26.02.2021

Kokojoo: Alle Hintergründe zu den Betrugsvorwürfen

Beim Staffelfinale der Startup-Show "2 Minuten 2 Millionen" auf Puls 4 im Mai letzten Jahres versuchte Kokojoo-Gründer K. 300.000 Euro von den Investoren zu erhalten. Dies misslang. Nun sieht er sich von ehemaligen Kollegen und Bekanntschaften mit schweren Vorwürfen konfrontiert - darunter Betrug und Lohnprellerei.
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Kokojoo, Betrug, 2 Minuten 2 Millionen, Kakao, Kakabohnen, Höhle der Löwen Schweiz,
(c) Kokojoo/FB -Ehemalige Mitarbeiter des Kakaobohnen-Startups Kokojoo mit schweren Vorwürfen gegen den Gründer.

Die Sendung “2 Minuten 2 Millionen” vom 26. Mai 2020 war für ehemalige Kokojoo-Mitarbeiter (Anmerkung: alle vollständigen Namen der Redaktion bekannt) ausschlaggebend, aktiv zu werden und gegenüber der brutkasten-Redaktion vor ihrem ehemaligen Chef zu warnen.


Eine Zusammenfassung der brutkasten-Recherche rund um die Kokojoo-Betrugsvorwürfe ist hier zu lesen:


“Causa öffentlich machen”

Es ist eine ganze Reihe von Ereignissen, die dazu führte, dass sich mehrere ehemalige Mitarbeiter und Vertragspartner zusammengeschlossen haben, um die Causa öffentlich zu machen. Federführend dabei ist Peter (Name geändert), der vier Monate bei Kokojoo gearbeitet hat.

Kokojoo: Das Kakaoschalen-Startup

Zur Erklärung: Kokojoo ist ein Kakao-Startup, das seinen Geschmack aus der Schale der vitaminreichen und kalorienarmen Kakaobohne gewinnt. Es ist ein Firmen-Konzept mit einem charmanten Gründer, das viele junge Leute angezogen hat, als Mitarbeiter im Unternehmen tätig zu werden. So auch Peter.

Anzeige erstattet

Doch nach zwei Monaten im Job hätten die Probleme begonnen: “Ich hab von der Krankenkasse erfahren, dass K. keine Beiträge und Sozialabgaben bezahlt hat. Wir haben uns dann als eine Gruppe von neun Leuten zusammengeschlossen und Anzeige erstattet. Und gewonnen”, erzählt der ehemalige Mitarbeiter.

Verurteilung durchs Arbeitsgericht

Des Weiteren sprechen Peter und andere Mitarbeiter des Startups von fehlenden Löhnen und anderen Ungereimtheiten. Etwa: Laut einem Dokument vom fünften November 2019 des Arbeitsgerichtes Berlin, das dem brutkasten vorliegt, wurde K. dazu verurteilt, Peter 5.800 Euro brutto, inklusive fünf Prozent Zinsen, Lohn nachzuzahlen und die Rechtskosten (insgesamt 10.150 Euro) zu tragen.

Gründer nicht auffindbar

K. war jedoch für die Behörden im deutschen Bundesgebiet nicht auffindbar, was aus einem Schreiben vom 20. Juni 2020 der Berliner Staatsanwaltschaft hervorgeht. Darin heißt es, dass das Verfahren bezüglich einer Strafanzeige vom 17. Oktober 2019 “nicht fortgesetzt werden kann, da für den Beschuldigten kein Aufenthaltsort im Bundesgebiet bekannt ist.” Die Berliner Staatsanwaltschaft selbst möchte sich aus rechtlichen Gründen nicht näher zu diesem Fall äußern. Dafür jemand anders.

Auch Fast-Co-Founderin warnt vor Gründer

Denise (Name geändert) war eigenen Angaben nach fünf Tage bei Kokojoo angestellt. Den Rest ihrer Arbeit für das Startup verrichtete die Hamburgerin auf Freelance-Basis und war für das Design und Branding zuständig. “Aber ich habe mehr als das gemacht“, sagt sie, “Events organisiert wie etwa die ‘Grüne Woche‘ und ich sollte sogar Co-Founderin werden.“

Betrug mit System?

Insgesamt schulde ihr K. heute 15.000 Euro. Der Kokojoo-Gründer habe anfänglich immer wieder neue Gründe angeführt, warum er nicht bezahlen könne. “Dann hat er fälschlicherweise behauptet, er hätte das Gehalt überwiesen, nur um dann per Smartphone-Nachricht zu sagen, ein Buchhalter hätte ihm 20.000 Euro abgeknöpft”, so Denise. Auch Peter bestätigt diesen Vorwurf, und wirft an dieser Stelle ein, dass K. systematisch mit “gefälschten Überweisungsbelegen” arbeiten würde. “Ein gezieltes und musterhaftes Verhalten” seines ehemaligen Chefs, wie er sagt.

Anteile verschenkt

Nach dem Buchhalter-Argument hatte der Kokojoo-Gründer Denise zehn Prozent der Firmenanteile übertragen – notariell beglaubigt und kostenfrei. Im August 2019 wollte er diese Schenkung jedoch wieder rückgängig machen und bot seiner “Partnerin” 1000 Euro an. Denise hatte zu diesem Zeitpunkt bereits genug von K. und willigte ein, sah das Geld aber bis heute nicht.

Hochphasen und Emotionen

“Zu Beginn war alles wunderbar. K. ist nett und charismatisch und dir als jungem Menschen wird so viel Verantwortung übertragen. Kokojoo war unser ‘Baby'”, sagt sie. “Wir erlebten starke Hochphasen und immense positive Emotionen, die dazu geführt haben, dass man die negativen Dinge, die passieren, nicht wirklich sehen will. Ich habe mir immer wieder gedacht, ‘er bezahlt schon’. Doch das ist nie geschehen.”

Harte Konfrontation nötig

Denise geriet wegen dem fehlendem Lohn insgesamt zweimal mit K. heftig aneinander. Danach und heute beschreibt sie ihn als jemanden, der die Macht hat, sein Gegenüber als “nicht-loyal” darzustellen – und der erst nach harter Konfrontation nachgibt.

“Ich konnte irgendwann meine Miete nicht mehr bezahlen. Da hat er seine Freundin vorgeschickt und mir 500 Euro übergeben”, erinnert sie sich.

Ungereimtheiten bei Kokojoo

Denise habe erst im Nachhinein begonnen, die alarmierenden Ungereimtheiten zu fassen, die sie vorher nicht habe sehen können. Sie erzählt, dass sie als wichtigste Person nach dem Startup-Gründer niemals eine Rechnung oder ein offizielles Dokument im Namen des Unternehmens gesehen hat. Ein Umstand der dazu führt, dass auch sie in die schweren Vorwürfe gegen K. einstimmt.

“Ich denke, er hat keine Ahnung von Finanzen. K. betreibt viel Show und manipuliert Menschen. Im Kopf habe ich das Geld, das er mir schuldet bereits abgeschrieben”, sagt sie.

Stellungnahme des Gründers

Der Gründer selbst war nach einigen Kontaktversuchen schlussendlich doch für den brutkasten erreichbar und gab eine Stellungnahme ab. Darin behauptet er weiterhin – konträr zum Versäumnisurteil des Arbeitsgerichtes Berlin, vom 05. November 2019, in dem festgestellt wird, dass Peter tatsächlich bis zum 15. Juli 2019 angestellt war – dass sein ehemaliger Mitarbeiter vom 1. April 2019 bis zum 31. Mai bei der Kokojoo Food Europe UG und dann bei Kokojoo Food Europe GmbH unter Vertrag stand.

Unterschiedliche Angaben

Der Gründer sagt in seinem Statement: “Zuvor absolvierte er (Anm.Peter) eine zweiwöchige Probezeit. Folglich sind seine Angaben zur Dauer der Anstellung falsch und wie im Arbeitsvertrag nachzuprüfen inhaltlich haltlos. Bei einem zweimonatigen Gehaltsrückstand und einem monatlichen Netto-Gehalt von 1859,68 Euro (brutto 2900 Euro) ist rein rechnerisch ein Gehaltsrückstand von 10.000 Euro nicht nachvollziehbar.” Eine Aussage, die im Widerspruch zum, dem brutkasten vorliegenden, Dokument des Arbeitsgerichtes Berlin steht.

Sabotagevorwurf

Der Kokojoo-Gründer geht indes weiter und legt seine Replik auf eine persönliche Ebene, wenn er sagt: “Offensichtlich ist das Interesse von Herrn Peter nicht, seinen Gehaltsrückstand zu erhalten. Vielmehr ist erkenntlich, dass Herr Peter keine Mittel scheut, um die wirtschaftlichen Perspektiven der Marke Kokojoo, sowie meine persönliche Zukunft zu sabotieren.”

“Kein Streit unter Freunden”

Peter und die ehemaligen Mitarbeiter und Kooperationspartner betonen dagegen, dass es ihnen auf keinen Fall darum gehe, die persönliche Zukunft des Gründers zu beschädigen: “Wir wollen unser wohlverdientes Geld haben. Es handelt sich um eine vertragliche Vereinbarung zwischen uns und K. und nicht um einen Streit zwischen Freunden.”

Weitere Anschuldigungen seitens des Kokojoo-Gründers

Auch zur Causa der Nicht-Erreichbarkeit im deutschen Bundesgebiet und seinem Abgang aus Deutschland führt der Kokojoo-Gründer wiederholend den Ex-Mitarbeiter als Mitgrund an. Und schiebt ihm die Schuld zu: “Obwohl ich ihm mehrmals Optionen zu den ausstehenden Gehaltszahlungen und seiner Beteiligung am Unternehmen von fünf Prozent angeboten habe, hat sich Herr Peter diesen Angeboten stets verweigert. Eine Konsequenz dieser Haltung und Sabotage ist auch, dass ich gezwungen war, keine Aktivitäten mehr über Kokojoo Food Europe GmbH zu tätigen und das Unternehmen in Deutschland still zu legen.”

Der angesprochene Peter widerspricht auch hier vehement und sagt, dass er nie ein Angebot erhalten habe und zum ersten Mal davon höre.

Klagedrohung

K. wirft seinem ehemaligen Angestellten desweiteren Verleumdung bei Unternehmenspartnern vor und meint, dieses Verhalten trage nicht dazu bei, dass die Kokojoo Food Europe GmbH ihre Zahlungsverpflichtungen nachgehen kann. In der Zwischenzeit drohte der Gründer seinen Ex-Partner auf Schadensersatz zu klagen, wie Peter dem brutkasten mitteilte.

Chance auf Berufserfahrung

Zu den Vorwürfen von Denise entgegnet der Kokojoo-Founder, dass er der jungen Frau – damals noch ohne Studienabschluss – die Chance eingeräumt habe, erste Berufserfahrungen im Feld zu sammeln, und dass sie sich durch fachliche Begleitung im Bereich Design weiterentwickeln konnte.

Wissend, dass es finanzielle Engpässe geben wird

Er sagt: “Denise hat sich dazu bereit erklärt bei dem Aufbau der Marke Kokojoo mitzuwirken, wohlwissend, dass finanzielle Engpässe bestehen und Zahlungsverzüge auftreten werden. Trotz alledem habe ich stets im Rahmen meiner Möglichkeiten ausstehende Zahlungen an Denise in Raten beglichen. Auch von meiner Partnerin erhielt sie einmalige finanzielle Unterstützung (Anm.: die oben erwähnten 500 Euro). Ich habe ihr stets die Garantie gegeben, dass ausstehende Rechnungen beglichen werden, sobald Peter seine Unternehmensanteile abgibt und das Unternehmen hierfür das nötige Investment bekommt.”

Fragwürdiger Zusammenhang?

Der in der Argumentation zum dritten Mal von K. angeführte Peter kann auch diesem Statement nichts abgewinnen: “Wenn K. weiß, dass es finanzielle Engpässe gibt, mit mir einen Vertrag eingeht und somit dabei mit Vorsatz handelt, ist das Betrug”, sagt er. Peter kann auch keinesfalls den Zusammenhang zwischen der Abgabe seiner Anteile und der Zahlungsunfähigkeit des Kokojoo-Gründers erkennen und zeigt sich “fassungslos” ob dieser Aussage.

Noch mehr Mitarbeiter klagen an

Andrea B. (Name geändert), ein weiterer Puzzleteil in dem Fall, ist selbstständige Grafikerin und Webdesignerin. Gemeinsam mit Kollegin Olivia S. (Name geändert) hat sie für den Gründer zuerst das Corporate- und Webdesign entwickelt. Wie der brutkasten erfährt, wurde erst nach langem “Drängen” die Arbeit fürs Corporate-Design bezahlt. Jene fürs Web laut der Webdesignerin nicht.

Für Kokojoo hat Andrea das Logo erstellt, Muster entwickelt und mit Kollegin Olivia an der Landingpage gearbeitet. Dazu kamen Aufgaben wie ein Veranstaltungsbranding kreieren und Ausstellungen organisieren.

“Geld kommt später”

Bei all den Rechnungen, die beiden Frauen gestellt hat, habe es ihrer Aussage nach stets geheißen, “das Geld kommt dann”. Andrea führt eine ganze Ausredenkette des Kokojoo-Gründers ins Feld, die alle in einem “Vertrösten auf später” bestanden hätten, wenn es ums Bezahlen ging. “Wir haben ihn angezeigt, doch die Polizei konnte ihn nicht finden. Er war nicht mehr in Berlin gemeldet, seine Firmenanschrift ändert sich alle paar Monate, Briefe kommen nicht an, Mahnungen kommen zurück”, sagt sie und bestätigt Peters Vorwürfe.

Gründer widerspricht

Der Kokojoo-Gründer dazu: “Postalisch war das Unternehmen bis Mai 2020 in der Wilmersdorferstrasse uneingeschränkt erreichbar. Aufgrund eines Adressenwechsels, und da ich mich teilweise nicht in Deutschland aufhielt, sowie aufgrund der Corona-Einschränkungen hat sich die Notifizierung der neuen Geschäftsanschrift verzögert. Diese Tatsachen widerlegen die Anschuldigung, dass Kokojoo Food Europe (Anm.: in Deutschland) nicht erreichbar war”. Mittlerweile befindet sich der Gründer in Basel.

Keine Spuren im erwähnten Zeitraum

Ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Berlin, zeigt auf, dass die Strafanzeige, die Peter gestellt hat, mit 17. Oktober 2019 datiert ist und am 11. Juni 2020 verlautbart wurde, dass man K. im deutschen Bundesgebiet nicht finden konnte. Und somit das Verfahren nicht fortgesetzt werden kann. Auch Peter selbst erzählt von mehreren Briefen, die er zurückbekommen hat; mit behördlichem Nachweis, dass die genannte Adresse falsch sei. Und somit obige Behauptung des Kokojoo-Gründers “ebenfalls unwahr”, wie er klarstellt.

Auch andere Mitarbeiter, wie Olivia S., waren in diesem Zeitraum in der Wilmersdorferstrasse persönlich vor Ort und konnte weder den Gründer noch irgendwelche Spuren von Kokojoo finden, lässt man uns wissen. Andrea B. wollte daher über andere Kanäle vor ihrem alten Auftraggeber warnen, wurde aber etwa über Instagram blockiert.

Redesign abgekupfert?

Ein weiterer großer Streitpunkt war und ist das Redesign von Kokojoo. Andrea B. wirft K. bei der neuen Ausrichtung des Logos vor, auf ihrer Arbeit aufzubauen. Sie nennt es eine “minimale und leichte” Veränderung.

“Markenelemente Produkt eigener Leistung”

K. selbst gesteht ein, dass eine “Verpflichtung zur Begleichung der ausstehenden Rechnungen ausdrücklich anerkannt wird”, meint aber auch zugleich: “Wie in den offiziellen Auftritten der Kokojoo GmbH nachzuverfolgen, finden die von Frau B. und Frau S. in der Entwicklung begleiteten Produkte (Logo, Rollups, Etiketten, Merchandise und Visitenkarten) sowie der Internetauftritt keine Anwendung. Die derzeit von Kokojoo GmbH verwendeten Markenelemente sind das Produkt meiner eigenen Arbeitsleistung.”

Screenshots

Andrea B. jedoch habe Screenshots von Instagram und der Webseite, sowie Fotos von dem Event der “Grünen Woche 2019”, die, wie sie sagt, beweisen, dass K. ihre Designerzeugnisse “sehr lange genutzt hat”.

Den erwähnten Relaunch der Marke Kokojoo Food Europe GmbH hat das Unternehmen “idea Distillers” aus Heppenheim, Deutschland, übernommen. Geschäftsführer Christian Schrade bestätigte den Auftrag, zu diversen Vorwürfen der Ex-Mitarbeiter von K. über Nichtbegleichung erbrachter Leistungen hielt er sich jedoch bedeckt.

Relaunch umgesetzt

Er sagt: “Für die Kokojoo Food Europe GmbH haben wir Anfang dieses Jahres [Anm. 2020] einen Relaunch für die Marke ‘Kokojoo’ umgesetzt. Im Bereich der grafischen Gestaltung haben dabei auch Grafikdesignerinnen einer Partneragentur (Anm.: aus Berlin) in unserem Auftrag Leistungen erbracht. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir Ihnen zum Vertragsverhältnis zu unserem Kunden, insbesondere zu Rechnungen und zum Zahlungsverhalten, aus rechtlichen Gründen, keine Auskünfte erteilen können.”

Zusammenarbeit vom Kokojoo-Gründer beendet

An dieser Stelle gibt der Kokojoo-Gründer zu, dass er die Zusammenarbeit mit dem oben genannten Berliner Dienstleister beendet habe, da trotz Verzögerungen, wie er sagt, Rechnungen für diverse Elemente, wie das Redesign, Adaption für Dosen, Postkarten und Adaptionen für Etiketten in der Schweiz, vollständig beglichen wurden.

Allerdings, so K. weiter: “Bis heute habe ich jedoch die offenen Daten für die Etiketten, für die Flaschen und für die Dose, sowie für die Postkarten, noch die Adaption für die Schweiz nicht erhalten, obwohl all diese Dienstleistungen bezahlt worden sind. Im Raum stehen auch offene Rechnungen für Beratungsdienstleistungen, zu denen ich vor Zahlung eine Auflistung aller getätigten Aktivitäten erbeten habe. Dies habe ich bis dato nicht erhalten. Deswegen habe ich mich entschieden, die Zusammenarbeit zu beenden, obwohl ein weiteres Projekt in der Pipeline war”.

Mehr Ankläger tauchen auf

Neben seinen früheren beruflichen Wegbegleitern und Auftragnehmern haben sich noch weitere Personen zu Wort gemeldet, die mit dem Kokojoo-Gründer zu tun hatten, ihrerseits negative Erfahrungen gemacht haben und ein betrügerisches, muster-gestricktes Verhalten zu erkennen meinen und davor warnen wollen.

Barbara (Name geändert) hat zwar nie mit K. zusammengearbeitet, aber als Zwischenmieterin in einer WG in Hamburg mit dem Beschuldigten Kontakt gehabt. Nach diversen Schwierigkeiten beim Zusammenleben, die den plötzlichen Einzug einer Freundin des Gründers in die kleine Wohnung betrafen, ging es am Ende vor allem um die Kaution von 1500 Euro, die Barbara getätigt hatte. Am Anfang geschah nichts, dann schickte Barbara K. ein Anwaltsschreiben, das nicht zugestellt werden konnte und zurückkam, wie sie erzählt.

Klärungsversuche scheiterten

“Bevor ich den Anwalt eingeschaltet habe, habe ich ihm wiederholt freundlich gesagt, dass, wenn er Geldprobleme hat und mehr Zeit braucht, die Kaution zurückzuzahlen, wir dafür eine gemeinsame Lösung finden können. Er ist darauf nicht eingegangen und hat an meine Geduld appelliert oder nicht geantwortet”, so Barbara.

Überraschende Rückzahlung

Allerdings kam schlussendlich im April 2020 plötzlich eine E-Mail, die nach ihren Bankdaten verlangte. “Und tatsächlich, er überwies die Kaution zurück, mit 100 Euro Zinsen. “Allerdings eineinhalb Jahre nach dem Auszug, was die maximale Kautionsrückzahlung von sechs Monaten lange übersteigt”, so Barbara.

Ehemalige Vermieterin: “Habe gemerkt, wie viele Leute ihn suchen”

Eine langjährige Bekannte von K. (Name der Redaktion bekannt) hat den Gründer vor Jahren in ihrer Wohnung in Hamburg wohnen lassen, während sie im Ausland weilte. Sie sagt: “Er hat dann die Miete nicht bezahlt. Bei meinen Recherchen habe ich gemerkt, dass seine Firma bei der angegebenen Adresse nicht auffindbar ist und mich auf die Suche gemacht. Ich war in Berlin und auf Instagram unterwegs und erst da habe ich gemerkt, wie viele Leute ihn suchen”, erinnert sie sich.

Systematisches Verhalten eines Hochstaplers?

Die Vermieterin erwähnt, dass sie den Gründer bereits seit 2010 kennt und sie gute Freunde waren. Heute jedoch schulde ihr K. zwei Monatsmieten. Sie nennt das Verhalten des Kokojoo-Gründers systematisch und denkt deswegen, dass es sich bei ihm um einen “Hochstapler” handle, bei dem immer etwas passiert und immer “die anderen Schuld” sind.

Reaktion gleich Erwartungshaltung

Komplettiert man alle genannten Vorwürfe und Punkte dieses Falles, so zeigen sich zwei Dinge auffällig. Die Reaktionen des Kokojoo-Gründers entsprechen der Erwartungshaltung seiner alten Weggefährten – Schuldzuschiebung – ,und dass er einem Muster zu folgen scheint, das er bereits vor der Gründung des Unternehmens geprobt haben soll, wie uns anonym mitgeteilt wird: Darunter Mietbetrug und fehlende Krankenkassen-Beiträge, heißt es. Hier gilt die Unschuldsvermutung.

Der Gründer selbst wiederum agiert wie erwähnt aktuell aus Basel in der Schweiz heraus und versucht sein Unternehmen wieder in Fahrt zu bringen.

Andere Zwischentöne

Während Peter und Co. darüber rätseln, welche Gründe das Verhalten des Kokojoo-Gründers hat, und sie wiederholt zwischen den Antworten “Hochstapler”, “Betrüger”, “Scheme” oder weiteren derben Begriffen hin und her pendeln, gibt es auch andere Zwischentöne.

Der Kokojoo-Gründer würde sich überschätzen, kalkuliere viel zu optimistisch. “Er will gar nicht betrügen”, so seine ehemalige Vermieterin: “Jedoch kommt er in Schwierigkeiten und aus seiner Art zu Wirtschaften nicht mehr raus”, sagt sie.

Ziel: Der Exit

Andere denken ähnlich und attestieren ihm zumindest den Willen, alles dafür zu tun, dass Kokojoo weiterläuft. Er könne ein Scheitern nicht akzeptieren. Und ein “Exit” sei sein oberstes Ziel.

Das ist hier die Frage…

Ob es sich beim Kokojoo-Gründer um einen notorischen Betrüger handelt, der nach einem Muster vorgeht, das er lange vor Kokojoo praktiziert habe oder um einen Unternehmer, der alles tut und kein Scheitern akzeptiert, wird weiterhin die Gerichte beschäftigen, sobald Zustellversuche der deutschen Gerichtsbarkeit nicht aufgrund mangelnder “Auffindbarkeit” scheitern.

Zweierlei Maß?

K. selbst gibt dichotome Antworten und Stellungnahmen zur ganzen Situation ab, stellt Behauptungen auf, die Gerichtsdokumenten widersprechen, gesteht aber auch Fehler ein. Auf der anderen Seite sieht er jedoch auch eine andere Messlatte, die Ausländern in der Startup-Szene aufgelegt werde und lässt diese in seine Argumentation mit einfließen.

Er sagt: “Es wird in diesem Fall klar, wie schwer es schwarze Gründer oder Gründerinnen mit Migrationshintergrund haben, überhaupt an Finanzierung zu gelangen. Entweder werden sie grundsätzlich von Finanzierungsmechanismen ausgeschlossen oder ihnen wird kein Vertrauensvorschuss geschenkt. In meiner Erfahrung stehen Gründer wie ich zunächst vor der Herausforderung, die Vorurteile ihres Gegenübers zu widerlegen, ehe sie für ihre Geschäftsidee beurteilt werden”, sagt der aus Burkina Faso abstammende Gründer: “Weiterhin sind das große grundsätzliche Misstrauen, sowie die weit verbreitete Grundannahme, dass Ausländer bei jedem Zahlungsverzug nicht zahlungswillig sind, grundsätzlich nicht förderlich.”

“Gründer sein, heißt Verantwortung übernehmen”

Andrea B. wiederum hat auf diese Behauptung klare Worte zu sagen: “Dies mag stimmen, gibt ihm jedoch nicht das recht, seine Mitarbeiter und Auftragnehmer nicht zu bezahlen. Gründer sein heißt Verantwortung übernehmen und keine Leistungen beauftragen, die man sich aus dem einen oder anderem Grund nicht leisten kann.”

Sie weist auch darauf hin, dass sie monatelang mit K. darüber diskutiert habe, wie er seine Schulden begleichen kann. Und ihm mehrmals Fristverlängerungen und Ratenzahlungen angeboten habe.

Während Peter und der Kokojoo-Gründer sich vor Gericht wieder treffen werden, meint K., dass er sich trotz allem und ohne Einschränkungen zu den offenen Zahlungsverpflichtungen bekenne, inklusive Gehaltsrückständen, wenn diese rechtens fundiert wären. Und er sich weiterhin engagiere, diese zu begleichen.

“Viele geben auf”

Peter, der bei dieser Aussage des Kokojoo-Gründers wiederholt auf das bestehende Urteil des Arbeitsgerichts Berlin hinweist, führt seinen Kampf gegen K. auch aus einem anderen Grund: Weil, wie er sagt, viele aufgeben, wenn es um zwei bis dreitausend Euro gehe, die ihnen zustehen. Er sieht es als seine Mission an, Personen, Kooperationspartner und andere vor K. zu warnen.

Versagen des Systems

Auch wenn ihm seine Vorwürfe mittlerweile eine Schadenersatzdrohung eingebracht haben, Peter möchte seinen angefangenen Weg weiter gehen, an dessen Ende ein Gründer wartet, der aus seiner eigenen Sicht und trotz bestehender Gerichtsurteile nichts Illegales gemacht haben will.

Die Mitarbeiter, die diesen Fall publik gemacht haben, haben sich an die Polizei, Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht gewandt und sprechen nun von einem behördlichen Versagen. Und stellen klar: Es geht hier nicht um eine persönliche Rache, sondern um ein Versagen des Systems, weswegen wir unsere persönliche Zeit und Geld in diese Geschichte stecken müssen. Um die uns zustehende Gerechtigkeit zu erlangen.”


Update: In der Zwischenzeit wurde Peters Forderung vom Schweizer Betreibungsamt, das K. gefunden hat, an die Basler Adresse des Kokojoo-Gründers zugestellt. Dieser hat gegen den Zahlungsbefehl Einspruch eingelegt. Auch das Verfahren in Berlin wird nach neusten Erkenntnissen fortgesetzt.


Verfahren eingestellt

Update: Mittlerweile wurde das Verfahren gegen den Kokojoo-Gründer beendet. Wie die deutsche Staatsanwaltschaft in einem dem brutkasten vorliegenden Schreiben mitteilt, hat die zuständige Staatsanwältin das Verfahren, das zwischenzeitlich wieder aufgenommen worden war, wieder eingestellt: “… da nach den durchgeführten Ermittlungen kein hinreichender Tatverdacht gegen den Beschuldigten besteht.”

Weiters wird beschrieben: “Der Beschuldigte hat den ihm zur Last gelegten Sachverhalt bestritten. Er hat sich durch seinen Verteidiger unter anderem dahingehend eingelassen, dass der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens nicht erwartungsgemäß eingetreten und hieraus eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation gefolgt sei.”

Ein Betrug, im Sinne des § 263 Strafgesetzbuchs setze laut Staatsanwaltschaft eine Täuschung über Tatsachen, etwa die Zahlungswilligkeit oder Zahlungsfähigkeit, voraus. Die bloße Nichterfüllung einer zivilrechtlichen Verbindlichkeit allein ist nicht strafbar. Dies gelte auch für eine ggf. fehlerhafte Kündigung des oben erwähnten Arbeitsverhältnisses seitens des Beschuldigten.

Konkret: “Vor dem Hintergrund, dass für ihre (Anm. Peters) Arbeitsleistungen jedenfalls teilweise gezahlt wurden, wird dem Beschuldigten nicht nachzuweisen sein, dass er von Beginn an nicht willig oder fähig war seinen Verpflichtungen nachzukommen.”

Allerdings wird in Hamburg weiterhin das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Mietbetrugs geführt: “In Bezug auf den von Ihnen (Anm. Peters) zur Anzeige gebrachten Sachverhalts über die Nichtrückzahlung einer Mietkaution für eine Wohnung in Hamburg wurde ein neues Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dies gilt auch für den von Ihnen geäußerten Verdacht der Insolvenzverschleppung. Aufgrund der angezeigten Zahlungsrückstände durch den Beschuldigten ist hier ein Anfangsverdacht anzunehmen”, so die Berliner Staatsanwaltschaft weiter.

Explizit betont wird zudem, dass etwaige zivilrechtliche Ansprüche durch diesen Entscheid nicht berührt werden. Peter, der federführend in dieser Causa gegen den Gründer ist, lässt mitteilen, dass gegen diese Entscheidung Einspruch eingelegt wurde und sie eine Wideraufnahme des Verfahrens verlangen.

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Co-Founder und COO Michael Hofbauer auf der EICMA 2024 | (c) brutkasten / martin pacher

Die EICMA in Mailand ist eine Messe der Superlative. Schon am Eingang merkt man die gewaltige Anziehungskraft, die sie auf Motorradfans und Fachbesucher aus aller Welt ausübt: Geduldig stehen die Menschen bereits in der Früh in langen Schlangen und warten darauf, in die weitläufigen Hallen der sogenannten “Fiera Milano” zu gelangen. Drinnen erstrecken sich die Ausstellungsflächen über mehrere Hallen, jede gefüllt mit unzähligen Messeständen.

Ingesamt reisten heuer über 770 Aussteller aus 45 Ländern in die italienische Wirtschaftsmetropole, um ihre Neuheiten rund um motorisierten Zweiräder auf insgesamt 330.000 Quadratmetern Messeareal der Weltöffentlichkeit zu präsentieren. Ingesamt wurden mehr als 600.000 Besucher während der sechs Messetage gezählt – ein neuer Rekord.

Neben bekannten Marken wie Honda, Yamaha oder Ducati war in diesem Jahr mit der Acceleration Hub GmbH auch ein österreichisches Startup unter den Ausstellern vertreten. Das Unternehmen hat die Traditionsmarke der 1948 gegründeten Halleiner Motorenwerke (HMW) erworben und entwickelt unter anderem motorisierte Zweiräder im E-Mobility- und Verbrenner-Segment (brutkasten berichtete).

brutkasten war auf der EICMA in Mailand und hat Acceleration Hub Co-Founder und COO Michael Hofbauer am Messestand von HMW zum Interview getroffen. Im Gespräch geht Hofbauer unter anderem auf die strategischen Überlegungen ein, eine historische Marke mit modernen Mobilitätslösungen neu zu beleben.


brutkasten: Wie seid ihr mit der Acceleration Hub GmbH zu den Markenrechten von HMW (Halleiner Motorenwerke) gekommen?

Michael Hofbauer: Durch einen guten Freund und Experten im Oldtimer-Bereich sind wir zur Marke gekommen. Er ist inzwischen ein enger Freund und Berater für uns, nach wie vor gut vernetzt in der Oldtimer-Szene. Von Anfang an war klar, dass seine Ambition nicht in Neuentwicklungen liegt, sondern darin, die Marke zu bewahren. So haben wir die Markenrechte von ihm übernommen, die mittlerweile zu einer Weltmarke ausgeweitet sind, und freuen uns, ihn weiterhin an unserer Seite zu haben.

Welche strategischen Überlegungen stecken dahinter, als ein noch recht junges Mobility-Startup auf eine historische Marke zu setzen?

Unsere strategische Überlegung war, dass HMW vor allem in der Gründungszeit dafür bekannt war, die Menschheit mobil zu machen. Damals entwickelte Ingenieur Anton Fuchs den sogenannten Fuchs-Motor, der eines der ersten motorbetriebenen Zweirad-Fahrzeuge möglich machte. Ein Blick in die Historie zeigt, dass HMW kaum eine Fahrzeugart ausgelassen hat, teils mit skurrilen, aber mutigen Entwicklungen, die alle diesem Mobilitätsgedanken folgten. Als österreichisches Gründerteam fühlen wir uns diesem europäischen Erbe verbunden. Die Idee, eine historische Marke wie HMW, die früher stark nach Deutschland, Holland und darüber hinaus exportierte, in Europa wiederzubeleben, hat uns sehr angesprochen.

In der Branche kennt man einige Beispiele von alten Marken, die unter neuen Eigentümern reaktiviert werden. Inwieweit springt ihr hier auf einen Trend auf?

Für uns ist es entscheidend, uns nicht nur mit der historischen Marke  zu identifizieren, sondern mit HMW als Mobilitätsanbieter. Es geht uns nicht darum, ein einfaches Facelift zu machen und als klassische Heritage-Marke aufzutreten. Vielmehr sehen wir HMW als eine Marke mit einer Legacy, die wir schätzen, weil sie Mobilität in den Vordergrund stellt. 

Oft geht es bei solchen Projekten nur darum, das Image einer alten Marke zu nutzen, um Bekanntheit zu erlangen – das ist ganz und gar nicht unser Ansatz. Der ursprüngliche Gedanke, beispielsweise einen Motor auf ein Fahrrad zu montieren und das dann bis zur Serienreife zu bringen, oder Motorräder zu entwickeln, die sogar im Rennsport erfolgreich waren, das ist für uns echte Innovation. 

Im Gegensatz dazu wirkt der Ansatz, einfach Markenrechte einer historischen Marke zu kaufen und „ein bisschen Elektromobilität“ zu betreiben, eher banal und passt nicht zu unserem Anspruch. Unser Ziel ist es, mit verschiedenen Produktreihen den Spirit „Enable Mobility“ in die heutige Zeit zu tragen.

Die Classics-Serie | (c) HMW

Kommen wir nun auf eure neue Modellserie zu sprechen, die ihr hier auf der EICMA ausstellt. Auf der einen Seite habt ihr E-Mobility im Programm, mit der neuen Classics-Serie bietet ihr aber künftig auch Verbrenner an. Wie passt dies zusammen?

Man darf nicht unterschätzen, dass auch im Bereich der Verbrenner enorme Innovation stattfindet. Die Motoren sind heute auf dem neuesten Stand der Technik und haben nichts mehr mit dem lauten, stinkenden Image der Vergangenheit zu tun. Natürlich ist Elektromobilität auf dem Vormarsch, aber sie ist noch lange nicht so etabliert, wie sie sein könnte. Man sieht das am Beispiel von E-Autos: In Österreich wächst die Ladeinfrastruktur zwar schon langsam, aber in anderen Teilen Europas sieht es oft noch ganz anders aus, wodurch viele nach wie vor einen Verbrenner wählen. 

Um Mobilität für alle anzubieten, setzen wir daher auf eine Kombination: Für städtische und stadtnahen Verkehr – das „Interurban“-Segment – bieten wir Elektrofahrzeuge an. Für Pendler aus ländlichen Regionen, die in die Stadt fahren, bieten wir zudem verbrauchsarme, moderne Verbrennermotoren im Kleinsegment. Unser Fokus liegt dabei auf praktischen, komfortablen Fahrzeugen und nicht auf PS-starken Modellen für hohe Geschwindigkeiten.

Die Elektrofahrzeuge sind auf den Alltagspendler ausgelegt und profitieren von einer passenden Ladeinfrastruktur. Wir verwenden herausnehmbare „Bookstyle“-Batterien, die sich auch zu Hause laden lassen. 

Kommen wir zur Produktion zu sprechen. Wie arbeitet ihr aktuell mit euren Produktionspartnern in China zusammen? 

Wir arbeiten mit ausgewählten Produktionspartnern in China zusammen. Es gab zahlreiche Vorgespräche, und die Partnerschaften sind für beide Seiten fest etabliert. Wir haben nicht nur Visitenkarten gesammelt, sondern unsere Partner sorgfältig ausgewählt und bringen dabei viel Erfahrung aus früheren Projekten mit. Uns ist es wichtig, aktiv im Entwicklungsprozess dabei zu sein, und deshalb gibt es viel  Austausch in beide Richtungen. Aktuell ist das Team hier in Wien, wo Workshops stattfinden und offen über zukünftige Entwicklungen gesprochen wird. Die Kommunikation beschränkt sich nicht nur auf WeChat oder E-Mails – der persönliche Austausch ist für uns entscheidend.

FoxE ist Teil der Electrics-Serie | (c) HMW

Was macht ihr aktuell In-House in Europa? 

Bei uns erfolgt das gesamte Branding, Design, Engineering und die Forschung & Entwicklung (R&D) in-house, insbesondere im Bereich des Fahrzeug-Setups, des Testings und der Evaluierung. Das bedeutet beispielsweise, dass wir das komplette Rahmensetup inklusive Sitzposition und Fahrwerk intern entwickeln und dann in Abstimmung mit dem Produzenten umsetzen.

Die Mobilitätsbranche gleicht derzeit für Startups einem Minenfeld. Auch Mitbewerber in Österreich haben mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Was wollt ihr anders machen, um langfristig wirtschaftlich erfolgreich zu sein?

Unser Ansatz basiert auf Diversifizierung – sowohl im Team als auch im Produktportfolio. Wir sehen großes Potenzial, uns in verschiedene Richtungen zu entwickeln: Elektromobilität, das Verbrennersegment mit qualitativ hochwertigen Produkten und als drittes den Bereich Smart Connected Mobility. Besonders in der Forschung und Entwicklung von Smart Mobility und Innovationslösungen sehen wir viel Potenzial, da diese sowohl im Portfolio Plattform-übergreifend, als auch auf einer komplett neuen Fahrzeugarchitektur aufbauen können. Ein aktuelles R&D-Projekt von uns konzentriert sich auf Predictive-Maintenance, Sensorik und Smart Mobility, um Mobilität neu zu gestalten und ideal zu ergänzen.

Wir möchten flexibel bleiben und nicht zu einseitig agieren, da der Markt oft nicht nur eine Richtung zulässt. Der gesamte Prozess, von der Supply Chain über die Customer Journey bis zum Customer Service, ist entscheidend – zum Beispiel in der klar strukturierten Ersatzteil-Logistik. Uns ist es wichtig, Partnerschaften auf Augenhöhe zu etablieren, die eine starke Grundlage für R&D, Produktion und Ersatzteil-Logistik bis hin zum Kunden bieten.

Dabei haben wir einen klaren Vorteil durch unser Brand-Building: HMW ist als Marke neu aufgestellt und steht jetzt für Qualität und Markenidentifikation.

Tradition trifft auf E-Mobilität | (c) HMW

Welche Strategie wollt ihr im Vertrieb verfolgen?

Wir befinden uns in der Evaluierungsphase und haben sorgfältig ausgewählt. Es gab bereits sehr vielversprechende Gespräche. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir noch nicht viele Details preisgeben, aber durch die Erfahrung im Gründerteam beobachten wir den Markt genau und ziehen daraus unsere Schlüsse. Wir wissen also gut, mit wem wir sprechen.

Wann ist der Marktstart für die neue Classics-Serie geplant?

Der Launch der Classics ist für Anfang nächsten Jahres geplant. Wir sind dabei teilweise von Vertriebspartnerschaften abhängig, da die Nachfrage das genaue Datum beeinflussen kann. Die Electrics-Serie ist bereits jetzt verfügbar, und die Classics sind für Anfang 2025 vorgesehen – was ja nur noch zwei Monate entfernt ist. Lange dauert es also nicht mehr.

Wie habt ihr euch in der Vergangenheit finanziert und plant ihr derzeit eine Funding-Runde?

Die Entwicklung der Classics und Electrics-Serien sowie das gesamte Brand Development wurden über die Gesellschafter und Eigenmittel finanziert. Wir sind stolz, dass wir dank der FFG nun die Möglichkeit haben, auch im Bereich Innovation voll durchzustarten. Wir haben ein Forschungsprojekt initiiert, das uns ermöglicht, in den Bereichen Smarte Komponentenentwicklung, Predictive Maintenance, Machine Learning und modernste Technologie umfassend zu arbeiten und diese Kompetenzen inhouse aufzubauen.

Besonders erfreulich ist, dass wir für das Projekt ein starkes Team in den Bereichen Machine Learning und Elektrotechnik aufstellen konnten – ein Bereich, in dem einige Hersteller aktuell Schwierigkeiten haben. Unser Team hat bereits Test-Setups durchgeführt, um Sensorik und Komponenten am Fahrzeug selbst zu erproben. Damit wollen wir in diesem Segment zügig Fortschritte machen.

Parallel dazu haben wir eine Investorenrunde gestartet und suchen nach potenziellen Partnern. Dabei legen wir großen Wert auf Partnerschaften, die unseren Spirit teilen, um sicherzustellen, dass ein Investment unseren Weg nicht komplett verändert, sondern ergänzt und stärkt.

Welche Wachstumsziele verfolgt ihr für 2025? 

Für 2025 planen wir, in allen drei Segmenten voll voranzuschreiten: maximaler Marktstart im Bereich Electrics, den Launch der Classics und die Weiterentwicklung des Innovationsprojekts. Gerade bei Letzterem werden wir auch das Team weiter verstärken und haben bereits vielversprechende Leads und Kapazitäten ausgebaut. Unser Hauptmarkt liegt allerdings außerhalb Österreichs, was unser Wachstum beeinflusst und uns auch in der Standortplanung fordert.

Wir suchen aktiv nach Investoren und gleichzeitig nach größeren Räumlichkeiten sowie noch vielseitigeren Testmöglichkeiten. Unser Ziel ist nachhaltiges Wachstum, statt einen riskanten und und undurchdachten „Hockeystick“ anzustreben. Wir möchten solide aufgestellt in alle drei Richtungen wachsen und die Profitabilität in den jeweiligen Bereichen dynamisch, aber realistisch erreichen.


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