27.07.2020

Keine Europäer in Rankings der Top-Unternehmen: Wie wir zurück an die Spitze kommen

In neuesten Rankings der Top-Unternehmen kommt Europa kaum noch vor. Das hat Gründe - und gemeinsam können wir dem entgegen steuern.
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(c) beigestellt / Adobe Stock / mixmagic

Vielleicht sollte man Rankings nicht überbewerten, weiß man doch nie ganz genau, wie sie erstellt wurden. Aber wenn Europa über Jahre hinweg in so gut wie allen Innovations-Rankings Plätze verliert, lohnt sich ein genauerer Blick. In den jüngsten Studien von BCG und Forbes hat es überhaupt kein europäisches Unternehmen mehr unter die Top 20 geschafft.

Die Top10 sind die üblichen Verdächtigen:

Quelle: https://www.visualcapitalist.com/top-50-most-innovative-companies-2020/

Macht nichts, meinen manche: Es reichen auch viele mittelgroße, sowie gut positionierte, kleinere Unternehmen, um eine gute Leistungsbilanz hinzukriegen. Außerdem hat Europa immer noch Spitzen-Forschung und spielt in der obersten Liga bei Patentanmeldungen.

Das stimmt auch. Nur: Jene Unternehmen, die ihre Forschungsergebnisse am erfolgreichsten auch in die globalen Märkte bringen, sitzen überwiegend in den USA und Asien. Fundierte Grundlagenforschung reicht nicht, wenn sie nicht auch in hohem Maße später den Märkten und Menschen zugutekommt.

Ist es wichtig, in solchen Rankings vorne zu sein?

Das Ranking der BCG ist klug gemacht und beinhaltet auch die Einschätzung der global verteilt sitzenden Entscheidungsträger und deren Erwartungshaltung. Es verlässt sich nicht bloß auf Umsatz- oder ROI-Kennzahlen zu einem Stichtag.

Firmen, die hier vorne sind, haben keinen „Single-Player“-Status, wie oft medial suggeriert wird, den man einfach kopieren könnte. Sie schafften den Aufstieg aus hunderten Aspiranten heraus an die Spitze und erst dort kann sich das oft zitierte „The winner takes it all“-Prinzip entfalten. Sie stehen dabei auf den Spitzen richtig breiter, mit Know-how und Talenten vollgepumpten, Innovations-Pyramiden und sind nicht etwa losgelöste, singuläre Sterne, die Glück hatten. Wenn manche meinen, bauen wir halt auch ein Facebook, Google oder Amazon, muss man antworten: Wir müssten dazu dutzende, wenn nicht hunderte künftige Facebooks, Googles und Amazons bauen, damit in Folge drei davon an die weltweite Spitze kommen.

„Bei Amazon sehen alle transparent wie sie arbeiten, wir kennen die Customer-Journey, die User-Flows, es muss daher möglich sein, ein europäisches Amazon nach zu bauen“, lautet dann die ungläubige Replik. Das stimmt, jemand in Europa könnte versuchen, Amazon nach zu bauen. Nur, Amazon hat einiges dafür getan, um so weit zu kommen und seine Position zu sichern. Im letzten Jahrzehnt flossen an die 150 Milliarden Dollar in die eigene Forschung und Entwicklung. Man hat einen aufwendigen „one-click-purchase“-Vorgang entwickelt, hat die weltweit schnellste Logistik aufgebaut und kann mittlerweile Bestellungen in hohem Maße vorhersehen, bevor Kunden diese tätigen und dementsprechend rasch agieren. Das alles sehen wir als Konsumenten nicht, weil erfolgreiche Services besonders einfach wirken, aber die Komplexität in den „Backends“ dieser Unternehmen ist heute immens.

„Software-first“, das Leitmotiv aller globalen Top-Unternehmen

So gut wie alle der angeführten Top-Unternehmen haben interessanterweise 2 Dinge gemein: Charismatische Unternehmerpersönlichkeiten, die sich offenbar von einigen wenigen Standorten weltweit angesprochen fühlen, dort zu gründen und „Software first“ als Unternehmensmaxime. Unter ihnen sind reine Technologiefirmen aber auch z.B. Händler, die sich zu Technologieführern transformierten.

Schauen wir uns zunächst wieder Amazon an, das wir vor allem mit Online-Handel und eigenen Paketlieferungen in Verbindung bringen. Amazon begann früh, die selbst benutzte  Web-Infrastruktur als Produkt mit anzubieten. Diese immer professioneller werdenden AWS-Dienste, machen heute allein rund 10 Milliarden $ Umsatz pro Quartal. Walmart, ebenfalls unter den Top20, ist nicht mehr nur der Preis-aggressivste Diskonter mit über 2 Millionen Beschäftigten. Sein Tech-Stack ist gewaltig: Kunden-Produkt-Scans und Auto-Checkouts funktionierten in seinen Shops weltweit als erstes, von der Parklatzbewachung bis hin zum Store-Management, Reinigungs-Robotern und smarter Logistik, setzt man auf proprietäre KI.

Tesla – ebenfalls ein Softwareunternehmen

Und auch wenn wir stolz auf unsere europäische Autobauer-Tradition sind, muss man feststellen: Auch der Angreifer Tesla, dieses Jahr auf Platz 11 im Ranking, ist vor allem mal ein Softwareunternehmen. Eines, das eben Autos baut. „Software-first“ heißt die Devise. Musk hat nicht nur eine IT- und Innovationsabteilung, in der man agil und in Sprints rasch und hart am Markt entwickelt. Seine ganze Firma tickt so. Er hat zwar den Ruf, ein Pedant bei der Qualität zu sein, Kenner aber sagen, die „Selfdriving-Level3“ Marktreife war eher eine Software-typische Marktreife mit Sicherheitsmechanismen.

Tesla hat die Konkurrenz auch überholt, weil man sich viel früher damit raus in den Markt wagte, ein typisches Verhalten von Software-Gründern, um rascher Fehler zu finden. Haben deutsche Autos heute tausende Computer-Bestandteile von ebenso vielen Lieferanten in ihren Wagen, die man mal auf einander abstimmen muss, setzte Tesla auf ein neues „Software-first“ -Framework und baute mit bekannten Technologien diversester Nationen dann ein Auto drum herum.

All diese besonders erfolgreichen Unternehmen eint also, dass sie proprietäre Software und KI als Teil ihrer Value Proposition definiert haben. Software ist nicht mehr nur für Effizienz-, Prozess-, oder Dokumentationszwecke da, sondern bildet den innovativen Kern eines skalierenden Geschäftsmodells.

Ist diese Aufholjagd nicht aussichtlos?

Das haben einige Investoren tatsächlich die beiden jungen Russen gefragt, als sie mit ihrem winzig bewerteten Google gegen das damals ultra-„gehypte“ Yahoo in den Ring stiegen. Yahoo war hip und weit verbreitet, hatte es abgelehnt, von Microsoft für 45 Milliarden $ übernommen zu werden.

Also nein, eine Aufholjagd ist nie aussichtslos und Größe ist kein Hinderungsgrund. Die Geschichte belegt das in den verschiedensten Branchen und Industrien. Generell ist die weit verbreitete Einschätzung, gewisse Märkte seien dauerhaft von gewissen Playern besetzt und anzugreifen lohne sich nicht, falsch. Gerade heute ist keiner mehr sicher in seiner Marktstellung, auch nicht große Unternehmen, die behäbiger agieren.

In unserem Aufholprozess brauchen wir uns was Talente, Know-how und Ideen betrifft, nicht zu verstecken. Hören wir in etablierten Unternehmen aber auf, überholte analoge Prozesse zu digitalisieren, sondern stellen wir uns neuen, digital skalierenden Geschäftsmodellen.

Jedes Unternehmen, das noch keinen „Software-first“-Plan in der Schublade hat, setzt entweder auf die Trägheit der Konsummärkte oder wird hoffentlich aus Tradition analog geliebt bleiben. Das gibt es, nur es skaliert eben nicht. Sie denken, das ist zu radikal gedacht? Die Zukunft wird es weisen.

Shopify: Der stille Amazon-Konkurrent

In Europa spielen immer mehr Digitale in der Oberliga mit und haben das Potential, nach ganz oben zu kommen. Bei ihnen müssen wir uns darum bemühen, dass sie auch hierbleiben. Vom größten Amazon-Konkurrenten zum Beispiel haben Sie wahrscheinlich noch nie gehört. Er heisst Shopify, sitzt in Kanada und wird bald 12 Milliarden Dollar schwer. Sein Konzept ist eigentlich genial (für Europa): Online-Shop-Professionalität a lá Amazon für KMU und kleine Händler, einfach und auf Knopfdruck. Genau das was fehlt, möchte man meinen. Der deutsche Gründer, Tobias Lütke, ist beinah unbemerkt ausgewandert, kaum jemand schrieb über ihn. Ist es deutschsprachigen Medien gesetzlich verboten, unsere europäischen Gründer so zu hypen wie einen Bezos oder Musk? Sehen wir uns doch an, was es gebraucht hätte, um Gründer wie ihn, aber auch die heute in den USA sitzenden Headquarters der österreichischen Unternehmen Dynatrace und Bitwovin, bei uns zu halten.

Unternehmer sollen hungrig auf die Weltspitze sein…

Hungrig zu sein und sich in seinem Metier an die Weltspitze hoch zu arbeiten, ist wichtig. Mit einigen wenigen an die Spitze der Innovations-Rankings zu kommen, bedeutet nämlich gleichzeitig, dass sich Struktur, Rahmenbedingungen und Wettbewerbsparameter für die Unternehmen dieser Industrien richtig entwickelten. Deshalb lohnt sich das Ziel für alle Stakeholder, die Unternehmen, deren Mitarbeiter, den Staat und seinen Rahmenbedingungen und die Konsumenten.

…und Konsumenten auf europäische Technologie

Tech-Patriotismus wird uns übrigens nicht beim Aufholen helfen, auch, wenn das viele hoffen. Menschen kaufen nicht aus Liebe zur Heimat unsere Produkte, zumindest nicht in nennenswerter Zahl. Wir müssen einfach bessere Produkte bauen als die anderen. So sind die Regeln. Und dort, wo wir heute schon Weltklasse-Qualität entwickeln, bitte Medien, schreibt darüber und Einkäufer und Konsumenten, öffentlich wie privat, kauft sie!

Kauft unsere Technologie, wenn sie es qualitativ verdient hat. Denn manchmal möchte man meinen, der Spruch vom „Prophet, der nichts wert ist im eigenen Land“, gilt abgewandelt auch für unsere Technologie. Man „hypt“ lieber nicht-europäische Anbieter als die eigenen, auch da, wo heimische Angreifer wirklich top sind. Vielleicht liegt es am noch gesamthaft mangelnden Selbstbewusstsein als Technologie-Nation oder es sind die exzentrischen US-Gründer, die wie ein Magnet die Aufmerksamkeit der Medien auf sich ziehen. Hier muss es uns gelingen, unsere „hidden champions“, eigentlich ein ziemlich trauriger Begriff, zu „gehypten champions“ zu machen!

Und wissen Sie was? Es ist richtig anspornend daran zu glauben, in den neuen Märkten aufzuschließen und an die Spitze zu streben, sowie daran, dass unsere klügsten Köpfe, charismatischsten Gründer und brillantesten Entwickler alles tun, um genau das zu erreichen!

Über den Autor

Mic Hirschbrich ist CEO des KI-Unternehmens Apollo.AI, beriet führende Politiker in digitalen Fragen und leitete den digitalen Think-Tank von Sebastian Kurz. Seine beruflichen Aufenthalte in Südostasien, Indien und den USA haben ihn nachhaltig geprägt und dazu gebracht, die eigene Sichtweise stets erweitern zu wollen. Im Jahr 2018 veröffentlichte Hirschbrich das Buch „Schöne Neue Welt 4.0 – Chancen und Risiken der Vierten Industriellen Revolution“, in dem er sich unter anderem mit den gesellschaftspolitischen Implikationen durch künstliche Intelligenz auseinandersetzt.

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Tractive, Hauster Versicherung, Insurance, Pet Cover
(c) Tractive - Michael Hurnaus, CEO von Tractive.

Er hat es bereits im Mai angekündigt und nun erreicht. Beim Pet-Tracking-Scaleup Tractive stehen aktuell 100 Millionen Euro jährlich wiederkehrender Umsatz zu Buche. Gründer Michael Hurnaus sieht mehrere Aspekte, die dem Erfolg zugrundeliegen.

Tractive: “Mitarbeiterwachstum kein Indikator”

“Wir hatten immer schon 40 bis 50 Prozent Wachstum, haben aber dabei immer im Vordergrund gehabt, nicht das Mitarbeiterwachstum als Indikator zu sehen, sondern nachhaltig zu wachsen”, sagt er. “Wir bewegen uns mit dem Haustiermarkt in einem dankbaren Markt, ja. Aber unsere gute Arbeitsleistung kommt nun zurück. Da hat uns die 4-Tage-Woche sehr geholfen. Wir haben nicht die faulen Mitarbeiter bekommen, die nur vier Tage arbeiten wollen, sondern gute Leute, die sich mit der Firma identifizieren.”

Das Paschinger Startup wagte erst vor rund dreieinhalb Jahren den Sprung in die USA, der auch gut vorbereitet war. “Wir haben acht Jahre lang gewartet, diesen Schritt zu gehen”, erklärt Hurnaus. “Wir wussten, wenn wir ‘in Europa gewinnen’, dann wird es leichter für uns, als für einen US-Amerikaner, der nach Europa will. Wir haben hier verschiedenen Länder, mehr Sprachen und unterschiedliche Währungen. Für uns war es die richtige Entscheidung.”

USA überholt Deutschland

Mittlerweile hat der US-Markt den bisherigen Spitzenreiter Deutschland überholt. Schätzungsweise 66 Prozent der US-Haushalte oder etwa 86,9 Millionen Familien besitzen in den Vereinigten Staaten ein Haustier. Dies geht aus der National Pet Owners Survey 2023–2024 der American Pet Products Association (APPA) hervor.

“Unsere Marktpenetration ist wesentlich geringer als in Deutschland”, sagt Hurnaus. “Wir werden im ersten Quartal 2025 auch in Mexiko launchen, in den nächsten beiden Jahren aber keine weitere Erweiterung anstreben. Der Fokus bleibt auf diesen Märkten.”

Tractive bald in Mexiko

Tractive hat in der Zeit seines Bestehens eine Wandlung erfahren. Jedes zweite Jahr hat man bisher ein Produkt für Hund und Katze herausgebracht – vor wenige Wochen den neusten Tracker. Dabei aber “sehr stark eine Transformation durchlaufen”, wie der Founder erklärt. Weg vom einfachen GPS-Tracker hin zum Gesundheitstracker.

“Es ist ein Frühwarnsystem und soll nicht den Tierarzt ersetzen. Wir sagen nur, dass wir etwas bemerkt haben, eine Veränderung im Verhalten oder bei der Bewegung, etc…”, erklärt Hurnaus. “Da steckt viel Potential darin. Denn wir haben erkannt, dass Leute den Bedarf haben, zu wissen, wie es dem eigenen Haustier wirklich geht.”

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AI Summaries

Keine Europäer in Rankings der Top-Unternehmen: Wie wir zurück an die Spitze kommen

  • In den jüngsten Studien von BCG und Forbes hat es überhaupt kein europäisches Unternehmen mehr unter die Top 20 geschafft.
  • Jene Unternehmen, die ihre Forschungsergebnisse am erfolgreichsten auch in die globalen Märkte bringen, sitzen überwiegend in den USA und Asien.
  • Firmen, die hier vorne sind, haben keinen “Single-Player”-Status, wie oft medial suggeriert wird, den man einfach kopieren könnte.
  • Wenn manche meinen, bauen wir halt auch ein Facebook, Google oder Amazon, muss man antworten: Wir müssten dazu dutzende, wenn nicht hunderte künftige Facebooks, Googles und Amazons bauen, damit in Folge drei davon an die weltweite Spitze kommen.
  • Jedes Unternehmen, das noch keinen “Software-first”-Plan in der Schublade hat, setzt entweder auf die Trägheit der Konsummärkte oder wird hoffentlich aus Tradition analog geliebt bleiben.
  • Mit einigen wenigen an die Spitze der Innovations-Rankings zu kommen, bedeutet gleichzeitig, dass sich Struktur, Rahmenbedingungen und Wettbewerbsparameter für die Unternehmen dieser Industrien richtig entwickelten.

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