27.12.2023

Saniert, verkauft, gerettet: Diese Ö-Startups überwanden 2023 eine Insolvenz

2023 geht als unrühmliches Jahr der Insolvenzen in die heimische Startup-Geschichte ein. Doch in ein paar Fällen gab es auch ein - mehr oder weniger - Happy End.
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Diese Unternehmen konnten 2023 eine Insolvenz überwinden

Die Insolvenzstatistik sieht dieses Jahr nicht gut aus. Auch wenn man etwa beim KSV1870 nach wie vor nicht von einer “Pleitewelle” sprechen will, sind die Zahlen deutlich: Insgesamt gibt es so viele Unternehmensinsolvenzen wie seit zehn Jahren nicht mehr. Und auch wenn es keine gesonderte Statistik mit konkreten Zahlen für den Startup-Bereich gibt, ist offensichtlich: Eine derartige Häufung an Insolvenzen gab es in der relativ kurzen Geschichte der heimischen Startup-Szene noch nicht.

Dieses Jahr oftmals mehrere Startup-Insolvenzen pro Woche

Brutkasten berichtete dieses Jahr oftmals über mehrere Startup-Insolvenzen wöchentlich, teilweise gar an einzelnen Tagen. Darunter waren auch mehrere bekannte Namen. Nicht wenige Gründer:innen nahmen sich die Zeit und auch den Mut, offen mit uns über ihre Geschichte zu sprechen oder uns ausführliche Statements zu den Hintergründen zukommen zu lassen.

Neustart nach der Insolvenz auf unterschiedliche Weisen

Doch nicht für alle Startups bzw. Produkte bedeutete die Insolvenz dieses Jahr das endgültige Aus. In manchen Fällen gelang es, eine Sanierung des bestehenden Unternehmens zu starten. In anderen wurde das Startup verkauft und damit aufgefangen. Bei einigen insolventen Startups wird das Produkt in einer neu gegründeten Gesellschaft des selben Teams weitergeführt. Und bei weiteren gibt es zumindest für das Produkt eine zweite Chance, weil dieses von einem anderen Unternehmen aus der Konkursmasse erworben wurde.

Wir haben hier – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – einige Fälle von österreichischen Startups zusammengetragen, die 2023 auf die eine oder andere Weise eine Insolvenz (mitunter bereits im Vorjahr angemeldet) überwanden:


FoodNotify: Sanierung läuft

Das Wiener Startup FoodNotify musste bereits im Dezember 2022 Insolvenz anmelden, weil ein langjähriger Investor aufgrund der eigenen wirtschaftlichen Lage abgesprungen war. Dabei war das Startup laut Gründer Thomas Primus bereits knapp vor dem Break Even. Danach gelang der – den Umständen entsprechend – beste Ausgang. Ein Sanierungsplan wurde im März 2023 von den Gläubiger:innen angenommen. Entscheidend war dabei auch, dass ein neuer Investor für die Fortführung gefunden werden konnte.

Bike Citizens: Produkt mit neuer Gesellschaft übernommen

Im November 2022 hatte das Grazer Startup Bike Citizens Konkurs angemeldet. Die GmbH wurde daraufhin, wie bei Konkursen vorgesehen, liquidiert. Doch Elisabeth Felberbauer, die als Mitarbeiterin des Startups gestartet hatte und 2020 die Geschäftsführung übernommen hatte, wollte weitermachen. Sie fand mit Herbert Steinbauer einen Geschäftspartner, mit dem sie die Assets des Unternehmens aus der Konkursmasse kaufte. In der neu gegründeten Smettly GmbH wurde der Service wieder aufgenommen.

Original+: Neugründung wenige Monate nach der Insolvenz

Im Juni dieses Jahres musste das Salzburger Startup Original+, das mit AI individualisierte Ski anbietet, Konkurs anmelden. Die GmbH, die unter anderem Dank eines 2 Minuten 2 Millionen-Auftritts einige prominente Investoren an Bord hatte, wurde daraufhin liquidiert. Doch mittlerweile gibt es mit der O+ GmbH ein neues Unternehmen, das die Konkursmasse übernahm und die Arbeit wieder aufnehmen will. Auf der Page des Startups steht aktuell noch in großen Lettern: “Coming soon”.

App Radar: Verkauf in die USA

Im Juli 2023 musste das Grazer App-Store-Optimization-Startup AppRadar Insolvenz anmelden. Schon vor dem Antrag hatte das Team rund um Gründer Thomas Kriebernegg aber Verkaufsgespräche gestartet. Im November schließlich konnte der Verkauf unter Dach und Fach gebracht werden. Das US-Startup SplitMetrics übernahm AppRadar, wodurch die Gläubiger:innen ausbezahlt und ein großer Teil des Teams erhalten werden konnte.

Rudy Games: Marke bleibt in anderem Unternehmen bestehen

Im Dezember 2022 meldete das Linzer Startup Rudy Games mit seinen Hybriden aus Brett- und Handy-Spiel Konkurs an. Das Unternehmen war bereits durch die Coronakrise in finanzielle Schieflage gelangt, aus der es sich nicht mehr retten konnte. Die GmbH wurde liquidiert. Doch die Assets wurden im April von der neu gegründeten Gesellschaft Gamelab, mit einigen bekannten Investoren an Bord, übernommen. Die Marke wird nun unter einer neuen Geschäftsführung fortgeführt.

GoUrban: Sanierung läuft

Im August dieses Jahres musste das Wiener Mobility-Startup GoUrban Insolvenz anmelden und beantragte ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung. Das Unternehmen rund um CEO Bojan Jukić hat einige namhafte Investmentgesellschaften im Hintergrund. Nun wird es fortgeführt und will sich dabei auf finanziell gesunde Beine stellen und die Forderungen gegenüber den Gläubiger:innen bedienen.

Domonda: Sanierung läuft

Im Juni 2023 musste das Buchhaltungs-Startup Domanda Insolvenz anmelden und beantragte ein Sanierungsverfahren. Die interne Expertise habe geholfen, die Zeichen rechtzeitig zu erkennen, um sanieren zu können, hieß es vom Unternehmen. Der Plan wurde von den Gläubiger:innen im August angenommen. Domonda kann so – mit neuen Wachstumsplänen – fortgeführt werden.

Paze Industries: Vorarlberger Plattform von Wiener Unternehmen übernommen

Im Oktober meldete das Vorarlberger IIoT-Startup Paze Industries (vormals Senseforce) Konkurs an. Das Unternehmen des früheren last.fm-Gründers und Speedinvest-Partners Michael Breidenbrücker wurde daraufhin liquidiert. Doch für die Konkursmasse, konkret die IIoT-Plattform des Startups, fand sich bald ein Käufer: Das Wiener IT-Unternehmen Workheld integriert das Produkt in sein Angebot.

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Die Verwendung von Kohlefaser in der Industrie hat in den letzten Jahren stark zugenommen – insbesondere in Bereichen wie der Luft- und Raumfahrt, dem Automobilbau und der Windenergie. Kohlefaser überzeugt durch ihre hohe Festigkeit bei geringem Gewicht, doch ihre Herstellung ist ressourcenintensiv und teuer. Ein großes Problem stellt der hohe Verschnitt bei der Produktion dar: In der Industrie landen im Durschnitt bis zu 30 Prozent der Rohstoffe im Abfall. Diese Materialverluste sind nicht nur ökonomisch ineffizient, sondern auch aus ökologischer Sicht problematisch, da Kohlefaser biologisch nur schwer abbaubar ist.

Carbon Cleanup setzt auf KI

Das 2020 gegründete Linzer Startup Carbon Cleanup rund um Gründer Jörg Radanitsch hat sich diesem Problem angenommen und zum Ziel gesetzt, Kohlenstofffasern aus Industrieabfällen aufzubereiten und wiederverwendbar zu machen. Konkret hat das Startup eine mobile Aufbereitungsanlage entwickelt, um Carbonfasern direkt vor Ort beim Kunden aufzubereiten. 

Zum Herzstück der Anlage gehört nicht nur die mechanische Aufbereitung der Kohlenstofffasern. Im Hintergrund läuft auch eine Software, die eine KI-gestützte visuelle Erkennung der zugeführten Rohstoffe ermöglicht.

“Wir haben ein KI-generiertes Datenblatt entwickelt, das automatisch die Charakteristika von eingehendem Material erkennt und den Wert des Rezyklats bestimmt“, so Radanitsch. “Bevor das Material in unsere Anlage kommt, wissen wir schon, welche mechanischen Eigenschaften es haben wird. Das ist entscheidend für die Qualität und den Marktwert des Endprodukts.”

Gründer Jörg Radanitsch | (c) Carbon Cleanup

Entwicklung der zweiten Generation an Anlagen

Während die erste Anlage des Unternehmens für R&D-Zwecke dient und über eine Kapazität von 30 Tonnen pro Jahr verfügt, konnte das Unternehmen über den Sommer eine zweite Anlage in Betrieb nehmen. „Unsere zweite Anlagengeneration ist im August fertiggestellt worden. Die Produktionskapazität ist dreimal so hoch wie bei unserer ersten Anlage. Damit sind wir jetzt in der Lage, deutlich mehr und auch verschiedene Kompositabfälle zu verarbeiten.“

Besonders stolz ist Radanitsch auf die gestiegene Materialqualität: „Das neue Aggregat ist viel stärker, was uns mehr Flexibilität bei der Verarbeitung der Materialien gibt. Wir können jetzt eine Vielzahl an Abfällen effizienter recyceln, was die Qualität der Produkte erheblich verbessert.“

Ein wichtiger Baustein für den Erfolg von Carbon Cleanup war die Unterstützung durch die Austria Wirtschaftsservice (aws). “Das Seed-Financing der Austria Wirtschaftsservice hat uns erlaubt, nicht nur unsere Forschung und Entwicklung voranzutreiben, sondern auch in Marketingaktivitäten zu investieren, die für uns als Hardware-Startup besonders wichtig sind“, erklärt Radanitsch.

Luftfahrtindustrie und Kooperation mit KTM Technologies

Eine der spannendsten Entwicklungen bei Carbon Cleanup ist der Einsatz ihrer recycelten Materialien im 3D-Druck, besonders in der Luftfahrtindustrie. “Wir liefern im Tonnenmaßstab Kunststoffgranulate, die mit unserer Rezyklatfaser verstärkt sind. Diese werden in großen 3D-Druckern verwendet, um Formen zu bauen, die dann für die Produktion von Flugzeugteilen genutzt werden”, so der Gründer.

Zudem arbeitet Carbon Cleanup mit dem österreichischen Motorradhersteller KTM zusammen. Gemeinsam arbeiten beide Unternehmen an einem geschlossenen Materialkreislauf, bei dem Post-Consumer- und Post-Industrial-Abfälle von KTM Technologies recycelt und für die Herstellung neuer Bauteile genutzt werden. Spezifisch handelt es sich um das Recycling der Teile des Rennmodells “X-Bow GT2”, dessen Rahmen zu 100 % aus Carbonfasern besteht. Durch Unfälle entsteht eine große Menge an beschädigtem Material, das normalerweise als Abfall betrachtet wird. Mit der Partnerschaft von KTM und Carbon Cleanup wird dieses Material zurück in den Kreislauf gebracht. 

(c) Carbon Cleanup

“KTM Technologies war von Anfang an ein Vorreiter. Sie testen unsere recycelten Materialien bereits erfolgreich in ihren Motorrädern“, betont Radanitsch.

Das Besondere an dieser Kooperation ist das sogenannte Closed-Loop-Material, das zu 100 Prozent aus dem Abfallstrom von KTM Technologies besteht. „Die Herausforderung ist, die Materialien zirkulär zu sammeln und in die Produktion zurückzuführen. Das Sammeln und die Qualität sind dabei entscheidend. Aber wir haben gezeigt, dass wir sogar leistungsfähigere Materialien aus Abfall herstellen können”, so der Gründer.

(c) Carbon Cleanup

Die nächsten Schritte von Carbon Cleanup

Das Geschäftsmodell von Carbon Cleanup basiert derzeit auf zwei Einnahmequellen: Zum einen bietet das Unternehmen Kunden einen Recycling-Service an, bei dem diese für die umweltgerechte Entsorgung des Materials bezahlen. Dafür wurde eine eigene Logistikstruktur aufgebaut. Zum anderen werden die Faserverbundkunststoffe an weitere Abnehmer verkauft. Derzeit liefert das Startup 98 Prozent der aufbereiteten Granulate ins Ausland. “Für eingehendes Material sind die Hauptmärkte neben Österreich vor allem Deutschland und Italien. Der Materialzufluss ist für uns derzeit jedoch kein Engpass, sodass wir gezielt das für uns passende Material auswählen können”, so der Gründer abschließend.


*Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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