26.04.2021

Europas Souveränität im Rückspiegel

In seiner aktuellen Kolumne beschäftigt sich Mic Hirschbrich damit, was es alles bräuchte, um tatsächlich eine europäische Souveränität herzustellen.
/artikel/europas-souveraenitaet-im-rueckspiegel
Mic Hirschbrich über Hausaufgaben auf dem Weg zu Europas Souveränität
brutkasten-Kolumnist Mic Hirschbrich | Hintergrund: (c) Adobe Stock / Grecaud Paul

Im Buzzword-Ranking verdrängt die Forderung nach “Europas Souveränität” fast schon jene nach höherer Resilienz. Doch nicht alles was einen “Buzz” auslöst, muss deshalb automatisch schlecht sein. Ganz im Gegenteil: Die Forderung nach höhere Souveränität Europas, vor allem im digitalen Bereich, ist so wichtig wie zwei-schneidig.

Denn, Souveränität meint in der Praxis meist eigentlich das Gegenteil von Öffnung und Globalisierung. Wir verfolgten die Globalisierung unter anderem mit der Absicht, einen höheren Wohlstand für mehr Menschen zu erzielen. Manche glaubten, durch eine stärkere Vernetzung der wirtschaftlichen Welt, auch eine höhere politische Stabilität und nachhaltigen Frieden zu schaffen. In einer perfekten Welt, in der nur Unternehmen zueinander in Konkurrenz stehen, mag das auch die beste Strategie sein. Nur, die Welt war und ist nicht perfekt.

Als uns die Globalisierung zu einseitig wurde

Die Globalisierung wurde von vielen (oft zurecht) dafür kritisiert, dass soziale und ökologische Fragen auf der Strecke blieben. Sie war allerdings extrem gut darin, Angebot und Nachfrage global so zu verteilen, dass sich dies ökonomisch zum Vorteil der Konsument*innen entwickelte. Egal wo man selbst ideologisch steht, davon hat jeder von uns profitiert. Die Globalisierung tat das sogar “so gut”, dass bestimmte Regionen ganz aufhörten, wichtige Dinge selbst zu entwickeln, wie in der Pharmaindustrie oder Deep-Tech. Die Standortbedingungen dieser Regionen, oder bald eines ganzen Kontinents, waren dafür einfach zu schlecht, weshalb bestimmte Unternehmen abwanderten oder zusperrten.

Der Markt hat weder ein nationales Bewusstsein noch kennt er Loyalität. Deshalb nimmt er auf etwas wie ein “Souveränitätsbedürfnis” keine Rücksicht. Fairerweise muss man aber feststellen, dass sich offenbar kaum eine Region so wenig um die eigene Souveränität gekümmert hat, wie Europa, vielleicht aus einem bestimmten Fairness-Verständnis am Weltmarkt heraus. Denn sowohl die USA als auch China positionieren und sehen sich zwar gerne als faire und offene Handels-Partner, schützen politisch aber ihre Eigeninteressen und eben ihre Souveränität mit großer Hingabe (siehe z.B. ihre Investitionskontrollen, IP-Schutzmechanismen oder auch ihre enormen Militärausgaben in vielen Deep-Tech- und Datenindustrien).

Europa hat die strengsten Datenschutz-Regeln, aber kaum Daten

Ein wenig eigen mutet es da an, wenn sich europäische Regulatoren selbst für besonders strenge Datenschutz-Bestimmungen feiern, während 92 Prozent aller westlichen Daten heute in den USA oder in US-geführten Datencentern liegen. In den Top 20 der globalen Tech-Unternehmen kommt kein einziges europäisches vor und auch danach noch immer in sehr geringem Ausmaß.

Die gute schlechte digitale Souveränität

Dass Europa zu wenig über die eigenen Daten verfügt und auch im Hardware-Bereich viel zu abhängig geworden ist, wirkt tatsächlich bedrohlich. Dass wir als Europäer*innen also mehr digitale Souveränität anstreben ist gut und richtig. Schlecht kann die Souveränitäts-Debatte dann sein, wenn sie in der Realpolitik dazu führt, dass die eigentlichen Ursachen der Fehlentwicklung nicht ambitioniert genug angegangen werden.  Bei manchen könnte sie obendrein nationalistische Phantasien auslösen. Solche, die heute kein vernünftiger Mensch mehr braucht.

Anders als in China, herrschten in den westlichen Nationen und Handels-Bündnissen keine Zwänge, weder für Anbieter*innen noch für Konsument*innen. Dass Google also heute in Kalifornien sitzt und nicht in der Provence, dass Facebook in Kalifornien sitzt und nicht in Andalusien und dass Apple in Kalifornien sein Headquarter hat anstatt in Bayern, … hat schon etwas mit Europa zu tun und nicht bloß mit dem Silicon Valley.

Souveränitäts-Trumpf EIC?

Der Begriff der Souveränität wurde lang nur in Bezug zu Nationalstaaten gesehen: Ein souveräner Staat mit einer Regierung, die von ihrem Souverän, dem Volk, gewählt wird. Heute ist uns diese “Hoheit” im Sinne von “Unabhängigkeit” aber vor allem im digitalen Sinn wichtig, weil in der Datenökonomie auch immer mehr Macht entwickelt wird. Daher die Fragen zu stellen, ob wir eigentlich noch in der Lage sind, kritische Infrastruktur und Technologie selbst zu entwickeln oder wir zumindest fairen Zugang zu wichtigen technischen Ressourcen haben können, ist deshalb mehr als legitim.

Mit Hermann Hauser kümmert sich eine interessante Persönlichkeit um dieses Anliegen. Denn es ist diesmal kein Politiker oder Beamter, sondern der Mitgründer eines erfolgreichen Deep-Tech Ventures, namens ARM, der sich an die Souveränitäts-Front stellt. Hauser wurde steinreich durch den Exit des Erzeugers von Mikroprozessoren, scheint heute aber unglücklich darüber zu sein, dass sich die mächtige Nvidia sein ehemaliges “Baby” unter den Nagel reißen könnte. Er erlebt sozusagen die Souveränitätsdebatte, um nicht zu sagen den befürchteten “Kontrollverlust”, näher als kaum wer anderer. Anstatt also seinen nächsten Lebensabschnitt und Reichtum unbeschwert zu genießen, stellt sich Hauser dieser Herausforderung als Vice-Chair im European Innovation Council. Was für ihn in dieser Rolle spricht, ist nicht nur seine Erfahrung bei ARM, sondern auch jene als Mit-Gründer der VC-Firma “Amadeus Capital Partners”. Denn diese VCs wissen, wie man echte Innovation früh aufspürt. Ein Know-how, das er jetzt besonders gut wird brauchen können.

In den kommenden sieben Jahren stehen dem EIC knackige zehn Milliarden Euro zur Verfügung, um europäische Innovation und Souveränität zu schützen und als “Turbo für andere europäische Geldgeber zu fungieren”. BioTech, Healthcare und Green-Tech werden dabei im Fokus stehen. 

Fazit

Die Wettbewerbs-Analysen schreien danach, Corona und die Pandemie-Bekämpfung haben es nochmals gezeigt und Experten machen seit langem darauf aufmerksam: (Digitale) Souveränität ist strategisch wichtig. Doch sie erspart uns nicht die Hausaufgaben zuhause.

Die EU hat bis heute keine mit Delaware oder UK vergleichbare Inc. oder Ltd.-Gesellschaftsform für ihre Innovations-Unternehmen und deren Investor*innen geschaffen. Und ja, sowas braucht es europaweit. Wir wissen um die enormen Wettbewerbs-Nachteile bei den Gesellschaftsformen nicht seit Jahren, sondern seit Jahrzehnten. Die meisten unserer Unis scheinen Spin-Offs geradezu vermeiden zu wollen. Da hilft es nicht, dass mittlerweile Tausende nach Stanford gepilgert sein müssen, um zu sehen, wie es richtig gemacht wird. Europas Behörden kaufen auch 2021 lieber chinesische oder amerikanische Hard- und Software ein, als europäischen Startups eine echte Chance, geschweige denn einen Beschaffungs-Vorteil, zu bieten. Und wir bilden immer noch Millionen Schüler*innen auf Staatskosten dazu aus, US-Software als User bedienen zu können. Aber an unseren Unis machen mehr Juristen und Publizistikwissenschaftler Abschlüsse als Technologen, die solche Software entwickeln könnten. (Vielleicht daher die Liebe zu Tech-Regulierungen.)

Innovation kann man nicht herbeireden, nicht erzwingen und nicht herbei regulieren. Man kann ihre Rahmenbedingungen optimieren und sie fördern. Wenn Merkel, Macron und weitere Staatsoberhäupter nun einen durchaus sinnvollen Anlauf in Sachen “digitaler Souveränität” unternehmen, dann sollten sie gleichviel Energie in Europas Standortattraktivität setzen.

Denn “Souveränität” an einem unattraktiven Standort braucht man so viel wie Daten-Regulierung ohne Daten oder KI-Regulierung ohne Künstliche Intelligenz.

Deine ungelesenen Artikel:
11.11.2024

Joulzen: Wiener Startup macht aus alten Öltanks nachhaltige Wärmespeicher

Das Startup Joulzen möchte mit seiner Lösung, der Umwandlung von alten Öltanks in nachhaltige Wärmespeicher, die Energiewende in die Keller Österreichs bringen.
/artikel/joulzen-wiener-startup-macht-aus-alten-oeltanks-nachhaltige-waermespeicher
11.11.2024

Joulzen: Wiener Startup macht aus alten Öltanks nachhaltige Wärmespeicher

Das Startup Joulzen möchte mit seiner Lösung, der Umwandlung von alten Öltanks in nachhaltige Wärmespeicher, die Energiewende in die Keller Österreichs bringen.
/artikel/joulzen-wiener-startup-macht-aus-alten-oeltanks-nachhaltige-waermespeicher
Joulzen
(c) Joulzen - (v.l.) Sebastian Rigger, Florian Schellnast und Christoph Markler von Joulzen.

Joulzen ist ein österreichisches Startup rund um Sebastian Rigger, Florian Schellnast und Christoph Markler, das sich der nachhaltigen Transformation des Energiemarktes verschrieben hat. Mit einer Technologie, die alte Öltanks in moderne Wärmespeicher verwandelt und die überschüssige Sonnenenergie nutzt – um CO2-Emissionen zu reduzieren – möchte es den Zugang zu leistbarer Energie in Österreich beschleunigen.

Joulzen beim Climate Launchpad

Joulzen hat heuer im Juni den 1. Platz bei der Österreich-Entscheidung Climate Launchpad belegt und ist im europaweiten Semifinale gegen den späteren Sieger Terraversa aus Spanien ausgeschieden. Zudem ist es Teil des TU Wien i²c Inkubators.

Bei der hauseigenen Methode, bestehende Öltanks in effiziente Wärmespeicher zu transformieren, wird überschüssige Energie aus Photovoltaikanlagen oder dem Stromnetz gespeichert und für den Winter nutzbar gemacht. Dabei sollen, wie es per Aussendung heißt, die Heizkosten um bis zu 90 Prozent gesenkt und der CO₂-Ausstoß um bis zu 84 Prozent reduziert werden.

Umrüsten statt entsorgen

Ein weiterer Vorteil: Alte Öltanks müssen nicht mehr teuer entsorgt, sondern könnten umweltfreundlich umgerüstet werden. “So sparen Hausbesitzer bis zu 5.000 Euro allein an Entsorgungskosten. Mit Joulzen macht nachhaltiges Heizen Freude und wird zum Geschenk für kommende Generationen”, sagt Maschinenbau-Experte Rigger.

Aktuell haben die Wiener das Land Tirol im Visier. Gepaart mit Förderungsaktionen wie “Raus aus Öl und Gas” und “Klimafreundliches System” des Bundes und des Landes Tirol soll die Umrüstung auf erneuerbare Energien für alle Haushalte leistbar werden, so der Plan: “Mit Joulzen kommen wir dem Ziel, bis 2040 klimaneutral zu sein, einen großen Schritt näher”, so Rigger weiter. In Tirol werden bis zu 100 Prozent der Umrüstungskosten gefördert. Auf Bundesebene laufen die Förderprogramme noch bis Ende 2025.

Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag

AI Summaries

Europas Souveränität im Rückspiegel

AI Kontextualisierung

Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Europas Souveränität im Rückspiegel

AI Kontextualisierung

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Europas Souveränität im Rückspiegel

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Innovationsmanager:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Europas Souveränität im Rückspiegel

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Investor:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Europas Souveränität im Rückspiegel

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Politiker:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Europas Souveränität im Rückspiegel

AI Kontextualisierung

Was könnte das Bigger Picture von den Inhalten dieses Artikels sein?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Europas Souveränität im Rückspiegel

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Personen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Europas Souveränität im Rückspiegel

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Organisationen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Europas Souveränität im Rückspiegel