07.06.2018

STRG.at will Medien zeigen, was ihre User wirklich interessiert

Mit semantischen Analyse-Methoden auf Basis von Wahrscheinlichkeitsrechnung und Verhaltensökonomie will das Wiener Unternehmen STRG.at Medienunternehmen von der Content-Ausspielung über die klassischen "Recommendations" abbringen. Für den Kunden SN.at habe man die Durchklick-Rate zuletzt um den Faktor fünf gesteigert.
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User-Interessen
(c) Bernhard Madlener: Jürgen Schmidt, Geschäftsführer von STRG.at, weiß: Wer sich über SUV informiert, muss sich nicht für Autos interessieren - sondern träumt vielleicht von der autofreien Stadt

Wenn User sich mit einem Artikel auf einer Website beschäftigen, “liest” diese Seite – besser: die im Hintergrund laufende Software – mit. Und schlägt weitere Artikel vor, die User-Interessen erregen könnten. Amazon hat dieses System, beginnend mit Büchern, für mittlerweile fast jedes erdenkliche Produkt von der Augenbrauenpinzette bis zum Zementsack perfektioniert. Aber natürlich funktionieren gerade auch Nachrichtenseiten auf diese Weise: Wer sich für einen Bericht über den Porsche Macan interessiert, der möchte wahrscheinlich auch weitere Artikel über SUV bzw. “fetzige Schlitten”, sehen.

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Kategorien statt Keywords

Das ist aber in vielen Fällen nicht richtig, wie Jürgen Schmidt, CEO des Wiener Unternehmens STRG.at, feststellt. Es könnte nämlich genauso gut sein, dass der oder die LeserIn sich im Rahmen eines Engagements für eine autofreie Stadt über den besonders hohen Kraftstoffverbrauch der SUV informiert. Werden in diesem Fall die “üblichen” Empfehlungsartikel ausgespielt, verfehlt man die User-Interessen und der Nutzer ist weg – vielleicht sogar für immer verloren.

Mit STRG.at, das Schmidt mit zwei Kollegen gegründet hat, widmet er sich dieser Herausforderung schon seit 2004. Medieninhalte und das User-Verhalten werden mittels semantischer Content-Analyse untersucht, um die wirklichen Interessen der NutzerInnen zu erkennen. Anstatt Artikel zu empfehlen, die dieselben oder ähnliche Keywords wie bereits gelesene Storys enthalten, lautet die Überlegung, dass die wirklichen User-Interessen erst durch Überbegriffe festgestellt werden können.

Sprich: Wer als Publizist den besagten Auto-Artikel nicht über Keywords wie SUV, Porsche oder Geländewagen definiert, sondern übergeordneten Kategorien wie z.B. Mobilität und Stadtentwicklung zuweist, kann damit einerseits den SUV-Fan und andererseits den Kritiker einer zu stark wachsenden Motorisierung identifizieren. Entsprechend werden neue Artikel weniger monothematisch ausgespielt und es steigt die Chance, dass die User für sie relevante Inhalte präsentiert bekommen. Es gehe in diesem Sinn nicht mehr um “Recommendations” à la Amazon, wo auf Basis des betrachteten Inhalts Ähnliches vorgeschlagen wird, sondern um die Personalisierung von Usern hinsichtlich tatsächlicher Informationsbedürfnisse.

Auto sticht Politik

Seit einem halben Jahr ist das System von STRG.at, das sich auch auf den “Tensorflow” stützt – eine Open-Source-Plattform für künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen aus dem Hause Google -, bei den “Salzburger Nachrichten” bzw. bei SN.at im Einsatz. Relativ rasch habe man erkannt, dass der Erfolg z.B. von politischen Geschichten stark von bestimmten Umständen abhängt. Am Tag der letzten Nationalratswahl, wo generell mehr über Innenpolitik berichtet wird, gebe es im Ressort zwar eine sehr hohe Click-Dichte, jedoch ohne nennenswerte Verweildauer. Die Artikel werden laufend neu geladen, um keine Aktualisierung zu verpassen. Zwischenzeitlich beschäftigen sich die User aber mit anderen Stories – in diesem konkreten Fall etwa v.a. mit “Content über Autos in Zusammenhang mit Oldtimern und Wirtschaft”.

Daraus könnte man als Medienunternehmen freilich (mindestens) zwei Schlüsse ziehen: Mehr niederschwellige, unpolitische Geschichten zu bringen, mit denen auch die Werbeklicks gesteigert werden – oder neue Präsentations- bzw. Darstellungsformen für die politischen Inhalte finden.

Wahrscheinlichkeitsrechnung und Verhaltensökonomie

Schmidts persönlicher Anspruch lautet, mit STRG.at “die Qualität von Medien über die Relevanz ihrer Geschichten für den User zu steuern” – und definitiv auch zu erhöhen. Im Hintergrund dienen dazu Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung und der Verhaltensökonomie, deren Weiterentwicklung derzeit mit Förderungen der Wirtschaftsagentur Wien und der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft von insgesamt rund 800.000 Euro unterstützt wird.

Wichtig sei – und das nicht erst mit der Datenschutz-Grundverordnung -, dass User-Daten nicht von STRG.at, sondern direkt vom Erhalter des Nachrichtenportals erhoben werden. In erster Linie werden dabei Cookies ausgewertet, weiters komme ein “Behaviour matching” zum Einsatz. Damit ist mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit erkennbar, wenn es sich bei zwei (oder auch mehr) Usern um ein und dieselbe Person handelt. Wenn also z.B. von daheim und im Büro jeweils am Desktop-Rechner sowie zwischenzeitlich am Smartphone dieselbe Seite angesteuert wird und überall das gleiche Nutzerverhalten zutage tritt. Die User zum Anlegen eines Accounts zu drängen – und damit Hürden aufzubauen – sei jedenfalls nicht notwendig, um ein solcherart zielgerichtetes Tracking zu verwirklichen.

Stolze Ergebnisse beim Erkennen von User-Interessen

Was den Nutzen seiner Dienstleistung betrifft, weist Schmidt stolz auf die jüngsten Entwicklungen bei SN.at hin: Innerhalb eines halben Jahres habe man dort mit Hilfe von STRG.at die durchschnittliche Verweildauer der LeserInnen verdoppelt und die Durchklick-Rate auf weiterführenden Content verfünffacht. Werte, für die man seine Werbekunden durchaus interessieren kann.

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10 Jahre Fuckup Nights - Dejan Stojanovic vor der
Dejan Stojanovic vor der "Wall of Champions" | (c) wolf&woodpecker

“Werden Menschen wirklich freiwillig über ihre größten Misserfolge sprechen? Und noch wichtiger: Werden andere zuhören wollen?” – die Fragen habe er sich gestellt, bevor er vor zehn Jahren in Österreich mit dem Format Fuckup Nights startete, sagt Dejan Stojanovic. Zum Jubiläum ist klar: Ja, es funktioniert. Schon eine ganze Dekade.

64 Fuckup Nights seit 2014

“Die letzten zehn Jahre haben mir gezeigt, dass echte Veränderung dort beginnt, wo wir uns trauen, unsere Fehler anzunehmen und darüber zu sprechen – egal ob als Einzelperson, in einem Team oder in einer Organisation”, sagt der Fuckup-Nights-Initiator. “Es war erstaunlich zu sehen, wie das Teilen von Misserfolgen Brücken zwischen Menschen baut und eine Gemeinschaft schafft, die auf Vertrauen basiert.”

(c) wolf&woodpecker

64 Fuckup Nights hat es seit dem Start gegeben. “Über 360 mutige Menschen, die ihre tiefsten Fehler und größten Erkenntnisse mit uns geteilt haben. Mehr als 25.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die bereit waren, zuzuhören, zu lernen, zu lachen – und manchmal auch ein bisschen zu weinen”, resümiert Stojanovic.

“Was mich wirklich erfüllt, ist nicht in Zahlen zu fassen”

Doch diese Zahlen seien nicht alles. “Was mich wirklich erfüllt, ist nicht in Zahlen zu fassen”, meint der Fuckup-Nights-Initiator. “Es ist das Gefühl, wenn jemand nach einer Fuckup Night auf mich zukommt und sagt: ‘Danke. Diese Geschichte hat mich inspiriert, es noch einmal zu versuchen.’ Es ist das Lächeln der Speaker, die die Bühne verlassen und zum ersten Mal merken, dass ihre größten Fehler vielleicht ihr größtes Geschenk waren. Es ist die unbändige Energie, die in einem Raum spürbar wird, wenn Menschen erkennen, dass sie mit ihren Ängsten und ihrem Scheitern nicht allein sind.”

Denn das Scheitern sei ein unverzichtbarer Bestandteil von Wachstum und Innovation. “Viele unserer Speaker:innen haben das bestätigt, indem sie erzählt haben, wie ihre größten Rückschläge letztlich zu ihren größten Erfolgen geführt haben. Diese Erkenntnis, dass Fehler ein Sprungbrett und keine Sackgasse sind, treibt mich heute mehr an, als je zuvor”, so der Initiator.

Zu viele Highlights

Und was waren seine größten Highlights in der Zeit? “Es gab unzählige bewegende Momente, sodass es schwerfällt, einzelne auszuwählen, ohne den vielen großartigen Speaker:innen nicht gerecht zu werden. Was ich jedoch über die Jahre deutlich gemerkt habe: Die Auswahl der Speaker hat immer mehr an Tiefe gewonnen, und meine Speaker-Coachings sind heute persönlicher, noch authentischer und intensiver”, so Stojanovic. Ein bewegender Moment sei es gewesen, die “Wall der Champions”, eine Fotowand mit über 180 Speaker:innen der Fuckup Nights, aufzustellen.

10 Jahre Fuckup Nights
(c) wolf&woodpecker

Herausforderungen auf für Stojanovic und Fuckup-Nights-Team

Herausforderungen zu bewältigen hatten übrigens nicht nur die Auftretenden, sondern auch Stojanovic und sein Team selbst, wie er erzählt: “Die letzten zehn Jahre haben uns auch auf die Probe gestellt. Es gab schwierige Momente, in denen wir gegen unfaire Attacken ankämpfen mussten – Angriffe von außen, die uns auf die Probe gestellt haben, und Enttäuschungen von Menschen, die wir einst Partner nannten.” Manchmal habe es sich angefühlt, als würde man “gegen ignorante Windmühlen kämpfen”.

Letztlich sei das Wichtigste: “All das funktioniert nur, wenn man mit Integrität handelt und konsequent seiner Mission treu bleibt – auch wenn es schwierig wird. Die Herausforderungen, denen ich begegnet bin, haben mir gezeigt, dass es sich lohnt, für das einzustehen, woran man glaubt.”

Pläne für die kommenden 10 Jahre

Auch für die nächsten zehn Jahre hat Stojanovic Pläne. “Die nächsten Jahre werden mutiger, größer und – hoffentlich – noch wirkungsvoller”, meint er. “Ich möchte und werde eine Welt mitgestalten, in der Scheitern als notwendiger Teil des Wachstums angesehen wird, nicht als etwas, das vermieden werden muss”, so der Fuckup Nights-Initiator. Die Mission bleibe dieselbe: “Scheitern enttabuisieren, Lernen zelebrieren und gemeinsam wachsen”.

Zu diesem Ziel soll es neue Formate geben, man wolle ein engagiertes Team aufbauen und man wolle noch stärker in Unternehmen und Organisationen “eine echte Kultur des Lernens und Wachsens verankern”. Der “Anker” soll dabei das Failure Institute als “zentrale Plattform für Austausch, Weiterbildung und Forschung” bleiben. “Langfristig möchte ich auch ein starkes Team hinter den Fuckup Nights aufbauen und ein Advisory Board aus Vordenker:innen und Innovator:innen etablieren, die uns dabei helfen, unsere Vision strategisch zu verwirklichen.”, so Stojanovic, “Für mich ist klar: Wir stehen erst am Anfang.”

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