Billa fordert steuerliche Gleichstellung von tierischer und veganer Milch
Mit der Rewe Group greift nun ein großer Player am Markt erneut die Forderung auf, die Mehrwertsteuer von tierischer Milch und pflanzenbasierter Alternativen, wie Soja oder Hafer-Milch, gleichzusetzen.
Bereits am Dienstag sorgte der Online-Lebensmittelhändler Gurkerl mit einer Marketing-Aktion für Aufsehen. Unter dem Titel “steuerrunter” reduzierte der Online-Supermarkt kurzerhand die Preise für pflanzliche Milchalternativen um die Mehrwertsteuerdifferenz. So wird Kuhmilch in Österreich als Grundnahrungsmittel mit zehn Prozent Mehrwertsteuer besteuert, bei veganen Milch-Alternativen sind es dagegen 20 Prozent. Mit Aktion wolle man der systematischen Benachteiligung von Kund:innen des pflanzlichen Sortiments “aktiv entgegenwirken”, so der Online-Händler in einer Aussendung am Dienstag.
Billa fordert steuerliche Gleichstellung
Mit der Rewe Group folgt nun ein großer Player am Markt, der die Forderung nach einer steuerlichen Gleichstellung von “tierischer Milch und pflanzlichen Pendants” erneuert aufgreift. In einer Aussendung heißt es dazu: “Milch aus heimischem Soja oder Hafer gilt in Österreich als Getränk und unterliegt, anders als das tierische Produkt, einem Steuersatz von 20 Prozent. Das ist eine doppelt so hohe Besteuerung und birgt daher einen klaren Nachteil für Kund:innen, die auf pflanzliche Milch setzen.” Zudem argumentiert Rewe mit den gestiegenen Lebensmittelpreisen, die eine “entscheidende Rolle” beim Einkauf spielen.
Bereits im September 2022 forderte Rewe gemeinsam mit der veganen Gesellschaft eine steuerliche Gleichstellung. Damals hieß es von Elke Wilgmann, Billa Vorständin Consumer: “Selbstverständlich sind wir bereit, eine etwaige Steuerreduktion 1:1 an unsere Kund:innen weiterzugeben”. Die Differenz von zehn Prozent würden zirka 20 bis 25 Cent pro Packung ergeben, wie Felix Hnat, Obmann der Veganen Gesellschaft, im September erläuterte. In zahlreichen europäischen Ländern wie Dänemark, Frankreich oder Irland ist pflanzliche Milch dem tierischen Produkt übrigens steuerlich bereits gleichgestellt.
Eine erste Bilanz zu Pflanzilla
Im Zuge des Veganuary – eine Initiative sich im Jänner einen Monat lang vegan zu ernähren – zog die Rewe Group erstmalig auch eine Bilanz zur im September 2022 eröffneten Billa Pflanzilla Filiale im Wiener Kaufhaus Gerngross. Auf einer Fläche von über 200 Quadratmeter sind mehr als 2.500 rein pflanzliche Produkte und Services zu finden. Darunter befinden sich auch Produkte von heimischen Startups wie Revo Foods, Die Pflanzerei & Co. “Die Nachfrage im Pflanzilla ist ungebrochen. Seit Eröffnung haben mehr als 50.000 Kund:innen den Store besucht”, so Verena Wiederkehr, Billa Head of Plant-Based Business Development.
Börse-CEO Boschan: “330 Mrd. Euro an niedrigverzinstem Kapital fehlen auch Unternehmen bei Innovationsfinanzierung”
Interview. Die Regierungsverhandlungen befinden sich in der entscheidenden Phase. Was bräuchte es aus Kapitalmarktsicht in der kommenden Legislaturperiode? brutkasten hat bei Christoph Boschan, dem CEO der Wiener Börse nachgefragt.
Börse-CEO Boschan: “330 Mrd. Euro an niedrigverzinstem Kapital fehlen auch Unternehmen bei Innovationsfinanzierung”
Interview. Die Regierungsverhandlungen befinden sich in der entscheidenden Phase. Was bräuchte es aus Kapitalmarktsicht in der kommenden Legislaturperiode? brutkasten hat bei Christoph Boschan, dem CEO der Wiener Börse nachgefragt.
Die neue EU-Kommission steht. Hierzulande laufen dagegen nach wie vor die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS mit ungewissem Ausgang. Währenddessen kommt nicht nur Österreich nicht aus der Rezession heraus und auch die Prognosen bleiben tendenziell negativ. Begleitet wird das Szenario von einer Häufung an dramatischen Appellen und Forderungen nach umfassenden Änderungen in der Wirtschaftspolitik.
Wie steht es wirklich um Österreich und die EU? Was sind nun die drängendsten Maßnahmen? brutkasten geht diesen Fragen gemeinsam mit führenden Köpfen der heimischen Innovationsszene nach, darunter etwa FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth, mit PlanRadar-Co-Founder Sander van de Rijdt und mit Storebox-Co-Founder Johannes Braith.
Zum Thema Kapitalmarkt haben wir nun bei Christoph Boschan, CEO der Wiener Börse, nachgefragt.
brutkasten: Die Regierungsverhandlungen befinden sich in der entscheiden Phase. Was sind die wichtigsten Maßnahmen, die in Österreich umgesetzt werden sollten, um Kapitalmarkt und Börse zu stärken?
Christoph Boschan: Die schnellste und einfachste Maßnahme wäre die Wiedereinführung der Behaltefrist für Wertpapiere bzw. die Einführung eines Vorsorgedepots. Das lag alles fix fertig auf dem Tisch und stand im letzten Regierungsprogramm.
Gewichtiger wäre eine bessere Abstimmung des Pensionssystems auf den Kapitalmarkt, also eine teilweise Veranlagung der ersten Säule am Aktienmarkt. Da spreche ich übrigens nicht mit dem reinen Blick durch die “Kapitalmarkt-Brille”. Das würde zugleich den Staatshaushalt entlasten und die Pensionsfinanzierung nachhaltig absichern und Geld für die Innovations- und Wachstumsfinanzierung bereitstellen.
Sie haben in einem brutkasten-Studiotalk im September gefordert, “zentrale, mächtige, große Kapitalsammelstellen zu errichten”. Was genau verstehen Sie darunter, beziehen Sie sich primär auf Pensionsfonds oder verstehen Sie das Konzept breiter?
In der teilweisen Veranlagung der ersten Säule am Kapitalmarkt liegt tatsächlich das größte Potenzial, ein bis zwei Prozent machen hier auf einige Jahre gesehen bereits viel aus. Die zweite Säule könnte mit einer verpflichtenden betrieblichen Vorsorge gestärkt werden. Oder man kreiert einen Staatsfonds nach norwegischem Vorbild.
Abseits davon gibt es in Österreich 330 Mrd. Euro an niedrigverzinstem privatem Kapital, die nicht nur keine Rendite abwerfen, sondern den Unternehmen auch bei der Innovationsfinanzierung fehlen. Die Liste an Möglichkeiten ist lang, wie auch jene der schon existierenden Blaupausen in Europa.
Welche Maßnahmen bräuchte es konkret? Welche dieser Schritte können in Österreich gesetzt werden und welche nur auf europäischer Ebene?
Die entscheidenden Schalthebel sind tatsächlich bei den Nationalstaaten. Vorlagen, die für den österreichischen Anwendungsfall angepasst werden können, gibt es genug. Norwegen mit dem Staatsfonds, Schweden mit der teilweisen Veranlagung der Pensionen am Kapitalmarkt, die Schweiz mit der verpflichtenden betrieblichen Altersvorsorge. In Deutschland kommt nun das Vorsorgedepot mit steuerbegünstigter Wertpapierveranlagung. Alles, was eine zu befürwortende Harmonisierung betrifft, etwa beim Gesellschafts-, Insolvenz- und Steuerrecht, ist auf EU-Ebene zu lösen.
Stichwort EU-Ebene. Sie sprechen auch oft von der “unvollendeten Kapitalmarktunion”. Was müsste aus Ihrer Sicht geschehen, um diese Kapitalmarktunion zu vollenden?
Das deckt sich mit den zuvor diskutierten Ansätzen, die jedoch in der langen Liste der – grundsätzlich zu befürwortenden – Ziele der Kapitalmarktunion nur unzureichend adressiert werden können, da derzeit die großen Kapitalsammelstellen nur durch die Mitgliedsstaaten geschaffen werden können. Ohne große Kapitalsammelstellen werden wir die europäische Konkurrenzfähigkeit nicht entscheidend ankurbeln können.
Inwiefern können Kapitalreserven in privaten Altersvorsorgesystemen oder Pensionsfonds als „Treibstoff“ für tiefe und liquide Märkte dienen?
Indem sie in börsennotierte Unternehmen investieren. Damit schaffen wir die besagten großen Liquiditätspools bzw. Kapitalsammelstellen. Die Unternehmen haben somit eine umfassendere Kapitalquelle für Innovation und Wachstum. Das erklärt auch, warum wir in Europa mit Abwanderung von Listings in Richtung USA zu kämpfen haben. Wachstumsorientierte Unternehmen gehen dorthin, wo sie potenziell das meiste Kapital bekommen können.
Wenn wir wollen, dass das nächste Google, Meta oder Amazon aus Europa kommt, müssen wir hier anpacken. Volkswirtschaften mit entwickelten Kapitalmärkten wachsen schneller und erholen sich rascher von Krisen.
Sie haben bereits angesprochen, dass die nun scheidende Regierung die Wiedereinführung der Behaltefrist für Aktien im Regierungsprogramm vereinbart hatte, ohne sie dann tatsächlich umzusetzen. Für wie wichtig – verglichen mit anderen Möglichkeiten, Anreize zu schaffen – wäre diese Maßnahme, um die private Vorsorge über die Börse attraktiver zu gestalten?
Ich bin immer dafür, Individuen zu ermächtigen und zu stärken und genau das macht die Behaltefrist. Die Befreiung von der KESt (Kapitalertragssteuer) für die langfristige Altersvorsorge ist als Anreiz nicht zu unterschätzen. Sie ist längst überfällig.
Versteuertes Arbeitseinkommen wird in Unternehmen investiert, diese schütten mit Körperschaftsteuer besteuerten Gewinn aus, auf den nochmal 27,5 Prozent geltend werden. Diese steuerliche Eskalation ist immens. Wer vorausschauend agiert und für sein Alter vorsorgt, sollte dringend entlastet werden.
Sie vertreten mit der Wiener Börse die österreichische Nationalbörse. Aktuell kursieren einige Vorschläge, die einen anderen Bereich, nämlich den vorbörslichen Kapitalmarkt betreffen und diese attraktiver machen sollen, etwa die Schaffung eines Dachfonds, der in bestehende Venture-Capital-Fonds investiert, oder einen Beteiligungsfreibetrag für Business Angels und andere private Kapitalgeber. Wie blicken Sie darauf?
Ich halte Ansätze, die Innovation, junges Unternehmertum und Wachstum fördern immer für begrüßenswert. Von jungen Unternehmen, die am Beginn ihrer Reise mit genügend Kapital ausgestattet werden, wird in weiterer Folge auch die Börse, die am oberen Ende der Finanzierungsstufen steht, profitieren.
Aus dem Archiv: Christoph Boschan im brutkasten-Studiotalk (September 2024):
Aus dem brutkasten-Printmagazin: Warum ein Börsengang nicht nur etwas für Großkonzerne ist
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