20.07.2015

Gastkommentar: Baurek-Karlic von Venionaire beleuchtet die US-Trends im Energiesektor

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© Rene Wallentin: Berthold Baurek-Karlic ist Business Angel, Autor und Gründer von Venionaire Capital.

Dieser Beitrag ist ein Gastkommentar von Berthold Baurek-Karlic, Founder und CEO von Venionaire Capital.

Dynamisch, kreativ und scheinbar kompromisslos auf weltweiten Erfolg ausgerichtet sind Startups und junge Technologieriesen im viel zitierten Silicon Valley. Keine Industrie scheint sicher. Nach dem Verlagswesen und der Telekommunikation stehen aktuell die Finanzwirtschaft, die Automobilindustrie und der Energiesektor vor einem Umbruch. Letztere haben insbesondere im deutschsprachigen Raum den Innovationsdruck längst vernommen und sind aktiv im Aufbau neuer Geschäftsmodelle, ohne das Kerngeschäft aus den Augen zu lassen. Man könnte sagen, die Konzerne üben sich neuerdings als Unternehmen der zwei Geschwindigkeiten.

Die dezentrale Produktion von Energie, etwa durch Wind und Photovoltaik und liberalisierte Märkte haben die Konsumenten, sei es Haushaltskunde oder Industrie und Gewerbe, zu einem Hybrid aus Produzenten und Konsumenten – dem „Prosumer“ – werden lassen. In den letzten Jahren hat sich der Innovationsdruck in der einst unantastbaren Industrie erhöht. Früher waren es die enormen Investitionskosten, die eine hohe Eintrittsschwelle für nichtetablierte Utilities darstellten. Heute geht es um Services und Applikationen, die Kunden zu mehr Effizienz, Kosteneinsparung und einem besseren Energieverständnis verhelfen. Neue Geschäftsbereiche wie Elektromobilität, digitalisierte Infrastruktur und das intelligente Zuhause (sog. Smart Home) bieten auf der einen Seite viele neue Chancen, werden aber neben zahlreichen findigen Startups auch von weltweiten operierenden großen Konzernen wie Tesla, Apple und Google adressiert.

Die dezentrale Produktion von Energie und liberalisierte Märkte haben die Konsumenten zu einem Hybrid aus Produzenten und Konsumenten – dem „Prosumer“ – werden lassen.

In der letzten Woche waren Vertreter der Verbund AG gemeinsam mit mir in New York City und im Silicon Valley auf der Suche nach neuen Trends, Erfahrungen und internationalen Partnern für Kooperationen. Wir haben erneut wichtige Einblicke in die erfolgreichste Startup-Szene der Welt bekommen und konnten darüber hinaus sehr gute Gespräche mit Top-Technologieunternehmen führen. Produkte wie Teslas „Powerwall“, Googles „Nest“ oder Apples „HomeKit“ werden bald auch bei uns vorgestellt. Dies stellt einerseits eine große Chance für neue Geschäftszweige dar, erfordert aber auch neue Kooperationen und Services. Der Energiesektor wird sich in den nächsten Jahren jedenfalls stärker verändern als die meisten anderen Industrien.

Trends im Bereich Smart Home

Bereits seit ein paar Jahren können wir unser Eigenheim „digitalisieren“ und das Licht automatisch ein- und ausschalten, Klimaanlagen und sonstige Geräte zeitabhängig steuern – das ist ein alter Hut, aber was jetzt kommt könnte tatsächlich richtig Spaß machen. Der Trend geht ganz klar in Richtung Interaktion und Verbindung vieler unterschiedlicher Systeme und Plattformen. Neue Lösungen werden uns personalisierten Komfort und Energie- bzw. Kosteneinsparungen bringen. So kooperiert beispielsweise Mercedes Benz mit Googles „Nest“, um am Weg nach Hause automatisch der Klimaanlage mitzuteilen, dass man in Kürze ankommt und etwas mehr Kühlung in den eigenen vier Wänden angenehm wäre. Google als Mutterkonzern von Nest fährt einen gewohnt offenen, barrierefreien Ansatz und ermöglicht eine sehr unkomplizierte Integration.

Für all jene, die bereits selbst Strom produzieren, bietet zukünftig die auch vom Design her sehr ansprechende Speicherlösung von Tesla (Powerwall) deutlich mehr Energieautarkie, geringere Strombezugskosten sowie Zugang zu zusätzlichen Haushaltseinnahmen. So kann der in Solarzellen am Dach produzierte Strom zukünftig zu Zeiten mit hohen Preisen ins Netz zurückgegeben oder umgekehrt bei niedrigeren Einspeisetarifen für den Eigenverbrauch gespeichert werden.

Berthold Baurek Karlic

Das Erfolgsgeheimnis der US-Startups

Das Erfolgsgeheimnis der amerikanischen Startups besteht aus einem Mix aus gutem Zugang zu Finanzierungen, einer Fehler- bzw. sogenannten „Betakultur“ (d.h. Mut zum Launchen von noch nicht vollständig fertigen Produkten), hoher Geschwindigkeit, Flexibilität sowie der Akkumulation und Verfügbarkeit von Talenten, welche aus der ganzen Welt angelockt werden. Alleine im letzten Jahr sind über 150.000 Menschen in die Bay Area gezogen, erzählte mir Michael Hirschbrich vom österreichisch-amerikanischen Startup Updatemi.

Erfahrungswerte für europäische Energiekonzerne

Offensichtlich ist, dass man im Silicon Valley weder Anzug noch Krawatten benötigt, hier kommt es auf andere Qualitäten an. Das gesamte Setting ist auf Motivation und Kreativität ausgerichtet. Das Arbeitsklima in den Firmen erinnert in seiner Offenheit fast an Gemeinschaftsräumlichkeiten von Universitäten und Studentenheimen. Die Arbeit wird in großen offenen Räumen erledigt, Kommunikation und lockerer Austausch mit Kollegen findet am Imbisseck, am Tischtennis-Tisch oder beim Tischfußball statt und in den Gängen fahren Mitarbeiter mit Tretrollern. Die Ergebnisse dieser Kultur sprechen für sich.

Im Silicon Valley benötigt man weder Anzug noch Krawatten, hier kommt es auf andere Qualitäten an.

Die Innovationskraft ist immens hoch, es gibt keine Zeit für Intrigen und Machtspiele, das Team zieht gemeinsam nach vorne und das mit höchstmöglicher Geschwindigkeit. Sobald etwas fertig ist – es muss nicht perfekt sein, es reicht eine „Beta-Version“ – wird präsentiert und Feedback von Kollegen, Kunden oder sogar Konkurrenten eingeholt. Es wird eine große Herausforderung sein, eine solche Kultur plötzlich in traditionelle Konzerne zu implementieren.

Klar ist, es müssen neue Allianzen geschmiedet und eng mit Spezialisten zusammengearbeitet werden. Innovation ist heute extrem schnell und international und deshalb braucht es Teams, die sich tagtäglich mit dem Thema beschäftigen. Hier setzt die Verbund AG mit dem aktuellen Startup-Pitch einen solchen weiteren kraftvollen Schritt in Richtung Innovation. Und die Tochtergesellschaft Verbund Solutions GmbH, die in den letzten Jahren bereits viele neue Geschäftsmodelle von Photovoltaik bis zur Elektromobilität entwickelt hat, wird in Zukunft auch stärkere Verschränkungen mit innovativen Startups ansteuern.

Über Berthold Baurek-Karlic
Berthold Baurek-Karlic ist Risikokapital-Experte, mehrfacher Unternehmensgründer und Business Angel. 2012 gründete er das Beratungs- und Beteiligungsunternehmen Venionaire Capital. Das Unternehmen berät und strukturiert Transaktionen bei Mergers & Aquisitions, Corporate Finance, Venture Capital und unterstützt zuletzt auch börsengelistete Konzerne bei der Umsetzung von Corporate Venture. www.venionaire.com

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Analyser, CSRD, EU-Taxonomie
(c) - PwC Österreich -Das Konsortium des Projekts "Analyser" beim Kick-Off.

Die Regeln der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die in den kommenden Jahren sukzessive schlagend werden, bedeuten für zahlreiche österreichische Unternehmen eine Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Bei vielen von diesen – auch jene, die freiwillig schon früher als erforderlich mit der Umsetzung starten – werden Schwierigkeiten erwartet, die Anforderungen zu erfüllen, da insbesondere KMU nicht über ausreichend Kapazitäten für interne Nachhaltigkeitsabteilungen verfügen würden.

CSRD und Taxonomie

Dies gilt im Besonderen für die EU-Taxonomie, die ergänzend zur CSRD anzuwenden ist. Gemäß ihr müssen die wirtschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens als nachhaltig oder nicht-nachhaltig deklariert werden.

Die Verordnung umfasst umfangreiche und detaillierte Kriterien, die für Ungeübte nicht leicht zu verstehen sind. Deshalb will in einem kürzlich gestarteten Forschungsprojekt namens “AI Enabled Sustainability Jurisdiction Demonstrator” (Analyser) ein Forschungskonsortium KI-basierte Module entwickeln. Die sollen es auch ungeschulten Anwenderinnen und Anwendern ermöglichen, die gesetzlichen Meldepflichten zu erfüllen. So soll eine Erleichterung für Unternehmen erzielt werden.

“Das oberste Ziel unseres Projekts ist es, die Zahl der KMU zu erhöhen, die selbstständig in der Lage sind, die EU-Taxonomie in guter Qualität zu berichten”, erklärt Maximilian Nowak, der das Projekt bei Fraunhofer Austria leitet.

Das Konsortium

Das Konsortium, bestehend aus Fraunhofer Austria, Universität Innsbruck, Technischer Universität (TU) Wien, Leiwand AI, PwC Wirtschaftsprüfgesellschaft, der Wirtschaftsagentur Niederösterreich ecoplus, Murexin und Lithoz wird dafür Teile des Prozesses mithilfe von Künstlicher Intelligenz automatisieren. Ein Chatbot, der auf einem eigens kreierten Sprachmodell beruht, soll mit den Anwenderinnen und Anwendern im Dialog stehen und sicherstellen, dass alle benötigten Dokumente vorliegen.

Es sind nämlich viele Fragen im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu klären: Welche wirtschaftlichen Aktivitäten gibt es im Unternehmen? Wie umfangreich sind diese? Welche davon sind taxonomiefähig, können also überhaupt nach den Kriterien bewertet werden?

Josef Baumüller, der von Seiten der TU Wien an dem Projekt beteiligt ist, sagt: “Es ist vielen noch nicht bewusst, wie komplex die Anforderungen zunächst an die Datenerhebung und anschließend an die Klassifizierung sind. Die Prozesslandschaft im Unternehmen muss erfasst und auf die Vorgaben der EU-Taxonomie übergeleitet werden, darüber hinaus gilt es, relevante Datenbedarfe zu identifizieren und im Sinne der Effizienz v.a. bereits vorhandene Datenbestände zu nützen.”

CSRD-Berichterstattung eine Herausforderung

Dass eine Unterstützung der Unternehmen unumgänglich ist, sagt auch Stefan Merl von der PwC Österreich GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft: “Wir spüren bereits jetzt eine massive Zunahme in den Anfragen von Unternehmen, insbesondere von KMU, die sehen, dass die Erfüllung der CSRD-Berichterstattungspflichten eine große Herausforderung ist. Es führt kein Weg daran vorbei, eine automatisierte Lösung zu entwickeln, die weit über den Automatisierungsgrad bestehender Tools hinausgeht. Genau das wollen wir im Projekt ‘Analyser’ verwirklichen.”

Dabei ist essenziell, dass die im Tool eingesetzte KI fair, nachvollziehbar und korrekt arbeitet. Dafür soll Leiwand AI GmbH die nötige Expertise in das Projekt einbringen.

“In einer so kritischen Angelegenheit wie der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist es besonders wichtig, dass auch Maßnahmen hinsichtlich einer zuverlässigen und fairen KI-Lösung getroffen werden. Durch den Einsatz verschiedener Methoden rund um nachhaltige und vertrauenswürdige KI werden wir dazu beitragen, dass der ‘Analyser’ gesicherte Informationen liefert, fair in Bezug auf Bias und Diskriminierung ist und im Einklang mit dem EU AI Act steht”, sagt Mira Reisinger, Data Scientist bei Leiwand AI.

Das Projekt ist im Herbst 2024 gestartet, läuft über drei Jahre und wird durch die FFG aus Mitteln des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gefördert.

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