04.10.2019

Wie Personalpolitik bei Zalando funktioniert – und was Founder davon lernen können

Auch der Ecommerce-Riese Zalando muss die richtigen Hebel bedienen, um gute Developer zu finden. Magdalena Masluk-Meller von Zalando erläutert gemeinsam mit HR-Experte Benjamin Ruschin, worauf es dabei ankommt - und was Startup-Founder sich davon abschauen können.
/artikel/zalando-developer
Zalando
(c) Zalando

Lernen von den Großen: In nur wenigen Jahren wurde Zalando vom Startup zu einem börsennotierten Konzern. Das bringt gewisse Herausforderungen in Sachen Personalstruktur mit sich, und so wie andere Unternehmen muss auch Zalando die richtigen Fachkräfte finden.

+++Startup-Jobs finden mit der Jobplattform des brutkasten+++

Magdalena Masluk-Meller, Lead Sourcing and Talent Relationship Management bei Zalando, gibt der brutkasten-Community in einem Q&A Einblicke in die Personalpolitik des Unternehmens und erläutert gemeinsam mit Benjamin Ruschin, Managing Director & Co-Founder von WeAreDevelopers, was andere Founder daraus lernen können.

Wie haben sich HR und Management bei euch im Zuge des rapiden Wachstums entwickelt?

Magdalena: Aus der HR-Perspektive waren Zalandos Wachstumsschmerzen erheblich. Wir haben Führungsstrukturen entwickelt, die die den Anforderungen eines sich permanent wandelnden Marktes gerecht wurden. Wir haben auch unser Performance Management auf den Prüfstand gestellt. Beides mit dem Ziel, sie weiter zu optimieren. Weiterhin ist Zalando im Wandel, und unsere People & Organisation Abteilung wirkt dabei kräftig mit. Die klassischen HR-Prozesse, darunter auch Recruiting und Personalauswahl, professionalisieren wir währenddessen.

Wie stark divergiert das, was ihr euch zu Beginn in punkto Hierarchie vorgenommen habt von dem, was es tatsächlich wurde?

Magdalena: Bei unserer heutigen Größenordnung brauchten wir Hierarchie, um die richtige Steuerung zu gewährleisten. Flache Hierarchien stehen bei uns dafür, dass Mitarbeiter unterschiedlicher Seniorität an gemeinsamen Projekten arbeiten. Es bedeutet auch, dass man seniorige Kollegen problemlos ansprechen kann und dass diese Anschluss zu ihren Teams suchen.

Was müssen Führungskräfte bei euch können?

Magdalena: Von den Führungskräften erwarten wir großartige Leistungen und starke Führungskompetenzen. Wir bilden Führungskräfte intern aus und stellen diese auch extern ein. Unsere Führungskräfte sollten unsere Feedbackkultur leben. Sie zollen dem Team die Anerkennung für gute Arbeit und äußern Kritik, wenn Dinge nicht gut laufen. Gleichzeitig sollten sie selbst ein offenes Ohr für Feedback haben und nicht aufhören, selbst zu lernen.

Was tut ihr in Zeiten des Fachkräftemangels, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein?

Ben: Für die meisten IT-Fachkräfte ist das Thema Gehalt abgehakt. IT-Fachkräfte fokussieren sich daher auf eine Reihe weiterer Aspekte: Wer sind die Menschen und Führungskräfte in der Organisation? Wie wird Leadership gelebt und umgesetzt? Wie tickt der CTO? Werden wir vom CEO wertgeschätzt, versteht er etwas von Digitalisierung oder werden da nur fertige Pressetexte abgelesen? Werde ich im Unternehmen gechallenged, kann ich mich weiterentwickeln? Wie sieht mein Karrierepfad aus, wo kann ich in drei Jahren im Unternehmen sein? Kann ich zwischen Abteilungen, Business Units und Regionen wechseln? Ganz wichtig: Welche Weiterbildungsmöglichkeiten bietet mir der Arbeitgeber? In welchem Format, sind das Old-School-Trainings oder wird mir eine innovative Plattform geboten bzw. kann ich auf Tech-Konferenzen fahren, um mich fortzubilden und mein Netzwerk zu erweitern? Wieviel Fortbildungs-Budget bekomme ich pro Jahr? Wie ist die Diversity im Unternehmen und wie ernst nimmt der Arbeitgeber dieses Thema, welche Diversity-Initiativen gibt es? Hiermit ist übrigens nicht nur Gender-Diversity gemeint. Was tut der Arbeitgeber, um meine Work-Life-Balance zu optimieren? Kann ich remote arbeiten, wenn ich es will oder muss, und in welchem Ausmaß? Bekomme ich ein unlimitiertes Urlaubskontingent? Das alles sind Themen die Arbeitgeber proaktiv in Angriff nehmen müssen, um ein High-Performance-Umfeld zu schaffen, in dem sich alle wohlfühlen und weiterentwickeln können. Und das stellt jede Firma vor große Herausforderungen.

Magdalena: Wir setzen auf spannende Jobs und hervorragende Führungskräfte. Beide erfordern von uns heute Investitionen. Für Jobs, die aus vielen Routineschritten bestehen, soll Software herangeholt werden, so dass sie mehr Möglichkeiten für Wachstum und Weiterentwicklung bieten. Führung ist erlernbar und kann mit Training und Coaching gefördert werden. Dies sind nur zwei Elemente der People Vision, mit der P&O Zalando befähigen möchte, das Unternehmen als “Starting Point für Fashion” zu etablieren.

Auf welchem Weg rekrutiert ihr Fachkräfte?

Magdalena: Wir verwenden die ganze Bandbreite der Beschaffungswege, von der Stellenschaltung auf unserer Karriereseite und externen Jobbörsen, Mitarbeiterempfehlungen, bis zu Direktansprache über soziale Medien, im Inland und im Ausland. Mein Team ist für die Direktansprache verantwortlich. Wir suchen proaktiv nach qualifizierten Kandidaten für aktuelle und zukünftige Vakanzen. Dabei arbeiten wir mit verschiedenen Plattformen wie Xing, LinkedIn oder Amazing Hiring und treten mit den Kandidaten in Kontakt, die nicht unbedingt auf der Suche nach einer neuen Stelle sind.

+++Mehr Tipps rund um HR und New Work+++

Ben: Die letzte WeAreDevelopers-Studie (DACH & CEE, N=500) hat ergeben, dass nur sechs Prozent der befragten Software-Entwickler aktiv auf Jobsuche sind. 41 Prozent suchen nicht aktiv, sind aber offen für Angebote. Und die restlichen 53 Prozent haben kein gar kein Interesse an einem Jobwechsel. Das heißt, Arbeitgeber müssen die IT-Fachkräfte erreichen, die gerade nicht auf Jobsuche sind. Man erreicht sie auf Fachkonferenzen, auf Meetups und eben auf Web-Plattformen, die ihnen einen Mehrwert bieten, wie z.B. Stack Overflow, GitHub oder WeAreDevelopers. Bei unseren Kunden erleben wir, dass ein Mix aus unterschiedlichen Kanälen wichtig ist. Arbeitgeber müssen lernen zu experimentieren, neue Kanäle und Methoden auszuprobieren. Nicht alles wird funktionieren, aber man muss es zumindest probieren. Die Ausgangsbasis für erfolgreiches IT-Recruiting ist eine smarte Content-Strategie. Es bringt mir nichts, wenn ich auf Plattformen wie LinkedIn oder auf WeAreDevelopers Talents Content produziere, bei dem den IT-Fachkräften die Füße einschlafen. Als Arbeitgeber bin ich gefordert, authentischen Content zu produzieren, bei dem sich die IT-Fachkräfte wiederfinden, angesprochen fühlen, und der einen Unterhaltungs- oder Fortbildungs-Effekt hat. Diesen Content muss die IT entwickeln. Ein guter Tech-Blog, den die IT verfasst, dessen Beiträge über die verschiedenen Kanäle verbreitet werden, ist eine gute Ausgangsbasis und erfordert die Zusammenarbeit zwischen der IT- und der HR-Abteilung. Der CTO spielt dabei eine fundamentale Rolle.

Wie stellt ihr sicher, dass ihr möglichst schnell die interessierten Kandidaten findet?

Magdalena: Seit über einem Jahr bauen wir Talentpools auf, um Talente langfristig im Auge zu behalten. Mit gezielten Recruitment Marketing bleiben wir mit Kandidaten in Kontakt und bauen ein Beziehung mit diesen Talenten auf. Natürlich setzt diese Vorgehensweise voraus, dass auch die Kandidaten daran Interesse haben und uns Zustimmung zur Aufnahme in unsere Talentepool erteilen.

Ben: Es gibt abseits von Zalando viele Arbeitgeber, für die Recruiting noch immer eine reaktive Short-Term-Aktivität ist. Das ist ein Fehler. Arbeitgeber müssen in die Zukunft blicken und für Wachstumsschübe, Richtungsänderungen, Marktveränderungen gewappnet sein. Wenn es morgen heißt, wir brauchen 200 neue Entwickler in Wien oder Berlin, dann muss ich dafür gerüstet sein. Das erfordert eine smarte, langfristige IT-Recruiting-Strategie. Eine Arbeitgeber-Marke mit den richtigen Werten und Markenbildern in der IT-Community zu positionieren dauert Jahre. Das erfordert geilen Content, viele verschiedene Touchpoints, ein Herausstechen aus der Masse, das Ausbilden von Developer Advocates, sowie Markenbotschafter, die auf Konferenzen fliegen und mit innovativen Vorträgen begeistern, überraschen und in Erinnerung bleiben. Es erfordert das Kreieren von authentischen Markenerlebnissen auf Developer-Events, die Positionierung der C-Level-Entscheider (insb. auch CTO & CEO) in der IT-Community, der Aufbau und – ganz wichtig – die Pflege der Talente in meinem Kandidaten-Pool. Paulo Andre von TourRadar hat es bei einer Paneldiskussion auf den Punkt gebracht: “Tech has no geographic borders” – den Großteil meiner Talente muss ich aus dem Ausland sourcen, die lokalen Märkte füllen den Bedarf nicht. Das heißt, ich muss über die Grenzen hinaus aktiv werden, meine IT-Recruiting-Strategie muss einen internationalen Fokus haben.

Wenn ihr einem jungen Gründer einen HR-Tipp geben würdet…

Magdalena: Erstens, Werte, die einem wichtig sind, klar zu benennen und in die Unternehmenskultur schon ab dem ersten Mitarbeiter einfließen lassen. Zweitens, Zeit, die man mit HR verbringt, der strategischen Arbeit, Personalentwicklung, Active Sourcing widmen und daher rechtzeitig in eine Personalsoftware investieren, um den administrativen Arbeitsaufwand minimal zu halten.

Ben: Die Menschen im Unternehmen prägen alles. Als Gründer muss ich mir ein herausragendes Team aufbauen und einen CTO bzw. technischen Co-Founder anheuern, der zwei Dinge kombiniert: die Person muss erstens einen extrem guten Track-Record in der Umsetzung technischer Projekte in meinem Geschäftsfeld haben, und das über mehrere Jahre hinweg; zweitens muss die Person sehr gute gute People-Skills und ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten haben, sowie gerne nach außen kommunizieren, was im Inneren passiert.

Warum ist das wichtig? Weil ich damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlage. Erstens, ich schaffe eine Ausgangsbasis, bei der die Tech-Talents ein Vorbild im Unternehmen sehen, von dem sie etwas lernen, wodurch sie sich weiterentwickeln können und die Challenge bekommen, nach der sie suchen. Zweitens, die Talente da draußen bekommen das mit. Ein guter CTO ist die beste Content-Strategie, die mir passieren kann. Wenn er Tech-Content produziert, indem er aktiv tweetet, auf Stack Overflow komplexe Fragestellungen beantwortet oder spannende Fragen stellt, auf GitHub coole Open Source-Codes hochlädt bzw. weiterentwickelt, coolen Content über WeAreDevelopers Talents verbreitet und noch dazu Talks auf Tech-Konferenzen hält, die den Talenten in Erinnerung bleiben… Wenn ihr das schafft, meine lieben Freunde, dann habt ihr den Jackpot geknackt. Das ist die Ausgangsbasis für alles andere – authentisch, echt und nicht gekünstelt. Die Recruiting-Abteilung bekommt dadurch einen echten Multiplikator, mit dem sie arbeiten kann, und ihr werden die größte Recruiting-Challenge vom Start weg knacken, nämlich die passiven Talente zu erreichen, die euch sonst nie wahrnehmen würden.

Last but not least: Budget. Die Durchschnittskosten bei der Erste Group pro IT-Hire liegen bei  7000 Euro, bei N26 sind es  3500 Euro aufgrund der starken Marke. Eines ist klar: Wenn ihr kein Budget in euer Employer Branding steckt bzw. die Reichweite eurer Employer Branding-Maßnahmen nicht mit entsprechenden Budgets hinterlegt, wird das Hiring teuer. Investiert vom Start weg in eure Arbeitgeber-Marke. Kommuniziert das, was im Unternehmen passiert, nach außen und baut euch vom Start weg eine starke Tech-Community und Kandidaten-Pipeline auf. Es lohnt sich.

Redaktionstipps
Deine ungelesenen Artikel:
23.12.2024

„Immobilien sind langweilig. Und Finanzprodukte sind noch viel langweiliger“

Kaum jemand hat die österreichische Startup-Szene so stark geprägt wie Johann „Hansi“ Hansmann. Seine Hans(wo)men Group ist aktuell an über 50 Startups beteiligt und verwaltet ein Vermögen von 120 Mio. Euro. Auf seine Einschätzungen hört die Szene – und ein Investment von ihm zu bekommen gilt als Ritterschlag für österreichische Startups. Aber wie wurde Hansi Hansmann zu dem, der er ist?
/artikel/hansi-hansmann-interview-2024
23.12.2024

„Immobilien sind langweilig. Und Finanzprodukte sind noch viel langweiliger“

Kaum jemand hat die österreichische Startup-Szene so stark geprägt wie Johann „Hansi“ Hansmann. Seine Hans(wo)men Group ist aktuell an über 50 Startups beteiligt und verwaltet ein Vermögen von 120 Mio. Euro. Auf seine Einschätzungen hört die Szene – und ein Investment von ihm zu bekommen gilt als Ritterschlag für österreichische Startups. Aber wie wurde Hansi Hansmann zu dem, der er ist?
/artikel/hansi-hansmann-interview-2024
Hansi Hansmann im Interview mit brutkasten-Chefredakteur Dominik Meisinger | (c) Studio KoeKart

Dieses Interview mit Hansi Hansmann erschien zuerst als Coverstory der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download der Digitalversion findet sich am Ende des Artikels.


2007 steht Hansi Hansmann vor einem Neuanfang. Er hat 15 Jahre in Spanien Karriere in der Pharmabranche gemacht, inklusive eigenem Unternehmen, das er nun erfolgreich verkauft hat. Nach einer Auszeit mit einem Monat Radeln im Himalaya steht Hansmann vor der Frage: Was kommt als Nächstes? Er will zurück nach Wien. Aber was dann?

Noch in Spanien lernt Hansmann die österreichischen Gründer der Sprachlern-App Busuu kennen. Was Startups sind, ist ihm damals noch gar nicht klar. Aber die Skalierungsmöglichkeiten von Software-Startups faszinieren den von der „Old Economy“ geprägten Hansmann. 2010 investiert er in Busuu, 2021 wird das Unternehmen für 385 Millionen Euro verkauft. Hansmann ist noch immer dabei.

In der Zwischenzeit ist viel passiert: Hansmann wurde zum bekanntesten Business Angel Österreichs. Neben Busuu verzeichnete er weitere millionenschwere Exits – unter anderem den Verkauf der Lauf-App Runtastic um 220 Mio. Euro an Adidas, den Deal der Tarifvergleichsplattform durchblicker mit der Netrisk-Gruppe oder auch die Übernahme der Flohmarkt-App Shpock durch den norwegischen Medienkonzern Schibsted.

Daneben hat er unter anderem die Austrian Angel Investors Association (aaia) mitgegründet, war in der ersten Staffel der Puls4-Sendung „2 Minuten 2 Millionen“ als Investor an Bord und hat sich in der Öffentlichkeit als eine der wichtigsten Stimmen der heimischen Startup-Szene etabliert.

Hansi Hansmann im großen brutkasten-Interview | (c) Studio KoeKart

brutkasten: Du warst lange Jahre Manager und bist erst mit über 40 Unternehmer geworden, mit Ende 50 dann Business Angel. Wie war das Umfeld, in dem du aufgewachsen bist – war der unternehmerische Spirit dort vorhanden?

Hansi Hansmann: Nein, war er ganz sicher nicht. Meine Mama hat zwar ein kleines Strumpfgeschäft im 20. Bezirk gehabt, aber ich glaube nicht, dass mich das geprägt hat. Mein Vater war Manager und hat auf seine Art und Weise viel bewegt. Aber er war kein Unternehmer. Den unternehmerischen Spirit habe ich irgendwie eher zufällig aufgepickt.

Geprägt hat dich aber, dass dein Vater mit dir immer kleine Wettbewerbe veranstaltet hat, richtig?

Ja. Dauernd. Den ganzen Tag, wenn wir zusammen waren, war alles ein Wettbewerb. Ich habe das geliebt und es hat einen Wettbewerbsgedanken in mir erzeugt, ein Gewinnen wollen. Das ist nach wie vor da und bringt mich dazu, nicht aufzugeben.

Es gibt die berühmte Anekdote, dass du nach deinem Studienabschluss eine Annonce („Junger, dynamischer Managertyp, HTL und WU, sucht Herausforderung“) im „Kurier“ aufgegeben hast, um einen Job zu finden. Wie kam es dazu?

Ich habe nicht wirklich gewusst, wo ich hingehen soll, und hatte dann diese Idee. Es war unglaublich, was da reingekommen ist – über 200 Schreiben. Es waren wirklich gute Sachen dabei, wie Olivetti oder IBM. Ich habe mich aber entschieden, zu einer ganz kleinen Firma nach Vorarlberg zu gehen. Heute würde man sagen, das ist ein Startup gewesen; 10 bis 15 Leute, geführt von einem genialen Erfinder, der vor der PC-Zeit technische Lösungen entwickelt hat.

Warum hast du dich für dieses Unternehmen entschieden?

Da war ich schon ein bisschen unternehmerisch denkend. Ich habe das Gefühl gehabt, dass ich dort etwas bewegen kann. Ich bin nicht irgendein kleines Rädchen in einer großen Firma.

Was war dort deine Aufgabe?

Ich habe diese technischen Lösungen an große Firmen verkauft. Das hat mir unglaublich viel gebracht. Ich sage auch heute noch zu jungen Leuten, die mich um Tipps fragen, dass sie zumindest ein Jahr lang verkaufen gehen sollen. Egal, was man später machen will: Wenn man erfolgreich sein möchte, ist ein Jahr im B2B-Vertrieb einfach eine grandios gute Schule.

Egal, was man später machen will: Wenn man erfolgreich sein möchte, ist ein Jahr im B2B-Vertrieb einfach eine grandios gute Schule.

Was ist deiner Meinung nach die wichtigste Eigenschaft im Sales?

Zuhören. Du musst ganz genau wissen, was die Needs deiner Kunden sind und welche Argumente du bringst. Der größte Fehler von B2B-Verkäufern ist, dass sie zehn Verkaufsargumente abspulen. Aber oft brauchst du nur eines, damit der Kunde unterschreiben würde, und mit einem weiteren Argument bringst du ihn vielleicht sogar ab vom Weg. Das Closen ist das Wichtigste beim Verkaufen, und damit tun sich viele schwer.

Du bist dann aus Vorarlberg zurückgegangen. Warum?

Einerseits wollte meine damalige Frau zurück nach Wien ziehen – andererseits habe ich mich erstmals an einem Unternehmen beteiligt. Der Eigentümer des Vorarlberger Unternehmens, bei dem ich war, hatte einen Telefonwählautomaten entwickelt. Das war noch die Zeit, als man mit Wählscheibe telefoniert hat, was insbesondere bei Auslandsgesprächen mit langen Nummern sehr, sehr mühsam war. Ein Bekannter von mir hat sich dann die Vertriebsrechte für Wien geholt und dazu ein Unternehmen gegründet, an dem ich mich beteiligen durfte; in dem war ich aber nicht operativ tätig.

Wie ging es weiter, als du in Wien zurück warst?

Ich habe einen Job gebraucht und mich bei einer Tochterfirma von Shell beworben, Ende 1979. Ich hatte ein sehr angenehmes Interview mit dem Geschäftsführer, aber am Ende des Gesprächs hat er mir gesagt, dass er den Job kurz zuvor schon vergeben hatte; dass aber sein Finanzchef in vier Monaten in Pension gehe – und ob ich sein Nachfolger werden wolle.

Am nächsten oder übernächsten Tag habe ich dann schon dort begonnen. Es war eine glückliche Fügung, denn da habe ich erst gemerkt, dass meine wahre Stärke in den Zahlen liegt. Dort war ich dann ein paar Jahre.

Was war dein nächster Schritt?

Irgendwann habe ich mir dann gedacht, ich muss wo hingehen, wo ich mehr verdiene. Die Pharmabranche war damals eine der Branchen, die am besten gezahlt haben. Ich bin dann als Finanzmanager zu einem englischen Pharmakonzern gegangen. Mit dem Job war ich oft um 12 Uhr fertig, danach habe ich Sport gemacht. Ich habe mir gedacht: Das mache ich jetzt bis zur Pension. Aus Wien wollte ich sowieso nie wegziehen.

Das Unternehmen hat mir dann aber attraktive Angebote gemacht – etwa ins Head Office nach England zu gehen oder in die USA. Wenn, dann wollte ich aber nach Spanien. Ich hatte im Studium Spanisch gelernt und war damals auch für drei Monate in Madrid. Und dann haben sie mir das tatsächlich angeboten. Anfang 1992 bin ich dann nach Spanien und war dort auch für Portugal zuständig.

In den 1990ern übernahm Hansi Hansmann ein Pharmawerk und wurde Unternehmer.
In den 1990ern übernahm Hansi Hansmann ein Pharmawerk und wurde Unternehmer. | (c) Hansmann

In Spanien bist du dann auch zum Unternehmer geworden. Wie kam es dazu?

Wir wurden von einem anderen Konzern übernommen. Unsere Firma hatte damals eine Fabrik in Madrid mit rund 400 Mitarbeitern. Das Unternehmen, das uns gekauft hat, hatte aber selbst schon ein Riesenwerk 100 Kilometer nördlich von Madrid. Mir war klar, dass die nicht beide Werke brauchen.

Ich habe einen Plan entwickelt, wie ich das Werk betreiben könnte. Ich habe zwei meiner Direktoren dazu eingeladen – was im Nachhinein wahrscheinlich ein Fehler war, aber ohne die hätte ich es gar nicht gekriegt. Ich habe dann mit dem Käufer ein halbes Jahr verhandelt und ihnen gezeigt, dass sie jede Alternative mehr Geld kostet.

Hansi Hansmann Mitte der 1990er in Madrid.
Hansi Hansmann Mitte der 1990er in Madrid. | (c) Hansmann

Und dann kam es zum Deal?

Ja, zu einem Kaufpreis von einer Peseta. Und sie haben noch vier Millionen Euro an Working Capital in die Firma gelegt. Sie sind dann unser Hauptkunde gewesen, wir haben für sie produziert.

Wie ging es mit der Firma weiter?

Wir haben ein recht erfolgreiches Business aufgebaut, in wenigen Jahren. Nach ein paar Jahren haben wir einen Private-Equity-Fonds dazugenommen, der Geld in die Company gegeben hat. Ab 2001 wollten wir die Firma dann verkaufen; auch, weil der Private-Equity-Fonds darauf gedrängt hat. Mir war das aber eh recht, ich wollte auch verkaufen.

Wir hatten dann vier Interessenten aus den USA und einen aus Großbritannien, die in die Endphase der Due Diligence eingetreten sind. Als Abgabetermin für die Final Offers haben wir ausgerechnet den 11. September 2001 gehabt. Nach den Anschlägen in den USA sind die meisten Angebote zurückgezogen worden und der Deal kam nicht zustande. Die einzige Chance war, die Firma zu filetieren. Wir haben die Geschäftsbereiche verkauft; ich hätte auch das Werk selbst verkauft. Das wollten meine beiden spanischen Partner aber nicht. Daher habe ich ihnen meine Anteile aus einer schlechten Verhandlungsposition heraus verkauft. Der Deal war aber ganz okay.

Was hast du nach dem Verkauf der Firma gemacht?

Danach habe ich ein Jahr lang nichts gemacht – von 2006 bis 2007. Ich bin einen Monat im Himalaya mit dem Radl gefahren. Dann habe ich angefangen, in Spanien zu investieren; noch nicht als Business Angel, einfach Firmenbeteiligungen. Einige waren im Health-Bereich und haben sich auch gut entwickelt. Aber ich hatte dann auch ein Restaurant-Business, das total in die Hose gegangen ist. Es war zuerst ein riesiges Fußball-Lokal für 1.000 Leute mit 150 Bildschirmen und später eine Hip-Hop-Disco. Die ist eine Zeit lang recht gut gelaufen und wir haben angefangen, über Events Geld zu verdienen.

Mit der Wirtschaftskrise 2008 ist der eigentlich ausgebuchte Herbst dann aber innerhalb von ein bis zwei Wochen komplett ausgefallen. Dann habe ich zugesperrt. Das war bitter, weil man für das, was drinnen war, nichts bekommen hat. Der riesige Pizza-Ofen, der jede Minute 20 Pizzen rausgeschoben hat, steht wahrscheinlich heute noch drinnen.

Hansi Hansmann 2007 im Basecamp am Mount Everest auf 5.250 Meter Höhe.
Hansi Hansmann 2007 im Basecamp am Mount Everest auf 5.250 Meter Höhe. | (c) Hansmann

Und danach wolltest du wieder zurück nach Wien?

Es sind andere Geschäfte, die ich damals gemacht habe, gut gegangen und ich habe einige Firmenverkäufe für ein paar Millionen gehabt. Aber ab 2007 wusste ich schon, dass ich zurück nach Wien wollte. Meine damalige Frau ist ganz nach Wien übersiedelt. Ich hatte aber noch viel Business in Spanien und habe noch eine Wohnung behalten. Eine Zeit lang habe ich zu 50 Prozent in Wien und zu 50 Prozent in Spanien gelebt.

Wie war es für dich, nach der langen Zeit in deine Heimatstadt Wien zurückzukommen?

Ich habe niemanden gekannt. Ich hatte kein Netzwerk in Wien – außer meine alten Schulfreunde. Ende 2011 bin ich dann trotzdem ganz nach Wien zurückgegangen. Ich habe meine Wohnung in Spanien verkauft, und auch die letzten großen Geschäfte.

Ich habe mir dann schon auch überlegt, was ich mache, wenn ich wieder in Wien bin. Nichts zu tun war keine Option – ich war damals Ende 50 und extrem aktiv.

Ich habe niemanden gekannt. Ich hatte kein Netzwerk in Wien – außer meine alten Schulfreunde.

Und es war dir dann auch klar, dass es wieder auf der Business-Seite sein wird? Es gibt ja auch Leute, die sagen: „Ich habe so lange reingehackelt, jetzt will ich einfach jeden Tag mountainbiken!“

Das ist genau der Unterschied zu anderen: Ich habe meine Arbeit nie, wirklich nie in meinem Leben als „Reinhackeln“ empfunden. Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass ich etwas mache, das mir Spaß macht. Auch wenn ich immer hart gearbeitet habe, habe ich gesehen, was passiert und was man erreichen kann.

(c) Studio KoeKart

Den ersten Anknüpfungspunkt zur Startup-Szene hattest du aber noch zuvor in Spanien…

Ja. In Spanien hat es eine österreichische Community gegeben. Dort habe ich Bernhard Niesner von Busuu kennengelernt. Ich war damals geprägt durch die Old Economy: Mehr Umsatz heißt mehr Kosten – aufpassen, wie schnell man wächst. Das, was Bernhard mir erzählt hat, war dann das absolute Gegenteil: Du baust einmal eine Software und verkaufst die eine Million Mal. Was Besseres gibt es eigentlich nicht. Deswegen hat mich das sofort fasziniert.

Und dann hast du ihm vorgeschlagen, als Investor einzusteigen?

Busuu hat damals noch kein Geld gesucht, aber nach der Wirtschaftskrise 2008 wurde das Fundraising schwierig. Ich habe mir dann noch einmal angeschaut, was sie machen, und einen Vorschlag gemacht: „Ich beteilige mich – ihr kriegt von mir das Geld und ich helfe euch. Ich weiß nicht genau, was ich da einbringen kann, aber ich habe ein Geschäftsverständnis, und mit Zahlen kenne ich mich auch aus.“

Die Due Diligence war, dass ich ihnen in die Augen geschaut und mit ihnen geredet habe. Es war ein Handschlag-Deal beim Mittagessen bei einer Flasche Wein. 300.000 Euro für 20 Prozent an Busuu.

Die Due Diligence war, dass ich ihnen in die Augen geschaut und mit ihnen geredet habe.

Wie ging es nach dem Deal weiter?

Nachdem ich noch relativ viel in Madrid war, aber schon wenig zu tun hatte, war ich viel im Busuu-Office. Ich kannte den Begriff Business Angel damals noch nicht einmal. Bernhard hat mir dann eben Sachen zu tun gegeben: Job-Interviews führen, mir Zahlen anschauen – und ich habe gelernt, wie man mit Google Ads arbeitet, habe mir Keywords angeschaut und KPIs überlegt. Da war ich operativ drin und sicher zweieinhalb Tage pro Woche voll dabei. Das hat mir totalen Spaß gemacht.

Und dann folgte bald das nächste Startup-Investment?

Ja, relativ schnell danach habe ich in München in ein weiteres Startup investiert – Renésim. Dann habe ich gewusst: Wenn ich nach Wien komme, muss ich so etwas machen, das ist mein Ding. Über einen Freund – der mir auch Renésim empfohlen hatte – habe ich dann auch in Wien bald ein Startup gefunden: durchblicker. Ich habe mit denen geplaudert und nach einem Mittagessen 450.000 Euro investiert.

Das heißt, du hast immer recht große Tickets gemacht?

Ja, ich habe immer die erste Runde alleine gemacht, was damals noch ging. Später sind die ersten Runden teurer geworden. Damals waren die ersten Runden von Startups mit Bewertungen im Bereich von ein bis zwei Millionen Euro. Auch wenn ich dann immer ein bisschen verwässert worden bin, hatte ich beim Exit immer noch große Anteile. Nachgezogen bin ich bei den weiteren Finanzierungsrunden deswegen nicht, weil ich nie mehr Anteile haben wollte als die Hauptgründer. Da hätte ich das Gefühl gehabt, dass es psychologisch nicht gut ist, wenn ich einen größeren Anteil habe.

Bei durchblicker habe ich beispielsweise ein Drittel der Firma erworben und wir haben gesagt: Wir sind gleichberechtigte Partner. Ihr seid operativ zuständig, ich kümmere mich um Fundraising und strategische Sachen. Das hat super funktioniert.

Für dich waren deine Startup-Investments ja immer auch aus dem unternehmerischen Gedanken getrieben und du hast sie weniger als Geldanlage gesehen. Hast du trotzdem auch klassische Investments wie Aktien und Immobilien?

Ein bisschen, aber nicht so viel. Wenn man viel Geld macht, kauft man halt ein paar Immobilien und Aktien bzw. ETFs. Aber mir ist damit eher fad. Auch Immobilien sind langweilig, jedenfalls für mich. Und Finanzprodukte sind noch viel langweiliger.

Ich will mit Gründern zusammenarbeiten, mit starken jungen Leuten, denen helfen und zuschauen, wie sie sich entwickeln und starke Unternehmer, aber auch starke Persönlichkeiten werden. Solche Entwicklungen mitzuerleben ist unglaublich bereichernd.

Wie ging es für dich in der österreichischen Startup-Szene weiter?

Busuu, Renésim, durchblicker und Mediclass (später haelsi, Anm. d. Red.) waren meine ersten vier Investments. 2010 habe ich mir gedacht, ich schaue mir an, ob es in Österreich eine Startup-Szene gibt. Über Facebook bin ich dann auf den Pioneers-Vorgänger gestoßen, das Wochenend-Festival Startup Live. Dort habe ich an einem Abend im Jahr 2010 zwei Drittel der damaligen österreichischen Startup-Szene kennengelernt. Das waren 30, 40 Leute; neben Andi Tschas und Jürgen Furian auch die vier Gründer von Runtastic.

Bei Runtastic bist du dann auch eingestiegen. Wie kam es dazu?

Florian Gschwandtner hat an dem Abend ein neues Runtastic-Feature gepitcht. Die drei anderen sind in der ersten Reihe gesessen und haben ihn angefeuert. Das hat mich begeistert und ich habe sie für die Folgewoche zum Essen eingeladen. Sie wollten zunächst noch kein Geld von mir, aber ich habe mich gut mit ihnen verstanden und mich dann alle paar Wochen mit Florian in Wien getroffen. Er hat mir erzählt, was sie machen, und ich habe meinen Senf dazugegeben.

Anfang 2012 berichtete er dann von einem Angebot von einem deutschen Zeitschriftenverlag. Er hat es mir geschildert und ich habe ihm gesagt, dass ich ihm ein besseres Angebot mache – das aber schon nächste Woche ready for signing ist, weil ich keine drei Monate für Due Diligence brauche. So bin ich bei Runtastic eingestiegen: Ich habe in einer Minute die Entscheidung getroffen, 1,2 Millionen zu investieren.

Ich habe in einer Minute die Entscheidung getroffen, 1,2 Millionen zu investieren.

Wir reden jetzt von der frühen Phase der österreichischen Startup-Szene; vor 2014. Wie würdest du diese Zeit beschreiben?

2010 bis 2014 war die „Pre-Seed-Phase“ der Szene. Da war es schon wild. Ich habe damals auch Jürgen Furian und Andi Tschas unterstützt und ihnen Geld gegeben, damit sie 2011 die erste „Startup Week“ überhaupt machen konnten. Dann haben sie eine Event-Firma gegründet, für das Pioneers-Festival. Ich habe mich daran mit 30 Prozent beteiligt und die beiden jahrelang begleitet. Die haben das super gemacht. Leider hat Österreich da etwas unglaublich Wertvolles aus der Hand gegeben, mit dem Aus des Pioneers-Festivals.

Würdest du die Zeit ab 2014 dann als nächste Phase sehen?

Ja, ab 2014 war die „Seed-Phase“. Schon 2013 hatte Springer die Mehrheit an Runtastic übernommen. 2015 folgten dann die Exits von Shpock an Schibsted und vor allem von Runtastic an Adidas. Da ist dann Geld in die Szene hereingekommen und es gab die ersten erfolgreichen Founder, die wieder weiter investiert haben.

Ich habe 2012 mit Selma Prodanovic und Stefanie Pingitzer (heute Stefanie Zrinyi, Anm. d. Red.) die Austrian Angel Investors Association (aaia) gegründet. In den ersten Jahren bin ich selbst auf jeder Veranstaltung gewesen und habe erzählt, was Business Angels machen und wie toll das ist. Da ist dann Bewegung in die Szene gekommen.

Zu dieser Zeit warst du auch im Fernsehen – als Investor bei der Puls4-Sendung „2 Minuten 2 Millionen“.

Ja, aber nur in der ersten Staffel. Es war klar, dass Oliver Holle von Speedinvest und ich da mitmachen müssen. Es war eine spannende Erfahrung, aber eigentlich war es nichts für mich. Es ist gut, dass es die Show gibt, weil das Unternehmertum dadurch schon gefördert wird. Aber wirkliche Startup-Investments, also Tech-Investments, sind dort fehl am Platz.

Du hast schon gesagt, dass aus deiner Sicht mit 2014 dann die nächste Phase der österreichischen Start-up-Szene begonnen hat. Wie würdest du diese Jahre charakterisieren?

Es ist in die richtige Richtung gegangen, und es hat sich in einer sehr guten Geschwindigkeit weiterentwickelt; aber sicher nicht so gut, wie es sein hätte können. Die Weiterentwicklung ist immer am Einsatz von einzelnen Personen gehangen und nicht deswegen erfolgt, weil das System dafür geeignet ist. Das System ist nicht gut genug in Österreich, um wirklich viele Gründer hervorzubringen.

Hansi Hansmann
Hansi Hansmann | (c) Studio KoeKart

Du meinst damit die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Finanzierungssituation?

Ja, die rechtlichen Rahmenbedingungen auch, aber vor allem die Finanzierungssituation. Es gibt mehrere Länder, die uns das seit Jahren vormachen. Es gehört privates Kapital incentiviert und wir brauchen einen Fund of Funds. Ich habe das schon in meinem ersten Interview im Jahr 2010 gesagt. Wir müssten da nichts neu erfinden. Was die Incentivierung privaten Kapitals angeht, gibt es in England ein System, das seit vielen Jahren großartig funktioniert und bei dem man ein Investment sofort von der Steuer absetzen kann. Außerdem haben wir zu wenige Venture-Capital-Fonds. Die, die wir haben, investieren meistens nicht in Österreich. Wenn wir generell mehr VC-Fonds hätten, wäre auch mehr Kapital für österreichische Startups da. Ein Fund of Funds würde
da helfen.

In England und der Schweiz werden Startup-Exits nicht besteuert. So weit müssten wir gar nicht gehen, aber es macht einen Riesenunterschied aus. Ich zahle gerne Steuern. Aber vielleicht wäre es besser gewesen, ich hätte es direkt wieder investieren können.

Bei den rechtlichen Themen hat sich relativ wenig getan. Von der neuen Rechtsform FlexCo bin ich noch gar nicht so überzeugt. Es ist nicht Fisch und nicht Fleisch, wobei man das noch nicht endgültig beurteilen kann. Es werden viele gegründet, aber man muss das erst ein bisschen ausjudizieren lassen. Das dauert ein paar Jahre.

Gut ist die kürzlich gestartete Initiative für eine europäische Rechtsform. Das wäre super, dass nicht wir Österreicher irgendwas basteln für uns, sondern dass es eine europäische Rechtsform gibt wie die Delaware Inc in den USA; mit genauen Regeln, bei denen sich jeder auskennt, auch Investoren aus den USA und Asien.

Kommen wir wieder zurück zur Entwicklung der Startup-Szene über die Jahre. Mit der Coronapandemie ab 2020 gab es einen starken Digitalisierungsschub in der Wirtschaft, von dem auch die Startup-Szene stark profitierte. 2021 war dann das große Boom-Jahr, in dem mit Bitpanda und GoStudent zwei Scaleups zu Unicorns wurden. Wie hast du diese Phase wahrgenommen?

Die Startup-Szene hat sich in den Jahren zuvor gut entwickelt und es gab ein vernünftiges Wachstum. Allerdings hat das Jahr 2019 schon ein bisschen ausgeschlagen. Die Bewertungen gingen bereits zu schnell rauf. Der Unterschied zwischen einer Drei-Millionen- oder einer Sieben-Millionen-Bewertung in der Early Stage ist riesig.

Wenn Corona nicht gekommen wäre, wäre es vielleicht 2020 eh schon explodiert – halt aus einem anderen Grund. Dann kam aber die Pandemie und ich habe selbst auch gesagt: „Leute, wir müssen uns warm anziehen. Keine Ahnung, was da passiert.“ Wir haben dann ein, zwei Monate später gemerkt: Online geht durch die Decke. Auch einige meiner Companys sind sowas von sauschnell gewachsen.

Die Unternehmen, die richtige Venture-Capital-Cases waren, haben mit riesigen Burn Rates gearbeitet. Bitpanda hat sich auch nach dem Umschwung gut gehalten. Die haben immer schon ein Geschäftsmodell gehabt, mit dem sie nahe an der Profitabilität waren. Das ist ihr großes Glück. GoStudent dagegen war noch sehr weit weg von der Profitabilität. Die haben dann durch bittere Monate gehen müssen. Mal schauen, ob sie es packen.

Du hast es jetzt schon angesprochen, 2022 kam der große Umschwung mit dem Ukrainekrieg, der Inflation und den Zinserhöhungen. Das Umfeld hat sich auch sehr stark auf die Startups niedergeschlagen, Finanzierungen waren dann schwieriger zu bekommen. Aber wenn du auf die Venture-Capital-Landschaft blickst, welche weitere Entwicklung erwartest du da?

Ich glaube, dass sich Fonds mit einem Volumen von über 100 Millionen Euro sehr schwertun werden in Europa. Wenn du über 100 Millionen oder mehr aufgenommen hast, dann musst du bei fast allen ganz großen Deals einfach dabei sein, ansonsten hast du keine Chance, deinen Limited Partnern (LPs) das Geld zurückzuzahlen.

Mit bis zu 50 Mio. und einem Fokus auf Early Stage kannst du das Geld bald einmal zurückzahlen. Fonds wie Calm/Storm, Fund F und Push Ventures sind daher gut aufgestellt. Ich bin auch bei allen dreien helfend dabei.

Hansi Hansmann im Interview
Hansi Hansmann verwaltet mit seiner Hans(wo)men Group Beteiligungen im Wert von rund 120 Mio. Euro. (c) Studio KoeKart

Deine Hans(wo)men Group ist ja kein VC, du beschreibst sie als Family Office. Ihr verwaltet aktuell 120 Mio. Euro. Du hast in den vergangenen Jahren auch Weichenstellungen vorgenommen, das Team erweitert und Lisa Pallweber, mit der du seit fast drei Jahren arbeitest, dieses Jahr zur Managing Partnerin befördert. Wie siehst du die Zukunft der Gruppe?

In unserer Beteiligungsgesellschaft, der Romulus GmbH, haben wir 50 Beteiligungen drinnen – nicht nur aus Österreich, auch viele im Ausland. Wir haben einen super DPI (Distributions to Paid In Capital Ratio, Verhältnis zwischen eingezahltem und zurückgezahltem Kapital, Anm. d. Red.), besser als die meisten VCs, unser Modell funktioniert einfach sehr gut. Ich habe die Firma viele Jahre als One-Man-Show geführt und das hat mir auch großen Spaß gemacht.

Vor fast drei Jahren habe ich dann das Glück gehabt, dass ich Lisa Pallweber gefunden habe. Ich habe damals niemanden sonst interviewt. Ich wollte jemanden mit großem Potenzial, der richtigen Ausbildung und dem richtigen Mindset. Es ist schon eine sehr spezielle Rolle, und wahrscheinlich wird sie irgendwann die Alleinverantwortliche von Romulus werden. Zu Lisa habe ich 100 Prozent Vertrauen.

Ist es für dich selbst überhaupt vorstellbar, dass Hansi Hansmann in Pension ist?

Ich bin ja schon seit acht Jahren Pensionsbezieher. (lacht) Aber mir geht es darum, dass ich mittelfristig weniger machen will. Vielleicht sitze ich dann in drei, vier Boards drinnen und komme ab und zu in ein Meeting und ziehe mich auf eine Chairman-Position zurück – das kann ich dann hoffentlich noch länger machen. Die operativen Geschäfte führt dann Lisa. Die Hans(wo)men Group wird es daher noch sehr lange geben, und ich glaube, die wird noch sehr groß werden.

Sichere dir das brutkasten-Magazin in digitaler Form!
Trag dich hier ein und du bekommst das aktuelle brutkasten-Magazin als PDF zugeschickt und kannst sofort alle Artikel lesen! Du erhältst mit der Anmeldung künftig auch Zugang für unseren Startup-Newsletter, den wir drei Mal pro Woche verschicken. Du kannst dich jederzeit unkompliziert wieder abmelden.
Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag

AI Summaries

Wie Personalpolitik bei Zalando funktioniert – und was Founder davon lernen können

AI Kontextualisierung

Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Wie Personalpolitik bei Zalando funktioniert – und was Founder davon lernen können

AI Kontextualisierung

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Wie Personalpolitik bei Zalando funktioniert – und was Founder davon lernen können

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Innovationsmanager:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Wie Personalpolitik bei Zalando funktioniert – und was Founder davon lernen können

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Investor:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Wie Personalpolitik bei Zalando funktioniert – und was Founder davon lernen können

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Politiker:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Wie Personalpolitik bei Zalando funktioniert – und was Founder davon lernen können

AI Kontextualisierung

Was könnte das Bigger Picture von den Inhalten dieses Artikels sein?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Wie Personalpolitik bei Zalando funktioniert – und was Founder davon lernen können

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Personen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Wie Personalpolitik bei Zalando funktioniert – und was Founder davon lernen können

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Organisationen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Wie Personalpolitik bei Zalando funktioniert – und was Founder davon lernen können