30.06.2022

Experten klären auf: So erkennt man Deepfake-Videos

Nach einer Serie von Fake-Videocalls mit dem angeblichen Bürgermeister von Kiew - Vitali Klitschko - sind nun viele europäische Behörden beunruhigt über weitere Troll-Anrufe. Die AI-Experten Clemens Wasner und Mic Hirschbrich klären auf, woran Deepfake-Videos zu erkennen sind.
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AI-Experten Mic Hirschbrich und Clemens Wasner. (c) Mic Hirschbrich und enliteAI
AI-Experten Mic Hirschbrich und Clemens Wasner. (c) Mic Hirschbrich und enliteAI

Von Madrid über Wien bis hin zu Warschau, mehrere europäische Stadtchefs wurden letzte Woche Opfer von Fake-Videocalls mit dem angeblichen Amtskollegen, Vitali Klitschko. Darunter auch der Bürgermeister von Wien, Michael Ludwig. Während anfangs noch Gerüchte um den potentiellen Einsatz von Deepfake in den Medien kursierten, bekannte sich mittlerweile ein russisches Komiker-Duo, Wladimir Kusnezow und Alexej Stoljarow, das unter dem Künstlernamen “Wowan und Lexus” arbeitet, zu den Fake-Anrufen. Gegenüber dem ARD-Politikmagazin Kontraste sagten die Komiker, dass keine künstliche Intelligenz eingesetzt wurde. “Ich will nicht verraten, wie wir es angestellt haben, aber es war leicht”, so Wowan und Lexus im Telefonat mit Kontraste.

Auch wenn die Fake-Anrufe mit Michael Ludwig, Franziska Giffey und Co sich nicht als Deepfake erwiesen haben, wächst nun das Misstrauen der Behörden gegenüber Videocalls. Das Thema sowie das Risiko rund um Deepfake-Anrufe bleibt also dennoch relevant.  Die brutkasten-Redaktion hat sich bei zwei AI- und Digitalisierungs-Experten – Clemens Wasner (enliteAI-CEO und Co-Founder von AI Austria) und Mic Hirschbrich (Co-Founder von Apollo.ai) – erkundigt, wie man sich vor Deepfake-Anrufen schützen und diese identifizieren kann. 

In den letzten Tagen füllten viele Gerüchte rund um Deepfakes und künstlicher Intelligenz das Internet. Es wurde viel spekuliert, ohne über ausreichendes Grundwissen über das Thema zu verfügen. Was bedeutet Deepfake und was ist Deepfake Live tatsächlich? 

Clemens Wasner: Als “Deepfake“ wird die zugrundeliegende Technologie bezeichnet, bei der ein künstliches neuronales Netz (Deep Neural Network) zunächst mit Bilddaten der nachzuahmenden Person trainiert wird. Wer sich dazu genauer einlesen will, kann nach dem Begriff “Generative Adversarial Network (GANs)” suchen. Bei “Deepface Live” handelt es sich um ein als Open Source verfügbares Tool, mit dem Face Swappings – mit vorgefertigten synthetischen Gesichtern – durchgeführt werden können. Darüber hinaus ist es auch möglich, eigene Gesichter – im aktuellen Beispiel das Gesicht von Vitali Klitschko – zu trainieren. Um dies aber in ausreichend hoher Qualität hinzubekommen, ist ein großer Aufwand zu betreiben – die Anleitung hierfür hat 100 Schritte.

Wie gut sind diese Technologien? 

Mic Hirschbrich: Technisch hat Deepfake in der Vergangenheit immer dann besonders gut funktioniert, wenn es Referenz-Doubles gab, die dem Original sehr ähnlich sahen. Ich erinnere mich an den berühmten Tom Cruise Deep Fake. Der Schauspieler hat schon ohne KI-Einsatz eine sehr große Ähnlichkeit.  Dennoch ist das live besonders anspruchsvoll. Bei “Live Deep Fake” von bekannten Prominenten und so langer Interaktion waren bislang Fehler meist sichtbar und erkennbar. 

Ist es möglich, Deepfake in Gesprächen zu erkennen? Wenn ja, wie ?

Clemens Wasner: Da wäre zunächst die Qualität des Fake-Gesichtes zu beachten. Oft verfügen Deepfake-Gesichter über weniger Details als das Ausgangsbild – wie weniger Falten oder Gesichtsbehaarung. Diese sind im Livestream natürlich nur sehr schwer zu erkennen, da man parallel dazu keinen Vergleich mit dem Original durchführen kann. Was aber sehr wohl auffallen kann, sind unterschiedliche Pigmentierungen von Gesicht und Körper, wie es bei den ersten Zelensky-Fakes im Februar der Fall war. 

Ein weiteres potentielles Erkennungsmerkmal sind der Mund und die Mundbewegung während des Sprechens. Deepfakes wirken hier oft unnatürlich, da sich die Lippen entweder zu wenig bewegen – ähnlich den Lippen nachdem man eine Spritze beim Zahnarzt bekommen hat – oder sich zu sehr biegen. Neben der eigentlichen Qualität des Gesichtes gibt es aber auch noch Videostream-spezifische Merkmale wie Bildrate, Auflösung und Beleuchtung, die darüber Aufschluss geben können, ob am Bild manipuliert wurde.

Wie kann ich mich vor Deepfake schützen?

Clemens Wasner: Als Gesellschaft müssen wir zunächst bei unserer Medienkompetenz ansetzen, um die Sensibilisierung gegenüber Falschinformationen zu erhöhen. Darüber hinaus werden Medien Anstrengungen unternehmen müssen, um sicherzugehen, dass sie keine Deepfakes verbreiten. Als wahrscheinlichstes Szenario erscheint mir dabei, dass sie entlang der Redaktionsarbeit Tools verwenden können (ähnlich dem MS Tool), welche Fakten- und Deepfake-Checks durchführen. Um hier immer am Laufenden zu bleiben, wäre wie im Cyber-Security-Bereich ein Zertifizierungssystem denkbar, dass den Stand der verwendeten Software sicherstellt und am Laufenden hält.

Mic Hirschbrich: Mit Medienkompetenz, Filtern und ordentlichen Protokollen. Bei der weitaus größeren Plage – den Fake-News – haben wir gelernt, dass für die große Zahl der Falschnachrichten sich nur sehr wenige Quellen verantwortlich zeichnen. Beim US Wahlkampf hat man mit der Sperre einer Handvoll Accounts – fast 90% aller Wahl-Falschnachrichten verhindern können. Da Deep-fake technisch aufwendiger ist, ist die Quellenzahl nochmal deutlich geringer. Man sollte diese Troll-Fabriken aussperren und nicht immer gleich eine Technologie-Debatte lostreten. Das Problem sind die (wenigen) Trolle, die große (staatliche) Mittel zur Verfügung haben. 

Gibt es dazu schon bestehende Lösungen oder sind diese noch in der Entwicklungsphase? 

Clemens Wasner: Auf technologischer Seite wird auf jeden Fall intensiv an Lösungen gearbeitet. So haben die großen IT Konzerne bereits vor drei Jahren damit begonnen, sehr große Datensätze an Deepfakes freizugeben, damit Forscher:innen und Startups Algorithmen für die Erkennung dieser entwickeln können. Die jetzige Deepfake-Welle wird zu einer Beschleunigung dieser Bemühungen führen und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis gängige Videokonferenz-Tools Deepfake-Detektoren anbieten werden.

Mic Hirschbrich: Wie beim Spam-Schutz, werden wir Deepfake-Filter selbstverständlich einsetzen. Jedoch wird es natürlich zu größeren Vorfällen kommen, vor allem in den ersten Phasen. Die Frage ist da viel mehr, wie bringen wir diese Filter-Erkennungs-Technologie an verschiedene Nutzer:innen in der Politik, den Medien und der Wirtschaft.  Der Klitschko-Skandal hätte einfach durch saubere Protokolle verhindert werden können. So etwas sollte nicht passieren. 

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Das brutkasten-Team und seine Weggefährten haben in den vergangenen zehn Jahren viel erlebt | (c) Marko Kovic

Dieser Artikel ist im Dezember 2024 in der Jubiläumsausgabe des brutkasten-Printmagazins – “Wegbereiter” – erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Es gibt bekanntlich für alles ein erstes Mal – und in einem Startup gibt es diese ersten Male noch ein bisschen häufiger. Gründet man ein Medien-Startup, das sich mit Startups beschäftigt, sollte man etwa erst einmal die bekannten Gesichter der Startup-Szene kennenlernen. Aber wie?

“Am Anfang, als ich das Ganze begonnen habe und es mich so fasziniert hat, habe ich erst einmal versucht herauszufinden, wie ich Andreas Tschas (Anm.: damals Gründer und CEO Pioneers Festival) kennenlernen kann. Das war für mich so, als ob ich es schaffen muss, einen Superstar kennenzulernen”, erzählt brutkasten-Gründer und -CEO Dejan Jovicevic. “Auch Hansi Hansmann war für mich weit weg und unerreichbar.” Schließlich schaffte er es bekanntlich, und nach Tschas vor ein paar Jahren ziert nun Hansmann das aktuelle brutkasten-Cover.

Ein besonderer allererster Live stream

Leichter – vielleicht sogar etwas zu leicht – fiel es Redakteur Martin Pacher anfangs, an so richtig bekannte Persönlichkeiten zu kommen. “Es war Anfang 2019; ich war gerade erst zwei Wochen in meiner fixen Position bei brutkasten und hatte noch nie einen Video-Talk moderiert”, erzählt Pacher. “Und dann hat es sich ergeben, dass Dejan kurzfristig die Moderation eines sehr hochkarätig besetzten Livestream-Interviews nicht machen konnte, und ich war der Einzige, der Zeit hatte, einzuspringen.”

Die Gesprächspartner:innen für Pachers allererstes Video-Interview waren keine Geringeren als die damalige Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, der damalige Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny, Business-Angel-Legende Hansi Hansmann und “Future Law”-Gründerin Sophie Martinetz; natürlich alles in einem Take und live in den Social-Media-Kanälen von brutkasten.

Martin Pachers (l.) erster Live-Video-Talk mit (vlnr.) Ewald Nowotny, Margarete Schramböck, Hansi Hansmann und Sophie Martinetz | (c) brutkasten

“Ich habe eigentlich immer den Ansatz, zu sagen: ‘Ja, mach’s einfach!’ – auch wenn es wenig Vorbereitungszeit gibt und man ins kalte Wasser springen muss“, erzählt der Redakteur. In der Situation sei er dann aber doch sehr aufgeregt gewesen. “Haris, unser damaliger Head of Video, hat mir dann positiv zugeredet. Er hat mich schön in Szene gesetzt, die Lichter eingeschaltet und heruntergezählt: ‘3, 2, 1, go!’ Und ja, dann kam es zu meiner ersten Anmoderation. Die hätte ich rückblickend betrachtet vielleicht noch ein bisschen flüssiger machen können“, räumt Pacher ein.

Es sollten noch Dutzende weitere Video-Interviews werden – “ich weiß nicht, wie viele Video-Talks ich in all der Zeit moderiert habe, aber es ist definitiv im dreistelligen Bereich!”, so Pacher. Unter seinen Interviewpartnern waren Leute wie Wikipedia-Gründer Jimmy Wales oder Formel-1-Legende Jean Todt. Letzterer habe mitten im Interview sein Handy abgehoben und zu telefonieren begonnen, erzählt der Redakteur. “Das hat mich dann doch ein bisschen aus dem Konzept gebracht. Aber es ist dann alles gut gegangen und wir konnten die Aufnahme fortführen, nachdem Todt dann noch einen großen Schluck Kaffee genommen hatte.”

Martin Pacher im Gespräch mit Jean Todt | (c) brutkasten

Exit während der Weihnachtsfeier

Manchmal hat man den Kontakt zu den wichtigen Persönlichkeiten schon erfolgreich hergestellt, und dann kommen einem aber andere Hindernisse in die Quere, weiß Redakteur Momcilo Nikolic. Er hatte bei KI-Koryphäe Sepp Hochreiter um ein Interview angefragt – “und er hat sich auch gemeldet. Es war der erste Schultag meines Sohns und wir sind gemeinsam mit anderen Eltern vor der Schule gestanden. Da ruft Hochreiter an und sagt, er hätte jetzt ein paar Minuten Zeit”, erzählt Nikolic. Und dann? “Ich habe festgestellt: Auch das geht. Ich bin kurz auf die Seite gegangen, habe inmitten von nervösen Eltern auf der Straße ein komplexes Interview über KI geführt und war glücklicherweise rechtzeitig wieder fertig.”

Generell ist Nikolic der Mann für solche Fälle bei brutkasten. “2021 hatten wir – noch coronabedingt – eine Remote-Weihnachtsfeier. Kurz nach neun Uhr abends kam die Meldung zum Durchblicker-Exit; einer der größten Exits der österreichischen Startup-Geschichte. Ich habe mir ein Glas Whiskey gegönnt und das runtergetippt”, erzählt der Redakteur.

Die legendäre “gemischte Platte”

Ein halbes Jahr später war die Coronazeit halbwegs überwunden, das brutkasten-Sommerfest konnte in Präsenz stattfinden – und eine brutkasten-Tradition wurde eingeführt, wie sich Conny Wriesnig, Lead Media Consulting und Begründerin dieser Tradition, erinnert: “Damals ist die ‘gemischte Platte’ entstanden.“ Dabei handelt es sich um ein Tablett mit unterschiedlichsten alkoholischen Getränken bzw. Shots – first come, first serve. “Das war praktisch eine neue Sales-Taktik: Erst wollten ein paar Leute nichts trinken, dann habe ich die gemischte Platte gepitcht, und zack: Auf einmal hatte jeder ein Getränk in der Hand”, erzählt Wriesnig.

Gemischte Platte bei der brutkasten-Weihnachtsfeier 2023 | (c) brutkasten

“Mein Highlight war aber am nächsten Morgen: Wir haben alle fast durchgefeiert und höchstens drei Stunden geschlafen und hatten gleich um neun ein Meeting. Dort hat Dejan erzählt: Als seine Frau ihn gefragt hat, was er frühstücken will, hat er instinktiv gesagt: ‘Eine gemischte Platte’. Ab dem Moment wusste ich: Es wird keine Feier mehr ohne die gemischte Platte geben!”. Und tatsächlich sollte das nicht die einzige Anekdote mit Beitrag des besonderen Getränketabletts bleiben.

Folgenreiche Aprilscherze

An dieser Stelle sollte betont werden, dass man es bei brutkasten auch ohne Alkohol lustig haben kann, etwa am 1. April, wie Aprilscherz-und-Weihnachtslied-Beauftragter Dominik Perlaki, Autor dieser Zeilen, weiß. “Der ‘Standard’ ist einmal auf einen meiner Aprilscherz-Artikel hereingefallen und hat den Inhalt zwei Tage später in einem ernst gemeinten Beitrag verarbeitet. Hansi Hansmann, um den es ging, fand das dann leider nicht mehr so lustig”, erzählt Perlaki.

“Ich habe im Laufe der Jahre die brutkasten-Wochenzeitung ‘im Kasten’ erfunden und Sebastian Kurz zum ‘2 Minuten 2 Millionen’-Investor gemacht. Mein Highlight war aber ein Scherz, den hiMoment-Gründer Christoph Schnedlitz, der damals im Büro im weXelerate ein paar Meter entfernt saß, mit mir umsetzte.” Schnedlitz, der sich stets sehr skeptisch zum Konsum sozialer Medien äußerte, wurde im Aprilscherz-Artikel ein 100-Millionen-Euro-Exit an Facebook angedichtet. „Kurze Zeit später hat mir Christoph erzählt, dass es richtig anstrengend für ihn wurde: Sein Steuerberater hat ihn gefragt, wie er so etwas machen kann, ohne es mit ihm zu besprechen, und noch Wochen später haben sich regelmäßig Leute bei ihm gemeldet, mit denen er ewig keinen Kontakt hatte, um zu fragen, wie es ihm denn so geht.“

Titelbild zum HiMoment-Exit-Aprilscherz mit Christoph Schnedlitz | (c) brutkasten

Im Railjet erkannt werden

Mit Prominenz muss man eben umgehen können. Dazu kann auch Dejan Jovicevic etwas erzählen: “Ich bin einmal im Railjet gesessen und bei der Fahrscheinkontrolle kommt die Schaffnerin zu mir und sagt: ‘Du bist doch Dejan vom brutkasten!’ Ich dachte: ‘Jetzt bin ich schon so bekannt, dass mich alle kennen!’ Aber es stellte sich heraus: Sie war ÖBB-Vorständin und quasi undercover unterwegs – und hatte mich kurz zuvor bei einem Event gesehen.”

Zumindest für eine Zeit lang in Erinnerung geblieben dürfte auch Dominik Perlaki einmal einigen Event-Teilnehmern sein, wie er erzählt: “Es war AustrianStartups-Stammtisch im später leider geschlossenen Wiener Coworkingspace sektor5; Stargast war der damalige Kanzler Christian Kern.” Am Ende des Programms habe Moderator Daniel Cronin gesagt, Kern könne nur mehr eine Frage aus dem Publikum beantworten, bevor er gehen müsse. “Und Cronin erklärte, die Frage dürfe derjenige stellen, der auf drei am höchsten hüpft und am lautesten schreit. In einem gestopft vollen Raum mit mehreren Hundert Leuten war ich der Einzige, der gehüpft ist und geschrien hat – und zwar ziemlich hoch und laut”, erzählt Perlaki. An die Frage könne er sich aber nicht mehr erinnern.

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