28.10.2021

150 Jahre Notariatsordnung: “Wir bleiben am Puls der Zeit”

Die österreichischen Notar:innen feiern das 150-Jahr-Jubiläum der Notariatsordnung. Wir sprachen mit Kammer-Präsident Michael Umfahrer über Geschichte, Gegenwart und Zukunft.
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Michael Umfahrer, Präsident der Österreichischen Notariatskammer - 150 Jahre Notariat
Michael Umfahrer, Präsident der Österreichischen Notariatskammer | (c) ÖNK / Klaus Ranger Fotografie
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“Das Wort Notar kommt vom römischen Begriff Notarius. Das waren Schnellschreiber, die Urkunden errichtet haben”, erklärt Michael Umfahrer, Präsident der Österreichischen Notariatskammer (ÖNK). Eines habe sich seitdem nicht geändert: “Schon damals hat man sehr vertrauenswürdige Leute dafür gebraucht”. Das Notariat entwickelte sich nach der Antike in Europa im Laufe der Jahrhunderte weiter. Im damaligen Österreich-Ungarn erfolgte ein entscheidender Schritt vor 150 Jahren: 1871 wurde unter Kaiser Franz Josef eine Notariatsordnung eingeführt, die in ihren Grundzügen bis heute gilt.


Heute, 28.10., um 16:00 Uhr wird ein brutkasten-Talk mit Michael Umfahrer, Präsident der Notariatskammer, ausgestrahlt.


Immer wieder neue Aufgaben für das Notariat

Im Wesentlichen umfasste und umfasst das damals eingeführte Berufsrecht die Aufgaben Grundbuch, Vermögensrecht und die Funktion des Gerichtskommissärs. “In diesen 150 Jahren haben wir als Notar:innen ein großes Vertrauen in der Bevölkerung erworben. Man weiß, dass Notar:innen unparteiisch handeln und jeden Menschen über seine rechtlichen Möglichkeiten aufklären”. Dadurch ergebe sich ein weites Aufgabenfeld. “Und es tun sich immer wieder neue Dinge auf, die zum Profil passen, die dem Notariat übertragen werden”, sagt Umfahrer. So sei etwa derzeit vorgesehen, den Berufsstand auch bei der Neuregelung der Sterbehilfe miteinzubinden.

Bundesweit gibt es heute 528 Notar:innen. Neben den gesetzlich verankerten Tätigkeiten spielt die Beratung eine entscheidende Rolle im Berufsbild. “Die Rechtsentwicklung ist den einzelnen unüberschaubar, dadurch ergab sich logisch dieser Schwerpunkt”, erklärt der ÖNK-Präsident. Es sind etwa Fragen aus dem Familien-, Erb- und Immobilienrecht sowie aus dem Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, die Klient:innen zu Notar:innen führen. “Wir begleiten Menschen rechtlich in ihren entscheidenden Lebensphasen – privat und beruflich”, sagt Umfahrer.

Sensible Rechtsfragen brauchen menschliche Expertise

Weil diese Fragen mitunter sehr sensibel sind, erwartet der ÖNK-Präsident auch in Zukunft einen großen Bedarf an einer menschlichen unparteiischen Instanz. “Die technologische Entwicklung ist immer Mittel zum Zweck. Sie kann unsere Tätigkeiten erleichtern, beschleunigen und uns helfen, unseren Beruf noch besser zum Wohl der Menschen ausüben zu können. Aber ich bin ganz sicher, dass kein LegalTech- oder Blockchain-Programm unsere Tätigkeit vollständig ersetzen kann”.

In diesem Sinne setzt die Notariatskammer seit jeher auf die Nutzung neuer technologischer Möglichkeiten. So gibt es etwa das digitale Testamentsregister, in dem heute mehr 2,3 Millionen Testamente registriert sind, seit fast 50 Jahren. 2000 wurde das elektronische Urkundenarchiv cyberDOC eingerichtet, das nicht nur das erste e-Archiv war, sondern nach wie vor führend auf seinem Gebiet ist. Die Gesamtzahl der aktuell gespeicherten Urkunden liegt bei knapp 13 Mio., davon mehr als 2,7 Millionen notarielle Urkunden.

“Voll-Digitalisierung des Notariats ist logischer weiterer Schritt”

Seit 2017 besteht die Möglichkeit, GmbHs auch digital im Notariat gründen zu können. “Wir haben schon vor der Pandemie an der digitalen GmbH-Gründung gearbeitet, obwohl die Nachfrage damals gar nicht groß war. Dann wurde das plötzlich dringend gebraucht. Wir können die weiteren Entwicklungen zwar nicht voraussehen, aber es wird sie geben und um dem gerecht zu werden, kann man nichts anderes machen, als am Puls der Zeit zu bleiben”, sagt Umfahrer. Die in der Pandemie gestartete Voll-Digitalisierung des Notariats sei da nur ein logischer weiterer Schritt.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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Die Partner von No Hype KI
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