21.06.2021

Wie sich heimische SpaceTechs am Markt finanzieren & warum es mehr als nur Geld braucht

Wie ist Österreich als SpaceTech-Standort aufgestellt und welche Herausforderungen haben heimische SpaceTechs bei der Finanzierung zu meistern? Antworten darauf liefern Frank Salzgeber (ESA Head of Innovation) und Martin Mössler (Managing Director des Science Park Graz & ESA BIC Austria).
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ESA BIC
Martin Mössler, Managing Director Science Park Graz sowie General Manager ESA BIC Austria und Frank Salzgeber, Head of Innovation and Ventures Office, European Space Agency | (c) Christian Jungwirth

Das ESA Business Incubation Centre in Österreich (ESA BIC Austria) hilft Unternehmensgründern aus Forschungszentren, Universitäten und dem Weltraum- und Nicht-Weltraumsektor, ihre innovativen Ideen zu verwirklichen und Technologien, wie Navigation, Telekommunikation, Satellitendaten, aus dem Weltraum in andere Bereiche der Wirtschaft zu transferieren.

Das 2016 ins Leben gerufene ESA BIC Austria wird vom Science Park Graz in enger Partnerschaft mit accent Wiener Neustadt geleitet und koordiniert. Im Doppelinterview sprechen Frank Salzgeber und Martin Mössler über die Zusammenarbeit und warum SpaceTechs in der Regel mehr benötigen als nur Kapital.


Welche Unterstützung bietet der Science Park für SpaceTech-Startups und wie erfolgt die Zusammenarbeit mit der ESA?

Martin Mössler: Die Kooperation mit der ESA bildet die Basis dafür, dass wir mit dieser Intensität österreichische aber auch südosteuropäische SpaceTech-Startups unterstützen können. Über das ESA Space Solution Center, das am Science Park angesiedelt ist, bieten wir Mentoring, Coaching und technischen Support an. Zudem vernetzen wir die SpaceTechs mit Investoren und unterstützen die Gründung von neuen Startups mit einem Cash-Infusion-Paket in der Höhe von 50.000 Euro.

Neben der ESA arbeiten wir eng mit lokalen Partnern, wie beispielsweise der TU-Graz, zusammen. Darüber hinaus sind wir eingebettet in ein Netzwerk von 20 ESA Business Incubation Centers (BICs) in ganz Europa, was für die Vernetzung ein starker Hebel ist. Zudem ist es uns wichtig, dass wir die SpaceTechs mit den mehr als 50 Hochtechnologie-Startups vernetzen, die ebenfalls am Science Park Graz angesiedelt sind. Ein weitere Inkubation-Leistung ist die Vernetzung mit Industrie und Wirtschaft. Hier schaffen wir aktiv Zugänge, da sich Startups durch erfolgreiche Kooperationen in der Unternehmensentwicklung oftmals Monate oder Jahre sparen.

Frank Salzgeber: Als ESA versuchen wir eng mit lokalen Partnern zusammenzuarbeiten. In der Vergangenheit haben wir gelernt, dass wir weit mehr als ein reines Funding-Programm anbieten müssen. Entrepreneurship ist nämlich kein Sprint oder Marathon, sondern ein Zehnkampf. Gründer müssen “5000 Sachen” zugleich machen und dementsprechend braucht es für SpaceTechs Partnern, die nicht nur ein reines Consulting verkaufen, sondern allumfassend unterstützen. Der Science Park Graz ist mit Martin Mössler unser zentraler Ansprechpartner für Startups und im internationalen Vergleich sehr gut aufgestellt. 

Nur wenn wir “kleine Pflanzen züchten”, werden wir auch später etwas haben, wo Investoren 100 Millionen Euro und mehr investieren können.

Frank Salzgeber

Stichwort “internationaler Vergleich”. Wie bewerten Sie Österreich als SpaceTech-Standort ?

Martin Mössler: Der SpaceTech-Standort Österreich ist zwar nicht von vielen Spielern besetzt, aber die wir haben, sind allesamt exzellent. In Bezug auf Forschung und Entwicklung gibt es in Graz eine enorme Kompetenz. Wir sprechen auch von Graz als der Raumfahrt-Bundeshauptstadt in Österreich. Alleine das Grazer Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat 150 Mitarbeiter, die sich ausschließlich mit Raumfahrt beschäftigen. Neben der TU Graz gibt es zudem die Karl Franzens Universität, die über das Alfred-Wegener-Institut über große Kompetenzen im Bereich der Erdbeobachtung verfügt. Zudem gibt es auch noch in Wien mit dem European Space Policy Institut (ESPI) und dem Büro der Vereinten Nationen für Weltraumfragen (UNOOSA) wichtige Player. 

Frank Salzgeber: Im Bereich der Raumfahrt kommen eine ganze Reihe kluger Köpfe aus Österreich. Allerdings sehen wir auch, dass es einige Top-Gründer gibt, die nicht in Österreich gegründet haben. Als Beispiele können wir Daniel Metzler, den Chef des äußerst erfolgreichen Müncher SpaceTechs Isar Aerospace oder Peter Platzer nennen, der mit seiner Satellitenfirma Spire Global in New York an die Börse geht. Hier sollte Österreich bestrebt sein, dass sie ihre klugen Köpfe im Land belassen oder wieder zurückholen.

Zudem glaube ich, dass wir in Europa im Vergleich zu den USA und China die eindeutig besseren Firmen in Sachen Know-How und Evaluierung haben. Die Mitarbeiter sind günstiger und zugleich loyaler. Was in Europa vielleicht wenig zu kurz kommt, ist die Show, aber auch in diesem Bereich sind wir besser geworden. Einer der wichtigsten Faktoren ist allerdings, dass die SpaceTech-Startups in Europa von Staaten und Corporates Großaufträge bekommen und hier künftig noch besser mitgenommen werden.

Einer der wichtigsten Faktoren ist allerdings, dass die SpaceTech-Startups in Europa von Staaten und Corporates Großaufträge bekommen und hier künftig noch besser mitgenommen werden. 

Frank Salzgeber

Wie können sich SpaceTech-Startups am Markt finanzieren? 

Martin Mössler: Die Raumfahrt ist ein sehr forschungsintensives Feld, das oftmals von einem Marktversagen geprägt ist. Der Zugang für SpaceTechs zu Kapital ist ohne sekundären Support kaum möglich. Wir sehen, dass die 50.000 Euro des ESA BIC in einer frühen Gründungsphase spielentscheidend sind. Zudem gibt es neben der ESA in Österreich auch noch die Agentur für Luft- und Raumfahrt der FFG, die starken Support anbietet.

Frank Salzgeber: Bei Finanzierungen von SpaceTechs müssen wir einen holistischen Ansatz verfolgen – das umfasst sowohl die großen als auch kleinen Finanzierungsrunden. In diesem Zusammenhang dürfen wir nicht auf den Bereich der Seed-Finanzierung vergessen, den niemand machen möchte, da er nicht so lukrativ ist. Nur wenn wir “kleine Pflanzen züchten”, werden wir auch später etwas haben, wo Investoren 100 Millionen Euro und mehr investieren können. Die tatsächliche Arbeit machen nicht die großen Finanzierungsrunden, sondern die Pionierarbeit, die Akteure wie beispielsweise der Science Park Graz leistet. 

Im 21. Jahrhundert geht es allerdings nicht mehr darum, wer den Fuß als erstes wo hinsetzt. Im Zentrum steht nun die Kooperation und das Verstehen unseres komplexen Ökosystems “Blue Planet”.

Martin Mössler

Welchen Beitrag können SpaceTechs und die Raumfahrt für die Bekämpfung der Klimakrise leisten? 

Frank Salzgeber: Ohne die Raumfahrt und Erdbeobachtungsprogramme, wie Copernicus, wüssten wir nicht, wie schlecht es unserem Planeten geht. Die Verbindlichmachung der Probleme ist ein elementares Element, um die negativen Folgen der Klimakrise zu bekämpfen. Erst durch die Erkenntnisse der Raumfahrt ist es möglich geworden, stichhaltige Argumente in der Klimadebatte hervorzubringen. Wir wissen alle, wie stark die Macht von Bildern ist.

Martin Mössler: Die Raumfahrt war im 20. Jahrhundert geprägt vom sogenannten “Space Race” der USA und UdSSR. Im 21. Jahrhundert geht es allerdings nicht mehr darum, wer den Fuß als erstes wo hinsetzt. Im Zentrum steht nun die Kooperation und das Verstehen unseres komplexen Ökosystems “Blue Planet”. Eine durchschnittliche Satelliten-Mission im Bereich der Erdbeobachtung kostet zwar zwischen einer und zwei Milliarden Euro und nichts davon lässt sich verkaufen. Sie liefert uns allerdings detaillierte Informationen über den Zustand der Polkappen und Gletscher oder wie viel Kohlenmonoxid sich in der Atmosphäre befindet. Ohne die Bereitschaft zur Finanzierung derartiger Missionen würden wir in die Zeit der Voraufklärung zurückfallen.


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Bidirektionales Laden: Innovationsbedarf in Österreich

Das von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützte Projekt Interoperable Communication for Bidirectional Charging (ICBC) hat sich zum Ziel gesetzt, die technischen und formalen Hürden von bidirektionalem Laden zu überwinden.

kW-Solutions-Gründer Korbinian Kasinger erläutert: “Es braucht jemanden, der den Vehicle-to-Grid-Prozess in Österreich durchmoderiert – sowohl technisch als auch formell“, so Kasinger​. Eine Herausforderung ist etwa die Zertifizierung des zurückgespeisten Stroms. “Bei einer PV-Anlage weiß man, dass es Grünstrom ist. Bei Autobatterien ist das nicht so einfach”, so der Gründer.

Technologisch ermöglicht es der Vehicle-to-Grid-Prozess (V2G), Strom aus der Batterie zu entnehmen und zurückzuverkaufen oder dem Regelenergiemarkt zur Verfügung zu stellen. Das ICBC-Projekt soll genau diese Möglichkeiten ausloten und zur Marktreife bringen​.

Das Konsortium hinter ICBC

Hinter dem ICBC-Projekt steht ein Konsortium aus kW-Solutions, der Technischen Universität Wien (TU Wien), Forschung Burgenland und KEBA​. Während die TU Wien für die Entwicklung von Kommunikationsschnittstellen sorgt, untersucht Forschung Burgenland die ökonomischen Vorteile von V2G. KEBA bringt seine Expertise in der Entwicklung von Ladeinfrastruktur-Hardware ein​.

kW-Solutions selbst arbeitet an einer flexiblen Software-Architektur, die V2G-Technologie effizient ins bestehende Netz integrieren soll. Das 2021 gegründete Startup hat sich auf die Bereitstellung intelligenter Ladelösungen für Elektrofahrzeuge spezialisiert.

Ein zentrales Produkt ist die Energiemanagement-Software “Charly”, die speziell für Mehrparteienanlagen entwickelt wurde, um ein effizientes Lastmanagement und eine automatisierte Verrechnung zu ermöglichen. 2023 konnte das Startup eine sechsstellige Finanzierungsrunde abschließen und FSP Ventures für sich gewinnen (brutkasten berichtete). Das Family Office ist an zahlreichen bekannten österreichischen Startups beteiligt, darunter Woom, Agrobiogel, Ecop Technologies oder Swimsol.

Pilotprojekte als nächster Schritt

Das ICBC-Projekt ist auf zwei Jahre angelegt und soll erste Antworten auf diese Fragen liefern. “In ein bis zwei Jahren werden wir valide Pilotprojekte in Österreich starten“, so Kasinger​. Ein flächendeckender, standardisierter Einsatz von V2G könnte allerdings noch drei bis fünf Jahre dauern​.

Das ICBC-Projekt legt laut Kasinger großen Wert auf praxisnahe Lösungen. In sechs Arbeitsbereichen werden nun Use-Cases, Schnittstellen und Systemarchitekturen entwickelt, um die Marktfähigkeit sicherzustellen​. Bidirektionales Laden könnte laut dem Gründer für Österreich nicht nur die Elektromobilität attraktiver machen, sondern auch zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen.


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