17.07.2023

Startup-Umfrage: “Make pitch desks for stupid people” und höre das “Nein”

Sascha Ungar war selbst Teil der Startup-Szene und erkannte Muster, die (Tech-)Startups durchlaufen. Dabei auch die gleichen Fehler machen. Deshalb widmete er sich ein halbes Jahr lang seiner Studie, die die Hürden und Prioritäten der Founder:innen aufzeigt.
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(c) Gradient Solutions - Sascha Ungar von Gradient Solutions.

Sascha Ungar, CEO von Gradient Solutions, hat das letzte halbe Jahr über damit verbracht, sich Tech- und Deep-Tech-Startups im DACH-Raum anzusehen. Und zu eruieren, welchen Trends, Best Practices und welchen “Challenges” die insgesamt 31 Teilnehmenden (13 Pre-seed, 16 Seed, zwei Series A) unterliegen. Dabei stammten 29 Startups aus Österreich, eines aus Deutschland und eines aus England.

“Wir waren davon überzeugt, dass Tech-Startups in der Frühphase recht ähnliche Probleme haben. Das wollten wir validieren”, sagt Ungar zu den Gründen seiner Untersuchung “Wir dachten uns, von diesen Erkenntnissen können alle profitieren. Nach dem Motto ‘Wir gewinnen gemeinsam als Startups. Wir verlieren gemeinsam als Startups’. Es muss nicht jeder alle Fehler machen. Man kann voneinander lernen und einander unterstützen. Ich war selbst lange in der Startup-Szene unterwegs und wollte etwas an die Community zurückgeben.”

Die Ergebnisse des Startup-Reports: Mangel an Kapital “nur” für 18 Prozent Problem

Eine allgemeine Erkenntnis des Reports ist, dass Startups ähnliche Muster in diversen Phasen ihres Bestehens durchlaufen, wie Ungar herausfand: Kapitalgenerierung, Teamaufbau und Kunde:innengewinnung.

Rund 18 Prozent der Befragten betrachten, der Studie nach, den Mangel an Kapital als ihr größtes Problem, während 65 Prozent beteuern, ihre Top-Priorität sei die Kund:innen-Akquise.

Dem folgend beschreiben 29 Prozent ihr 2023er-Ziel mit “mehr revenue” zu generieren”, gefolgt von 26 Prozent, die ihr Produkt bzw. ihre Idee validieren wollen. Drei Prozent streben an, die nächste Finanzierungsrunde zu “closen”.

Firmenstruktur und Team

Befragt man die Teilnehmenden nach ihrer höchsten Priorität, so möchten 13 Prozent ihre interne Infrastruktur verbessern, mit dem Ziel zu skalieren. 6,5 Prozent suchen ein starkes “Performance-Team”.

Ungar hat bei seiner halbjährigen-Untersuchung zudem herausgefunden, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren Startups daran hindert, ihre Vorhaben zu erreichen.: “Fehlende Validierung (21 Prozent), Finanzierung (18 Prozent) und lange Entwicklungszyklen sind die wichtigsten Faktoren, die Startups von ihren Zielen abhalten”, so Unger. “Gerade in der Frühphase ist vieles so unglaublich ungewiss. Von den Startups, die geantwortet haben, sind einige schon nicht mehr da.”

Startup-Beteiligte: Spaß an der Arbeit?

Bemerkenswert ist zudem, dass der Grad der Frustration bei allen Startups meist als niedrig oder mittel eingestuft wird: “Wir glauben, dass Startups Spaß an der Arbeit an ihren Problemen haben und angesichts von Herausforderungen und Rückschlägen widerstandsfähig sind”, so Unger. Allerdings ist festzuhalten, dass Pre-Seed-Startups frustrierter als Seed-Startups sind. “Dies könnte daran liegen, dass Seed-Startups bereits mehr Zeit hatten, um zu lernen, wie sie mit ihren Rückschlägen und Herausforderungen umgehen können.”

Zwischen den Zahlen

Abseits der quantitativen Daten sind es zwei weitere Meldungen, die dem Gradient Solutions-CEO in Erinnerung geblieben sind. Und die wohl auf ein grundlegendes Problem der heimischen Startup-Szene hindeuten.

Die Antwort eines Gründers auf die Frage nach dem wohl größten Problem, dem er sich gegenübersieht, war: “Make pitch desks for stupid people“.

Hier ist es der Frust, der bei dieser Aussage durchscheint, da diesem Founder nach, junge Menschen sein Produkt verstehen und sie Gefallen daran finden, aber ältere Menschen, die in staatlichen Förderstellen sitzen – und für die Vergabe von Förderungen zuständig sind – einfach ihr Produkt nicht verstehen. Deshalb dieser etwas unkonventionelle und zynische Ratschlag einer Komplexreduzierung des Pitch-Desks.

Nein

Die andere Aussage, die sich bei dieser Untersuchung abhebt, eröffnet indes eine Ebene, die wohl viele Startup-Gründer:innen gerne verleugnen oder sich nie darin entdecken können bzw. wollen: “Failing”. Im Vorfeld der Aussage wurde konkret nach den short-term-Konsequenzen gefragt, wenn man Probleme “ungelöst” belässt. Ein Gründer meinte zwar scherzhaft, aber richtungsweisend: “Failing would mean that I am free from the huge challenge”.

“Ich glaube,”, so Ungar abschließend, “das ist relativ selbsterklärend. Es ist vermutlich ein ‘Struggle’, den viele Startups haben. Einerseits wollen sie es unbedingt schaffen, andererseits funktioniert es nicht so, wie es soll. Und dann hängt man irgendwo dazwischen und weiß nicht, ob die Idee funktioniert oder nicht. Hier auch mal ein klares Nein zu haben, hätte vermutlich dem Teilnehmer geholfen, einfach die Idee ad acta zu legen. Und mit etwas anderem weiterzumachen.”

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Plasmateria, Angels United
(c) Plasmateria - Bernhard Kohlhauser und Martin Jaros von Plasmateria.

Die Investmentgruppe Angels United von Karl Büche, Markus Ertler, Niki Futter, Hermann Futter und Michael Edtmayer hat einen mittleren sechsstelligen Euro-Betrag in das Wiener Startup Plasmateria investiert. Das Investment der Business Angels wird von aws Start-up Invest gehebelt.

Plasmateria: Alternative für bisherige Verfahren

Plasmateria wurde von Bernhard Kohlhauser und Martin Jaros gegründet und hat etwas geschafft, was man in der Branche nicht für möglich gehalten hat. Das Startup fokussiert auf eine Entwicklung innerhalb der PVD (Physical Vapor Deposition)-Technologie. Finanziert mit Unterstützung von aws Preseed sowie aws Seedfinancing konnten die Founder beweisen, dass auch Bauteil-Innenflächen bis zu einem Durchmesser von nur vier Millimetern mit PVD beschichtet werden können.

Konkret entwickelt Plasmateria neuartige Beschichtungstechnologien für Innenflächen als eine umweltfreundliche Alternative zu bisherigen Verfahren, welche größtenteils durch das Verbot von hexavalentem Chrom durch die EU betroffen sind.

Die Oberflächentechnologie der Wiener biete dementsprechend nicht nur eine grüne Alternative zur galvanischen Verchromung von Innenflächen, sondern könne auch die Lebensdauer von Bauteilen durch moderne keramische Beschichtungen verbessern. Klassische Verchromungsprozesse sind umweltgefährdend und dürfen in der EU nur mit Ausnahmegenehmigungen weiter eingesetzt werden. Plasmateria setzt daher auf ihr Plasma-basiertes PVD-Verfahren, das in der Lage ist, vergleichbare Chrombeschichtungen gänzlich ohne die Verwendung von problematischen Chemikalien abzuscheiden, wie es heißt.

“Game Changer”

“Plasmateria ist ein echter Game-Changer in der Beschichtungsindustrie”, sagt Karl Büche, der bei diesem Investment den Lead der Angels United innehat. “In den letzten Jahrzehnten war hier technologischer Stillstand. Es gab weder grundlegende Innovation bei den Verfahren noch merkliche Bewegungen bei den Anbietern und in der gesamten Struktur dieser Industrie. Das Gründerteam besteht aus ausgewiesenen Experten, die viel Erfahrung in der Industrie gesammelt haben und motiviert sind, ihr Wissen für eine nachhaltigere Zukunft einzusetzen. Das Timing von Plasmateria ist, nicht zuletzt durch das EU-Verbot bestehender Verfahren, hervorragend.”

Plasmateria
(c) patrickmuennich.com – (vl.l.n.r.) Karl Büche, Business Angel & Co-Founder Angels United, Hermann Futter, Geschäftsführer Compass Gruppe & Co-Founder Angels United, Niki Futter, Business Angel & Co-Founder Angels United, Markus Ertler, Business Angel & Co-Founder Angels United, Michael Edtymayer, Geschäftsführer und Co-Founder Angels United und Alexandra Ruzsa, Geschäftsführende Gesellschafterin der Compass Gruppe.

Die Beschichtungstechnologien von Plasmateria zielen, wie betont wird, nicht darauf ab, Marktteilnehmer zu verdrängen, sondern neue Anwendungsgebiete zu eröffnen. Besonders spannend sei vor allem der Einsatz der IDC-Technologie im Bereich der wasserstoffbasierten Energie- und Mobilitätslösungen. Hier könnten keramische Beschichtungen dazu beitragen, Leitungen und andere Innenflächen mit Diffusionsbarrieren zu versiegeln, um Materialversprödung und den Verlust von Wasserstoff zu minimieren.

Zu den potenziellen Anwendungsbereichen der neuen Beschichtungsverfahren gehören unter anderem Formwerkzeuge, Extruder, Stoßdämpfer, Aktuatoren, Gleit- oder Wälzlager und Wärmetauscher. Durch den Einsatz der IDC-Technologie können auch Bauteile beschichtet werden, die bislang nicht für solche Verfahren geeignet waren.

Plasmateria mit dreiphasigem Markteintritt

Das Startup plant seinen gestaffelten Markteintritt in drei Phasen. In der ersten Phase wird eine umweltfreundliche Alternative zur Chrombeschichtung angeboten, die bis hinunter auf fünf Millimeter Innendurchmesser angewendet werden kann. In weiteren Schritten sollen keramische Beschichtungen sowie spezielle Lösungen wie Wasserstoffdiffusions-Barrieren und Schichten für größere Bauteile folgen.

“Mit Angels United holen wir uns ein Team aus erfahrenen Unternehmern mit exzellentem Netzwerk und viel Erfahrung beim Company Building ins Boot”, sagt Co-Founder Kohlhauser. “Zusammen werden wir mit Plasmateria ein Unternehmen bauen, welches für frischen Wind in der Beschichtungsindustrie sorgen wird. Wir haben ehrgeizige Pläne für nachhaltige Oberflächentechniken – auch über die Innenbeschichtungen hinaus.”

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