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Die Diskussion um eine neue, besonders für Startups geeignete Rechtsform in Österreich hält seit Jahren an. Vor einigen Wochen wurde nun von der Regierung der Gesetzesentwurf zur “flexiblen Kapitalgesellschaft” FlexKapG zur Begutachtung vorgelegt – brutkasten berichtete. Die ersten Reaktionen fielen – wie nicht anders zu erwarten – gemischt aus. Gänzlich zufrieden zeigt sich keine Seite. Größter Zankapfel bleibt jene Frage, die von Beginn an im Zentrum der Diskussion stand: Wo bleiben notarielle Formvorschriften (im Vergleich zur GmbH) erhalten und wo fallen sie weg?
FlexKapG-Entwurf sieht Wegfall notarieller Formvorschriften in zwei Fällen vor
Während der Begutachtungsentwurf der Österreichischen Notariatskammer (ÖNK) in diesem Zusammenhang zu weit geht, geht er dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) [Anm. Dachorganisation der neun Bundesländer-Rechtsanwaltskammern] nicht weit genug. Konkret fällt die verpflichtende Einbeziehung von Notar:innen laut FlexKapG-Entwurf in zwei Fällen weg: Bei Kapitalerhöhungen und bei der Übertragung von Unternehmenswert-Anteilen (UW-A). Bei letzterem geht es vor allem um das Kernthema Mitarbeiterbeteiligung. Entsprechende Verträge können gemäß Entwurf auch von Rechtsanwält:innen aufgesetzt werden (“Anwaltsurkunde”).
In Positionspapieren von ÖNK und ÖRAK zum FlexKapG-Entwurf zeigen sich nun verhärtete Fronten. Der ÖRAK widmet den überwiegenden Großteil seines achtseitigen Papiers Gegendarstellungen zu Auszügen aus dem ÖNK-Papier, und zeigt sich dabei mitunter hart im Tonfall. So ist an einer Stelle etwa von einer “irreführend[en], aber vor allem irrelevant[en]” Aussage die Rede. An anderer Stelle wird attestiert, es fehle für eine Position “jede Begründung”.
Geht es ums Geschäft?
Worum geht es konkret? Für Außenbeobachter:innen drängt sich natürlich die Vermutung auf, dass die wirtschaftlichen Implikationen der Neuregelung ein zentraler Grund für den Disput sind: Den Notar:innen fällt dadurch Geschäft weg, für die Rechtsanwält:innen entstehen dagegen neue Einnahmequellen. Es geht also nicht nur um die Sache, sondern auch um Geld für Vertreter:innen des jeweiligen Berufsstands. Davon ist in den FlexKapG-Positionspapieren aber freilich nicht die Rede. Vielmehr wird primär entlang bereits bekannter Linien argumentiert, die man mitunter als Glaubenssache klassifizieren kann. Dazu kommen mehrere kleine Geplänkel zu Detailfragen.
Rechtssicherheit auch durch Anwält:innen gewährleistet?
Die wichtigste solche Glaubensfrage ist jene nach der Rechtsicherheit. Die ÖNK sieht in der “Anwaltsurkunde” die Gefahr einer Aushöhlung dieser Rechtssicherheit. Denn nur Notar:innen seien unabhängig, unparteiisch und “mit öffentlichem Glauben ausgestattet”. Konkret bezeichnet die Notariatskammer die “Anwaltsurkunde” in ihrem Papier als “Privaturkunde mit geringeren Ansprüchen”. Dass sie für Anteilsübertragungen und Kapitalerhöhungen ausreichen soll, sei “weder nachvollziehbar noch sinnvoll”, die “Einführung” sei daher “nicht notwendig und abzulehnen.”
Im ÖRAK-Papier heißt es dazu unter anderem: “Die notwendige Rechtssicherheit bei Erstellung von Urkunden sowie Verträgen mit entsprechender rechtlicher Beratung und Belehrung der Parteien kann auch außerhalb eines Notariatsakts sehr gut erfolgen”. Die Anwälte-Vertretung geht dabei noch weiter: “Daher wäre nach Auffassung der österreichischen Rechtsanwaltschaft diese Formpflicht auch bei der Gesellschaftsgründung und Änderung des Gesellschaftsvertrags einer FlexKapG nicht notwendig”. Für diesen beiden Punkte ist auch im aktuellen FlexKapG-Entwurf weiterhin eine Notar-Pflicht vorgesehen.
“Das ist schlicht falsch”
Die ÖNK führt noch weitere Gründe gegen den Wegfall der Formvorschriften in den zwei Fällen an: “Die Reduktion der Vorschriften für Anteilsübertragungen oder Kapitalerhöhungen bei einer FlexKapG ist u.a. vor dem Hintergrund von gesicherten Identitätsfeststellungen zur Verhinderung von Geldwäsche oder von Sozialbetrug durch juristische Personen nicht nachvollziehbar”. Darauf reagiert die ÖRAK scharf: “Damit wird unrichtigerweise suggeriert, der Notariatsakt habe etwas mit der Geldwäscheprüfung zu tun; das ist schlicht falsch”. Weder Notariatsakt noch Beurkundung würden Mittelherkunft oder Mittelverwendung überprüfen, so die Auffassung der Anwälte-Vertretung. Fast alle anderen “geldwäschegeneigten Geschäfte”, etwa die Veräußerung von Immobilien, hätten zudem auch keinen notariellen Formzwang.
“Anwaltsurkunde” im FlexKapG-Entwurf als “Qualitätsverlust” und “gefährliche Drohung”?
Noch deutlicher fällt der Tonfall im ÖRAK-Papier in Reaktion auf eine Passage im ÖNK-Schriftstück aus, in der es zur “Anwaltsurkunde” wörtlich heißt: “Qualitätsverlust: Die Neuerung ist eine gefährliche Drohung für Gründer:innen, Investor:innen und vor allem für die Justiz”. Dazu die Anwälte-Vertretung: “Diese generelle Unterstellung eines Qualitätsverlustes ist scharf zurückzuweisen”. Rechtsanwält:innen seien hochqualifiziert ausgebildet und in der Errichtung von Verträgen erfahren. Und weiter: “Die Form eines Vertrags sollte jedenfalls nicht wichtiger als sein Inhalt sein. Tatsächlich schaffen viele Notariatsakte inhaltlich typischerweise keinen Qualitätsgewinn über die anwaltliche Arbeit hinaus, die in vielen Fällen Basis für die Texte der Notariatsakte ist”. In sehr vielen Fällen würden von Rechtsanwält:innen erstellte Privaturkunden ohne inhaltliche Änderungen in einem “Mantel-Notariatsakt” formalisiert, was zu einem zusätzlichen zeitlichen und finanziellen Aufwand für die Parteien führe.
Mitarbeiterbeteiligung als inhaltliche Bruchlinie zwischen ÖNK und ÖRAK
Eine tatsächlich inhaltliche Bruchlinie gibt es zwischen ÖNK und ÖRAK übrigens in der Frage nach der Sinnhaftigkeit der Mitarbeiterbeteiligung per se. Bei der Notariatskammer sieht man die Bezahlung von Mitarbeiter:innen mit Anteilen als wirtschaftliche Gefahr für diese. “Es ist davon auszugehen, dass Mitarbeiter:innen auf Basis der gesetzlich ermöglichten Erleichterungen mit Unternehmensanteilen aus dem erhofften zukünftigen Erfolg des neu gegründeten Unternehmens geködert werden, um zu weit unter der Arbeitsleistung liegenden Löhnen zu arbeiten. Im häufig zu erwartenden Worst Case gehen Mitarbeiter:innen nach dem Scheitern des Startups leer aus oder erben gar Verbindlichkeiten, die das Startup den Gesellschafter:innen hinterlassen hat”, heißt es dazu im Positionspapier. Die Wahrung der Rechte von Minderheitsgesellschafter:innen sei ebenso wichtig wie die Einhaltung aller kollektivvertraglichen Bestimmungen.
Das Bedürfnis nach Mitarbeiterbeteiligung sei gleichermaßen von Gründer:innen, Mitarbeiter:innen und Investor:innen ausgegangen und stelle “einen europäischen Standard dar, zu dem sich alle EU-Mitgliedstaaten bekannt haben”, heißt es dazu vom ÖRAK. Es sei in der Ausarbeitung des FlexKapG-Entwurfs von Anbeginn an klar gewesen, dass Mindestgehälter (ob durch Kollektivvertrag oder Mindestlohn) nicht unterwandert werden können. “Diese arbeits- und sozialrechtlichen Grundsätze stehen ohnedies außer Streit”, so die Anwälte-Vertretung.
FlexKapG-Begutachtungsphase endet am 7. Juli
Daneben übt der ÖRAK in noch einigen weiteren Punkten teils scharfe Kritik am FlexKapG-Positionspapier der ÖNK. Die Begutachtungsphase endet am 7. Juli. Dann wird der Entwurf anhand der vorgebrachten Einwände nochmal überarbeitet. Die Beschlussfassung ist im Herbst geplant. Mit 1. Jänner 2024 soll das Gesetz laut Plan inkrafttreten.