29.07.2024
HEALTH

Predicting Health: Grazer HealthTech erkennt vermeidbare Komplikationen im Krankenhaus

Das Grazer Startup Predicting Health führt Risikobewertung in Krankenhäusern durch. Um das Personal zu unterstützen, frühzeitig potentielle Komplikationen zu erkennen, es zu entlasten und eine finanzielle Mehrbelastung für Spitäler zu verhindern.
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Predicting Health, Risiko Krankenhaus,
(c) Predicting Health - Das Predicting Health-Team.

Die Geschichte von Predicting Health begann als Data-Science-Projekt innerhalb der steirischen Krankenanstalten (KAGes). Die Idee entstand aus der engen Zusammenarbeit zwischen Datenwissenschaftler:innen und medizinischem Personal, um den Klinikalltag zu entlasten und die Patientensicherheit zu erhöhen. Ursprünglich sollte die effiziente Nutzung vorhandener Krankenhausdaten “bloß” die klinische Praxis verbessern.

Predicting Health: Wendepunkt

Ein Wendepunkt kam aber, als die Founder Diether Kramer – der die Data Science Abteilung der KAGes aufgebaut hat – und Werner Leodolter (Anm.: verstarb leider 2022 bei einem Autounfall in Island) erkannten, dass bis zu zehn Prozent der Krankenhauspatient:innen vermeidbare Komplikationen erleiden.

Bestehende Scoring-Modelle reichten nicht aus, um diese Risiken zuverlässig vorherzusagen. Also musste eine Lösung her: ein Machine Learning-basiertes Tool, das komplexe Zusammenhänge in Patient:innen-Daten erkennt und frühzeitig auf Risiken hinweist. So wurde das “Personalised Risk Tool” geboren, dessen Algorithmen mit Millionen realer Patientendaten trainiert wurden, um eine hohe Vorhersagegenauigkeit zu erreichen.

Da KAGes das Tool nicht selbst vertreiben konnte, wurde 2019 die Predicting Health GmbH gegründet, um es in die breite Anwendung zu bringen.

“Ein weiterer Schlüsselmoment war die Partnerschaft mit der Vinzenzgruppe (Anm.: eine Krankenhausbeteiligungs und Management GmbH), die zu einer signifikanten Reduktion von Pflegekosten und einer Verbesserung der Patientensicherheit führte”, erklärt Jakob Pieber, Development Manager der PH Predicting Health GmbH.

Zertifiziert

Heute bietet das Startup ein zertifiziertes Medizinprodukt an, das Krankenhauspersonal unterstützen und die Patientensicherheit durch präzise, automatisierte Risikoprognosen steigern soll. Mit dem Ziel, die präventive Früherkennung vollständig zu automatisieren und so das Gesundheitssystem nachhaltig zu entlasten.

Zu den wichtigsten USPs von Prediction Health zähle die Herkunft aus der Krankenhauspraxis, so der Development-Manager weiter: “Unser ‘Personalised Risk Tool’ wurde in enger Zusammenarbeit mit Ärzten und Pflegekräften entwickelt, um den tatsächlichen Bedürfnissen und Herausforderungen des Klinikalltags gerecht zu werden”, sagt Pieber.

Und führt aus: “Diese praxisorientierte Entwicklung stellt sicher, dass unser Produkt nicht nur den Arbeitsablauf unterstützt, sondern ihn tatsächlich erleichtert. Funktionen und Benutzeroberflächen sind intuitiv und effizient gestaltet, basierend auf dem direkten Feedback des medizinischen Personals. Unsere Algorithmen bieten eine außergewöhnliche Vorhersagequalität, da sie mit umfangreichen und vielfältigen Datensätzen realer Patienten trainiert wurden. Dies ermöglicht eine hohe Genauigkeit bei der Risikoprognose, sodass medizinisches Personal frühzeitig potentielle Komplikationen erkennen und Maßnahmen ergreifen kann.”

Predicting Health mit SaaS-Ansatz

Das Geschäftsmodell des HealthTechs basiert auf einem Software-as-a-Service (SaaS)-Ansatz: Krankenhäuser zahlen eine Gebühr pro Patient:in, dessen oder deren Daten durch das “Personalised Risk Tool” analysiert werden. Diese flexible und skalierbare Preisstruktur ermögliche es, den spezifischen Bedürfnissen von Krankenhäusern unterschiedlicher Größe gerecht zu werden.

“Für die Implementierung und Kalibrierung unseres Tools in den bestehenden Krankenhausinformationssystemen (KIS) erheben wir eine einmalige Einrichtungsgebühr”, präzisiert Pieber. “Diese umfasst die Integration, Konfiguration und Schulung des medizinischen Personals, um eine reibungslose und effiziente Nutzung des Tools sicherzustellen. Diese Kombination aus laufenden Gebühren pro Patient:in und einmaligen Einrichtungsgebühren gewährleistet eine nachhaltige und anpassungsfähige Lösung für Krankenhäuser jeder Größe, während wir gleichzeitig kontinuierliche Unterstützung und Verbesserungen bieten können.”

Dazu muss man wissen, dass im Krankenhausalltag die erwähnten zehn Prozent der Patient:innen während ihres stationären Aufenthaltes eine ungeplante Komplikation erleiden, wie etwa Delir (Anm.: fluktuierende Störung der Aufmerksamkeit, der Kognition und des Bewusstseinsniveaus), einen Sturz oder eine durch eine nicht erkannte Schluckstörung verursachte Lungenentzündung.

Dadurch werde nicht nur die Gesundheit der Patient:innen beeinträchtigt, sondern auch die Aufenthaltsdauer erhöht, das Personal belastet und nicht zuletzt eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung für die Krankenhausträger erzeugt.

Die geschätzten Kosten innerhalb der EU liegen bei ca. 24 Milliarden Euro im Jahr, wobei laut dem Grazer Team mindestens 40 Prozent dieser Komplikationen vermeidbar wären, wenn rechtzeitig vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden würden.

“Keine zusätzlichen Daten”

“Da man diese aber nicht ziellos über alle Patienten hinweg anwenden kann, ist es wichtig, gefährdete Patienten rechtzeitig zu erkennen”, sagt Pieber. “Wir nutzen bestehende Daten aus den Krankenhausinformationssystemen und anderen Quellen, sodass keine zusätzlichen Daten erfasst werden müssen.”

Dabei basieren die Berechnungen des Tools auf bis zu 1.300 Parametern, was eine sehr präzise Risikoeinschätzung ermögliche.

“Wenn ein Risikopatient identifiziert wird, erscheint ein Warnsymbol im KIS”, erklärt Pieber weiter. “Möchte das Personal wissen, warum ein Patient als gefährdet eingestuft wurde, kann es mit einem Klick unsere explainable AI-Komponente, das ‘Personalised Risk Tool’, aufrufen. Hier werden alle Faktoren, die zur Risikoeinschätzung geführt haben, übersichtlich aufgelistet. Diese transparente und datenbasierte Herangehensweise unterstützt nicht nur die klinische Entscheidungsfindung, sondern stärkt auch das Vertrauen des Personals in die Technologie und trägt wesentlich zur Verbesserung der Patientensicherheit bei.”

Im Detail berechnet das Tool von Predicting Health Wahrscheinlichkeiten für verschiedene Risiken anhand einer Kombination mehrerer Machine-Learning-Algorithmen. Diese Algorithmen sind in der Lage, komplexe und nicht-lineare Zusammenhänge in Patientendaten zu erkennen und präzise Risikoprognosen zu erstellen.

“Durch das Training mit umfangreichen Datensätzen realer Patient:innen erzielen wir eine außergewöhnliche Vorhersagequalität”, erklärt Pieber. “Es ist wichtig zu betonen, dass unser Tool keine Diagnosen stellt. Stattdessen unterstützt es das medizinische Personal, indem es entscheidungsrelevante Informationen leicht zugänglich und verständlich aufbereitet.”

Predicting Health erhielt 2023 die AWS Digital Health PreSeed-Finanzierung. Derzeit befindet man sich in Gesprächen mit Investoren für die erste Seed-Finanzierungsrunde. Ein weiterer Fokus liegt auf dem Markteintritt in Deutschland.

Predicting Health: Erste POCs mit Krankenhäusern dieses Jahr

“Wir sind bereits mit mehreren Krankenhäusern im Gespräch und planen, noch in diesem Jahr mit den ersten Proof-of-Concepts (POCs) zu starten”, so Pieber. “Auch in Österreich konnten wir dieses Jahr zusätzliche Kunden gewinnen.”

Weiters führt das HealthTech Machbarkeitsstudien außerhalb des DACH-Raums durch, insbesondere in Ungarn, Tschechien und Südamerika. Diese Studien sollen evaluieren, wie gut die eigenen Algorithmen in verschiedenen Sprach- und Kulturkontexten funktionieren.

“Zusätzlich entwickeln wir neue Module, für andere Komplikationen. Zusammen mit Partnern arbeiten wir auch daran, die Software in existierende Healthcare Cloud-Plattformen einzubinden”, erklärt Pieber. “Unser langfristiges Ziel ist es, der ‘Glatteiswarner’ für alle Komplikationen im Krankenhausalltag zu sein. Wir glauben, dass Systeme wie unseres in Zukunft obligatorisch sein werden, da sie mit minimalem Aufwand die Patientensicherheit erhöhen und sowohl Personal als auch Budget entlasten können.”

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Analyser, CSRD, EU-Taxonomie
(c) - PwC Österreich -Das Konsortium des Projekts "Analyser" beim Kick-Off.

Die Regeln der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die in den kommenden Jahren sukzessive schlagend werden, bedeuten für zahlreiche österreichische Unternehmen eine Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Bei vielen von diesen – auch jene, die freiwillig schon früher als erforderlich mit der Umsetzung starten – werden Schwierigkeiten erwartet, die Anforderungen zu erfüllen, da insbesondere KMU nicht über ausreichend Kapazitäten für interne Nachhaltigkeitsabteilungen verfügen würden.

CSRD und Taxonomie

Dies gilt im Besonderen für die EU-Taxonomie, die ergänzend zur CSRD anzuwenden ist. Gemäß ihr müssen die wirtschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens als nachhaltig oder nicht-nachhaltig deklariert werden.

Die Verordnung umfasst umfangreiche und detaillierte Kriterien, die für Ungeübte nicht leicht zu verstehen sind. Deshalb will in einem kürzlich gestarteten Forschungsprojekt namens “AI Enabled Sustainability Jurisdiction Demonstrator” (Analyser) ein Forschungskonsortium KI-basierte Module entwickeln. Die sollen es auch ungeschulten Anwenderinnen und Anwendern ermöglichen, die gesetzlichen Meldepflichten zu erfüllen. So soll eine Erleichterung für Unternehmen erzielt werden.

“Das oberste Ziel unseres Projekts ist es, die Zahl der KMU zu erhöhen, die selbstständig in der Lage sind, die EU-Taxonomie in guter Qualität zu berichten”, erklärt Maximilian Nowak, der das Projekt bei Fraunhofer Austria leitet.

Das Konsortium

Das Konsortium, bestehend aus Fraunhofer Austria, Universität Innsbruck, Technischer Universität (TU) Wien, Leiwand AI, PwC Wirtschaftsprüfgesellschaft, der Wirtschaftsagentur Niederösterreich ecoplus, Murexin und Lithoz wird dafür Teile des Prozesses mithilfe von Künstlicher Intelligenz automatisieren. Ein Chatbot, der auf einem eigens kreierten Sprachmodell beruht, soll mit den Anwenderinnen und Anwendern im Dialog stehen und sicherstellen, dass alle benötigten Dokumente vorliegen.

Es sind nämlich viele Fragen im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu klären: Welche wirtschaftlichen Aktivitäten gibt es im Unternehmen? Wie umfangreich sind diese? Welche davon sind taxonomiefähig, können also überhaupt nach den Kriterien bewertet werden?

Josef Baumüller, der von Seiten der TU Wien an dem Projekt beteiligt ist, sagt: “Es ist vielen noch nicht bewusst, wie komplex die Anforderungen zunächst an die Datenerhebung und anschließend an die Klassifizierung sind. Die Prozesslandschaft im Unternehmen muss erfasst und auf die Vorgaben der EU-Taxonomie übergeleitet werden, darüber hinaus gilt es, relevante Datenbedarfe zu identifizieren und im Sinne der Effizienz v.a. bereits vorhandene Datenbestände zu nützen.”

CSRD-Berichterstattung eine Herausforderung

Dass eine Unterstützung der Unternehmen unumgänglich ist, sagt auch Stefan Merl von der PwC Österreich GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft: “Wir spüren bereits jetzt eine massive Zunahme in den Anfragen von Unternehmen, insbesondere von KMU, die sehen, dass die Erfüllung der CSRD-Berichterstattungspflichten eine große Herausforderung ist. Es führt kein Weg daran vorbei, eine automatisierte Lösung zu entwickeln, die weit über den Automatisierungsgrad bestehender Tools hinausgeht. Genau das wollen wir im Projekt ‘Analyser’ verwirklichen.”

Dabei ist essenziell, dass die im Tool eingesetzte KI fair, nachvollziehbar und korrekt arbeitet. Dafür soll Leiwand AI GmbH die nötige Expertise in das Projekt einbringen.

“In einer so kritischen Angelegenheit wie der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist es besonders wichtig, dass auch Maßnahmen hinsichtlich einer zuverlässigen und fairen KI-Lösung getroffen werden. Durch den Einsatz verschiedener Methoden rund um nachhaltige und vertrauenswürdige KI werden wir dazu beitragen, dass der ‘Analyser’ gesicherte Informationen liefert, fair in Bezug auf Bias und Diskriminierung ist und im Einklang mit dem EU AI Act steht”, sagt Mira Reisinger, Data Scientist bei Leiwand AI.

Das Projekt ist im Herbst 2024 gestartet, läuft über drei Jahre und wird durch die FFG aus Mitteln des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gefördert.

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