23.12.2021

Culture Tech – Der Mensch als ewiger Cyborg

Es ist schon wieder etwas geschehen. Technologie hat – getrieben von der Pandemie – um sich gegriffen und viele Bereiche des Alltags durchdrun- gen. Man kennt Begriffe wie „Click and Collect“, „Homeschooling“ und „Re- mote Work“ – „Culture Tech“ hinge- gen hat noch nicht den Status großer gesellschaftlicher Bekanntheit. Dies mag womöglich der bekannten Zöger- lichkeit des Österreichers gegenüber Neuem geschuldet sein, andererseits spielt vielleicht auch das große Aus- maß der Entwicklungen eine Rolle. „Culture Tech“ zersplittert nicht nur die Kultur in viele Teile, sie erschafft auch Märkte, Einnahmequellen, Re- präsentationsmöglichkeiten und schlicht neue Formen der Kunst. Ein vager Blick in eine noch vage Materie.
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(c) ArchäoNow, Martin Jordan, Johannes Güntner, NEA, Walter Mussil - Kultur und Technologie auf gegenseitiger Erkundung.

Gemälde, umgeben von hohen Marmorsäulen, die von kris­tallenen Kronleuchtern in Szene gesetzt werden. Ein einzelner Cellist auf einer Bühne vor einem Publikum in Frack und Abend­kleid; der Bogen fliegt in seinen Fingern umher, wie es sonst Superhelden auf Zelluloid tun. Springende Jugendliche zu lauten Gitarrenriffs, die dunkle Hallen füllen und Schallwellen erzeu­gen, die man mehrere Häuser weiter spürt. Auch eine lokale Küche mit Fokus auf Fleisch und Mehlspeisen als gesellschaft­liche Kollektivierung von Geschmack gehört dazu; wie auch die Würdigung von Unhöflichkeit als bestimmendes Identitätsmerk­ mal – Wien lässt grüßen. Oder eben, und das ist der springen­ de Punkt, zum Werk gewordene Programmiersprache, deren „5.000 Tage“ zu Rekordauktionen führen, wie es Beeple mit dem “69­-Millionen­-US­-Dollar­-Verkauf” seines NFTs bewiesen hat. Kunst darf alles, und Kultur steht darüber.

Kultur ist ein Begriff mit vielen Aspekten, die greifbar sind. “Culture Tech” hingegen bleibt, obwohl in der Kunstszene sehr häufig gebraucht unklar. Im engsten Sinne meint er die menschliche Form des digitalen Schaffens, die sich als Kunst versteht und so konsumiert wird, aber – abseits vom Tippen auf Tasten und dem Einsatz von Technologie – auch zwingend näher definiert werden muss. Es gibt mehrere Wege.

Überrannt von Technologie?

Mark Coeckelbergh sieht in „Culture Tech“ keinen akademischen Begriff, sondern ein Konzept, das im Feld von „Business“ und „Media“ verwendet wird. Der Technologiephilosoph der Uni Wien verortet eine Veränderung der Kunstwahrnehmung durch soziale Medien, die kulturelle Güter dem Betrachter vielleicht zuerst als Video näherbringen, dann womöglich später in Form von „Angesicht zu Kunstwerk“, also in Museen oder Galerien.

(c) Martin Jordan – Mark Coeckelbergh: „Ein Museum ist nicht mehr Gebäude des 19. Jahrhunderts”.

Es herrscht ein anderer Zugang, der durch die „Digitalisie­rungshorde“ entstanden ist, die spätestens mit der Pandemie auch den Kultursektor erfasst hat. „Gedanklich hat man noch viel zu tun, wenn man über ‚Culture Tech‘ spricht“, sagt der Wissenschaftler in diesem Sinne.

Eine Einschätzung, die Patricia Karrer, Gründerin des NFT-­Startups Nea, teilt: „‚Culture Tech‘ ist nicht nur ein relativ neuer, sondern auch ein vager und undefinierter Begriff. Im Allgemeinen umfasst er die Verwendung von ‚New emerging Technologies‘ im Kunst­ und Kulturbereich. Die Anwendungs­gebiete sind breitflächig gestreut – von Blockchain-gesicherten Zertifikaten für Kunstwerke bis zu VR-Galleries und vollkommen neuen innovativen Initiativen wie etwa NFT-Projekten.“

(c) NEA – Patricia Karrer: „Valeur darf nicht in Vergessenheit geraten”.

Mit dieser Aussage öffnet die junge Gründerin, wenn man so will, jene groben Zweige von „Culture Tech“, die zum Ver­ ständnis dienen und die mittels Technologie das Erleben und Schaffen von Kultur konstituieren.

Semantik

Der Begriff wird in großen Maße dafür verwendet, jene digitale Kunst zu beschreiben, die wohl unter der Bezeichnung „Art Technology“ in korrekterer Obhut wäre. Da aber „Culture Tech“ sich kollektiv und vorrangig auf den digitalen Künstler und des­sen Konsumenten konzentriert, ist dieses Kulturfeld zwar nur ein Teil, aber wohl der gewichtigste bei dem Versuch, digitale Entwicklungen der letzten Jahre in diesem Feld zu verstehen. Es ist zwar keine Neugeburt, aber ein Voranschreiten, das sich kulturell und vor allem künstlerisch gezeigt hat. Kunst wurde digital.

(c) Walter Mussil – Clara Blume: „Im deutschsprachigen Raum ist ‘Culture Tech’ weit stärker mit künstlerischem Schaffen assoziiert”.

Clara Blume ist eine österreichische Künstlerin und Kultur­diplomatin. Im Auftrag des österreichischen Außenministeriums leitet sie die Open Austria Art + Tech Labs im Silicon Valley. Sie kuratiert und fördert Kunstprojekte, die das Zusammenspiel von menschlicher und künstlicher Kreativität erforschen – und kennt ebenso die unterschiedliche Handhabung der Bezeichnung

„Culture Tech“

„In den USA beispielsweise beschreibt der Begriff de facto Apps, die den Arbeitsablauf innerhalb eines Unternehmens effizienter gestalten, sprich, die Arbeitskultur fördern und homo­genisieren. Im deutschsprachigen Raum hingegen ist der Begriff Kultur weit stärker mit künstlerischem Schaffen assoziiert, wo­ durch ‚Culture Tech‘ auch ganz konkret Software-­Applikationen beschreibt, die für das Kunstgeschäft designt sind. In meinem Arbeitsumfeld sehen wir darin einen Zugang zu Kunst und Kultur, der auf das enorme Potenzial von digitalen Technologien setzt“, sagt Blume.

Vera Grablechner, Gründerin der „myCulture“-­App, drückt die Begriffsdefinition für sich in ähnlichen, europäischen Worten aus, wenn sie sagt: „Für mich bedeutet ‚Culture Tech‘ jegliche Form von Technologie, die für den Kultursektor entwickelt wird, um diesen in einer gewissen Form zu verbessern – zum Beispiel, um Kunstobjekte ‚ultrarealistisch‘ als 3D-Modell zu digitalisieren und so für die Nachwelt zu erhalten, oder wie im Fall von ‚myCulture‘, personalisierte Empfehlungen für Aus­stellungen mittels Machine Learning zu präsentieren.

(c) Johannes Güntner – Vera Grablechner: „Österreich ist, was die Startup-Szene angeht, nicht da wo es sein könnte.”

Grablechner spricht hier an, was Coeckelbergh anfangs angedeutet hat und Karrer im weitesten Sinne als „Galerien im Netz“ andenkt: nicht nur die Möglichkeiten, maßgeschneiderte Kunst empfohlen zu bekommen, sondern sie auch vorab zu sehen.

Das Internet hat dabei nicht das „Rad erfunden“, dafür aber neue Möglichkeiten entdeckt, Technologie dazu zu nutzen, Kunst zu machen und sie zu erleben. All dies gipfelt in diesem einen Begriff, der von Beteiligten oft prominent verwendet wird, aber noch wenig fassbar scheint.

(c) ArchäoNow – Miriam Weberstorfer: „Es ist wichtig, unterstützende Maßnahmen für Unternehmen zu schaffen.”

Ein klareres Bild erhält man allerdings auch, wenn man dem Gedanken von Miriam Weberstorfer, Founderin von Archäo­NOW, folgt, der „Werkzeuge“ in den Fokus stellt: „Die digitale Entwicklung transformiert die unterschiedlichsten Bereiche. Die Methoden der Vermittlung verändern sich, also die Art und Weise, wie Inhalte – Wissen, Emotionen, Fantasien – transpor­tiert werden können. Ich bin überzeugt, dass der intelligente Einsatz moderner Technologien in Kombination mit neuen inhaltlichen Konzepten das Erlebnis von Kulturgütern erheblich bereichert und neue Zielgruppen erschließt. Es werden also neue Türen geöffnet, sowohl für Kulturkonsumenten als auch für Kulturschaffende“, sagt sie.

„Kunst kann helfen“

Und genau darin entfaltet sich die Argumentationslinie, um Kritikern digitaler Kunst etwas entgegenzusetzen, die sich gegen die Neuausrichtung der Kunst hin zur Technologie aussprechen.

„Auch in prähistorischen Zeiten war der Mensch immer ein Cyborg“, sagt Coeckelbergh, „ein technologisches Wesen, das Werkzeuge benutzt hat. Das war immer Teil der Kultur. Kunst­ formen bilden ab, was schon lange da ist, bloß die Techniken haben sich geändert. Die Durchdringung von digitaler Techno­logie müssen wir kulturell und konzeptuell fassen. Und Kunst kann uns dabei helfen.“

Dass sie nicht nur das tut, ist besonders in der Startup­-Szene keine bahnbrechende Neuigkeit mehr. Denn wie Grablechner weiß: „Das Spannende ist, dass ‚Culture Tech‘ nicht nur viele Vorteile für Kulturkonsument:innen bringt, sondern auch für andere Stakeholder:innen im Kulturbereich, etwa Museen, Galerien und auch Künstler:innen. Zum Beispiel arbeitet das Unternehmen Roots Studio aus den USA weltweit mit indi­genen Kunstschaffenden zusammen, um ihr einzigartiges und gefährdetes Kunsterbe auf neuen Medien zu digitalisieren – und zwar mit einem Modell, das ihren Lebensunterhalt, ihre Gemeinschaft und ihre Traditionen finanziell unterstützen kann“, sagt sie. „In den letzten Jahren hat sich aufgrund der Covid­19­Pandemie auch der Kunstsektor mit dem Thema Digitalisierung auseinandersetzen müssen und ist daher nun für ‚Culture Tech‘­Innovationen weitaus empfänglicher als noch vor ein paar Jahren. Dieser Offenheit gilt es, mit wertvollen und langfristigen Ideen zu begegnen.“

Dies tut vor allem Patricia Karrer, die offen für neue Appli­kationen ist, aber auch darüber reflektiert, wie sie sagt: „Ich beobachte dies vor allem in der Zusammenarbeit mit Künst­ler:innen anhand meines eigenen Projekts. Neue Anwendungs­bereiche sind spannend, aber primär geht es auch darum, dass der künstlerische und kreative Stellenwert, das ‚Valeur‘, nicht in Vergessenheit gerät und nur noch kommerzielle Möglichkeiten im Vordergrund stehen.“

Ihr Startup Nea, erzählt sie, bereite aktuell ein NFT­-Bootcamp für eine Fokusgruppe von 30 Künstler:innen vor, in welchem die Verwendung von „NFTs hands ­on“ erklärt werde. „Jedoch setzen wir uns in diesem Zuge auch kritisch mit dem Thema ‚Culture Tech‘ auseinander und bearbeiten delikate Fragen wie: Ist NFT-­Art Kunst? Geht der Ausdruckswert des physischen Werks durch digitale Aspekte verloren oder erschaffen sie neue Möglichkeiten für den kreativen Ausdruck?“

Virtualität

Während „Creators“ ausloten, welche neuen Möglichkeiten ihnen die letzten Jahre in die Hände gelegt haben, entdecken auch Kunstliebhaber:innen neue Wege, ihrer Leidenschaft zu frönen. Ein beinharter Kunstentzug war eine Folge der Lockdowns, sodass Museen und Galerien gezwungen waren, Konsumenten neue Lösungen zu präsentieren.

„Dadurch haben Unternehmen, die Ausstellungen mittels Web-­VR virtuell begehbar oder Kunst via Augmented Reality im öffentlichen Raum erlebbar gemacht haben, eine sehr hohe Nachfrage erfahren. Diese Lösungen kamen in der Kunst­-Community sehr gut an, und es hat sich gezeigt, dass vor allem junge Erwachsene durch den Einsatz innovativer digitaler Lö­sungen für Kunst begeistert werden können“, so Grablechner.

Ein Beispiel dafür findet sich beim Wiener Startup von Weberstorfer namens ArchäoNOW. Ihr Unternehmen hat sich auf ausgefeilte AR­- und VR-­Touren durch Wien spezialisiert, was besonders mit dem Shift Richtung Outdooraktivitäten während der Pandemie Anklang fand. Es handelt sich um Geschichte­ und Kulturvermittlung mit digitaler Komponente, um die reale Welt zu erweitern. „Ich halte diese beiden Technologien besonders im Bereich Kultur für sehr sinnvoll, sie bringen viele Vorteile. Zum Beispiel können unterirdische Katakomben virtuell zugänglich gemacht werden oder man kann nicht mehr existente Gebäude wie das Sterbehaus von Mozart oder die Maria­ Magdalena ­Kapelle am Stephansplatz wieder auferstehen lassen. Man kann darüber hinaus Gegenstände wie wertvolle Reliquien aus dem Stephansdom direkt in die eigenen Hände bekommen, sie betrachten und studieren. Denn nicht alle Kulturobjekte sind jederzeit für jedermann zugänglich; viele müssen geschützt werden, Räume sind nicht mehr begehbar, existent oder aus Sicherheitsgründen versperrt. Kulturgüter befinden sich aber auch teils an den unterschiedlichsten Orten der Welt – all diese Probleme können unter anderem durch AR und VR gelöst werden“, sagt Weberstorfer.

Blume indes platziert diesen technologischen Sprung für die Kulturgeschichte weitaus schärfer in Richtung „Culture Tech“ als Ergänzung zu Kunst und Kultur: „Einen Goya auf Google Arts & Culture anzusehen anstatt auf der Lederbank im Museo del Prado ist ein trauriger Abklatsch des authentischen Kunstgenusses“, sagt sie. „Das darf auch nicht der Anspruch sein. Ein digitales Archiv erfüllt eine komplementäre Funktion zum originalen Kunstwerk, indem sie dieses Menschen auf der ganzen Welt mit einem Mausklick zugänglich macht. In Analogie dazu müssen Künstler:innen und Kurator:innen die Virtualität als Chance begreifen.“

Neuartige Erschaffung und Betrachtung sind nicht die einzigen Bereiche, an denen „Culture Tech“ stehen bleibt. Besonders die erwähnten Non Fungible Tokens (NFTs) haben einen Hype ausgelöst, der dazu führte, dass, wie Karrer meint, fast täglich neue „Collection Drops“ publiziert werden oder neue Projekte entstehen. „Ich sage dazu sehr gerne: ‚Die Welt ‚mintet‘ um die Wette, wer die nächsten ‚Crypto-Kitties‘, ‚Frogs‘ oder ‚Apes‘ launcht und sich dadurch eine goldene Nase verdient.‘ Dies ist ja alles nett und gut, aber meiner Meinung nach ein vollkommenes Bubble Happening ohne jegliche wirtschaftliche Nachhaltigkeit“, so die Nea-Gründerin. „Dies bedeutet jedoch nicht, dass NFTs als Technologie per se nicht ungemeine Möglichkeiten schaffen– im Sinne dessen, dass sie als neue künstlerische Wertigkeit und als Anregung für neue kreative Schaffensphasen verwendet werden können. Im gleichen Zug erkunden Künstler:innen einen neuen Markt, um Gewinne zu erzielen.“

Doch dort, wo neue Märkte entstehen, reicht es nicht, sie aus der Ferne zu beobachten, wie man es mit einem Bild von Picasso oder Banksy tun würde – eine Sichtweise, wie sie auch Grablechner zu teilen scheint, die zugleich eine Lanze für Startups in dem Bereich bricht, wenn sie sagt: „Österreich ist, was die Startup-Szene angeht, nicht da, wo es sein könnte. Zwar gibt es vereinzelt Hackathons, Inkubatoren und Accelerator-Programme wie beispielsweise durch die Wirtschaftsagentur Wien, allerdings wird ‚Culture Tech‘ nicht gesondert behandelt, sondern entweder in der Technologie- oder Kreativbranche eingeordnet. Somit sind wir in einen stark umkämpften Sektor gedrängt, in dem es relativ schwierig ist, finanzielle Förderung zu erhalten, unter anderem, da technologische Innovationen oft mehr kosten als analoge Kreativprojekte. Ein weiteres Problem ist, dass Kunst und Kultur nicht im Rahmen der SDGs (Social Development Goals der UN, Anm.) behandelt werden und daher in vielen auf Impact fokussierten Programmen keinen Platz finden. Es wäre doch einen Versuch wert, in einem Land, das Kunst und Kultur so hoch schätzt, gezielt ‚Culture Tech‘-Startups zu fördern.“

Unterstützt wird sie bei dieser Einstellung von Weberstorfer, die ebenfalls meint, dass innovative Ideen gefördert und konservative, lähmende Strukturen endlich aufgebrochen gehören: „Grundsätzlich ist die Nutzung von neuen Technologien in der Regel nicht billig – darum ist es wichtig, hier unterstützende Maßnahmen für Unternehmen zu schaffen“, sagt sie.

Blume indes meint, Österreich habe bereits alle Zutaten, um sich international als „Culture-Tech-Hub“ zu etablieren. Etwa: Talent, Hochschulen mit exzellenter Grundlagenforschung, innovatives Potenzial, einen reichen kulturellen Humus, eine hohe Lebensqualität, um Talente aus dem Ausland anzuziehen, und eine solide öffentliche Förderkultur, um heimische Ideen zu unterstützen. „Unsere Kultur braucht frischen Sauerstoff im Blut, um lebendig, relevant und kritisch zu bleiben. Anstatt über das überholte Thema der Digitalisierung zu diskutieren, sollten wir uns vielmehr Gedanken darüber machen, wie Österreich das Zeitalter der künstlichen Intelligenz aktiv mitgestalten kann. Es wird sich zeigen, dass der Schlüssel hierzu in der menschlichen Kreativität liegt“, so Blume.

Museum überall

Eines der ersten Dinge, die in Retrospektive durch die Digitalisierung der Kunst sichtbar wurden, waren ironischerweise die analogen Plätze selbst; Museen, Galerien, die plötzlich neue Angebote auffuhren. Laut Coeckelbergh ist das Museum bereits in verschiedene Orte aufgeteilt. Multimediale Angebote, Audioguides oder Onlineausstellungen seien Ergebnisse einer verbindenden Technologie. „Ich denke, dass sich das Museum in Zukunft verwandeln wird. Es wird nicht mehr dem Gebäude aus dem 19. Jahrhundert ähneln, sondern sich selbst vielmehr mitten in der Gesellschaft sehen. Das Museum wird überall sein“, sagt der Tech-Philosoph und adressiert damit diverse Ängste von Fetischisten klassischer Kunsterfahrung.

Wer dennoch ein Ende analoger Kulturorte ausruft, wird auch in Weberstorfer eine Widersacherin finden. Die Gründerin sieht in ihrer Einstellung keinen Entweder-oder-Aspekt, sondern ebenfalls das zusammenführende Element in der statt-findenden Evolution zwischen Technologie und Kultur.

„Eine Gefährdung sehe ich hier keinesfalls. Ich verstehe das Netz als Erweiterung der Möglichkeiten für eine große Masse an Menschen. Es kann aber niemals, wie ich finde, ein reales Museum oder eine Galerie ersetzen. Ich persönlich liebe es, im Museum durch die Ausstellungsräume zu schlendern. Das klackende Geräusch von unzähligen Schritten auf den Marmor- öden der Eingangshalle, der holzig-warme Geruch der Sammlungsgegenstände in ihren historischen Vitrinen, der faltbare Raumübersichtsplan in meinen Händen, der Durstlöscher im Hauscafé – ein Museumsbesuch ist ein Erlebnis für alle Sinne, das kann ein rein digitales Format nicht liefern. Jedoch können digitale Methoden das Erleben interaktiver gestalten.“

Eine Zukunftsperspektive, die auch Blume teilt. Die Künstlerin, die vom Kunstmagazin „Apollo“ als eine der weltweit „40 under 40“ talentiertesten jungen Menschen in der Kategorie „Art + Tech“ genannt wurde, hatte wohl nicht als Einzige während der Coronakrise eine kleine Epiphanie. Sie sagt: „Ohne Onlineperformances und Streamingservices wären wir während der Pandemie komplett vereinsamt. Daraus den Schluss zu ziehen, dass sich Kunst nur mehr im Netz abspielen wird, ist aber verfehlt. Wir sind nicht nur Geist, sondern auch Körper, und dieser sehnt sich nach Stimulierung. Die virtuelle Realität schafft zwar bereits heute ein beeindruckendes Simulacrum unserer Welt, allerdings bleiben hierbei Haptik und Geruchssinn auf der Strecke. Ich verstehe deshalb digitale Kunst und physische Ausstellungsräume nicht als Gegensätze, sondern als komplementäre Konzepte. Die Zukunft der Kunst liegt im ‚Immersive Experience Design‘, einer Hybridität der Künste, wo alle menschlichen Sinne, angesprochen in einem interaktiven Kunsterlebnis, zusammenfließen.“


Dieser Artikel erschien im brutkasten-Magazin „Generations„, Ausgabe 13.

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v.l. Die beiden Founding Partner Laurenz Sim- bruner und Lukas Püspök | (c) Tina Herzl

Dieser Artikel erschien zuerst in der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download findet sich am Ende des Artikels.

Spätestens mit dem Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen und der angekündigten Rückkehr seiner „America First“-Politik ist die Debatte über die Technologiesouveränität in Europa neu entfacht. Unter dem Motto „Drill, baby, drill!“ hat Trump zudem angekündigt, die Förderung fossiler Energieträger wie Öl und Gas massiv ankurbeln zu wollen. Gleichzeitig ist Europa in zentralen Industrien wie der Solar- und Batterietechnologie stark von China abhängig. Angesichts dieser Herausforderungen stellt sich die Frage, welche Marktchancen europäische Climate-Tech-Startups im geopolitischen Spannungsfeld zwischen den USA und China künftig haben.

Diese Frage beleuchten wir aus Investorensicht im Gespräch mit Lukas Püspök und Laurenz Simbruner – sie sind Founding Partner des Wiener Venture-Capital-Fonds Push, der gezielt in Health-Tech- und Climate-Tech-Startups investiert. Püspök leitet zudem das gleichnamige Familienunternehmen, das einer der größten Windkraftbetreiber Österreichs ist.


Wie schätzt ihr die aktuelle Finanzierungslage für Startups aus Investorensicht ein?

Laurenz Simbruner: Die erwartete deutliche Verbesserung bei Dealchancen blieb 2024 aus. Viele hatten die Hoffnung, dass der Markt wieder stärker anzieht, aber das war eher eine vorsichtige Prognose als Realität. Stattdessen erlebten wir ein Jahr, das stark im Zeichen selektiver Investments stand – Flight to Quality und ein klarer Fokus auf Unit Economics und den Weg zur Rentabilität. Besonders Top-Teams und Serial Entrepreneurs hatten es beim Fundraising leichter. Im Bereich Climate-Tech war weiterhin Finanzierung da, vor allem von neueren Fonds, die bereits 2021 und 2022 geraist wurden. Doch auch hier gab es erste Anzeichen von Ernüchterung.

Wie äußern sich diese Anzeichen der Ernüchterung im Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Noch vor zwei Jahren waren die Erwartungen hoch – viele Pitch Decks gingen von extremen Energiepreisen aus, und selbst kleine Einsparungen durch Softwarelösungen wurden als äußerst wertvoll angesehen. Heute sind die Energiepreise in Europa zwar leicht erhöht, aber weitgehend normalisiert. Das führt zu einer gewissen Normalisierung der Nachfrage nach spezifischen Lösungen. Doch der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt: Lösungen im Kampf gegen die Klimakrise sind weiterhin dringend notwendig, und das Potenzial für neue Technologien ist groß. Besonders Boom-Technologien wie Batterien bleiben gefragt. Allerdings erschweren die wirtschaftliche Situation in Europa und der geopolitische Druck zwischen China und den Vereinigten Staaten die Entwicklungen in der Clean-Tech- und Climate-Tech-Branche.

Der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt.

Laurenz Simbruner: Interessant ist auch die Entwicklung bei den Investitionsvolumina: Nach einem Anstieg über drei Quartale gab es zuletzt wieder einen Rückgang. Besonders Deals im Bereich künstliche Intelligenz ziehen hier Aufmerksamkeit auf sich, da viele Mega-Rounds ein Drittel des Investitionsvolumens in Anspruch nehmen. Unsere beiden Bereiche Klima und Gesundheit bleiben jedoch noch immer unter den Top-Verticals. Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie. ESG-Monitoring oder reine Energiemonitoring-Lösungen reichen nicht mehr aus – es geht darum, die großen Probleme anzugehen. Beispielsweise spielt die Steuerung zwischen Energieproduzenten, Speichern und Abnehmern eine zentrale Rolle, und hier kann Software Effekte erzielen.

Lukas Püspök: Die Komplexität im Energiebereich steigt enorm, die neue Energiewelt ist wesentlich vielschichtiger und dynamischer als früher. Das schafft ein ideales Umfeld für neue Technologieunternehmen, die mit ihrer Agilität und Innovationskraft Lösungen bieten können, die traditionelle Akteure oft nicht schnell genug umsetzen. In diesem Feld ergeben sich fast zwangsläufig große Wachstumschancen für neue Technologieunternehmen. Die Herausforderungen und Möglichkeiten sind so groß, dass es fast nicht anders kommen kann.

Welche Chancen bestehen für Startups im Energiebereich angesichts der dominanten Marktposition Chinas im Hardwarebereich?

Lukas Püspök: Ja, tatsächlich sind die meisten wesentlichen Technologien mittlerweile fest in chinesischer Hand. Bei Wärmepumpen könnte Europa noch eine kleine Chance haben, aber auch hier zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den Wechselrichtern: Vor einigen Jahren hatten auch die europäischen Hersteller noch eine gewisse Relevanz am Weltmarkt, heute spricht jedoch fast jeder nur noch über Huawei und ein paar andere, die ihre Dominanz klar ausbauen konnten.

Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren nicht einfach aufhalten lassen. China hat ein enormes Production-Know-how aufgebaut. Die Unternehmen dort sind in Forschung und Entwicklung sowie im Bau großer Produktionsanlagen extrem stark geworden. In Europa wird es sehr schwierig, dieses Niveau schnell zu erreichen.

Die USA gehen einen anderen Weg: Mit dem Inflation Reduction Act fließt viel Kapital in den Aufbau von Produktionskapazitäten, was den USA möglicherweise Vorteile verschafft. In Europa fehlen vergleichbar starke Investitionsanreize und langfristige Strategien, wie sie in China und den Vereinigten Staaten umgesetzt werden.

Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden.

Das bedeutet jedoch nicht, dass es für europäische Startups im Energy-Tech-Bereich keine Chancen gibt. Es gibt zahlreiche Felder, in denen sie erfolgreich sein können – von der Ausgleichsenergie über das Energiekostenmanagement bis zur Batterieoptimierung und Implementierung, um nur ein paar zu nennen. Hier bieten sich viele Möglichkeiten zur Wertschöpfung.

Wenn jedoch jemand in Europa eine neue Solarzelle entwickeln möchte, ist Skepsis angebracht, ob eine solche Entwicklung hier wirklich konkurrenzfähig in die Massenproduktion gehen kann. Deshalb liegt unser Fokus ohnehin nicht auf Hardware. Sie kann zwar eine Rolle spielen, aber der Hauptwert sollte immer aus der Softwarekomponente kommen – auch wenn das im Energy-Tech-Bereich manchmal herausfordernd ist.

Welchen Investitionsfokus verfolgt Push im Energiebereich?

Lukas Püspök: Unser Fokus liegt immer auf Asset-Light-Ansätzen, selbst bei Projekten mit Hardwarekomponenten. Wir sind offen, auch Hardware anzusehen, aber der wesentliche Wert wird in Europa öfter durch Software geschaffen, seltener durch herausragende Hardwareentwicklung und Produktion.

Laurenz Simbruner: Das liegt auch daran, dass wir als Tech-Investoren darauf achten, wie leicht Folgefinanzierungen gesichert werden können. Bei reinen Hardware-Investments stoßen wir auf Widerstände: Rund drei Viertel der potenziellen Investoren sagen bei „Hardware only“ Nein. Das erhöht das Risiko, dass eine Anschlussfinanzierung scheitert oder man alternative Finanzierungsquellen wie strategische Investoren oder Family Offices anstreben muss.

Was muss Europa tun, um im Energiebereich Technologiesouveränität zu erlangen?

Lukas Püspök: Europa kann nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn es langfristige, klare Policies ähnlich wie die anderen großen Wirtschaftsräume umsetzt. China hat mit seinen Fünfjahresplänen schon vor Langem begonnen, grüne Technologien und Batterien strategisch zu fördern, und unterstützt seine Unternehmen auf vielen Ebenen. Die USA setzen auf den Inflation Reduction Act, der klare Impulse für die Industrie bietet. Im Vergleich dazu wirkt Europa mit seinen Initiativen wie dem Green Industrial Deal fast zurückhaltend und politisch fragmentiert, was große Schritte erschwert.

Wir brauchen diese Klarheit in der europäischen Politik, um unsere Industrie zu halten und wettbewerbsfähige, günstige Energie zu sichern. Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden, und auch für Europa ist der massive Ausbau erneuerbarer Energien alternativlos. Manche Stimmen sprechen sich zwar für mehr Kernenergie aus, aber der gänzlich fossilfreie Ausbau bleibt das Ziel; besonders, da Europa keine großen natürlichen Ressourcen besitzt. Wir müssen so viel wie möglich selbst in Europa erneuerbar produzieren.

Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie

Donald Trump hat die US-Wahlen gewonnen und setzt sich für fossile Energieträger ein. Inwiefern ist das eine Gefahr für den europäischen Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Die aktuellen Entwicklungen in den USA stellen für den europäischen Climate-Tech-Sektor aus meiner Sicht keine allzu große Gefahr dar. Wenn die USA erneut aus dem Klimaabkommen austreten und die Schiefergas- und Schieferölproduktion steigern, wird dies zwar Auswirkungen haben, doch Europa wird weiterhin konsequent auf Zukunftstechnologien setzen. Diese klare Haltung stärkt das europäische Ökosystem und zeigt eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber globalen politischen Veränderungen. Insgesamt halte ich den Wahlausgang für die Klimabemühungen für sehr bedauerlich – für die Chancen der europäischen Climate-Tech-Unternehmen aber nicht für eine fundamentale Gefährdung.

Laurenz Simbruner: Viele Climate-Tech-Lösungen dienen primär der Kostenreduktion und der Produktivitätssteigerung. Der Kundennutzen steht dabei im Vordergrund, z. B. durch geringeren Verbrauch oder höhere Effizienz. Die Entscheidung für solche Innovationen ist oft wirtschaftlich motiviert und nicht rein ideologisch. So spielt auch in den USA der wirtschaftliche Nutzen eine entscheidende Rolle – und erneuerbare Technologien wie Photovoltaik setzen sich langfristig durch, wenn sie wirtschaftlich sinnvoll sind.

Lukas Püspök: Letztlich zeigt sich: Technologien setzen sich dauerhaft nur dann durch, wenn sie einen entsprechenden Kundennutzen bringen. In vielen Fällen sind aber Anschubfinanzierungen notwendig, um Technologien wie Photovoltaik zu etablieren und günstige, nachhaltige Lösungen weltweit zu fördern. Der große Photovoltaikboom auf österreichischen Dächern begann weniger aus Umweltgründen oder weil plötzlich jeder grünen Strom wollte; vielmehr wollen wir uns im Lichte der hohen Kosten und der Abhängigkeit von Importen wirtschaftlich absichern. Dieses Prinzip zeigt sich auch in den USA: Zwar könnte man mehr Öl und Gas fördern, und in gewissem Umfang wird das leider auch passieren, aber in vielen Fällen ergeben andere Energieformen wirtschaftlich mehr Sinn. Auch die USA werden PV, Windkraft und Batterien weiter stark ausbauen, hauptsächlich, weil sie in der Stromproduktion zu fast konkurrenzlos günstigen Technologien geworden sind.


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