14.12.2023

Workheld übernimmt Plattform von insolventem Vorarlberger IIoT-Startup

Das Vorarlberger Startup Paze Industries war auf den Bereich Industrial Internet of Things (IIoT) spezialisert. Im Herbst meldete es Konkurs an. Nun übernimmt die Wiener Softwarefirma Workheld die IIoT-Plattform des Unternehmens.
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das Workheld-Management Daniel Ultsch (CTO), Christine Geier, MBA (COO), Benjamin Schwärzler (CEO)
das Workheld-Management Daniel Ultsch (CTO), Christine Geier, MBA (COO), Benjamin Schwärzler (CEO) | Foto: Workheld

Das Wiener Software-Unternehmen Workheld kauft zu – und übernimmt die Software-Plattform des insolventen Vorarlberger Startups Paze Industries. Dieses hatte erst Anfang Oktober ein Konkursverfahren beantragt (brutkasten berichtete). Workheld kauft nun die von dem Unternehmen entwickelte Software aus der Konkursmasse und integriert sie in die eigene Cloud-Plattform. Den Kaufpreis kommunizierte Workheld nicht.

Paze Industries – früher bekannt als Senseforce – ist vielen auch wegen eines prominenten Mitgründers ein Begriff: Michael Breidenbrücker war im Jahr 2000 einer der Founder des Online-Musikdiensts last.fm. Später war er als Investor unterwegs und zwischen 2015 und 2018 auch Partner bei der Wiener Venture-Capital-Gesellschaft Speedinvest. Paze Industries wurde 2016 in Dornbirn gegründet und ist auf den Bereich Industrial Internet of Things, kurz IIoT, spezialisiert.

Paze-Plattform verspricht „maßgeschneiderte IIoT-Anwendungen“

Mit der Software von Paze können Kund:innen über Drag and Drop neue Apps und Regeln auf Basis von Maschinendaten erstellen. Sie wird nun als weiteres Modul in die Plattform von Workheld integriert. Dadurch sollen Kund:innen nun „maßgeschneiderte IIoT-Anwendungen mit minimalem Aufwand“ erstellen können, stellt Workheld in Aussicht.

Die Wiener Softwarefirma betreibt eine cloudbasierte Software-Plattform für die Auftragsabwicklung von Montage-, Instandhaltungs- und Serviceprozessen. Der Anspruch der Plattform ist es, Arbeitsabläufe digital zu optimieren und Wartungsarbeiten präzise planen zu können.

Aktuell arbeitet das Unternehmen mit 25 Kunden aus der Fertigungsindustrie – in Europa und den USA. Mit der Übernahme der Paze-Plattform kommen weitere zehn Kunden dazu, wie Workheld-CEO Benjamin Schwärzler gegenüber brutkasten sagt.

Workheld verstärkt KI-Engagement

Mit der Übernahme verstärkt Workheld auch sein Engagement im Bereich Künstliche Intelligenz zur Auswertung von Maschinendaten. Mit der Software von Paze können Firmen laut Unternehmensangaben innerhalb von vier Wochen KI-Modelle einsetzen, die beispielsweise in Fabriken Anomalien erkennen. Die Software alarmiert dann den Schichtführer, der somit einen Stillstand in der Produktion verhindern kann.

„Workflow-Automatisierung auf Basis von Maschinendaten-KI ist die Zukunft“, kommentiert Workheld-CEO Schwärzler den Deal. „Damit bleibt die europäische Industrie wettbewerbsfähig und Mitarbeiter werden nicht mehr durch administrative Aufgaben und Dokumentation aufgehalten. So können Unternehmen aus ihren Tätigkeiten für die Zukunft lernen und neue Mitarbeiter durch KI angelernt werden“.

Workheld wurde 2015 gegründet und hat seinen Hauptsitz in Wien. 2019 ist K-Business.com eingestiegen und mittlerweile laut Firmenbuch mit knapp 40 Prozent größter Anteilseigner an der Workheld GmbH. Gründer Schwärzler hält über 31 Prozent an dem Unternehmen.

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vl.: Michael Seifner, Antonín Jaroš und Philipp Haslinger | Foto: Philipp Haslinger
vl.: Michael Seifner, Antonín Jaroš und Philipp Haslinger | Foto: Philipp Haslinger

0,045 Nanometer – das ist aktuell die Auflösungsgrenze der leistungsstärksten Transmissionselektronenmikroskope. Ein großes Virus mit bis zu 150 Nanometern Durchmesser kann man damit schon recht gut erkennen, aber wenn es um die Untersuchung von einem DNA-Strang mit rund 2,5 Nanometer Durchmesser geht, sieht man nicht mehr viel – und das obwohl man im Prinzip einzelne Atome mit etwa 0,1 Nanometer Durchmesser sehen kann. Das Problem ist, dass der Elektronenstrahl die biologischen Bindungen, die die Atome zusammenhalten, zerstört.

Zukunftstechnologie Quantenoptik

Hier kommen der TU-Wien-Professor Philipp Haslinger und sein Team ins Spiel. „Mit klassischer Elektronenmikroskopie stößt man irgendwann an die Grenzen. Zudem werden organische Samples wie etwa Viren durch die Elektronenstrahlen zerstört“, erklärt Haslinger im Gespräch mit brutkasten. Seine Antwort: Quantenoptik – übrigens eine von 105 Zukunftstechnologien, die sich auf der neuen Innovation Map der WKÖ finden.

Genauer und „zerstörungsfrei“

Konkret ist es Quantenelektronenoptik, an der Haslinger und sein Team arbeiten. Dabei kombinieren sie zwei Technologien: Das Elektronenmikroskop (konkret: Transmissionselektronenmikroskopie) und die Spinresonanzspektroskopie, die aus der Magnetresonanztomografie (MRT) bekannt ist. “MRT ist eine nicht-invasive, also zerstörungsfreie Methode“, erläutert Haslinger. „Unsere Vision ist es, diese Idee auf die Nanowelt zu übertragen und damit kleinste Objekte sichtbar zu machen. Damit könnte man beispielsweise Protein-Strukturen auslesen, ohne sie zu beschädigen.“

Ungeahnte Möglichkeiten

Das ist aber nur eine von vielen potenziellen Anwendungsmöglichkeiten. Auch für die Materialforschung oder Energiespeichertechnologien könnte die Methode neue Perspektiven eröffnen. „Wir wissen heute noch gar nicht, welche Türen sich damit öffnen werden“, sagt Haslinger. „Im Grunde verleihen wir der Elektronenmikroskopie eine neue Charakterisierungmöglichkeit, eine neue Farbe. Sie liefert dann Informationen, die bisher unsichtbar waren. Das kann zu vielen neuen Erkenntnissen führen.“

Es sei vergleichbar mit dem Erkenntnisgewinn, den MRT gegenüber klassischer Computertomografie auf Röntgenbasis bringe: „Man sieht Dinge, die man vorher nicht gesehen hat“, so Haslinger, „als der erste Computer gebaut wurde, war auch noch nicht klar, dass einmal das Internet und später Künstliche Intelligenz folgen würden.“

„Können schon jetzt Dinge machen, die vorher nicht möglich waren“

Noch ist die Forschungsgruppe aber nicht am Ziel. „Mit unserem Prototypen können wir schon jetzt Dinge machen, die vorher nicht möglich waren, etwa die quantenmechanischen Eigenschaften von mikroskopischen Objekten mit dem Elektronenstrahl vermessen“, sagt der Forscher. Die angestrebte atomare Auflösung habe man aber noch nicht erreicht. Dafür brauche es weitere Prototypen, für die erst kürzlich unter anderem eine Förderung im Rahmen des Programms „Transfer.Science to Spin-off“ der „Christian Doppler Forschungsgesellschaft“ eingeworben wurde – brutkasten berichtete.

Antonín Jaroš am Prototyp im Labor der Forschungsgruppe | Foto: Philipp Haslinger

Diese Förderung schaffe Raum dafür, weiterzuforschen und gleichzeitig bereits an einer Spin-off-Ausgründung zu arbeiten, sagt Haslinger. Denn er forscht nicht alleine, sondern mit einem starken Team: Antonín Jaroš (PhD-Student) und Michael Seifner (PostDoc) sollen weiter die Möglichkeit haben, auch wissenschaftlich auf hohem Niveau zu arbeiten. Dennoch soll bereits in zwei bis drei Jahren gegründet werden – hierbei wird Haslingers Team auch mit den neu geschaffenen Spin-off-Strukturen innerhalb der TU Wien, zu denen unter anderem Noctua Science Ventures (brutkasten berichtete) zählt, unterstützt.

Mikroskopie als Milliardenmarkt

Und für die Zukunft gibt es durchaus große Pläne. „Elektronenmikroskopie ist ein Milliarden-Dollar-Markt mit weltweit zehntausenden Geräten – jedes große Krankenhaus, wie zum Beispiel das Wiener AKH, hat so ein Gerät“, sagt Haslinger. Und er gehe davon aus, dass die von seinem Team entwickelte Technologie in Zukunft neue Anwendungen in dem Bereich ermöglichen wird. „Es gibt jetzt schon mehrere Gruppen, die unser Produkt für die Forschung haben wollen“, so der Wissenschaftler.

Mit dem nächsten Prototypen werde man dann bereits erste Kooperationen umsetzen können. Und in weiterer Folge soll in einigen Jahren der Rollout der Technologie folgen. Ob man dann selber die Technologie herstellen werde, oder Lizenzen an Partner vergeben werde, sei aktuell aber noch nicht klar, so Haslinger. „Erst einmal müssen wir sehen, wie gut die nächsten Prototypen wirklich funktionieren und wie groß das Interesse dann tatsächlich ist.“


Entdecke die Innovation Map

Die Forschung von Philipp Haslinger und seinem Team steht exemplarisch für die Innovationskraft, die an Österreichs Universitäten steckt – und dafür, wie wissenschaftliche Erkenntnisse Schritt für Schritt ihren Weg in die Anwendung finden. Technologien wie die Quantenelektronenoptik zeigen, dass der nächste große Durchbruch oft dort entsteht, wo Grundlagenforschung auf Unternehmergeist trifft.

Wer mehr solcher Zukunftsprojekte kennenlernen möchte – von neuen Energiespeicherlösungen über MedTech-Innovationen bis zu Quantentechnologien – findet auf der „Innovation Map“ der Wirtschaftskammer Österreich einen Überblick über mehr als 100 Forschungs- und Entwicklungsvorhaben. Die interaktive Plattform macht sichtbar, wo bereits heute an der Zukunft gearbeitet wird – und lädt dazu ein, selbst einzutauchen in die Welt der Innovation.

👉 Jetzt entdecken, welche Technologien Österreichs Innovationslandschaft prägen: innovationmap.at

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