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Bei „One Change a Week“ – dem Nachhaltigkeitsformat des Brutkastens – äußert sich Bundesministerin Elisabeth Köstinger zur jüngsten Kontroverse rund um die Billa Regional Boxen, die unter Bauernvertretern für Kritik sorgen. Zudem spricht die Bundesministerin über die Herkunftspflicht für Lebensmittel und die Digitalisierung der Landwirtschaft.
Welche Ziele hat sich die österreichische Bundesregierung im Rahmen der Digitalisierung der Landwirtschaft gesteckt und wie erfolgt die Zusammenarbeit mit Startups?
In den letzten Jahren habe ich mehrfach die Erfahrung gemacht, dass in der Landwirtschaft die Hürde noch sehr hoch ist, auf ein digitales System zurückzugreifen. Daher haben wir die Innovation Farm in Wieselburg und zwei weiteren Standorten gegründet, die sich mit neuesten Technologien, Trends und Entwicklungen in der Landwirtschaft beschäftigen. Mir ist es darum gegangen, dass wir für die Landwirtschaft einen Ort haben, wo vor allem auch die jungen Bauern sehen können, wie die Digitalisierung ihren Arbeitsalltag erleichtern kann. Viele Landwirte haben noch immer die Vorstellung, dass digitale Innovationen nur etwas für große Betriebe ist. Österreich ist allerdings ein Land der bäuerlichen Familienbetriebe und Berglandwirtschaft.
Die Innovation Farms sollen den Landwirten zeigen, dass es de facto für jedes ihrer Probleme – unabhängig der Größe des Betriebes – eine digitale Lösung und Anwendung gibt. Es gibt immer wieder Anknüpfungspunkte zu Startups. Es melden sich auch sehr viele bei uns, speziell auch am Standort Wieselburg. Zudem vergeben wir auch laufend Innovationspreise und unter den jungen Gründern befinden sehr viele, die selbst einen landwirtschaftlichen Hintergrund haben.
In welchen konkreten Bereichen sehen Sie in der Landwirtschaft Optimierungspotential durch die Digitalisierung?
Die Digitalisierung ist für uns einer der ganz großen Schlüssel für mehr Effizienz in der Landwirtschaft und umfasst auch die bäuerlichen Familienbetriebe und die nachhaltige Intensivierung. In Zukunft werden wir mit weniger Ressourceneinsatz mehr Output zustande bringen müssen. Das umfasst beispielsweise den präzisen Einsatz von Düngemitteln oder auch Pflanzenschutzmitteln. In Kombination mit Wetterdaten kann der Landwirt beispielsweise erkennen, wann es Sinn macht zu düngen und wann nicht. Aktuell haben wir im Bereich der Digitalisierung sehr viele Anwendungsprojekte im Weinbau. Künstliche Intelligenz kann mittlerweile erkennen, ob es sich um Nutzpflanzen oder Unkraut handelt. So kann beispielsweise der flächendeckende Einsatz von Pflanzenschutzmittel minimiert werden.
Stichwort “biologische Landwirtschaft”: Gibt es eine Zielrichtung, wie in Österreich der Bioanteil noch gesteigert werden kann?
Ich komme selbst von einem Biobetrieb und bin überzeugt davon, dass das der Weg für die Zukunft ist. Österreich war auch im internationalen Vergleich immer ein Pionier. Allerdings sind wir in diesem Bereich stark auf den Export angewiesen, da wir in Österreich nicht in dem Ausmaß biologische Produkte konsumieren.
Bio ist natürlich auch eine Einstellungsfrage, aber unter dem Strich muss der Landwirt davon leben können und im Jahr 2019 sind die Einkommen der Biolandwirte um zehn Prozent gesunken. Das zeigt uns, das auch in der biologischen Landwirtschaft ein Dumpingelement schlagend wird. Hier spielt auch der Konsument eine unfassbar wichtige Rolle. Ich bin als Konsument am Regal mit so einer derartigen Macht ausgestattet und entscheide über die Zukunft der Landwirtschaft.
Aktuell fördern wir die Biolandwirtschaft in Österreich mit 180 Millionen Euro pro Jahr. Es ist nicht so, dass wir das nur rein dem Markt überlassen. Für die nächsten Jahre und Jahrzehnte brauchen wir auch eine andere Strategie. Für ein Wachstum des Bioanteils, brauchen wir auch ein Wachstum des Marktes und das ist in demselben Ausmaß aktuell noch nicht da.
Aktuell gibt es eine Kontroverse rund um die Billa Regional Boxen, die unter Bauernvertretern für Kritik sorgen. Wie stehen Sie zu dieser Kritik?
Die bäuerliche Direktvermarktung hat in der Coronakrise den größten Boost in der Geschichte erfahren. Wir haben im zweiten Quartal 2020 einen Anstieg von über 40 Prozent gesehen. Gastronomie und Tourismus waren geschlossen und die Leute haben sich umgeschaut, wo es hochwertige Produkte zu finden gibt und das gab es natürlich bei den Bauern direkt vor Ort.
Trotz dieser positiven Entwicklung gibt es aber auch einen negativen Side Effect, da die Großkonzerne von diesem Trend profitieren wollen und es zum Teil als ein Marketinginstrument auserkoren haben. Die großen Player am Markt tun sich natürlich um einiges leichter als die bäuerlichen Direktvermarkter. Hier können wir allerdings relativ wenig machen, da es sich schlussendlich um freie Wirtschaft handelt. Als Regierung können wir nicht einfach sagen: “Nein du darfst nicht 40 Bauern aus der Region zusammenholen, die fortan die Billa Regional Boxen beliefern!”
Allerdings gibt es natürlich den besorgniserregenden Trend. Wenn man sich die Flugblätter der Lebensmittelkonzerne ansieht, können wir klar erkennen, wie Fleisch, Milch oder Eier dort permanent unter dem Preishammer sind. Auf der einen Seite wird die heile schöne Welt der bäuerlichen Familienbetriebe gezeigt und auf der anderen Seite wird dort wirklich auf Teufel komm raus ein Preiskampf auch auf Kosten der Bauern betrieben. Ich sehe es sehr kritisch, dass sich die Konzerne die Kirsche aufs Sahnehäubchen setzen und mit dem Bild der bäuerlichen Produktion versuchen Karmapunkte zu sammeln.
In Österreich sind wir Spitzenreiter in der bäuerlichen Direktvermarktung. Wir haben beispielsweise das Netzwerk Kulinarik, mit dem wir diesen Bereich fördern und Bauern beraten. In den letzten Monaten haben beispielsweise unfassbar viele Webinare organisiert, in denen die Landwirte lernen, wie sie ihre Produkte schon vor Ort veredeln können. Zudem haben wir ein eigenes Qualitäts- und Herkunftskennzeichnungssystem geschaffen, die AMA Genussregion.
Eine weitere Debatte gibt es im Bereich der Herkunftspflicht für Lebensmittel. Welche Transparenzmaßnahmen setzt hier die Bundesregierung?
Das Thema Transparenz und Herkunft ist schon seit Jahren ganz oben auf meiner Agenda, schon aus Zeiten im Europäischen Parlaments. Ich bin überzeugt davon, dass es eine klare Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel braucht. Allerdings ist es nicht ganz einfach, da es von der EU eine Vorgabe braucht und das wahrscheinlich noch Jahre dauern wird.
Deswegen wollen wir in Österreich vorausgehen und eine nationale Herkunftskennzeichnung bei Lebensmittel umsetzen. Wir haben bei den Regierungsverhandlungen vereinbart, das es ab 2021 bei verarbeiteten Lebensmitteln eine Herkunftskennzeichnung geben wird – auch in Großküchen. Das sind die ganz großen Hebel. In Kantinen gehen in der Regel zwei Millionen Mahlzeiten pro Tag über den Tresen – angefangen von Pflegeeinrichtungen bis hin zum Bundesheer. Hier muss das Fleisch nicht aus Polen oder Holland kommen, sondern kann regional und saisonal beschafft werden. Die Kennzeichnung soll in einem ersten Schritt Milch, Fleisch und Eier umfassen. Bei Fleisch haben wir den Vorteil, dass es schon eine EU-weite Frischfleischkennzeichnung gibt.
In den letzten Jahren haben Startups zahlreiche alternative Fleischersatzprodukte auf den Markt gebracht. Gibt es Bestrebungen der Bundesregierung diese in öffentlichen Ausschreibungen künftig stärker zu berücksichtigen?
In den öffentlichen Ausschreibungen geht es mir weniger um die Fleischersatzprodukte, sondern um die regionale und saisonale Beschaffung. In Zukunft wollen wir diese Ausschreibung auf nach dem Best-Bieter-Prinzip ausrichten und nicht mehr nur der geringste Preis. Es geht um kurze Transportwege, nachhaltige Produktion und vor allem saisonale Aspekte. Ein Beispiel ist die Erdbeere. In Österreich wachsen keine Erdbeeren in November und daher müssen sie auch nicht am Speiseteller liegen, sondern können beispielsweise auf die Lageräpfel der Südsteiermark zurückgreifen.