22.10.2019

Startups und Innovation in Tschechien: Smarte Fabriken und smarte Städte

Zum großen Finale ist die von der aaia initiierte Roadshow "CEE unlimited" in der tschechischen Hauptstadt Prag zu Gast. In der aktuellen Analyse nimmt der brutkasten passend dazu Tschechiens Wirtschaft und Startup-Szene unter die Lupe.
/artikel/tschechien-startups
Prag
(c) Adobe Stock / tanialerro

Im Rahmen der Roadshow “CEE Unlimited“ besucht die aaia gemeinsam mit Partnern ausgewählte Startup-Hotspots in Mittel- und Osteuropa. Der brutkasten ist Medienpartner der Roadshow und analysiert als solcher die Hotspots des CEE-Raums. Bisher war die Roadshow in RumänienBulgarien, KroatienSlowenien, Polen und Ungarn zu Gast. Bei einem Event in Wien wurden außerdem die Chancen und Herausforderungen eines grenzüberschreitenden Startup- Ökosystems im CEE-Raum debattiert.

+++Mehr über die Rolle Wiens im Startup-Umfeld des CEE-Raums+++

Als Abschluss der Serie über Hotspots des CEE-Raums folgt eine Analyse der tschechischen Wirtschaft, der dortigen Schwerpunkte in Sachen Innovation und der dortigen Startup-Landschaft.

Entwicklung der tschechischen Wirtschaft

Im Gegensatz zu vielen Ländern des Euroraums entwickelt sich die tschechische Wirtschaft auch im Jahr 2019 noch relativ gut, heißt es in einer Analyse der Aussenwirtschaft Austria. Das BIP stieg im ersten ebenso wie im zweiten Quartal um 2,7 Prozent, wobei die gute Konjunktur hauptsächlich vom starken Konsum privater Haushalte getragen wird. Die Konsumfreude der Bevölkerung ist vor allem auf die niedrige Arbeitslosenquote und die steigenden Löhne zurückzuführen.

Tscheciebh
(c) Weltbank; IMF – WEO, Frühjahr 2019; IMF – IFS – (Werte 2019: Prognosen)

Die tschechische Wirtschaft wächst seit fünf Jahren ungebrochen. Die weitere Entwicklung hängt aber vor allem von der Auslandsnachfrage – allen voran Deutschland – ab. Von der Aussenwirtschaft Austria heißt es, dass die tschechischen Unternehmen bereits die ersten Rückgänge in den Auftragseingängen spüren. Dies könnte sich auch auf die Beschäftigung auswirken: Die Arbeitslosenrate soll auf rund 2,2 Prozent steigen. Im zweiten Quartal 2019 lag sie bei nur 1,9 Prozent.

Wirtschaftsbeziehungen zwischen Tschechien und Österreich

Der Aussenhandel zwischen Tschechien und Österreich ist auf einem neuen Rekordwert, nachdem 2018 eine Steigerung der österreichischen Exporte nach Tschechien von 5,5 Prozent und eine Steigerung der Importe aus Tschechien nach Österreich um 6,7 Prozent gebracht hatte.

Für Österreich ist Tschechien der führende Handelspartner (Exporte und Importe zusammen) im CEE-Raum. Global gesehen liegt Tschechien mit einem Anteil von 3,6 Prozent weltweit hinter Deutschland, USA, Italien, Schweiz, Frankreich und Ungarn auf dem 7. Platz beim Exportranking. Importseitig nimmt Tschechien mit einem Anteil von 4,2 Prozent nach Deutschland, Italien, China und USA den 5. Platz ein. Mehr zu diesem Thema gibt es im Wirtschaftsbericht Tschechien der Aussenwirtschaft Austria.

Tschechien Österreich handel
(c) Aussenwirtschaft Austria

Weltweiter Spitzenreiter bei Direktinvestitionen

Auch die österreichischen Direktinvestitionen in Tschechien florieren: In Bezug auf das Einkommen der österreichischen Direktinvestitionen (sowohl ausgeschüttete als auch reinvestierte Gewinne, sowie Nettozinserträge aus konzerninternen Finanzierungen) liegt Tschechien mit 1,6 Milliarden Euro weltweit an der Spitze – weit vor Deutschland (1,2 Milliarden Euro) und den Niederlanden (898 Mio. Euro).

Laut ÖNB beläuft sich der Bestand österreichischer Direktinvestitionen in Tschechien Ende 2018 auf 13,1 Milliarden Euro (Ende 2017: 12,4 Mrd. Euro). Das sind laut tschechischer Nationalbank (CNB) 10,3 Prozent aller ausländischen Direktinvestitionen in Tschechien.

Hohe Beschäftigung – wenig verfügbare Fachkräfte

Die niedrige Arbeitslosigkeit mag sich zwar positiv auf die Inlandsnachfrage auswirken – auf dem Jobmarkt stellt sie für die Unternehmen aber eine Belastung dar. Zur Jahresmitte waren beim tschechischen Arbeitsamt insgesamt 205.000 Arbeitssuchende registriert – dem standen mehr als 350.000 beim Arbeitsamt gemeldete offene Stellen gegenüber.

Am meisten werden Bau- und Montagearbeiter, Produktionsassistenten, Reinigungskräfte, LKW-Fahrer, Lagerarbeiter, Schweißer und Mitarbeiter im Gastgewerbe gesucht. Den Unternehmen fehlen allgemein erfahrene Fachkräfte, aber auch IT-Experten. Marktbeobachter gehen davon aus, dass Tschechien langfristig ausländische Arbeitskräfte brauchen wird, um den Bedarf an Personal zu bedienen. Die Regierung hat daher diverse Programme ausgearbeitet, welche die Beschäftigung von Menschen aus Drittstaaten fördern sollen.

Der durchschnittliche Bruttomonatslohn stieg im 2. Quartal um 7,2 Prozent auf ca. 1.320,- Euro (CZK 34.105,-), inflationsbereinigt war der Zuwachs 4,3 Prozent. Laut der Website PayScale kann ein Softwareentwickler in Tschechien mit einem durchschnittlichen Gehalt in Höhe von CZK 587.300 (knapp 23.000 Euro) rechnen.

(c) infoshare.pl

Laut einem auf der Website infoshare.pl veröffentlichten Bericht gibt in Tschechien circa 100.000 Developer, was Platz 4 im Ranking aller CEE-staaten entspricht – nach Polen, der Ukraine und Rumänien.

Etwa die Hälfte davon lebt in der Hauptstadt Prag, gefolgt von Brno und Ostrava.

(c) infoshare.pl

Chancen durch Digitalisierung

Auch wenn Tschechien schon jetzt mit einem Anteil der digitalen Wirtschaft von rund 8 Prozent am BIP zu den innovativsten Ländern in Mittel- und Osteuropa zählt, besteht laut einer McKinsey-Studie vergleichsweise viel Potenzial für den Einsatz neuer Technologien, heißt es im Länderprofil Tschechien der Aussenwirtschaft Austria: Wenn Tschechien die Digitalisierung vorantreibt, könne dies laut der McKinsey-Studie die Produktivität und damit das Wirtschaftswachstum bis zum Jahre 2025
um 26 Milliarden Euro pro Jahr steigern. Die tschechische digitale Wirtschaft könnte somit ihren Anteil am BIP bis 2025 von acht auf 16 Prozent verdoppeln.

Smart Factories und Smart Cities als Chance

Der Maschinen- und Anlagenbau ist in Tschechien eine stark verwurzelte Branche. Knapp 5000 Unternehmen beschäftige in diesem Bereich rund 128.000 Mitarbeiter, der Jahresumsatz liegt bei circa 14 Milliarden Euro. Aus dem bereits erwähnten Fachkräftemangel und den Chancen der Digitalisierung ergibt sich die logische Schlussfolgerung, dass Produkte rund um Industrie 4.0 und Smart Factory die Probleme der tschechischen Betriebe lösen können. Das birgt auch viel Potenzial für österreichische Anbieter.

Außerdem gibt es diverse Smart City-Initiativen in Tschechien – und zwar nicht nur in der Hauptstadt Prag, sondern auch in kleineren Städten. In der Stadt Kolin wurde für die 30.000 Einwohner zum Beispiel das Projekt „chytrá klíčenka“ (deutsch: intelligenter Schlüsselbund) ins Leben gerufen: Schulkinder können damit Türen in der Schule entsperren oder in der Schulkantine ihr Mittagessen bezahlen. Außerdem können Fahrkarten für den öffentlichen Verkehr auf den Chip geladen, sowie Eintrittskarten fürs Kino oder Schwimmbad bezahlt werden.

FinTechs in Tschechien: EU-Regeln als Chance

Laut dem  CEE FinTech Atlas 2018 der Raiffeisen Bank International werden FinTechs in Tschechien, so wie andere EU-Länder auch, von diversen Regeln der Europäischen Union beeinflusst – darunter etwa die EU-Zahlungsdiensterichtlinie PSD2. Hier wird im Report unter anderem erwähnt, dass die Banka Creditas mit „Richee“ die erste Multi-Banking-App Tschechiens veröffentlichte und Spendee das erste tschechische FinTech war, das in den Genuss einer PSD2-Lizenz kam. FinTechs in Tschechien nehmen auf Initiative der Regierung hin mit den Banken direkten Kontakt auf, um im Rahmen der PSD2 über Möglichkeiten des Open Banking und der offenen APIs zu sprechen.

Eine weitere Initiative Tschechiens ist das Projekt Sonia. Hier arbeiten Großbanken und der Staat zusammen, um die Nutzung eines gemeinsamen Portals zu fördern. Dies hilft vor allem aufkommenden FinTech-Unternehmen, ihre Dienste schneller in den Markt zu bringen.

In Tschechien gibt es dem Report zufolge 52 Inkubatoren und Acceleratoren – darunter Rockaway, Creative Dock und Startup Yard. Im vergangenen Jahr wurden 42,3 Millionen Euro in tschechische FinTechs investiert, Series B-Finanzierungen machten dabei mit 24,3 Millionen Euro den Löwenanteil aus.

Florierende Startup-Szene in Prag

Generell bekommt man den Eindruck, dass die Startup-Szene in Prag floriert – das zeigt sich durch zahlreiche Initiativen im dortigen Ökosystem. Erwähnenswert wäre hier etwa das Prague Startup Centre, das als Coworking- ebenso wie als Event-Space und als Inkubator fungiert. Auf Startup Grind wiederum werden zahlreiche Veranstaltungen rund um die dortige Startup-Szene gelistet – als Partner ist unter anderem die Initiative Google for Startups mit an Bord.

Der Seed Accelerator Startup Yard wiederum existiert seit 2011 und brüstet sich damit, dass die dortigen Startups bereits Funding in Höhe von 30,6 Millionen Euro eingesammelt haben. B Hub Prague wiederum ist in ein Incubator, der sich an Early- und Mid Stage Startups richtet.

Finanzierung von Startups in Tschechien

A propos Early Stage: Im Report “Seed the Future” von Stripe, techstars und tech.eu heißt es, dass 0,11 Prozent der europäischen Early Stage Finanzierungen auf Tschechien entfallen – damit liegt Österreichs nördliches Nachbarland knapp hinter Ungarn (0,15 Prozent).

Laut dem europäischen Marktbericht des European Business Angel Network von 2017 gibt es in Tschechien 201 Business Angels, die im Jahr 2017 insgesamt 42 Investments in Höhe von 6,1 Millionen Euro getätigt haben – was einem Plus von 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Das ist etwas weniger als in Bulgarien, wo im gleichen Zeitraum etwa sieben Millionen Euro investiert wurden.

Redaktionstipps
Deine ungelesenen Artikel:
04.04.2025

Michael Tojner: „Für Stärkung des Kapitalmarkts brauchen wir einen Investitionsfreibetrag“

Anlässlich des Business Case Challenge der explore!-Initiative an der Wirtschaftsuniversität Wien diskutierten Michael Tojner, gemeinsam mit Julia Reilinger (Geschäftsführerin von B&C Innovation Investments), Michael Kowatschew (Mitgründer von Heizma) und Hannah Wundsam (Co-Managing Director von AustrianStartups), welche Maßnahmen es braucht, um den Innovationsstandort in Österreich zu stärken.
/artikel/michael-tojner-kapitalmarkt-staerkung
04.04.2025

Michael Tojner: „Für Stärkung des Kapitalmarkts brauchen wir einen Investitionsfreibetrag“

Anlässlich des Business Case Challenge der explore!-Initiative an der Wirtschaftsuniversität Wien diskutierten Michael Tojner, gemeinsam mit Julia Reilinger (Geschäftsführerin von B&C Innovation Investments), Michael Kowatschew (Mitgründer von Heizma) und Hannah Wundsam (Co-Managing Director von AustrianStartups), welche Maßnahmen es braucht, um den Innovationsstandort in Österreich zu stärken.
/artikel/michael-tojner-kapitalmarkt-staerkung
Credit: Sabine Klimpt

Ein funktionierender Kapitalmarkt gilt als Schlüssel, um Startups zu finanzieren und somit Innovation und Wachstum zu fördern. Immer wieder kommen aus der Wirtschaft konkrete Vorschläge, wie man diesen zentralen Finanzierungshebel stärken könnte. So hat etwa TTTech-Auto-Gründer Georg Kopetz in einem brutkasten-Interview angeregt, eine europäische digitale Börse zu etablieren, um die bestehende Fragmentierung aufzuheben.

Nun wurde am Rande der Business Case Challenge der eXplore!-Initiative im Rahmen eines Pressegesprächs ein weiterer Vorschlag vom österreichischen Unternehmer und Investor Michael Tojner präsentiert.

Forderung nach Investitionsfreibetrag

Michael Tojner sieht in einem erweiterten Kapitalmarkt den zentralen Hebel, um Europas Innovationskraft voranzutreiben. Seine Forderung richtet sich an die Politik, zügig Anreize für Investitionen zu schaffen – etwa durch eine Verordnung des Finanzministers, die es Steuerzahler:innen ermöglicht, bei Kapitalüberführungen über die Wiener Börse bis zu 20.000 Euro abzuschreiben. „Damit wäre ein Turbo gezündet, der nicht viel kostet. Wir könnten ein Signal setzen und die Kapitalmärkte endlich in Bewegung bringen“, so Tojner.

Michael Kowatschew (Mitgründer von Heizma), Julia Reilinger (Geschäftsführerin von B&C Innovation Investments) Hannah Wundsam (Co-Managing Director von AustrianStartups) und Michael Tojner | Credit: Sabine Klimpt

Tojner betont, dass dieser Impuls gerade in Europa und speziell in Österreich genutzt werden müsse, um den oft fehlenden Kapitalmarkt zu beleben. Unter anderem verwies er darauf, dass in der internationalen Perspektive insbesondere die europäische Dimension und ein funktionierender Kapitalmarkt essenziell sind. Der Vorschlag, den er als „Initialzündung“ bezeichnet, könnte – in Kombination mit weiteren Maßnahmen – dafür sorgen, dass mehr privates Kapital in innovative Projekte investiert wird.

Einheitliche Rechtsform für Startups in Europa

Hannah Wundsam von AustrianStartups brachte hingegen die EU Inc. ins Spiel und betonte den dringenden Bedarf an einer einheitlichen Rechtsform für Startups und Scaleups. Sie unterstrich, dass es in einem europäischen Kontext unerlässlich sei, nicht nur nationale Lösungen zu finden, sondern den gesamten Binnenmarkt als eine Einheit zu betrachten. Dies würde nicht nur den Markteintritt innovativer Unternehmen erleichtern, sondern auch internationalen Investoren – etwa aus den USA – einen einheitlichen Rechtsrahmen bieten, ohne sich mit 27 unterschiedlichen nationalen Regelungen auseinandersetzen zu müssen.

„Das wäre ein riesiger Hebel – wir müssen europäisch denken, nicht nur österreichisch. Mit einer gemeinsamen Rechtsform können Startups grenzüberschreitend agieren, ohne sich mit 27 verschiedenen Regelungen auseinandersetzen zu müssen“, so Wundsam. Unter anderem verwies sie auf die Initiative EU Inc. rund um Mitinitiator Andreas Klinger, die sich dafür einsetzt, Investitionsprozesse zu standardisieren und grenzüberschreitende Operationen zu vereinfachen (brutkasten berichtete).

Von der Forschung in die Wirtschaft: IP muss bei den Unternehmen liegen

Julia Reilinger, Geschäftsführerin von B&C Innovation Investments, betonte die Notwendigkeit, den gesamten Unternehmenszyklus zu betrachten – von der Gründung über die Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen bis hin zur Wachstumsfinanzierung. „Es geht nicht nur darum, exzellente Forschung zu haben, sondern diese auch in marktfähige Unternehmen zu überführen“, Reilinger. Unter anderem verwies sie darauf, dass das Portfolio von B&C Innovation Unternehmen umfasst, die aus Forschungsprojekten an der WU und anderen Universitäten hervorgegangen sind.

Ein Beispiel dafür ist das Quantencomputer-Startup Parity QC rund um Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser, das als Spin-off von Universität Innsbruck und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gegründet wurde. Das Unternehmen konnte bereits in einer frühen Phase Kunden wie NEC für sich gewinnen und ist seit 2023 profitabel (brutkasten berichtete). Damit Investoren auch in Spin-offs investieren können, müssten die IP-Rechte bei den Unternehmen liegen – hier gebe es noch entsprechenden Aufholbedarf in der Standardisierung.

Es braucht mehr Planungssicherheit

Zudem wurde auch über das Thema Energie diskutiert, das zentral für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts sei. Heizma-Co-Founder Michael Kowatschew sprach sich einmal mehr für Planungssicherheit beim Ausbau der erneuerbaren Energien aus. Unter anderem betonte er, dass wir in Österreich „einen Plan und Stabilität“ benötigen, um die Energieverhältnisse nachhaltig zu verbessern.

Er kritisierte, dass „die Förderungen in den letzten Jahren fast jährlich geändert wurden“: Erst Anfang Jänner verfasste er gemeinsam mit seinen Co-Foundern einen offenen Brief an die neue Bundesregierung, in dem Klarheit in Bezug auf die Förderprogramme „Raus aus Öl und Gas“ sowie den Sanierungsbonus gefordert wurde.


Warum brutkasten die neue Serie „From Science to Business“ startet

Österreich investiert stark in Forschung – doch wie wird daraus marktfähige Innovation? Unsere neue multimediale Serie „From Science to Business“ zeigt, wie Unternehmen, Spin-offs, Corporates und Venture-Capital-Gesellschaften gemeinsam den Transfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft schaffen.

04.04.2025

Michael Tojner: „Für Stärkung des Kapitalmarkts brauchen wir einen Investitionsfreibetrag“

Anlässlich des Business Case Challenge der explore!-Initiative an der Wirtschaftsuniversität Wien diskutierten Michael Tojner, gemeinsam mit Julia Reilinger (Geschäftsführerin von B&C Innovation Investments), Michael Kowatschew (Mitgründer von Heizma) und Hannah Wundsam (Co-Managing Director von AustrianStartups), welche Maßnahmen es braucht, um den Innovationsstandort in Österreich zu stärken.
04.04.2025

Michael Tojner: „Für Stärkung des Kapitalmarkts brauchen wir einen Investitionsfreibetrag“

Anlässlich des Business Case Challenge der explore!-Initiative an der Wirtschaftsuniversität Wien diskutierten Michael Tojner, gemeinsam mit Julia Reilinger (Geschäftsführerin von B&C Innovation Investments), Michael Kowatschew (Mitgründer von Heizma) und Hannah Wundsam (Co-Managing Director von AustrianStartups), welche Maßnahmen es braucht, um den Innovationsstandort in Österreich zu stärken.
Credit: Sabine Klimpt

Ein funktionierender Kapitalmarkt gilt als Schlüssel, um Startups zu finanzieren und somit Innovation und Wachstum zu fördern. Immer wieder kommen aus der Wirtschaft konkrete Vorschläge, wie man diesen zentralen Finanzierungshebel stärken könnte. So hat etwa TTTech-Auto-Gründer Georg Kopetz in einem brutkasten-Interview angeregt, eine europäische digitale Börse zu etablieren, um die bestehende Fragmentierung aufzuheben.

Nun wurde am Rande der Business Case Challenge der eXplore!-Initiative im Rahmen eines Pressegesprächs ein weiterer Vorschlag vom österreichischen Unternehmer und Investor Michael Tojner präsentiert.

Forderung nach Investitionsfreibetrag

Michael Tojner sieht in einem erweiterten Kapitalmarkt den zentralen Hebel, um Europas Innovationskraft voranzutreiben. Seine Forderung richtet sich an die Politik, zügig Anreize für Investitionen zu schaffen – etwa durch eine Verordnung des Finanzministers, die es Steuerzahler:innen ermöglicht, bei Kapitalüberführungen über die Wiener Börse bis zu 20.000 Euro abzuschreiben. „Damit wäre ein Turbo gezündet, der nicht viel kostet. Wir könnten ein Signal setzen und die Kapitalmärkte endlich in Bewegung bringen“, so Tojner.

Michael Kowatschew (Mitgründer von Heizma), Julia Reilinger (Geschäftsführerin von B&C Innovation Investments) Hannah Wundsam (Co-Managing Director von AustrianStartups) und Michael Tojner | Credit: Sabine Klimpt

Tojner betont, dass dieser Impuls gerade in Europa und speziell in Österreich genutzt werden müsse, um den oft fehlenden Kapitalmarkt zu beleben. Unter anderem verwies er darauf, dass in der internationalen Perspektive insbesondere die europäische Dimension und ein funktionierender Kapitalmarkt essenziell sind. Der Vorschlag, den er als „Initialzündung“ bezeichnet, könnte – in Kombination mit weiteren Maßnahmen – dafür sorgen, dass mehr privates Kapital in innovative Projekte investiert wird.

Einheitliche Rechtsform für Startups in Europa

Hannah Wundsam von AustrianStartups brachte hingegen die EU Inc. ins Spiel und betonte den dringenden Bedarf an einer einheitlichen Rechtsform für Startups und Scaleups. Sie unterstrich, dass es in einem europäischen Kontext unerlässlich sei, nicht nur nationale Lösungen zu finden, sondern den gesamten Binnenmarkt als eine Einheit zu betrachten. Dies würde nicht nur den Markteintritt innovativer Unternehmen erleichtern, sondern auch internationalen Investoren – etwa aus den USA – einen einheitlichen Rechtsrahmen bieten, ohne sich mit 27 unterschiedlichen nationalen Regelungen auseinandersetzen zu müssen.

„Das wäre ein riesiger Hebel – wir müssen europäisch denken, nicht nur österreichisch. Mit einer gemeinsamen Rechtsform können Startups grenzüberschreitend agieren, ohne sich mit 27 verschiedenen Regelungen auseinandersetzen zu müssen“, so Wundsam. Unter anderem verwies sie auf die Initiative EU Inc. rund um Mitinitiator Andreas Klinger, die sich dafür einsetzt, Investitionsprozesse zu standardisieren und grenzüberschreitende Operationen zu vereinfachen (brutkasten berichtete).

Von der Forschung in die Wirtschaft: IP muss bei den Unternehmen liegen

Julia Reilinger, Geschäftsführerin von B&C Innovation Investments, betonte die Notwendigkeit, den gesamten Unternehmenszyklus zu betrachten – von der Gründung über die Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen bis hin zur Wachstumsfinanzierung. „Es geht nicht nur darum, exzellente Forschung zu haben, sondern diese auch in marktfähige Unternehmen zu überführen“, Reilinger. Unter anderem verwies sie darauf, dass das Portfolio von B&C Innovation Unternehmen umfasst, die aus Forschungsprojekten an der WU und anderen Universitäten hervorgegangen sind.

Ein Beispiel dafür ist das Quantencomputer-Startup Parity QC rund um Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser, das als Spin-off von Universität Innsbruck und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gegründet wurde. Das Unternehmen konnte bereits in einer frühen Phase Kunden wie NEC für sich gewinnen und ist seit 2023 profitabel (brutkasten berichtete). Damit Investoren auch in Spin-offs investieren können, müssten die IP-Rechte bei den Unternehmen liegen – hier gebe es noch entsprechenden Aufholbedarf in der Standardisierung.

Es braucht mehr Planungssicherheit

Zudem wurde auch über das Thema Energie diskutiert, das zentral für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts sei. Heizma-Co-Founder Michael Kowatschew sprach sich einmal mehr für Planungssicherheit beim Ausbau der erneuerbaren Energien aus. Unter anderem betonte er, dass wir in Österreich „einen Plan und Stabilität“ benötigen, um die Energieverhältnisse nachhaltig zu verbessern.

Er kritisierte, dass „die Förderungen in den letzten Jahren fast jährlich geändert wurden“: Erst Anfang Jänner verfasste er gemeinsam mit seinen Co-Foundern einen offenen Brief an die neue Bundesregierung, in dem Klarheit in Bezug auf die Förderprogramme „Raus aus Öl und Gas“ sowie den Sanierungsbonus gefordert wurde.


Warum brutkasten die neue Serie „From Science to Business“ startet

Österreich investiert stark in Forschung – doch wie wird daraus marktfähige Innovation? Unsere neue multimediale Serie „From Science to Business“ zeigt, wie Unternehmen, Spin-offs, Corporates und Venture-Capital-Gesellschaften gemeinsam den Transfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft schaffen.

Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag