30.10.2020

Wie Erdogan seine Währung ruiniert

Wenn die Politik nach der Notenbank greift, endet das nie gut. Aktuell kann man das in der Türkei beobachten.
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Mit seiner Politik trägt Recep Tayyip Erdoğan zur Entwertung der türkischen Lira bei.
Mit seiner Politik trägt Recep Tayyip Erdoğan zur Entwertung der türkischen Lira bei. (c) Adobe Stock / grasycho / Georg Schober

Ein neuer Tag, ein neues Rekordtief für die türkische Lira. Die Währung der großen Nation zwischen Europa und Asien leidet seit Jahren, aber mit dem Streit zwischen Präsident Recep Erdogan und seinem französischen Kollegen Emanuel Macron hat der Absturz an Fahrt aufgenommen. Für  Anleger ohne direkten Bezug zur Türkei ist das Drama nicht akut relevant. Aber es zeigt schön, was passiert, wenn Machthaber sich in die Belange der Notenbank einmischen. Nichts Gutes.

Moderne Zentralbanken haben einen Status, den man mit Gerichten vergleichen kann. Sie stehen nicht über dem Gesetz, aber über der Tagespolitik. Die Chefposten werden zwar auf die eine oder andere Art durch die Regierungschefs besetzt, die Notenbankpräsidenten sind aber niemandem weisungsgebunden. All das soll die „Unabhängigkeit” der Notenbank sichern. Besonders klar ist das bei der Europäischen Zentralbank EZB geregelt. Sie soll sich einzig und allein um die Währung und die Preisstabilität kümmern. So zumindest der Auftrag.

„Unabhängigkeit” ist in Anführungszeichen gesetzt, da es sich hier um ein Spektrum handelt. EZB-Präsidentin Christine Lagarde ist (theoretisch) besonders unabhängig, weil ihr nicht ein Regierungschef gegenübersteht, sondern 19. Dass die Elite dieser Länder überhaupt das so genannte Währungsmonopol an Frankfurt abgetreten hat, grenzt an ein Wunder. Aber wie wichtig das war, können wir aktuell in der Türkei beobachten.

Probleme mit Europa und den USA

Die aktuelle, besonders dramatische Phase hat im Sommer 2019 begonnen, als Erdogan urplötzlich den damaligen Chef der Notenbank feuerte. Der hatte sich geweigert, die Zinsen nach Erdogans Wunsch unten zu halten. Also musste er gehen. Das ist zwar legal, aber ein äußerst gewagter Schritt für einen Machthaber – selbst für einen sehr gefestigten wie Erdogan. Denn die globalen Anleger sehen es gar nicht gerne, wenn die Politik sich in die Belange der Notenbank einmischt. Sie erhöhten ihre Wetten gegen die Lira. Gleichzeitig werden die Menschen in der Türkei von hoher Inflation geplagt. Eigentlich sollte die Notenbank mit höheren Zinsen gegensteuern. Aber genau das will Erdogan verhindern. Er möchte, dass das Geld fließt.

Nun sind Wirtschaftskrisen nie monokausal. Die Türkei liegt politisch nicht nur mit Frankreich sondern auch mit dem eigentlichen Verbündeten USA im Clinch, weil Ankara Waffen aus Russland kaufen will. Aber es war nicht dieser Streit, sondern Erdogans langer Arm, der der Lira nach Corona einen zweiten Schlag versetzte. In einem Umfeld, in dem die Währungen von Entwicklungsländern ohnehin unter Druck geraten, weil viel Geld in den Dollar flüchtet, verweigerte die US-Notenbank den türkischen Kollegen eine so genannte „Swap-Line”. Diese Notfall-Einrichtungen sollen im akuten Krisenfall für die Dollarversorgung einer Volkswirtschaft sorgen, was den Währungskurs stabilisiert. Alle US-Verbündeten und Industrieländer haben so eine Swap-Line erhalten.

Die Lira wird weiter unter Druck geraten

Die Türkei aber nicht. Man vertraue Erdogan nicht, sich raus zu halten, hieß es aus Washington. Der soll das Thema sogar in einem Gespräch mit US-Präsident Donald Trump erwähnt haben. Und sollte Biden kommende Woche gewinnen, wird das die Situation des türkischen Präsidenten kaum verbessern. Um die Bedeutung der Swap-Lines in akuten Krisen zu unterstreichen: 2008 war es Island, das keine solche Notfallversorgung mit Dollars erhielt. Was folgte, war der totale Kollaps.

Dass Die Türkei jetzt angefangen hat, ihre Goldreserven abzuverkaufen, ist ein Alarmzeichen. So etwas geschieht nur in einem Zustand totaler Verzweiflung. Am Donnerstag ließ die Notenbank dann erneut die Chance verstreichen, die Zinsen zu erhöhen. Es scheint, als wäre Erdogan das Schicksal der eigenen Währung egal. Mit der zweiten Corona-Welle, den Lockdowns und der negativen Marktreaktion wird die Lira aber noch weiter unter Druck geraten.

Auch Donald Trump hätte gerne niedrigere Zinsen

Was wir hier sehen ist ein klassisches Beispiel dafür, warum Politiker der Zugriff auf die Notenpresse unter allen Umständen verwehrt werden muss. Die Leidtragenden von Erdogans Politik sind die Türken, deren Geld rasch entwertet wird. Hilfe ist derzeit weder aus den USA noch aus Europa zu erwarten. Aber auch im Westen gibt es immer wieder Vorstöße, die Notenbank für politische Zwecke zu missbrauchen.

Am weitesten ist man in den USA. Donald Trump ist selbst nie verlegen, niedrigere Zinsen zu verlangen. Er weiß: Anders als die Türkei, ist die USA theoretisch tatsächlich in der Lage, unendlich Geld zu drucken. Denn der Dollar ist die Weltwährung. Und es würde an den anderen Staaten und Anlegern liegen, zu reagieren. Im Falle der Türkei sehen wir zwar, wie das ultimativ ausgehen kann. Aber die USA selbst sind eine ganz, ganz andere Nummer.

Auf den Dollar sind wir angewiesen, er ist quasi das Betriebssystem unseres Finanzwesens. Es ist bei diesen Bestrebungen also allerhöchste Vorsicht geboten. Auch – und vor allem – weil wir wegen Corona derzeit andere Sorgen haben. Man muss aber sagen: Bis die aktuellen Verwerfungen bei Dollar und Euro ankommen, wird es wohl noch dauern. Eher flüchten die Anleger zuerst in diese „sicheren” Häfen und die Probleme der Schwellenländer vergrößern sich. Wir haben also noch nicht alles gesehen von Erdogans gefährlichem Tanz auf dem Vulkan.

Über den Autor

Niko Jilch ist Finanzjournalist, Podcaster und Speaker. Website: www.nikolausjilch.com Twitter: @nikojilch

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Das „Kernteam“: Leo Sulzmann, Mona Heiß und Markus Korn. (c) Freundeskreis

Käsealternativen aus Cashewnüssen, Mandeln, Soja oder Erbsenprotein: Der Markt für Käseersatzprodukte erlebt derzeit eine Hochphase. Auch das Startup Freundeskreis hat es sich zur Mission gemacht, mit seinem pflanzlichen „Cam-mhh-berta“ die Käsewelt zu transformieren. Anstelle von Milchkulturen, die in herkömmlichem Camembert verwendet werden, setzt das Unternehmen auf eine untypische Zutat: Marillenkerne – ein Nebenprodukt der heimischen Obstindustrie.

Ende letzten Jahres konnte Freundeskreis eine Förderung von 400.000 Euro von der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft (aws) sichern – brutkasten berichtete. Mit dieser Förderung bauten sie nicht nur ihre Produktion aus, sondern brachten auch ihren veganen „Cam-mhh-berta“ erfolgreich auf den Markt. Im Interview mit brutkasten berichtet Co-Gründerin Mona Heiß über die Fortschritte des Startups und die Pläne für die Zukunft.

Freundeskreis wird mit weiteren 97.000 Euro gefördert

Seit Juni dieses Jahres ist der pflanzliche “Cam-mhh-berta” in ausgewählten Bio-Supermärkten in Wien erhältlich: Pepper & Ginny (1010), Maran Vegan (1060) und Markta (1090). Das Feedback ist vielversprechend: Nach Unternehmensangaben wurden in den ersten vier Monaten bereits rund 1.000 Stück verkauft.

Nur wenige Monate nach der aws-Förderung konnte sich Freundeskreis eine weitere finanzielle Unterstützung sichern: Die Wirtschaftsagentur Wien stellte über die Förderschiene “Produktion” dem Startup rund 97.000 Euro zur Verfügung. Wie Co-Gründerin Mona Heiß im Interview mit brutkasten verrät, soll das Geld in eine neue Pilot-Käsefabrik in Wien-Penzing fließen, die zugleich als zukünftiger Firmenstandort dienen wird.

Bisher finanziert sich Freundeskreis ausschließlich über Fördermittel. Für die kommenden Monate plant das Team jedoch eine Finanzierungsrunde im Frühjahr, um Investor:innen zu gewinnen und das Wachstum des Startups weiter voranzutreiben.

Marillenkerne liefert Cremigkeit und gesunde Nährstoffe

Freundeskreis entwickelte eine pflanzliche Käsealternative, die primär aus Marillenkernen besteht: den „Cam-mhh-berta“. Laut dem Unternehmen ist dieser geschmacklich und in der Konsistenz kaum von herkömmlichem Camembert zu unterscheiden. Der Grund liege in den Eigenschaften der Marillenkerne, die reich an Proteinen und ungesättigten Fettsäuren sind. Diese Nährstoffe sorgen demnach nicht nur für gesundheitliche Vorteile, sondern tragen auch maßgeblich zur cremigen Textur bei, erklärt Heiß.

Die Produktion des „Cam-mhh-berta“ erfolgt in „traditioneller Handarbeit“ auf einem Bauernhof im Wienerwald, in einer ehemaligen Käserei. Dabei setzt Freundeskreis auf dasselbe Verfahren, das auch bei der Herstellung von Kuhmilchkäse Anwendung findet. Das Ergebnis sei ein Käse, der sich durch “Cremigkeit, Nachhaltigkeit und Tradition” auszeichnet.

“Cam-mhh-berta” besteht nur aus vier Zutaten

Das Besondere an der Käsealternative sind die Marillenkerne, die als Hauptzutat dienen. Diese fallen normalerweise als Abfall- oder Nebenprodukt der Saft- und Marmeladenproduktion an. Freundeskreis bezieht die Kerne von regionalen Lieferanten, darunter das niederösterreichische Scaleup Kern Tec – brutkasten berichtete. Aus den Marillenkernen wird durch ein speziell entwickeltes Verfahren eine milchige Flüssigkeit gewonnen, die mithilfe von Reifekulturen, veganen Enzymen und Mikroorganismen zum „Cam-mhh-berta“ verarbeitet wird. Die Käsealternative kommt mit nur vier Zutaten aus: Marillenkerne, Salz, Wasser und vegane Reifekulturen.

Ein kritischer Punkt bei der Verarbeitung von Marillenkernen ist die darin enthaltene Blausäure, die gesundheitsschädlich sein kann. Hier hat Gründer und Forscher Leo Sulzmann ein spezielles Verfahren entwickelt, um die Blausäure auf natürliche Weise abzubauen.

Freundeskreis-Team wächst

Hinter dem Food-Startup Freundeskreis stehen Forscher und Geschäftsführer Leonhard Sulzmann sowie Co-Gründerin Mona Heiß. Während Sulzmann sich auf die wissenschaftlichen und technologischen Aspekte konzentriert, verantwortet Heiß die Kreativdirektion und den Markenaufbau. Zum Kernteam gehört außerdem Sales- und Operations-Verantwortliche Markus Korn. Mittlerweile zählt das Team sechs Mitglieder, die gemeinsam am weiteren Ausbau der Marke Freundeskreis arbeiten.

Zukünftig sollen mehr vegane Käsealternativen auf den Markt kommen

Freundeskreis arbeitet aktuell an der Entwicklung weiterer veganer Käsealternativen. Bereits Anfang nächsten Jahres soll eine vegane „Frischkäsevariante“ auf Basis der Marillenkerne auf den Markt kommen. Doch das ist nicht alles: Eine weitere Produktreihe ist bereits in Planung. Co-Gründerin Mona Heiß verrät, dass es sich dabei voraussichtlich um ein Produkt handeln werde, das speziell zum Backen geeignet sei. Langfristig will das Startup außerdem auch einen veganen „Hartkäse“ anbieten. Die Herstellung dieses Produkts ist jedoch komplexer, da es aufgrund des verwendeten Verfahrens eine bestimmte Zeit für die Reifung benötigt.

In den kommenden Wochen soll außerdem ein Online-Shop live gehen, über den die Produkte von Freundeskreis direkt bestellt werden können. Diese Plattform wird zunächst als Testversion betrieben, um herauszufinden, wie gut sich die Produkte für den Direktvertrieb eignen. Geplant ist dabei ein Modell, bei dem die Käsealternativen erst auf Bestellung und nicht auf Vorrat produziert werden. Weiter in die Zukunft gedacht, kann sich das Startup auch den Vertrieb in Supermärkten vorstellen.

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AI Summaries

Wie Erdogan seine Währung ruiniert

  • Die türksische Lira leidet seit Jahren, aber mit dem Streit zwischen Präsident Recep Erdogan und seinem französischen Kollegen Emanuel Macron hat der Absturz an Fahrt aufgenommen.
  • Die aktuelle, besonders dramatische Phase hat im Sommer 2019 begonnen, als Erdogan urplötzlich den damaligen Chef der Notenbank feuerte. Der hatte sich geweigert, die Zinsen nach Erdogans Wunsch unten zu halten.
  • Am Donnerstag ließ die Notenbank dann erneut die Chance verstreichen, die Zinsen zu erhöhen.
  • Es scheint, als wäre Erdogan das Schicksal der eigenen Währung egal.
  • Mit der zweiten Corona-Welle, den Lockdowns und der negativen Marktreaktion wird die Lira aber noch weiter unter Druck geraten.
  • Die Leidtragenden von Erdogans Politik sind die Türken, deren Geld rasch entwertet wird. Hilfe ist derzeit weder aus den USA noch aus Europa zu erwarten.

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