15.09.2021

KI-Inkasso-Startup Pair Finance startet in Österreich

Das deutsche Startup nutzt künstliche Intelligenz, um offene Forderungen einzutreiben. Zu den Kunden zählen unter anderem Klarna und Zalando. Der Online-Händler ist auch an dem Startup beteiligt. Jetzt startet Pair Finance auch in Österreich.
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CEO Stephan Stricker und Österreich-Chef Barna Bokor von Pair Finance
CEO Stephan Stricker und Österreich-Chef Barna Bokor | Foto: Pair Finance

“Buy Now, Pay Later” boomt – und hat den schwedischen Anbieter Klarna zum wertvollsten Fintech in Europa gemacht. Doch was passiert, wenn es beim “Buy Now” bleibt – und das “Pay Later” vom Kunden oder der Kundin nicht befolgt wird? Dann trudeln Mahnungen ins Haus. Und wer auch die ignoriert, bekommt in weiterer Folge vielleicht eine WhatsApp-Nachricht von Pair Finance. Das deutsche Startup, zu dessen Investoren unter anderem Zalando gehört, ist ein durch künstliche Intelligenz (KI) unterstütztes Inkassounternehmen. 2016 gegründet, war es bisher nur am deutschen Markt aktiv. Nun erfolgt die Expansion nach Österreich.

“Die Nachfrage unserer deutschen Mandanten war sicher einer der Treiber, in den österreichischen Markt zu gehen”, sagt Pair-Finance-Gründer und -CEO Stephan Stricker im Gespräch mit dem brutkasten. Bisher habe man in Österreich nur in geringfügigen Umfang tätig sein können. Doch jetzt hat Pair Finance hier ein Gewerbe angemeldet und eine Inkassolizenz erhalten.

“Nun können wir auch in Österreich größere Volumen abgewickeln”, sagt Stricker. Ein Büro ist bereits eröffnet. Mit Barna Bokor wurde auch ein Österreich-Chef bestellt. Eine zweite Mitarbeiterin in Wien gibt es ebenfalls bereits. Bis Jahresende soll das Team in Österreich auf 4 bis 5 Personen anwachsen. Für 2022 ist eine Erweiterung auf 15 bis 20 Personen geplant.

Selbstlernender Algorithmus entscheidet über Form der Kontaktaufnahme

Doch wie funktioniert Pair Finance? Das Startup nutzt die KI-Technologie Reinforcement Learning, bei der sich der Algorithmus über Belohnungen beim Erreichen gewisser Milestones verbessert. Ein solcher Milestone könnte etwa sein, dass die Nachricht geöffnet oder sogar beantwortet wird. Pair Finance setzte die Technologie bei der Ansprache säumiger Kund:innen ein.

Das funktioniert so: Der Algorithmus optimiert unterschiedliche Parameter – etwa die Tonalität oder den Zeitpunkts des Schreibens, die Häufigkeit der Kontaktaufnahme oder die verwendeten Kanäle bis hin zu Farbgebung in der Nachricht. Auch die angebotenen Zahlungswege können sich unterscheiden. So könnte das Modell etwa vorschlagen, dass einem bestimmten Kunden eine Nachricht am Montag in der Früh in einer kooperativen Tonalität geschrieben wird und nur die Zahlungsmöglichkeiten Apple Pay sowie Paypal angeboten werden.

Pair Finance verspricht höhere Reaktionsquoten

Kundinnen und Kunden werden dabei in unterschiedlichen Kategorien eingeteilt: Neben der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit versucht das Modell von Pair Finance auch abzuschätzen, wie emotional oder rational und wie finanziell strukturiert oder unstrukturiert jemand agiert. “Ich muss es schaffen, einen Menschen zu sensibilisieren, auf eine offene Forderung zu reagieren”, erläutert Stricker. “Und wir haben gesehen, dass wir durch die unterschiedlichen Typologien beim Kommunikationsansatz ganz andere Reaktionsquoten erzielen können”. Im Schnitt reagieren nach Angaben des Unternehmens knapp 80 Prozent der kontaktierten Kundinnen und Kunden. Davon sind es wiederum 80 Prozent, die schließlich einer Zahlungslösung zustimmen.

Gelingt das nicht, schickt das Unternehmen aber niemand vorbei, der an die Tür klopft und den Forderungen physisch Nachdruck verleiht. Vielmehr setzt man auf andere Mittel: “Es gibt sogenannte weitere eskalative Schritte wie in Österreich die Mahnklage und ihre entsprechende Exekution”, sagt Stricker. Dazu hat Pair Finance eine Partner-Anwaltskanzlei, die dies im Bedarfsfall übernimmt.

Für 2021 Jahresumsatz im zweistelligen Millionenbereich anvisiert

Geld verdient Pair Finance über die Gebühren, die entstehen, nachdem der Schuldner nicht bezahlt hat. Die offene Foderung dagegen geht im Erfolgsfall dagegen vollständig an das Unternehmen, das Pair Finance beauftragt hat. Die Geschäfte laufen jedenfalls gut. Für dieses Jahr erwartet das Startup einen Umsatz im zweistelligen Millionenbereich und damit eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr. Profitabel ist das Unternehmen bereits länger.

Eine Finanzierungsrunde gab es zuletzt 2020, als das Unternehmen 2 Millionen Euro aufnahm – und mit 60 Mio. Euro bewertet wurde. In nächster Zeit ist laut Stricker keine weitere Runde geplant.

Gründer vergleicht “Buy Now, Pay Later” mit klassischem Rechnungskauf

Mit dem Boom rund um “Buy Now, Pay Later”-Modelle dürften die Aussichten auch weiter sehr gut sein. Allerdings sind solche Modelle durchaus umstritten – und werden von Konsumentenschützer:innen mitunter als Schuldenfalle gesehen. Stricker relativiert dies: „‚Buy Now, Pay Later‘ ist nichts Anderes als der klassische Rechnungskauf in neuem Gewand“. Früher habe man nach einem Kauf eine Zahlungsfrist von 30 oder 60 Tagen bekommen und dann die Rechnungen beglichen – oder auch nicht. Der Rechnungskauf sei jedem zugänglich gewesen. Mittlerweile gebe es Scoring-Modelle, die dazu führen, dass nur Personen mit einer höheren Rückzahlungswahrscheinlichkeit überhaupt die Möglichkeit erhalten, später zu bezahlen.

Dass bei Rechnungskauf keine Zinsen anfallen, bei vielen “Buy Now, Pay Later”-Angeboten aber schon, lässt Stricker nicht gelten: „Bei ‚Buy Now, Pay Later‘ bezahlt man auch nur, wenn man zusätzliche Optionen dazu bucht wie etwa Ratenkauf oder eine Verlängerung des Zahlungszeitraums um weitere 60 Tage“. Beim damaligen Rechnungskauf sei dies gar nicht möglich gewesen. Nach Ablauf der Frist und dem Verschicken von Mahnungen seien die Forderungen dann ebenso an ein Inkassobüro gegangen.

Auch das mitunter schlechte Image der Inkassobranche sieht Stricker nicht als Hindernis für Pair Finance: “Wir sind aktiv in die Branche gegangen, um den Inkassomarkt zu verändern. Wir wollten ihn effizienter, digitaler und kundenorientierter machen”, sagt er. In Deutschland habe man es geschafft, einen sehr guten Ruf als Inkassounternehmen zu erreichen.

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Vor einem Jahr war man noch skeptisch: Nicht mal ein Viertel der heimischen Bevölkerung nutzte Generative KI rund um ChatGPT am Arbeitsplatz. Eine neue Studie von EY – namentlich die EY Work Reimagined Studie – zeigt nun, wie schnell sich das Blatt wenden kann.

Wie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft am heutigen Montag vermeldet, sollen unter den von ihnen befragten Arbeitnehmer:innen mittlerweile drei Viertel – genau 75 Prozent – zu generativer KI am Arbeitsplatz greifen. Am häufigsten greift man zu KI-Tools im Technologiesektor. Dort liegt die Nutzungsrate schon bei 90 Prozent. Der öffentliche Sektor bildet mit einer Nutzungsrate von 60 Prozent das Schlusslicht.

EY: KI-Schulung sei “überdurchschnittlich” und “exzellent”

Von den drei Vierteln all jener, die KI regelmäßig am Arbeitsplatz nutzen, merkt ein Drittel bereits positive Auswirkungen durch den Einsatz von Generativer KI. Folgen genannt werden etwa gesteigerte Produktivität (37 Prozent) sowie die Möglichkeit, sich auf stärker wertschöpfende Aufgaben zu konzentrieren (36 Prozent).

Darüber hinaus beobachten KI-Nutzende einen starken Kompetenzaufbau: 58 Prozent der Befragten bewerten die themenbezogenen Entwicklungs- und Schulungsprogramme ihres Unternehmens als “überdurchschnittlich” oder “exzellent”.

Boomer hinken hinten nach

Wenig überraschend macht sich allerdings eine Alterskluft bei der Nutzung von KI am Arbeitsplatz bemerkbar: So nutzen 27 Prozent der befragten Millennials KI regelmäßig, während dies nur bei sieben Prozent der Babyboomer der Fall ist.

Dass die Einführung von KI im Unternemen auch einen wesentlichen Einfluss auf das Standing im Arbeitsmarkt und das Mithalten im Wettbewerb hat, weiß Regina Karner von EY Österreich. der EY-Partnerin zufolge habe GenAI “Wichtige Themen für die Belegschaft in den Fokus gerückt”. Darunter Technologie- und Kompetenzinvestitionen, Unternehmenskultur, Vertrauen und Mitarbeiterbindung.

GenAI sei überdies essenziell für die Talentestrategie von Arbeitgeber:innen – und beeinflusse damit deren Standing am Arbeitsmarkt.

KI beeinflusst Blick auf Karriere

Allerdings zeigt EY mit seiner neuen Studie auch, dass sich KI nicht nur auf die Arbeit selbst, sondern auch auf arbeitsbezogene Sichtweisen auswirkt. So vermeldet die Wirtschaftsprüfung das Stimmungsbild, dass sich Mitarbeitende zwar als “motivierte Unterstützung” ihres Arbeitgebers sehen, gleichzeitig dennoch “nach höheren Verdienstmöglichkeiten” Ausschau halten (81 Prozent der Befragten).

Zudem rückt KI und dessen Effizienzsteigerung die Themen “Work-Life-Balance” und “Karriereaussichten” (79 Prozent) sowie die Nachfrage nach einer “besseren Führungskultur” (76 Prozent) in den Vordergrund. Auch die Möglichkeit, remote arbeiten zu können, ist für drei Viertel der befragten Belegschaft ein essentielles Kriterium, das durch den Einsatz von GenAI stärker in das Rampenlicht gerückt ist.

Im Rennen um das Gewinnen und Halten von Talenten sind Unternehmen dazu angehalten, sich auf die eben genannten “Soft”-Aspekte zu bemühen. Allen voran: Unternehmenskultur, Anreizsysteme und Bildungsangebote, sagt Karner, “um so die gewünschten Geschäftsergebnisse zu erreichen”.

Lust zur Kündigung steigt – vor allem bei jungen Männern

Außerdem hebt EY die Haltung jüngerer Generationen – allen voran die GenZ (geboren 1996 und 2012) und Millennials (geboren zwischen 1980 und 1995). Die beiden Jung-Generationen am Arbeitsmarkt haben eine fast doppelt so hohe Kündigungsabsicht wie Babyboomer. Außerdem sind Männer im Vergleich zu Frauen um ein- bis zweimal eher bereit, ihren Job zu kündigen.

Diese Bereitschaft sei allerdings nicht schlichte Utopie, sondern ein konkreter Plan: Denn die jüngste EY-Studie verzeichnet, dass rund 38 Prozent der befragten Mitarbeitenden in “den nächsten zwölf Monaten kündigen wollen”. Von diesen planen 26 Prozent, so EY, “einen Wechsel in ihrer aktuellen Sparte”. Ein Viertel der Kündigungs-Sympathisanten plant allerdings den Wechsel in eine andere Branche.

Am ehesten stünden Millennials der Kündigung nahe – ganze 40 Prozent denken laut EY darüber nach. Unter Babyboomern sei es nur ein knappes Viertel – konkret 23 Prozent.

Die Kündigungsabsicht ist im Vergleich zum Vorjahr im Allgemeinen gestiegen – um ganze vier Prozent, heißt es von EY. Auch über einen Wechsel des primären Arbeitsortes wird immer mehr nachgedacht (37 Prozent).

Individualismus im Vordergrund

“Individuelle Erwartungen stehen immer mehr im Vordergrund, und traditionelle Ansätze zu Karriere, Belohnungen und Arbeitsort greifen nicht mehr”, stellt Karner in Bezug auf die Studienergebnisse klar. Ein häufiger Wechsel des Arbeitgebers bringe neue Erfahrungen, andere Fähigkeiten und zudem die Möglichkeit auf Flexibilität. Für Personalverantwortliche sei ein Fokus auf Werte und Erfahrungen indes ein Vorteil, so Karner.

Dass KI dezidiert zur Kündigungsbereitschaft von jungen Generationen beiträgt, wird so in der Studie nicht dargelegt. Dennoch könnte der technologische Fortschritt, flexibleres Arbeiten und das Schaffen neuer Geschäftsbereiche – in Kombination mit der immer größer werdenden Bedeutung von Individualismus und Selbstbestimmtheit – zur Wechselbereitschaft der Generation beitragen.

Talente-Management soll in den Fokus

Angesichts der präsentierten Studienergebnisse empfiehlt Karner, sich als Unternehmen einen Vorsprung im Talente-Management zu erarbeiten. Dafür sei ein Fokus auf folgende Bereiche notwendig: Gesundheit, Technologie und GenAI, faire Vergütung sowie Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten und Unternehmenskultur. Bei 70 Prozent der Befragten bleibt dahingehend allerdings noch Luft nach oben, heißt es.


*Im Rahmen der Studie befragte EY weltweit 17.350 Mitarbeitende und 1.595 Arbeitgeber:innen aus 23 Ländern und 27 Branchen.

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