30.01.2019

Foresight Mindset – Wie man Trends erkennt bevor sie Trends sind

Gastbeitrag: Mario Herger, Silicon-Valley-Experte und Autor des Buches "Das Silicon Valley Mindset", hat sich für uns mit der Thematik auseinandergesetzt, wie wir Technik-Trends schon frühzeitig erkennen können. Seine Antwort ist die "Foresight-Mindset-Methode".
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Foresight Mindset
(c) fotolia/tierney

Als 2007 das iPhone herauskam, waren die Reaktionen zwiegespalten. Für die einen war es eine der wichtigsten technischen Innovationen seit langem und viele waren bereit, sich tagelang vor den Apple-Stores anzustellen. Andere wiederum zuckten mit den Achseln und fragten: “Was ist neu daran? War doch schon alles da?”

brutkasten Magazin #7: Die Welt in 5 Jahren

Jein! Diese Aussage stimmt und stimmt dann doch wieder nicht. Touchscreen, Handynetzwerk, Kamera, GPS-Chip, App-Store, WLAN, MP3-Player und Webbrowser auf einem kleinen, mobilen Gerät gab’s schon vorher. Das neue war aber die Kombination und die Benutzererfahrung mit diesem Gerät.

Bei Innovation sprechen wir vom “benachbarten Möglichen”. Alles, was wir schaffen, basiert auf existierenden Bausteinen. Den Motor und die Kutsche gab es schon länger, aber erst die Kombination gab uns das Auto und wirkte disruptiv auf die Kutschenmacher und Pferdezüchter.

Ideen liegen in der Luft

Teilweise existieren Technologien und Geschäftsmodelle schon sehr lange, bis jemand auf die Idee kommt, sie zu kombinieren. Diese Ideen liegen sozusagen “in der Luft”. 1922 stellten zwei Forscher der Columbia University eine Liste an 140 Erfindungen und Entdeckungen zusammen, bei denen die Erfinder, unabhängig voneinander, ohne voneinander zu wissen, in unterschiedlichen Ländern oder sogar auf unterschiedlichen Kontinenten, dieselbe Erfindung oder Entdeckung innerhalb einer kurzen Periode gemacht hatten.

Was das Telefon, die elektrische Batterie und der Propeller gemeinsam haben

Am selben Tag im Jahr 1876, an dem Alexander Graham Bell ein Patent für das Telefon einreichte, reichte ein anderer dasselbe Patent ein paar Stunden später ein – im selben Patentbüro. 1745 und 1746 erfanden sowohl Ewald Georg von Kleist und Pieter van Musschenbroek die elektrische Batterie. Josef Ressel, John Ericsson, Francis Pettit Smith, David Bushnell und Robert Fulton erfanden unabhängig voneinander – innerhalb einer kurzen Zeitspanne – den Propeller.

Beim iPhone war es genauso. Auch andere Unternehmen wie General Magic, Apple selbst oder Nokia hatten früher schon probiert, so ein Ding zu bauen, doch der richtige Zeitpunkt ist ebenso wichtig, wie die richtige Technologie, das richtige Geschäftsmodell, das richtige Marketing und Branding, der richtig Prozess und einige Dinge mehr, die vom richtigen Team kombiniert werden müssen. Und das ist die große Leistung von erfolgreichen Teams. Den anderen, den gescheiterten Teams verdanken wir, dass sie den Pfad geschlagen haben, indem sie zeigten, was geht und was nicht, und Menschen auf diese Idee vorbereitet haben.

Foresight Mindset: Trends sind erkennbar

Die gute Nachricht für diejenigen, die verstehen wollen, was die Zukunft bringt, ist, dass sie aus den oben genannten Gründen für das geschulte Auge eines Foresight-Mindset-Praktikers vorhersehbar ist. Das Foresight Mindset ist die Kunst und Wissenschaft, Trends zu erkennen bevor sie Trends sind. Und wie man das macht, kann man lernen.

Ein erster Schritt ist, dass man mit mehr Aufmerksamkeit und Interesse gezielt Entwicklungen aus anderen Fachbereichen verfolgt. Das führt zu einer sogenannten T-Verteilung an Expertise, wo man sehr tiefes Wissen zu seinem eigenen Fachbereich hat (der vertikale Strich im Buchstaben T) und weniger tiefes, dafür aber breites Wissen in vielen anderen Disziplinen (repräsentiert durch den horizontalen Querstrich im T). Sich dieses Wissen aneignen erfordert Regelmäßigkeit. Man muss sich das als Gewohnheit aneignen, jeden Tag sich mindestens eine Stunde für fachfremde Studien freizuhalten.7

Man muss die richtigen Fragen stellen

Wissen alleine aber hilft nicht. Die Kunst, eine “schöne Frage” zu stellen ist ein zweiter Schritt. Eine schöne Frage wird dabei als eine definiert, von der man, sobald gehört, die Antwort wissen will. Man kann sie auch nicht gleich beantworten, ja sie mag vielleicht gar keine Antwort haben. Aber sie eröffnet neue Fragen, sie schafft vielleicht sogar neue Disziplinen. Die Frage “Was ist der nächste Trend?”, “Wie bringt uns das Geld?” “Was ist unser Tesla-Killer?” oder „Warum haben wir das bisher nicht gemacht” sind transaktionsgesteuerte Fragen, oft auf der Suche nach einem Schuldigen. Sie sind nicht schön, sie führen nicht zu Erfindungen und Innovation.

“Wie würde die Welt aussehen, wenn ich auf einem Lichtstrahl reite?”

Eine Frage, wie Albert Einstein sie stellte “Wie würde die Welt aussehen, wenn ich auf einem Lichtstrahl reite?” hingegen ist eine schöne Frage. Hundert Jahre, nachdem sie gestellt wurde, beschäftigt sie nach wie vor Generationen von Wissenschaftlern und schafft neue Disziplinen. Zwar mögen vielen Leute schauen, aber sie sehen nicht. Der dritte Schritt ist somit, dass man aktiv nach Innovation suchen muss. Weniger nach Lösungen, sondern vor allem nach Problemen, die es wert sind, angepackt zu werden.

Warum erkennen wir Trends oft nicht?

Trends sind deshalb so verwirrend, weil wir nicht genau erkennen, was ein echter Trend ist und was nur eine Modeerscheinung oder Hype, der rasch wieder vergeht. Wir können Trends in einige Kategorien einteilen und folgendes Beispiel macht das anschaulich.

Als Elvis Presley starb, gab es knapp über hundert Elvis-Imitatoren. Menschen, die sich kleideten wie Elvis, die ihr Haar schnitten und fönten wie Elvis, und die Elvis Lieder mit seiner charakteristischen Stimme sangen. Nach Elvis Tod am 16. August 1977 explodierte die Zahl der Elvis-Imitatoren über Nacht. Eine Betrachtung der Zahlen an Elvis-imitatoren zwischen 1977 und 1982 ließ keinen anderen Schluss zu, als dass im Jahr 2000 ein Drittel aller Amerikaner ihr Geld als Elvis-Imitatoren verdienen würden. Das ist natürlich nicht geschehen und jeder oder jede Befragte mit ein bisschen Hausverstand hätte uns sagen können, dass es dazu nicht kommen wird.

Weiche und harte Trends

Obwohl es ein Trend war, hatte er ganz charakteristische Eigenschaften, die auf ein Verebben hindeuten würden. Wir unterscheiden hier zwischen zwei großen Kategorien von Trends: weiche und harte Trends. Weiche Trends sind, wie die Elvis-Imitatoren zeigen, basiert auf Annahmen, die nur so scheinen als ob sie greifbar oder vorhersehbar sind, die sich so aber nicht materialisieren (müssen). Ein harter Trend hingegen ist eine Projektion in die Zukunft, die auf messbaren, greifbaren und vorhersagbaren Fakten, Ereignissen oder Dingen basiert. Ein weicher Trend kann passieren, er ist ein zukünftiges Vielleicht. Ein harter Trend hingegen wird passieren, er ist ein zukünftiges Faktum. Man kann sich darauf verlassen, dass er eintreten wird.

Diese Unterscheidung in weiche und harte Trends soll uns helfen besser zu verstehen, was die Zukunft für uns sicher in der Hand hat und was sie vielleicht bringen wird. Unser Misstrauen gegenüber Vorhersagen und Trends ist oft darin begründet, dass wir die Unterscheidung zwischen weichen und harten Trends nicht treffen können. Wir hatten weder klare Kriterien, noch Werkzeuge um die Spreu vom Weizen trennen zu können. Doch das ändert sich jetzt, und damit erhalten wir mehr Gewissheit in unsere Trendbetrachtungen und Vorhersagen.

“Die Zukunft ist bereits da, sie ist nur noch nicht gleichverteilt.”

Die Zukunft ist bereits da

So wie das iPhone vorhersehbar war, kann man Dank der Foresight-Mindset-Methodologie die Trends der kommenden 5 bis 15 Jahre schon heute erkennen. Sie werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht exakt so eintreten, wie man sich ausmalen mag, aber Szenarien für mehrere mögliche, plausible und wahrscheinliche Zukünfte heute zu entwickeln erlaubt eine bessere Vorbereitung, ein klareres Verstehen der Zukunft und hilft bessere Entscheidungen zu treffen. Und das alles ohne sich von selbst ernannten “Trendgurus” die Zukunft vorhersagen zu lassen.

Um es mit dem Science-Fiction-Autor William Gibson zu halten: “Die Zukunft ist bereits da, sie ist nur noch nicht gleichverteilt.”

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Analyser, CSRD, EU-Taxonomie
(c) - PwC Österreich -Das Konsortium des Projekts "Analyser" beim Kick-Off.

Die Regeln der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die in den kommenden Jahren sukzessive schlagend werden, bedeuten für zahlreiche österreichische Unternehmen eine Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Bei vielen von diesen – auch jene, die freiwillig schon früher als erforderlich mit der Umsetzung starten – werden Schwierigkeiten erwartet, die Anforderungen zu erfüllen, da insbesondere KMU nicht über ausreichend Kapazitäten für interne Nachhaltigkeitsabteilungen verfügen würden.

CSRD und Taxonomie

Dies gilt im Besonderen für die EU-Taxonomie, die ergänzend zur CSRD anzuwenden ist. Gemäß ihr müssen die wirtschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens als nachhaltig oder nicht-nachhaltig deklariert werden.

Die Verordnung umfasst umfangreiche und detaillierte Kriterien, die für Ungeübte nicht leicht zu verstehen sind. Deshalb will in einem kürzlich gestarteten Forschungsprojekt namens “AI Enabled Sustainability Jurisdiction Demonstrator” (Analyser) ein Forschungskonsortium KI-basierte Module entwickeln. Die sollen es auch ungeschulten Anwenderinnen und Anwendern ermöglichen, die gesetzlichen Meldepflichten zu erfüllen. So soll eine Erleichterung für Unternehmen erzielt werden.

“Das oberste Ziel unseres Projekts ist es, die Zahl der KMU zu erhöhen, die selbstständig in der Lage sind, die EU-Taxonomie in guter Qualität zu berichten”, erklärt Maximilian Nowak, der das Projekt bei Fraunhofer Austria leitet.

Das Konsortium

Das Konsortium, bestehend aus Fraunhofer Austria, Universität Innsbruck, Technischer Universität (TU) Wien, Leiwand AI, PwC Wirtschaftsprüfgesellschaft, der Wirtschaftsagentur Niederösterreich ecoplus, Murexin und Lithoz wird dafür Teile des Prozesses mithilfe von Künstlicher Intelligenz automatisieren. Ein Chatbot, der auf einem eigens kreierten Sprachmodell beruht, soll mit den Anwenderinnen und Anwendern im Dialog stehen und sicherstellen, dass alle benötigten Dokumente vorliegen.

Es sind nämlich viele Fragen im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu klären: Welche wirtschaftlichen Aktivitäten gibt es im Unternehmen? Wie umfangreich sind diese? Welche davon sind taxonomiefähig, können also überhaupt nach den Kriterien bewertet werden?

Josef Baumüller, der von Seiten der TU Wien an dem Projekt beteiligt ist, sagt: “Es ist vielen noch nicht bewusst, wie komplex die Anforderungen zunächst an die Datenerhebung und anschließend an die Klassifizierung sind. Die Prozesslandschaft im Unternehmen muss erfasst und auf die Vorgaben der EU-Taxonomie übergeleitet werden, darüber hinaus gilt es, relevante Datenbedarfe zu identifizieren und im Sinne der Effizienz v.a. bereits vorhandene Datenbestände zu nützen.”

CSRD-Berichterstattung eine Herausforderung

Dass eine Unterstützung der Unternehmen unumgänglich ist, sagt auch Stefan Merl von der PwC Österreich GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft: “Wir spüren bereits jetzt eine massive Zunahme in den Anfragen von Unternehmen, insbesondere von KMU, die sehen, dass die Erfüllung der CSRD-Berichterstattungspflichten eine große Herausforderung ist. Es führt kein Weg daran vorbei, eine automatisierte Lösung zu entwickeln, die weit über den Automatisierungsgrad bestehender Tools hinausgeht. Genau das wollen wir im Projekt ‘Analyser’ verwirklichen.”

Dabei ist essenziell, dass die im Tool eingesetzte KI fair, nachvollziehbar und korrekt arbeitet. Dafür soll Leiwand AI GmbH die nötige Expertise in das Projekt einbringen.

“In einer so kritischen Angelegenheit wie der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist es besonders wichtig, dass auch Maßnahmen hinsichtlich einer zuverlässigen und fairen KI-Lösung getroffen werden. Durch den Einsatz verschiedener Methoden rund um nachhaltige und vertrauenswürdige KI werden wir dazu beitragen, dass der ‘Analyser’ gesicherte Informationen liefert, fair in Bezug auf Bias und Diskriminierung ist und im Einklang mit dem EU AI Act steht”, sagt Mira Reisinger, Data Scientist bei Leiwand AI.

Das Projekt ist im Herbst 2024 gestartet, läuft über drei Jahre und wird durch die FFG aus Mitteln des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gefördert.

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