20.03.2021

Lernsieg: sechsstellige Anwaltskosten – “Gewerkschaft will uns finanziell abschlachten”

Zahlreiche von der Lehrergewerkschaft unterstützte Klagen drängen das umstrittene Wiener Startup Lernsieg finanziell in die Ecke. Nun startete es einen Spendenaufruf.
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Lernsieg-Gründer Benjamin Hadrigan | (c) Katharina Wocelka
Lernsieg-Gründer Benjamin Hadrigan | (c) Katharina Wocelka

Der Launch der Lehrerbewertungs-App Lernsieg ließ im Herbst 2019 in Österreich die Emotionen hochgehen. Vor allem von der Lehrergewerkschaft gab es heftige Kritik am Startup des damals 17-jährigen Gründers Benjamin Hadrigan. Ins Treffen geführt wurden dabei vor allem Datenschutzbedenken. Das Bildungsministerium veranlasste daraufhin eine Untersuchung durch die Datenschutzbehörde. Auch eine zivilrechtliche Klage von einem Lehrer, der seine Persönlichkeitsrechte verletzt sah, wurde mit Unterstützung der Gewerkschaft gegen Lernsieg eingebracht. Die App ging deswegen damals kurz nach dem Start wieder offline.

Aktueller Video-Talk mit Lernsieg-Gründer Hadrigan

Doch die Datenschutzbehörde lieferte bereits Anfang 2020 einen positiven Bescheid für die App und gab in Sachen DSGVO grünes Licht. Lernsieg ging daraufhin ein zweites Mal mit Rekord-Downloadzahlen online. Die zivilrechtliche Klage wurde nach coronabedingter Verzögerung schließlich Anfang 2021 in erster Instanz abgewiesen.

Anwaltskosten: Ende der App als “realistische Gefahr”

Die Rechtsstreitigkeiten rund um die App sind damit aber nicht vorbei. Im Gegenteil: “Inzwischen sind es insgesamt vier Zivilklagen und 35 Datenschutzverfahren”, sagt Gründer Hadrigan dem brutkasten. Auch beim erwähnten ersten Verfahren ging der Kläger in Berufung. “Die Strategie der Gewerkschaft ist es, uns finanziell abzuschlachten. Und das gelingt ihnen auch, weil die Klagen und die Datenschutzverfahren wahnsinnig viel Geld kosten. Wir sind bei den Anwaltskosten schon im sechsstelligen Bereich. Das ist extrem viel Geld für ein Startup”. Weil es auch coronabedingte Umsatzeinbußen bei Werbung in der App gebe, sei die finanzielle Situation inzwischen schwierig. Eine mögliches Ende der App wegen der hohen Gerichtskosten sieht Hadrigan als “realistische Gefahr”.

Er sei zudem auch bei jeder einzelnen Klage auch privat verklagt worden. “Auch wenn wir als Unternehmen ein Insolvenzverfahren durchführen würden, müsste ich in den folgenden Jahren weiter privat vor Gericht stehen und das auch privat bezahlen”, sagt Hadrigan. Vor allem dieses Vorgehen empfinde er als “unter der Gürtellinie”.

Bei all dem ist für den Gründer klar: “Das Geld, das wir jetzt für Anwälte ausgegeben haben, hätten wir zum Beispiel für die technische Weiterentwicklung und unser Monetarisierungskonzept verwenden können”. Mit hunderttausenden Downloads und fast einer Million Bewertungen in der App habe man eigentlich eine gute Basis für weiteres Wachstum geschaffen. Nun gehe es aber darum, überhaupt die Kosten decken zu können.

Spendenaufruf für Lernsieg gestartet

“Deswegen haben wir jetzt die Spendenkampagne gestartet, wo man auf der Website lernsieg.at spenden kann. Wir machen das, um die Anwälte weiterhin bezahlen zu können und auch, um Corona zu überleben”, so Hadrigan. Bislang habe man alles aus privaten Mitteln finanziert. “Ich habe auch selber in die Firma investiert, natürlich gab es auch Investoren. Zumindest für uns ist es aber momentan wegen Corona schwieriger am Investorenmarkt. Unsere Überlegung war nun: Wir haben ja viel Reichweite und viel Zuspruch, von Leuten, denen die App wichtig ist. Wenn wir einen Euro von jedem Download bekommen würden, hätten wir genug Geld, um weiter zu kämpfen”, meint der Gründer.

Expansion weiterhin geplant

Denn ans Aufgeben denkt er nicht. Auch 18 der 35 Datenschutzverfahren seien bereits zur Gänze abgewiesen worden. “Wir werden auch die anderen Klagen gewinnen und am Ende den Kostenersatz bekommen, aber wirklich erst ganz am Ende. Bis dahin brauchen wir Geld”, sagt Hadrigan. Natürlich sei man dabei auch für Investment-Angebote offen. Denn die schon vor der Coronakrise gehegten Expansionspläne habe man weiterhin. Allerdings stellt Hadrigan klar: “Wir wollen zunächst am Testmarkt Österreich monetarisieren und dann gleich mit einem starken funktionierenden Geschäftsmodell expandieren”.

Gewerkschaftschef Paul Kimberger habe er übrigens wiederholt kontaktiert und gefragt, ob er an einem Tisch diskutieren wolle, sagt der Lernsieg-Gründer: “Er will das nicht”. Und Hadrigan richtet Kimberger aus: “Die Mitgliedsbeiträge für unsinnige Klagen mit hohen Anwaltskosten auszugeben, anstatt sich etwa um Masken für Lehrer zu kümmern – das finde ich verantwortungslos”.

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Grow geht in die vierte Runde: am Bild Jakob Detering und Harald Breit
Jakob Detering und Harald Breit | (c) Impact Hub/Zeman Photography / Deloitte/feelimage

Bereits zum vierten Mal unterstützt das Beratungsunternehmen Deloitte gemeinsam mit dem Impact Hub heimische Startups mit Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit bei der Weiterentwicklung ihrer Geschäftsideen.

Nach einer Bewerbungsphase stehen die sechs Finalist:innen von „Grow“ nun fest. Sie starten jetzt in einen halbjährigen Inkubationsprozess. Auf die besten zwei Jungunternehmen warten im Juni 2025 insgesamt EUR 15.000,- Preisgeld sowie 100 Pro-Bono-Beratungsstunden von Deloitte.

Grow: Das sind die Finalist:innen

“Im Rahmen von Grow fördern wir schon seit Jahren Jungunternehmer:innen mit nachhaltigen und sozialen Geschäftsideen. Wir waren stets begeistert vom Pionier- und Innovationsgeist der jungen Menschen. Auch heuer sind zahlreiche vielversprechende Ideen dabei. Wir freuen uns, die sechs ausgewählten Teams in den kommenden Monaten zu begleiten”, erklärt Harald Breit, CEO von Deloitte Österreich.

Sonnig

Zu den diesjährigen Finalist:innen zählt das Startup SonnigDie App ermöglicht es Unternehmen, ihren Mitarbeitenden erneuerbare Energie, als Corporate-Benefit zur Verfügung zu stellen. Damit soll auf beiden Seiten Kosten gespart und gleichzeitig die Energiewende vorangetrieben werden.

Les Ensembles

Das KI-Startup Les Ensembles fokussiert auf den nachhaltigen Gebrauch von Kleidung. Die KI-App erstellt ihren Nutzer:innen individualisierte Outfit-Vorschläge und verhindert so, dass bereits gekaufte Kleidung aus dem eigenen Schrank frühzeitig im Müll landet. Zudem verbindet sie Anwender:innen mit umweltfreundlichen Marken und Secondhand-Labels.

STURC

Das Startup STURC stellt Holzplatten aus Kaffeeabfällen her. Die ressourcenschonende und nachhaltige MDF-Alternative(Anm.: mitteldichte Holzfaserplatte) ermöglicht es Holzplatten-Produzenten, Möbel-Giganten und Instantkaffee-Herstellern Kosten zu sparen und die Kreislaufwirtschaft zu fördern. 

CELLOgics

CELLogics möchte mit „TranSphere“ künftig eine kosteneffiziente, nachhaltige und verschlankte Lösung für den weltweiten Versand von Zellproben anbieten. Voluminöse Verpackungen, die gekühlt werden müssen, sollen damit abgelöst werden. 

Social Cooling

Ebenfalls im „Grow“-Finale steht das Jungunternehmen Social Cooling, das mit „TerraBreeze“ eine umweltfreundliche „Plug-and-Play“-Klimaanlage erschaffen hat, die 40 Prozent weniger Strom verbraucht als herkömmliche Geräte. Ihre Zielgruppe sind vor allem Büros und öffentliche Räume. 

Smiling Food

Das Startup Smiling Food arbeitet an der Marktreife des ersten Baukastensystems für Zuckeralternativen. Mithilfe von Datenwissenschaft, Prozessinnovation und Anwendungstechnologie sei es gelungen, die Eigenschaften von Zucker 1:1 nachzubauen.

So geht es jetzt weiter

Auf die sechs Startups warten nun arbeitsintensive Wochen, in denen die Businesspläne weiterentwickelt und geschäftstauglich gemacht werden sollen. “Wir freuen uns sehr darauf, den Jungunternehmer:innen in dieser wichtigen Zeit mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Wir sind überzeugt, dass ihre Ideen künftig eine wichtige Basis für eine grünere Zukunft sein werden”, so Jakob Detering, Geschäftsführer des Impact Hub Vienna.
 
Nach dem Acceleration-Programm pitchen die Finalist:innen ihre Konzepte vor einer externen Jury, die am Ende die beiden Gewinner-Teams kürt.
 

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