25.02.2021

Visplore: 1 Mio. Euro Investment für Wiener Datenanalyse-Startup

btov Partners‘ Industrial Technologies Fonds investiert in das erst im Juni 2020 gegründete Startup, das mit seiner grafischen Analyse-Software auf produzierende Industrie und Energiewirtschaft spezialisiert ist.
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Visplore: Die Gründer Harald Piringer und Thomas Mühlbacher
(c) Visplore: Die Gründer Harald Piringer und Thomas Mühlbacher

Man mache aus Ingenieuren Data Scientists – das ist der Claim des Wiener Startups Visplore. “Viele Unternehmen denken beim Thema Digitalisierung vor allem an Künstliche Intelligenz. Dabei wird oft stark unterschätzt, welches Potential sich erschließt, wenn die Experten und Technologen jenes Wissen hätten, das in den bereits gesammelten Daten enthalten ist. Allerdings wird das für nicht-Data Scientists mit gewohnten Tools wie Excel zunehmend schwieriger bzw. aufgrund der Größe der Daten unmöglich”, erklärt Harald Piringer, Gründer und CEO von Visplore.

Visplore: Datenanalyse mit Fokus auf Industrie und Energiewirtschaft

Daher sei es das Ziel des Startups, eine “explorative Analyse” zu ermöglichen. “Das bedeutet, in den Daten einfach und intuitiv auf Entdeckungsreise zu gehen, um unbekannte Muster und Zusammenhänge zu erkennen. Das eröffnet einen völlig neuen Zugang zum eigenen Datenschatz und inspiriert neue Lösungswege sowie Verbesserungen. Und auch Data Scientists lernen durch Visplore ihre Daten rascher und tiefer kennen, was letztlich zu besseren KI-Modellen führt”, so Piringer.

Nun holte sich das Spin-Off aus dem Wiener Forschungszentrum VRVis, das erst im Juni 2020 gegründet wurde, ein Seed-Investment über eine Million Euro. Das gesamte Kapital kommt dabei von btov Partners‘ Industrial Technologies Fonds. Visplore ist auf Kunden aus der produzierenden Industrie und der Energiewirtschaft fokussiert. Unter diesen sind etwa Verbund, Mondi und RHI Magnesita, aber etwa auch das AIT.

“Visplore ermöglicht es Fachexperten wie etwa Prozessingenieuren ohne oder mit nur sehr beschränkten Programmierkenntnissen, sogenannten Citizen Data Scientists, schnell und interaktiv Erkenntnisse aus großen Mengen von z.B. Sensordaten zu gewinnen. Dies ist besonders relevant, da gerade diese Personengruppe über besondere Prozesskenntnisse in einem Betrieb verfügt. Visplore konnte bereits in den ersten Monaten nach der Gründung einige renommierte Kunden gewinnen und hat aus unserer Sicht gute Chancen ein führender Player im Bereich der hoch performanten Industrial Visual Analytics Software zu werden”, kommentiert Benedikt Kronberger, der bei btov Partners die Investition begleitete.

Expansion auch mit Freemium-Version

Mit dem Kapital wolle man das Team in den Bereichen Vertrieb, Marketing und Entwicklung ausbauen, um den Wachstumskurs weiter zu beschleunigen, heißt es vom Startup. Entwicklungsseitig stelle die Anbindung weiterer Datenquellen und Plattformen einen Schwerpunkt dar, auch wenn man bereits jetzt mit diversen Datenbanken und Plattformen wie etwa Python, Matlab und R integriert sei. Langfristiges Ziel sei es, Visplore als Standardwerkzeug für intuitive Datenanalyse im Ingenieursbereich weltweit zu etablieren, meinen die Gründer.

Um den Kreis der Kunden deutlich zu verbreitern – etwa auf KMU und Forschungseinrichtungen, stellte Visplore zuletzt auch auf ein Freemium-Modell um. “Wie leichtgewichtig komplexe Analysen plötzlich werden, versteht man am besten, wenn man es selbst ausprobiert”, meint dazu Thomas Mühlbacher, CTO und Co-Founder. Der kostenlosen Version liegt unter anderem ein Datenbeispiel bei, mit dem Benutzer die Entwicklung der täglichen Fallzahlen von Covid-19 für alle Länder der Welt selbst analysieren und die Geschichte der Pandemie dadurch besser verstehen können.

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Nachlese. Wo steht die österreichische Wirtschaft bei künstlicher Intelligenz zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT? Dies diskutieren Doris Lippert von Microsoft und Thomas Steirer von Nagarro in der ersten Folge der neuen brutkasten-Serie "No Hype KI".
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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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