03.04.2023

Martin Kocher: “4-Tage-Woche wird in gewissen Bereichen Norm werden”

Arbeitsminister Martin Kocher sprach im brutkasten-Gespräch über Inflation, Maßnahmen dagegen und darüber, was eine nationale Regierung für Steuerungselemente in dieser Causa hat. Zudem denkt er, dass sich die 4-Tage-Woche in manchen Bereichen durchsetzen wird, warnt aber zugleich vor einer gesamtgesellschaftlichen Illusion (mit Video).
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Martin Kocher, Kocher, 4-Tage-Woche,
(c) brutkasten - Minister Martin Kocher im exklusiven brutkasten-Talk.

Österreich blickt Arbeitsminister Martin Kocher nach auf bessere Konjunkturerwartungen, als dies noch im letzten Herbst den Anschein hatte. Man könne zwar noch nicht ausschließen, dass eine technische Rezession (zwei aufeinanderfolgende Quartale mit Negativwachstum) folge, aber sie würde im Fall der Fälle “nicht so schlimm” so die Einschätzung des Politikers. Die Zahlen seien, was die Prognosen betreffe, insgesamt besser als noch im Vorjahr.

Kocher versprüht Positivität

“Natürlich gibt es Unsicherheiten”, betont Kocher, “aber die liegen nicht so sehr in Europa. Es sind vor allem die geopolitische Lage sowie der russische Krieg in der Ukraine und Entwicklungen dort, die die Preise treiben. Und die Preise treiben dann die Konjunkturerwartungen. Aber die Lage ist glücklicherweise um einiges besser, als unsere Erwartungen vor einem halben Jahr.”

Minister Martin Kocher (das ganze Video)

Insgesamt spürt der VP-Minister eine leicht verbesserte Stimmung, die Gefahr eines Winters mit Energieversorgungsproblemen hat sich nicht bewahrheitet, der private Konsum sei aufrecht geblieben, obwohl es eine starke Teuerung gegeben habe. Nicht bei allen, wie Kocher zugibt, man spreche natürlich noch über Kaufkraft und Schwierigkeiten bei Teilen der Bevölkerung, dies sei ihm bewusst. Aber je nach Energieversorgung gab es, allgemein gesehen, unterschiedliche Betroffenheit.

Kocher erwartet auch, dass wir noch heuer eine gewisse Dynamik erleben werden, denn das IHS und WIFO haben für das zweite Halbjahr eine Wachstumsprognose von 0,3 bis 0,5 Prozent beim BIP ausgegeben, für das Jahr darauf 1,4 bis 1,8 Prozent.

“Die Teuerung ist natürlich etwas, was alle Haushalte und Unternehmen belastet”, sagt er. “Das große Ziel ist es, sie auf ein gewisses Niveau zu beschränken und nicht mehr als zwei Prozent Teuerung zu haben. Doch das ist vornehmlich die Aufgabe der Geldpolitik. Die EZB (Europäische Zentralbank) hat die Aufgabe über Zinsen, die Nachfrage und Entwicklung der Geldentwertung zu steuern. Wichtig ist es, dass nationale Politiken beitragen. Das ist nicht einfach, aber wir wollen die Kaufkraft aufrechterhalten.”

Inflation und ihre treibenden Faktoren

Kocher betont, dass die Inflation durch verschiedene Faktoren getrieben ist. Die Preise im Energiesektor seien derart so stark angestiegen, weil die Erwartung war, Energie würde knapp werden. So ein Problem könne man nicht alleine, sondern nur geopolitisch lösen. “Da helfen Zinserhöhungen nicht alleine. Zinspolitik heißt, dass Zinsen steigen und es für Unternehmen teurer wird zu investieren” erklärt Kocher. “Haushalte bauen weniger. All das führt zu weniger Projekten und möglicherweise zu höheren Belastungen. Mit der Zinspolitik möchte man die Inflation einbremsen, sollte sie aber nicht zu stark ausführen, um keine negativen Effekte auf Unternehmen zu haben.”

Der Wirtschaftsminister erklärt weiter, dass eine einzelne Regierung keinen Zugriff auf die Geldpolitik habe und man durch andere Maßnahmen gegensteuern wolle und tue. Etwa damit, dass man den Wettbewerb befeure. Denn wenn jener funktioniere, würden die Preise nicht steigen, sondern sinken. Man müsse auch darauf schauen, dass die Preisreduktionen auf internationalen Märkten an die Konsument:innen weiteregegeben werden. In Österreich agiere da eine Task-Force, bestehend aus der E-Control und der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), die sich um derartige Dinge kümmere.

“Aber es wäre eine Illusion zu glauben, dass eine Regierung die Preise senken kann. Die ergeben sich am Markt durch den Wettbewerb”, stellt Kocher klar. “Aber was wir tun können, ist eben diesen Wettbewerb zu stärken, wie beim Spritpreisrechner die Transparenz zu erhöhen, Konsument:innen zum Vergleichen zu ermuntern, wo es möglich ist. Per Regulierung kann das eine Regierung nicht machen, weil das Versorgungsschwierigkeiten erzeugt. Das schlimmste wäre, man reguliert und dann gibt es das Produkt nicht mehr. Aber, unterstützen kann man bei Gebühren und Steuern.”

Willkürliche Preisanstiege

Da viele aus der Bevölkerung in den letzten Monaten das Gefühl hatten, dass in manchen Branchen Preise willkürlich erhöht worden sind, mahnt Kocher hierbei dazu, zu unterscheiden. Gebe es in einem Bereich zu wenig Wettbewerb, dann müsse man ihn stärken. Falls es irgendwo eine Monopolisierung gebe oder gar ein Verstoß gegen das Kartellrecht oder Preisabsprachen vorliegen, würden Beteiligte gegen das Strafrecht verstoßen. Hier sei die BWB am Zug.

In weitere Folge geht Kocher auf die teilweise hohen Lohnverhandlungsabschlüsse der Gewerkschaften und Sozialpartner ein, beteurte, dass die Kaufkrafterhaltung in Österreich sehr wichtig sei, man aber in eine Spiralentwicklung käme, wenn die Abschlüsse der Verhandlungen “zu hoch” würden.

“Im Prinzip ist es eine Diskussion, die bei allen Lohnverhandlungen auch die gesamtwirtschaftliche Komponente berücksichtigt”, sagt er. “Ich bin davon überzeugt, dass dies beide Seiten wissen und dass es in Österreich gute Praxis ist. Da braucht es keine guten Ratschläge der Regierung.”

Fachkräftemangel für Kocher entscheidendes Thema

Das Thema Arbeits- und Fachkräfte hält Kocher für eine entscheidende Frage, die die nächsten 15 Jahre prägen wird. Demografische Entwicklungen zeigen, dass in naher Zukunft viele in Pension gehen werden; die jungen Jahrgänge am Arbeitsmarkt dagegen substantiell kleiner. Dies würde vor allem zu einem Problem werden, wenn sich die Konjunktur wieder verbessere und von Wirtschaftsseite mehr Arbeitskräfte verlangt werden würden.

Die Maßnahmen seines Ministeriums hierbei seien vor allem eine “zielgerichtete Arbeitsvermittlung”, Fokus auf Bildungspolitik und Gesundheitsvorsorge. Auch möchte die Regierung das Arbeiten nach der Pension attraktiver gestalten, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – mit Blick auf Frauen – verbessern und schlicht mehr Möglichkeiten für “mehr Arbeiten” schaffen. Etwa durch den Ausbau an Kinderbetreuung oder von Ausbildungs- und Fortbildungschancen. Auch die Wirtschaft müsse hier ihren Teil leisten und richtige Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, so Kocher schlussfolgernd.

In diesem Sinne vollführt der Minister an dieser Stelle den Spagat zu New Work und betont, dass es bei der emotional geführten Diskussion zur verkürzten Arbeitszeit nicht eine einzige Lösung für alle gebe.

“Die 4-Tage-Woche wird in gewissen Bereichen die Norm werden”, sagt er. “Sie ist ja heute auch bereits möglich. Wir müssen jetzt gesetzliche Voraussetzungen schaffen, sodass es branchenspezifische Lösungen entweder auf der Ebene der Betriebe gibt, oder in Kollektivverträgen auf Branchenebene. Da wird es natürlich auch Wettbewerb geben, aber es ist eine Illusion, dass alles für alle Arbeitnehmer:innen, für alle vier Millionen selbstständig Beschäftigten in Österreich, gleich geregelt werden kann.”

Kocher plädiert indes dafür, die New-Work-Tendenzen und Entwicklungen, wo es funktioniert, zu ermöglichen, aber nicht alles über einen Kamm zu scheren.

Belohung statt Strafe

In weiterer Folge zeigt sich der Minister als Verfechter dafür, “mehr Arbeit” zu incentivieren, statt Teilzeit zu bestrafen. Er weiß, dass Österreich hohe Belastungen in Sachen Lohnnebenkosten und Besteuerung hat und dass es Arbeitszeitmodelle brauche, in denen man längere Arbeitszeiten pro Woche unterstütze, so die Kurzform seiner Aussagen im brutkasten-Talk. Eines möchte er aber betonen.

“Wir wollen nicht die Wahlfreiheit einschränken, sondern die Möglichkeit schaffen (Anm.: mehr Stunden pro Woche zu arbeiten)”, so Kocher. “Es geht jetzt darum, dies attraktiv zu machen. Es ist für den Wohlstand in Österreich und für die Sicherung des Sozialsystems entscheidend. Wenn immer mehr in Teilzeit arbeiten, haben wir weniger im Sozial- und Gesundheitssystem und weniger für Dinge, wo wir alle überzeugt, sind, dass wir ein hohes Niveau haben”, beteuert Kocher.

Startups für Kocher ein Motor

Abschließend lobt der Wirtschaftsexperte die Startup-Szene als Innovationsmotor und Taktgeber für technische Neuerungen, die viele Jahre später erst Usus in Corporates werden, berichtet vom Gründungsfonds II und weiß, dass die Szene weitere Wünsche und Bedürfnisse hat, ohne näher darauf einzugehen. Es gebe noch Dinge zu klären – auch zwischen zuständigen Ministerien.

“Innovation kann nicht alles lösen”, so Kocher abschließend, “aber die Zukunftsfitness (Anm: eines Wirtschaftsstandortes) ist immer davon abhängig, dass man bestehende Lösungen überdenkt und anpasst. Jetzt ist eine Zeit, wo es durch exogene Faktoren, wie die Pandemie, Lieferkettengesetze und den russischen Angriffskrieg ohnehin viele Anpassungen gibt. Dies ist ein hoher Anspruch, wir werden das Tempo aufrechterhalten müssen. Es wird nicht einfach, ist aber unsere große Chance.”

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30.12.2024

Der Climate-Tech-Startup-Jahresrückblick 2024

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Österreichische Startups spielen mit ihren Klimatechnologien eine zentrale Rolle bei der Dekarbonierung des Wirtschaftsstandorts. Doch trotz ihrer Bedeutung sahen sich viele dieser Unternehmen 2024 mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert – insbesondere aufgrund der schwierigen Finanzierungslage, die den Zugang zu Kapital deutlich erschwert hat.

Ein Blick auf das jüngste EY-Startup-Barometer zeigt: 2024 hatten immerhin 25 der insgesamt registrierten 149 Finanzierungsrunden einen Bezug zum Thema Nachhaltigkeit, das entspricht jeder sechsten Finanzierungsrunde. 2023 hatte dieser Anteil mit 20 Prozent noch höher gelegen.

Das Gesamtvolumen der Finanzierungsrunden im Jahr 2024, an denen Startups mit Nachhaltigkeits-Fokus beteiligt waren, belief sich laut EY auf 148 Millionen Euro – das entspricht einem Anteil von fast 26 Prozent am insgesamt investierten Risikokapital in Höhe von 578 Millionen Euro. Im Vorjahr waren es noch 175 Millionen Euro, die an Sustainability Startups ausgeschüttet wurden.

Trotz dieser Herausforderungen war 2024 ein Jahr, in dem österreichische ClimateTech-Startups ihre Innovationskraft und Resilienz unter Beweis stellten. Viele Unternehmen konnten wichtige Fortschritte erzielen und ihre Technologien weiterentwickeln, während einige sogar ihre internationale Expansion vorantrieben. Wir werfen hier einen Rückblick auf die wichtigsten Ereignisse heimischer Startups in den Bereichen Energie, Mobilität, Ernährung, Landwirtschaft, Kreislaufwirtschaft, CO₂-Monitoring und Lieferketten-Management.


Energie

Das Jahr 2024 stand im Energiesektor ganz im Zeichen der Energiewende. Besonders beeindruckte das Wiener Startup enspired, das im Mai eine der größten Finanzierungsrunden des Jahres abschloss und 25,5 Millionen Euro in einer Series-B-Runde einsammelte. Mit diesem Kapital plant das Unternehmen die Expansion in die USA und Asien sowie die Vermarktung von über 50 Gigawatt erneuerbarer Energien bis 2035. Die KI-basierte Technologie von enspired optimiert den Handel auf Strommärkten und setzt neue Maßstäbe in der Effizienz von Energienutzung – ein klares Signal für die Stärke Österreichs im globalen Energiemarkt.

enspired-Gründer Jürgen Mayerhofer und Wolfgang Eichberger | (c) enspired

Auch das Wiener Startup Nobile trägt mit seiner Plattform Nobile:Connected zur Transformation der Energiebranche bei. Das Unternehmen kommunizierte im November eine Finanzierungsrunde von fünf Millionen Euro und verfolgt das Ziel, Energieerzeuger in sogenannten Energiegemeinschaften zu verbinden. Diese fördern die Dezentralisierung der Stromnetze und ermöglichen eine direkte Versorgung von Verbrauchern mit erneuerbarer Energie. Zudem kündigte Nobile an, in mehrere europäische Märkte zu expandieren – darunter Italien, Deutschland und Belgien.

Die Nobile-Gründer:innen Peter Gönitzer und Lorena Skiljan | (c) Nobile

Die Energiewende und die Wärmewende sind eng miteinander verknüpft, da die Transformation des Energiesystems ohne die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung nicht vollständig erreicht werden kann. Auch hierfür liefern österreichische Startups Lösungen. Das junge Wiener Unternehmen Heizma, das sich seit März auf die Installation von Wärmepumpen spezialisiert hat, erzielte in seinem ersten Geschäftsjahr Aufträge in Höhe von zehn Millionen Euro. 2024 bewies auch ecop, ein Spezialist für industrielle Hochtemperatur-Wärmepumpen, mit einer Finanzierung von 8,5 Millionen Euro und der Einführung neuer Technologien, dass nachhaltige Lösungen auch in der Industrie auf dem Vormarsch sind.

Das Gründerteam von Heizma rund um Michael Kowatschew (Mitte) | (c) Heizma

Das oberösterreichische Scaleup neoom meisterte 2024 trotz eines Personalabbaus Ende 2023 die Herausforderungen des Marktes und setzte seinen Wachstumskurs fort. Mit über 300 Mitarbeitenden und einer starken Präsenz in Deutschland, das bereits 40 Prozent des Umsatzes ausmacht, fokussierte sich das Unternehmen auf digitale Lösungen wie die Energiemanagementsoftware Connect AI. Diese ermöglicht intelligente Energieentscheidungen und treibt die Vernetzung von über 58.000 Geräten an 15.000 Standorten voran, wodurch neoom seinen Beitrag zur Digitalisierung der Energiewirtschaft leistet.

neoom
neoom-CFO Philipp Lobnig und Gründer Walter Kreisel (c) neoom

Das Wiener Startup Hydrogrid setzt mit seiner Softwarelösung zur Optimierung von Wasserkraftwerken neue Maßstäbe in der Energiewirtschaft. Die Technologie ermöglicht eine automatische Anpassung der Stromproduktion an Marktpreise und Umweltbedingungen, wodurch Gewinne maximiert und die Energieerzeugung effizienter gestaltet werden. Hydrogrid hat 2024 einen wichtigen Meilenstein erreicht: In Zusammenarbeit mit dem schwedischen Energieversorger Vattenfall wird die Software künftig in 32 Wasserkraftwerken in Schweden implementiert. Damit stärkte das Unternehmen 2024 seine internationale Präsenz und trägt zur nachhaltigen Nutzung erneuerbarer Energien bei.

Zudem wurden im Energiebereich 2024 auch neue Startups gegründet. Dazu zählt beispielsweise 2nd Cycle, das eine automatisierte Upcycling-Anlage für gebrauchte Photovoltaik-Module entwickelt. Gleichzeitig sicherte sich das im Dezember 2023 gegründete Wiener Startup Balun, das eine Forecasting-Lösung für erneuerbare Energien entwickelt, eine Finanzierung im sechsstelligen Bereich. Diese Technologie soll die Integration von erneuerbaren Energiequellen ins Stromnetz optimieren und damit die Energiewende weiter vorantreiben.

Mobilität

Das Wiener Carsharing-Startup eloop musste im April seinen Betrieb einstellen und ein Sanierungsverfahren einleiten. Als Gründe nannte das Unternehmen erschwerte Wachstumsbedingungen sowie hohe Kosten durch nicht versicherte Fahrzeugschäden.

Eloop, 360Grad
(c) Eloop – Das Eloop-Team erhält Kapital für den Ausbau der „Tokenization as a service“-Plattform.

Ebenfalls von finanziellen Herausforderungen betroffen, konnte das Wiener Mobility-Startup goUrban nach einem Sanierungsantrag im Vorjahr im März 2024 eine Finanzierung von drei Millionen Euro durch Bestandsinvestoren sichern. Im September folgte die Übernahme durch den Hamburger Mitbewerber Wunder Mobility, wobei Marke und Team unter der Leitung von CEO Bojan Jukic erhalten blieben. Gemeinsam streben die Unternehmen an, eine unabhängige Technologieplattform zu schaffen, die neue Maßstäbe für die Sharing-Branche setzt.

Bojan Jukić | (c) GoUrban

Das Grazer Startup Easelink erhielt im Oktober ein Investment von 1,5 Millionen Euro von Verbund X Ventures, um die Internationalisierung seiner “Matrix Charging”-Technologie voranzutreiben. Diese Lösung für automatisiertes Laden von E-Autos wird bereits in Projekten wie “eTaxi Austria” eingesetzt und soll als globaler Industriestandard etabliert werden. In Salzburg arbeitet das Startup FlyNow Aviation an automatisierten eCopter-Flügen. Mit Plänen für erste Cargoflüge 2025 in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie Investitionen im Millionenbereich will FlyNow die Skalierung seiner Produktion vorantreiben und erschwingliche Fluglösungen realisieren.

COO Yvonne Winter und CEO Jürgen Greil | (c) FlyNow
COO Yvonne Winter und CEO Jürgen Greil | (c) FlyNow

Das Wiener Scaleup Necture, ehemals bekannt als Ubiq, sicherte sich 2024 ebenfalls neue finanzielle Mittel. Mit einer erweiterten Series-A-Finanzierungsrunde in Höhe von insgesamt 2,5 Millionen Euro und einem Rebranding fokussiert sich das Unternehmen auf die Weiterentwicklung seiner SaaS-Plattform. Sie bietet Datenanalysen und Empfehlungen für das sogenannte “Rebalancing” der Flotten, einschließlich optimaler Zeitpunkte und Orte zum Laden von Elektrofahrzeugen.

Christian Adelsberger | (c) Necture

Ernährung und Landwirtschaft

Das Jahr 2024 brachte bedeutende Fortschritte und Innovationen im Bereich Ernährung und Landwirtschaft hervor, wobei österreichische Startups im Bereich der alternativen Proteine zahlreiche Fortschritte erzielten.

Das Wiener Food-Tech-Startup Revo Foods setzte mit der Eröffnung der “Taste Factory” einen neuen Maßstab. Diese weltweit größte Anlage für 3D-Lebensmitteldruck im industriellen Maßstab ermöglicht die Produktion von bis zu 60 Tonnen pflanzlicher Fischalternativen pro Monat. Mit der innovativen “3D-Structuring Technology” entwickelt Revo Foods komplexe Texturen, die Muskelfleisch täuschend echt nachahmen. Das Unternehmen plant, mit seinem Produkt “The Filet – Inspired by Salmon” pflanzliche Fischalternativen im großen Stil verfügbar zu machen.

Gründer Robin Simsa | (c) Revo Foods

Fortschritte erzielte auch das Wiener Biotech-Startup Fermify, dessen rein pflanzliches Kasein im Jahr 2024 von der US-amerikanischen Lebensmittelbehörde FDA als “Generally Recognized As Safe” (GRAS) eingestuft wurde. Dieses pflanzenbasierte Milcheiweiß, entwickelt unter der Leitung von Gründerin und CEO Eva Sommer, ermöglicht die Herstellung von Käse- und Molkereiprodukten ohne tierische Bestandteile. Die GRAS-Anerkennung öffnet Fermify den Weg zur internationalen Markteinführung und unterstreicht die Bedeutung der Präzisionsfermentation für die Entwicklung nachhaltiger Lebensmittelalternativen.

Fermify, veganer Käse, GRAS, FDA
(c) Dani-Ella-Photography – Christoph Herwig und Eva Sommer von Fermify.

Auch neue Startups am Markt wie Green Lilly zeigten, wie Innovation und Nachhaltigkeit in der Lebensmittelbranche kombiniert werden können. Das erst 2024 gegründete oberösterreichische Unternehmen spezialisierte sich auf vegane Gemüseaufstriche in der Tube, die durch natürliche Zutaten, hohen Proteingehalt und lange Haltbarkeit überzeugen. Mit fünf Sorten, die bereits auf internationalen Märkten Aufmerksamkeit erregen, möchte Green Lilly 2025 seine Expansion in Europa vorantreiben.

Gründerin Lilly Messner und Markenbotschafter & Profifußballer Kevin Danso (c) Green Lilly

Im Bereich alternativer Proteinquellen setzte das Wiener Startup Livin Farms seine Expansion in Europa fort. Mit automatisierten Insektenmastanlagen, die jährlich bis zu 100.000 Tonnen organisches Material in Ressourcen wie Protein, Fett und Düngemittel umwandeln, betreut das Unternehmen nun Projekte in Österreich, Spanien, Belgien und Deutschland.

Livin Farms-Gründerin Katharina Unger | (c) Paris Tsitsos / Livin Farms
Livin-Farms-Gründerin Katharina Unger | (c) Paris Tsitsos / Livin Farms

Einen Beitrag zur landwirtschaftlichen Ressourcenschonung leistete das Boku-Spin-off Agrobiogel mit seinem Hydrogel-Granulat “Retentis”. Das biobasierte Produkt kann ein Vielfaches seines Eigengewichts an Wasser speichern und Pflanzen während Trockenperioden versorgen, wodurch Dürreschäden reduziert werden. Dank eines Millioneninvestments wird im ersten Quartal 2025 eine Produktionsanlage in Kooperation mit der Austrocel Hallein GmbH in Betrieb genommen, um die Skalierung dieser innovativen Technologie voranzutreiben.

Gibson S. Nyanhongo, Christoph Ertl und Tobias Keplinger | (c) Agrobiogel

Kreislaufwirtschaft

Das steirische Unternehmen Supaso eröffnete in Löffelbach einen neuen Produktionsstandort, der mit einer Investition von drei Millionen Euro finanziert wurde. In der 3.000 Quadratmeter großen Produktionsstätte produziert Supaso nachhaltige Isolierverpackungen aus recyceltem Altpapier, die insbesondere für den Kühl- und Tiefkühlversand von Lebensmitteln, Babynahrung, Tierfutter und Arzneimitteln eingesetzt werden. Zukünftig plant das Unternehmen, auch Akustikpaneele zur Schalldämmung sowie stoßsichere Verpackungslösungen anzubieten.

Supaso Verpackung aus Recylcingpapier Isoliermaterial umweltfreundlich Fabian Gems Georg Lackner
v.l. Co-Founder Georg Lackner und Fabian Gems (c) Elisabeth Pollak

Im Bereich Kohlefaser-Recycling machte das Linzer Startup Carbon Cleanup 2024 bedeutende Fortschritte. Mit der Inbetriebnahme einer neuen, leistungsstarken Anlagengeneration im August konnte das Unternehmen seine Kapazität auf bis zu 200 Tonnen Kohlenstofffasern pro Jahr erhöhen. Zusätzlich erhielt Carbon Cleanup eine Förderung der Austria Wirtschaftsservice (aws) in Höhe von 700.000 Euro, um die Produktion weiter auszubauen. Eine Kooperation mit KTM Technologies ermöglicht es dem Unternehmen, einen geschlossenen Materialkreislauf für Carbonfaser-Abfälle zu etablieren, was einen wichtigen Schritt für die Kreislaufwirtschaft in der Industrie darstellt.

(c) Carbon Cleanup

Auch der Gründer von öKlo, Niko Bogianzidis, präsentierte 2024 ein visionäres Projekt: “öKlo-Land”, ein Biomasse-Recycling-Center auf 13.000 Quadratmetern nahe Wien, soll ab 2026 organische Wertstoffe wie menschliche Fäkalien in nachhaltige Produkte wie Struvit-Langzeitdünger, Biogas und Holzfaser-Beton umwandeln. Um das Vorhaben zu realisieren, ist die Gründung eines neuen Unternehmens geplant. Bogianzidis möchte sich künftig vollständig auf dieses Projekt konzentrieren und sich aus dem operativen Geschäft von öKlo zurückziehen.

öKlo, Toilette der Zukunft, Phosphor,
(c) öKlo – öKlo-Gründer Niko Bogiansidis.

Neben diesen Entwicklungen setzte das Wiener Scaleup refurbed seinen Wachstumskurs fort und expandierte in die Märkte Belgien, Finnland, Portugal und Tschechien. Mit über 18.000 erneuerten Elektronikprodukten und einer starken Akzeptanz in Osteuropa stärkte refurbed 2024 seine Position als führender Anbieter nachhaltiger Elektroniklösungen. Das Unternehmen plant auch 2025, sein Sortiment weiter auszubauen und beschäftigt mittlerweile über 300 Mitarbeitende.

Das refurbed-Founderteam Kilian Kaminski, Peter Windischhofer und Jürgen Riedl (c) refurbed

Das Grazer Startup Metaloop, ehemals Schrott24, beschleunigte 2024 sein Wachstum nach einer erfolgreichen Series-A-Finanzierungsrunde 2023. Mit monatlichen Umsätzen im achtstelligen Bereich und einem Fokus auf größere B2B-Kunden sowie Produktentwicklung verfolgt Metaloop das Ziel, einen globalen Standard für den Altmetallhandel zu etablieren.

Metaloop, Investment
(c) Metaloop – Die beiden Metaloop-Founder Jan Pannenbäcker (r.) und Alexander Schlick.

Auch nachhaltige Lösungen im Hotelgewerbe zeigten Erfolge: Das Wiener Startup MATR erhielt eine weitere Finanzierung durch Greiner Innoventures und baut sein Angebot für nachhaltige Matratzenlösungen aus, die vollständig recycelbar sind. Neben der Belieferung von über zehn renommierten Hotels plant MATR für 2025 eine Expansion in den Endkundenmarkt und setzt auf EU-Ecodesign- und Circular-Design-Kriterien, um die Kreislaufwirtschaft auch in der Hotellerie voranzutreiben.

v. l. n. r.: Die MATR-Gründerinnen Michaela Stephen und Verena Judmayer mit Christoph Zipko, Senior Venture & Business Model Manager bei Greiner Innoventures und Philipp Kranewitter, Senior Expert Innovation Manager bei Greiner Innoventures | (c) Lisi Specht

Lieferketten und C02-Monitoring

Das Wiener Scaleup Prewave, spezialisiert auf KI-basierte Lösungen für Lieferkettenrisikomanagement, sicherte sich 2024 in einer Series-B-Finanzierungsrunde 63 Millionen Euro. Angeführt wurde die Runde von der Investmentgesellschaft Hedosophia, mit Beteiligung bestehender Investoren wie Creandum, Ventech, Kompas, Speedinvest und Working Capital Fund. Das 2017 von Lisa Smith und Harald Nitschinger gegründete Unternehmen plant auch 2025, mit diesem Investment seine globale Expansion voranzutreiben und die Weiterentwicklung seiner KI-Technologie zu forcieren. Prewaves Plattform identifiziert weltweit 140 Risikoarten, darunter Naturkatastrophen, Cyber-Risiken und ESG-Verstöße, und analysiert Daten in über 400 Sprachen, um Unternehmen bei der Einhaltung internationaler Vorschriften zu unterstützen. Mit dieser Finanzierung strebt Prewave insbesondere eine Expansion in den US-Markt an.

Die Prewave-Gründer:innen Lisa Smith und Harald Nitschinger | (c) Viktoria Waba / brutkasten

Das Wiener Startup EcoNetix, gegründet 2023 von Jakob Zenz und Paul Nimmerfall, erhielt 2024 ein Millioneninvestment, um seine datengetriebene Lösung zum Monitoring und Tracking von CO2-Einsparungen weiterzuentwickeln. Das Unternehmen arbeitet bereits mit Partnern in sechs Ländern auf drei Kontinenten, darunter Aufforstungsprojekte in Afrika und Renaturierungsprojekte an Küsten, und strebt den Aufbau eines weltweiten Carbon-Credit-Portfolios an. Mit Sensoren sammelt EcoNetix Live-Daten, die mehr Transparenz im CO2-Markt schaffen und das Vertrauen in Kompensationsprojekte stärken.

Die beiden EcoNetix-Gründer Paul Nimmerfall und Jakob Zenz (v.l.n.r.) | (c) brutkasten / fabian krausböck

Einen weiteren wichtigen Meilenstein erreichte 2024 auch Everest Carbon, ein Climate-Tech-Startup mit Wurzeln in Linz und Sitz in San Francisco. Das Unternehmen sicherte sich 2024 ein Investment von drei Millionen US-Dollar, finanziert durch Carbon Removal Partners aus Zürich, Ponderosa Ventures aus New York und die Carbon Drawdown Initiative aus Bayern. Trotz der internationalen Ausrichtung bleibt die Forschungs- und Entwicklungsarbeit im Linzer Tech Harbor verankert. Das Kapital fließt in die Weiterentwicklung und Skalierung der firmeneigenen Sensortechnologie, die den Prozess der beschleunigten Gesteinsverwitterung zur CO2-Bindung messbar und skalierbar macht.

Das Gründerteam von Everest Carbon (c) Everest Carbon

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