im Geschäft so etwas wie ein household name. Hier habe ich schon vor rund drei Jahren beschrieben, wie das Startup zum ersten Krypto-Giganten aufgestiegen ist.

Coinbase schreibt satte Gewinne

Der Börsegang wird dem die Krone aufsetzen. Ja, wir haben Futures, ETFs in Kanada, Firmen wie Microstrategy, die massenweise Bitcoin kaufen und Hedgefonds, die schon in Bitcoin investiert haben. Aber dennoch: Der Börsegang von COIN (so das Kürzel) wird den Moment markieren, in dem Bitcoin an der Wall Street aufschlägt. Endgültig.

Die USA haben die wichtigsten und größten Finanzmärkte. Sie geben die Richtung vor. Und die ist derzeit eindeutig. Die großen Banken und Kreditkartenfirmen sind auf den Bitcoin-Zug aufgesprungen. Mit Tesla hat erstmals eines der größten 500 Unternehmen an der US-Börse Bitcoin in die Bilanz genommen. Bloomberg spricht in einer neuen Analyse von Bitcoin als „digital reserve asset“.

Für eine junge Techfirma ungewöhnlich: Coinbase schreibt satte Gewinne. Neben Millionen von Kleinanlegern arbeitet man inzwischen mit 7000 Geschäftskunden zusammen. Coinbase ist (neben Gemini) die erste Adresse für Firmen, die Bitcoin kaufen wollen. Wenn COIN an der Börse durchstartet und so viele andere Player, von Fidelity über Goldman Sachs bis Morgan Stanley, Bitcoin inzwischen als Chance betrachten: Wie soll ein Verbot dann aussehen? Warum sollte Washington seine eigene Finanzindustrie ausbremsen, während sie gerade einen Innovationsschub mitmacht? Wir dürfen nicht vergessen: Die USA sind so etwas wie die Heimat des Kapitalismus. Im Finanzbereich die Führungsrolle zu verlieren, würde den Status Amerikas in der Welt bedrohen.

Was Peter Thiel gemeint hat, als er von China sprach

Die Spieltheorie hinter Bitcoin ist simpel und faszinierend. Sie funktioniert auf allen Ebenen. Von Individuen bis Nationalstaaten. Der Investor Peter Thiel, ein früher Bitcoin-Fan, hat die Führung in den USA gerade darauf aufmerksam gemacht, dass China Bitcoin als „Waffe“ gegen den Dollar einsetzen könnte. Die Schlagzeilen sind dementsprechend, sie stellen Bitcoin als chinesische Bedrohung dar. Aber die Bedrohung ist nicht Bitcoin, sondern China. Thiel sprach auch vom Euro als „chinesische Waffe“, aber das wurde kaum zitiert. Aber: Nur wenn Peking zuerst Bitcoin hortet und in diesem Bereich die Führerschaft übernimmt, können sie die Kryptowährung zu ihrem Nutzen einsetzen. Thiels Botschaft zwischen den Zeilen: Washington soll sich eindecken, zur Sicherheit. Weil Bitcoin die early adopter belohnt.

Auf der Ebene der Industrie das gleiche Spiel: Ein Land, das Bitcoin verbietet, bremst nicht nur den Kapitalaufbau der Investoren aus – von denen es inzwischen viele Millionen gibt, die alle wählen dürfen. Es bremst auch die Innovation in der Wirtschaft aus. Wie der norwegische Ölunternehmer Kjell Inge Rokke schreibt, werden viele der schlausten Köpfe von Bitcoin angezogen, weil es so ein radikal neues Konzept ist. Ein Land, in dem Bitcoin verboten ist, wird nicht zum Reiseziel von Investoren und Unternehmern. Es läuft eher Gefahr, sich zu isolieren.

Bitcoin funktioniert in einer offenen Gesellschaft am besten

In Österreich ist man von Anfang an offen mit dem Thema umgegangen, hat Innovation zugelassen. Und siehe da: Mit Bitpanda wurde unser Coinbase zum ersten Unicorn der Geschichte. In Deutschland hat man die Regulierung strenger ausgelegt, was die Adoption von Bitcoin gebremst hat. Anzahl der Bitcoin-Einhörner bei den Nachbarn: Null.

Die Wahrheit ist, dass Bitcoin in einer offenen Gesellschaft mit freien Märkten und klaren Regeln am besten funktioniert. Je höher der Freiheitsgrad für die Individuen, desto besser für Bitcoin und Innovation. Länder wie China, wo Kontrolle durch den Staat zum Alltag gehört, sind da im Nachteil. Der Westen muss seinen Vorsprung nutzen und Bitcoin fördern statt seine Entwicklung zu behindern. Das ist es, was Peter Thiel in meinen Augen sagen wollte – und es ist ein guter Grund gegen ein Bitcoin-Verbot.


Niko Jilch ist Finanzjournalist, Podcaster und Speaker. Website: www.nikolausjilch.com Twitter: @nikojilch

Disclaimer: Dieser Text sowie die Hinweise und Informationen stellen keine Steuerberatung, Anlageberatung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar. Sie dienen lediglich der persönlichen Information. Es wird keine Empfehlung für eine bestimmte Anlagestrategie abgegeben. Die Inhalte von brutkasten.com richten sich ausschließlich an natürliche Personen.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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