08.04.2016

Präsident Eisenhowers Matrix: So wird ein Prokrastinator produktiv

Valentin Scholz ist der Gründer von Samu, einer Produktivitäts-App, die auf der Eisenhower Matrix basiert. Aber er arbeitet auch als Product Manager beim Wiener Startup Grape, einem Kommunikationstool für Unternehmen. Für den Brutkasten erklärt er nun in einem Gastkommentar, wie man mit der Eisenhower Matrix vom "Aufschieber" zum "Macher" wird.
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(c) fotolia-alphaspirit: Wann hast Du das letzte Mal ein wichtiges To-do aufgeschoben?

In der Schule war ich ein Meister der Prokrastination – auch genannt “Aufschieberei”. Ich sah fern, zockte Computerspiele und verbrachte meine Zeit mit Freunden – selbst dann, wenn ich eigentlich etwas für die Schule erledigen sollte. Ich würde sogar soweit gehen, dass ich sprichwörtlich alles gemacht habe, um nicht für die Schule lernen zu müssen. Das funktionierte auch ausgesprochen gut, bis die Abgabefrist so knapp war, dass ich es nicht weiter aufschieben konnte. Plötzlich fühlte ich mich gestresst, nachdem ich realisierte, dass ich mal wieder zu spät angefangen hatte zu lernen. Das Resultat waren schlaflose Nächte vor einer Prüfung. Nicht ideal, aber gut genug, damit man die Schule mit guten Noten abschließt.

Nach der Schule, auf der Universität, konnte es so natürlich nicht weitergehen. Es war nicht mehr länger möglich nur die Nacht vor einer Prüfung zu lernen. Ich brauchte also dringend ein System, um meine Zeit einzuteilen und vorauszuplanen. Dieses fand ich schlussendlich in der Eisenhower Matrix, die mir dabei half, meine Zeit besser zu managen.

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Die Eisenhower Matrix

Dwight “Ike” Eisenhower war ein 5-Sterne General während des zweiten Weltkriegs und der 34. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Ike autorisierte die Gründung der NASA, errichtete 41.000 Meilen Interstate Highways und verabschiedete den Civil Rights Act von 1957 und 1960. Eisenhower war zweifelsfrei einer der produktivsten Menschen, die im letzten Jahrhundert gelebt haben.

„Was wichtig ist, ist selten dringend und was dringend ist, ist selten wichtig“, Valentin Scholz.

Dieses Zitat zeigt, dass Eisenhower zwischen Dringlichkeit und Wichtigkeit unterschieden hat. Ein Verständnis, dass essentiell für jeden ist, der produktiv sein möchte.

eisenhower matrix
Die Eisenhower Matrix

(Siehe Bild oberhalb) Dringende Aufgaben benötigen sofortige Aufmerksamkeit. Das sind normalerweise E-Mails, Anrufe und Notfälle. Da diese Aktivitäten jetzt sofort gemacht werden müssen, versetzen sie dich in einem reagierenden Zustand.

Wichtige Aufgaben auf der anderen Seite tragen zu deinen langfristigen Zielen bei. Wichtige Aufgaben können dringend sein, sind sie typischerweise aber nicht. Sie versetzen dich in einen reaktionsfähigen Zustand.

Es ist einfach diese Unterscheidung einmalig zu machen, aber schwierig wenn man es kontinuierlich machen soll. Aus diesem Grund ist die Eisenhower Matrix so großartig, da sie ein klares System anbietet, um diese Entscheidung wieder und wieder zu treffen. Des Weiteren kann die Matrix in allen Bereichen deines Lebens verwendet werden, wie zum Beispiel für Produktivitätspläne (“Wie soll ich meine Zeit jede Woche verbringen?”) oder für kleinere, tägliche Pläne (“Was soll ich heute machen?”).

Die Eisenhower Matrix ist außerdem weit verbreitet und wird von Präsidenten, Führungskräften und berühmten Persönlichkeiten auf der ganzen Welt verwendet. Sie wurde populär durch das Buch “Der Weg zum Wesentlichen: Der Klassiker des Zeitmanagements” des Bestseller-Autors Stephen Covey.

Nachstehend findest du detailierte Informationen zu jedem Quadranten und Informationen darüber, in welchem dieser vier du den Großteil deiner Zeit verbringen solltest, damit du deine Lebensziele erreichst.

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Jetzt erledigen

Wichtig & Dringend

Quadrant 1 Aktivitäten sind sowohl wichtig als auch dringend. Sie benötigen deine sofortige Aufmerksamkeit und helfen dir deine langfristigen Ziele zu erreichen. Aufgaben in Q1 beinhalten typischerweise Abgabefristen, Probleme und Krisen.

Hier sind ein paar spezifische Beispiele für wichtige und dringende Aufgaben:

  • Manche E-Mails (könnte ein Job-Angebot sein oder eine E-Mail über eine neue Geschäftsmöglichkeit, die eine sofortige Reaktion benötigt)
  • Abgabefrist für die Steuer
  • Abgabefrist für die Facharbeit
  • Frau in der Notaufnahme
  • Automotor springt nicht mehr an
  • Haushaltsaufgaben
  • Der Direktor ruft dich an und bittet dich ins Büro wegen deines Kindes

Die meisten dringenden und wichtigen Aufgaben können eliminiert werden, oder zumindest effizienter gestaltet werden, wenn man ein wenig vorausplant. Zum Beispiel kann man sich die Zeit so einteilen, dass man die Steuererklärung bereits eine Woche vor der Frist erledigt hat und erspart sich damit diese Aufgabe in letzter Sekunde zu machen.

Obwohl wir niemals alle Aufgaben aus Q1 eliminieren können, ist es möglich, sie signifikant zu reduzieren in dem wir mehr Zeit in Q2 verbringen. Dies hat zur Folge, dass Q2 Aktivitäten nie dringend werden.

Ein guter Richtwert ist, dass du versuchst nie mehr als drei dringende und wichtige Aufgaben gleichzeitig zu haben. Dadurch bleibt dir genug Zeit übrig, falls du mal doch eine unerwartete dringende Aufgabe bekommst.

Ein guter Richtwert ist, dass du versuchst nie mehr als drei dringende und wichtige Aufgaben gleichzeitig zu haben.

Planen

Wichtig & Nicht Dringend

Aufgaben in Quadrant 2 sind wichtig, da sie dir helfen deine persönlichen Ziele zu erreichen- aber sie benötigen keine sofortige Reaktion. Aktivitäten in Q2 sind üblicherweise zentriert rund um Selbstverwirklichung, Zukunftsplanung und der Stärkung von Beziehungen.

Beispiele für Aufgaben die du zeitlich einplanen solltest:

  • Wöchentliche Planung
  • Langfristige Planung
  • Trainieren
  • Familienzeit
  • Zeit mit einem Hobby verbringen
  • Instandhaltung von Haus und Auto
  • Teilnahme an einem Seminar, um eine Fähigkeit zu verbessern
  • Lernen
  • Meditieren
  • Verabredungen
  • Tagebuch schreiben
  • Lesen von lebensbereichernden Büchern
  • Erstellung eines Finanz- und Sparplans

Du solltest die meiste Zeit mit wichtigen, aber nicht dringenden Aktivitäten verbringen. Diese sind der Schlüssel zu Glückseligkeit, Selbstverwirklichung und Erfolg in deinem Leben.

Unglücklicherweise sind die meisten Leute mit dringenden Aufgaben zu beschäftigt und schieben “wichtige, aber nicht dringende Aufgaben” vor sich hin. Um dieses Verhalten zu ändern, muss man aktiv Q2 Aktivitäten in seinen Tagesplan einplanen. Wir sehen dieses Verhalten bei unglaublich erfolgreichen Menschen. Der aktuelle amerikanische Präsident Barack Obama nimmt sich zum Beispiel jeden Morgen eine Stunde Zeit für sein Trainingsprogramm. Sein ehemaliger Wahlkampfmanager erzählte WebMD:„Seine Logik war immer: ‘Der Rest meiner Zeit wird produktiver sein, wenn du mir mein Trainingsprogramm lässt’“.

Der aktuelle amerikanische Präsident Barack Obama nimmt sich zum Beispiel jeden Morgen eine Stunde Zeit für sein Trainingsprogramm.

Des Weiteren solltest du nicht vergessen herauszufinden, was wirklich wichtig ist in deinem Leben. Am einfachsten schreibst du auf ein Blatt Papier, was du in deinem Leben erreichen willst. Dies kann alles sein, von finanzieller Unabhängigkeit bis zu “Ich will um Welt reisen!”. Deine Ziele müssen nicht absolut sein und es komplett normal, dass sich diese während deiner Reise verändern.

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Delegieren

Nicht Wichtig & Dringend

Quadrant 3 Aufgaben sind dringend, aber nicht wichtig für dich. Sie helfen dir nicht, deine langfristigen Ziele zu erreichen, aber sie benötigen deine sofortige Aufmerksamkeit. Die meisten Q3 Aufgaben sind Unterbrechungen von anderen Personen und oft involvieren sie Hilfeleistung, damit diese Personen ihre eigenen Ziele nach ihren eigenen Prioritäten erreichen.

Ein paar spezifische Beispiele für nicht wichtige und dringende Aufgaben:

  • Die meisten E-Mails (mache können wichtig und dringend sein)
  • Anrufe
  • Ein Arbeitskollege der nach einem Gefallen fragt
  • SMS
  • Mutter kommt unangekündigt herein und fragt nach Hilfe bei der Hausarbeit

Wir tendieren dazu, die meiste Zeit in Q3 zu verbringen. Diese Aufgaben sind dringend und wirken wichtig, da wir anderen Menschen helfen. Aus diesem Grund verwechseln wir sie oft mit Aktivitäten aus Q1. Und obwohl diese Aufgaben vielleicht für andere Personen wichtig sind, sind sie nicht wichtig, um deine Ziele zu erreichen.

Idealerweise delegieren wir diese Aufgaben an andere, aber wenn dies nicht möglich ist, ist es ratsam zu mindestens eine Balance mit Q1 und Q2 zu finden. Ansonsten endet es oft in persönlicher Frustration, da du, obwohl du fleissig deine Aufgaben erledigst, deinen Langzeit-Zielen keinen Schritt näher kommst.

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Später erledigen

Nicht Wichtig & Nicht Dringend

Quadrant 4 Aufgaben sind weder wichtig noch dringend. Sie helfen dir nicht deine langfristigen Ziele zu erreichen. Q4 Aktivitäten sind normalerweise Zeitverschwender, Belanglosigkeiten oder sinnlose Beschäftigungen.

Ein paar Beispiele von nicht wichtigen und nicht dringenden Aktivitäten:

  • Fernsehen
  • Durchstöbern von Snapchat, Facebook, Youtube, Instagram oder Twitter
  • Spätnachts online shoppen
  • Hirnlos das Internet zu surfen
  • Computerspiele zocken

Wir tendieren dazu, eine Menge Zeit mit Q4 Aktivitäten zu verbringen, was wiederum sehr schlecht ist da wir nicht von diesen Aktivitäten profitieren. Trotzdem rate ich dir davon ab, diese Aktivitäten komplett aus deinem Leben zu verbannen, da sie ideal sind um nach einem anstrengenden und hektischen Arbeitstag “runterzukommen”. Nichtsdestotrotz empfehle ich dir, dass du diese Aktivitäten auf ein Maximum von 5% deiner täglichen Zeit reduzierst.

Verbringe mehr Zeit mit wichtigen Aufgaben

tim ferrissEs ist oft hart, den Fokus in so einer schnelllebigen Welt zu behalten. Es gibt so viele Dinge die uns ablenken und es ist nicht immer leicht einen kühlen Kopf zu bewahren. Deswegen ist die Fähigkeit zwischen Aufgaben zu unterscheiden die dringend sind und die wirklich wichtig sind so entscheiden heutzutage.

Damit das Leben dieses Artikels auch einen Mehrwert in deinem Leben verursacht, fordere ich dich heraus, die Eisenhower Matrix so oft wie nur möglich in jeglichen Bereichen deines Lebens zu verwenden. Immer wenn du mit einer Entscheidung konfrontiert wirst, solltest du dir die Frage stellen: „Mache ich es, weil es für meine Ziele wichtig ist – oder nur, weil es dringend ist?“.

Ich verspreche dir, dass wenn du einen Großteil deiner Zeit mit wichtigen, aber nicht dringenden Aufgaben verbringst, du ein Gefühl von Klarheit, Ruhe und Kontrolle in deinem Leben fühlen wirst. Investitionen in die Planung von Q2 Aktivitäten helfen dir auch dringende Probleme und Krisen vorbeugend zu reduzieren oder gar zu eliminieren.

Vergiss nicht, dass du deine Aufgaben in Q3 mit deinen eigenen Bedürfnissen abgleichst. Zu guter Letzt: Denke daran, die wertvolle Zeit welche du mit Q4 Aktivitäten verbringst zu genießen.

Mehr Infos zu Samu

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brutkasten-Gründer und CEO Dejan Jovicevic beim 10-jährigen Jubiläum im Dezember. (c) brutkasten/Marko Kovic

Dieses Interview ist im brutkasten-Printmagazin von Dezember 2024 erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


brutkasten: Wie kam es 2014 zur Gründung von brutkasten?

Dejan Jovicevic: Ich war im Styria-Konzern bei „Presse“ und „Wirtschaftsblatt“ und habe dort die Rechts- und Personalabteilung geleitet. Da kam einmal Christoph Hantschk, der Gründer des Startups goodbag, auf mich zu. Er wollte eine klassische Medienkooperation mit mir vereinbaren, bei der wir 20 Abos verlost hätten. Im Zuge unserer Gespräche dazu hat mich dieser Startup-Spirit fasziniert, den ich so bisher nicht kannte.

Meine ursprüngliche Idee war, dass wir mit „Presse“ und „Wirtschaftsblatt“ für Startups Leistungen erbringen könnten, z.B. das Controlling oder Legal-Themen. Ich wollte einfach irgendwie dabei sein. Ich habe dann gesehen, dass die Styria an einem Startup von Lorenz Edtmayer und Maximilian Nimmervoll beteiligt war, das App-Entwicklung angeboten hat. Die Leistung wollte ich ebenfalls dabei haben und habe dann Kontakt zu Lorenz aufgenommen.

Da hat sich dann herausgestellt, dass er gerade eine Job-Plattform für Startups plant. Für die Job-Plattform hat es Content gebraucht. So haben wir dann gemeinsam brutkasten konzipiert.

Wie ging es in die Umsetzung?

Ich habe von „Presse“ und „WirtschaftsBlatt“ dann die Zusage bekommen, dass wir das umsetzen können. Wir haben eine Website gestartet, mit internen Ressourcen der Styria. Die Styria hat parallel auch einen internen Inkubator für Innovation ausgeschrieben. Dort habe ich brutkasten als Projekt eingereicht. Es wurde als eines der fünf Siegerprojekte von rund 100 Einreichungen ausgewählt. In weiterer Folge konnten wir dann auch die ersten Leute einstellen. Unsere erste Redakteurin war Theresa Breitsching, die ab Ende 2014 Vollzeit für brutkasten gearbeitet hat.

Du selbst hast aber noch nicht Vollzeit an brutkasten arbeiten können?

Nein, ich habe das alles neben der Leitung der Rechts- und Personalabteilung gemacht. Ich war aber noch weit entfernt von dem Unternehmer, der ich heute bin; der weiß, wie man eine Firma aufbaut. Damals war es mehr Enthusiasmus und weniger Wissen. Wir haben dann unsere ersten internen Business Angels gewonnen, „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak und WirtschaftsBlatt-Chefredakteurin Eva Komarek.

Wir hatten damals zwei Seiten pro Woche in der „Presse“-Printausgabe vom Samstag, und zusätzlich haben wir brutkasten eben online bespielt. Das hat damals Theresa Breitsching weitgehend alleine gemacht. Ich habe meinen Hauptjob gehabt und immer wieder daneben was für brutkasten gemacht. Ich konnte aber aus dieser Management-Rolle nicht ganz raus, und das hat dann 2017 zum Buyout geführt. Den haben Lorenz Edtmayer, Maximilian Nimmervoll, Michael Tillian und ich dann gemacht. So wurde brutkasten ein eigenständiges Unternehmen.

Dejan Jovicevic machte 2017 den Management-Buy-out gemeinsam mit Lorenz Edtmayer, Michael Tillian und Maximilian Nimmervoll (v.l.n.r).

Hattest du früher schon die Vorstellung, dass du eines Tages Unternehmer werden möchtest, oder ist das durch deine Beschäftigung mit der Startup-Szene entstanden?

Weder noch. Wir sind gemeinsam mit „Presse“ und „WirtschaftsBlatt“ zu dem Entschluss gekommen, dass brutkasten als eigenes Unternehmen bessere Chancen hätte. Aber ich bin nicht einmal durch meine Beschäftigung mit der Startup-Szene auf die Idee gekommen, zu gründen: Ich war eigentlich an einem Karriereweg im Konzern interessiert. Und dann ist mir das passiert.

Als ich es meinem Mentor Michael Tillian erzählt habe, hat er mir gesagt: Dejan, das musst du machen – denn so eine Opportunity kriegst du nicht wieder.

Wie lange hat es gedauert, bis es dann Realität wurde?

Die Verhandlungen liefen noch acht Monate. Parallel dazu habe ich meinen ersten Sohn bekommen, im Dezember 2016. Im Mai 2017 waren die Verhandlungen abgeschlossen. Die Zeit bis dahin war eine brutale Phase, mit wenigen Stunden Schlaf pro Nacht. Ich habe ja noch immer meinen Hauptjob in der Styria gehabt und das parallel verhandelt. Die Verhandlungen waren sehr fair und ich bin der Styria dankbar, dass sie mir diese Möglichkeit gegeben hat.

Wie lief dann der Start als eigenes Unternehmen?

Der Deal war, dass wir den gesamten Betrieb übernehmen. Das waren damals fünf Leute und wir hatten keine Investoren, die uns finanziert haben. Wir hatten damals kein Geld. Die ersten Gehälter habe ich aus dem Stammkapital bezahlt. Mir selbst habe ich nichts ausbezahlt. Für die zweiten Gehälter haben wir dann schon Geld verdienen müssen. Das war eine brutale Phase. Wir waren 24/7 im Einsatz.

Du hast erzählt, dass du in der Anfangszeit von brutkasten gar nicht so stark ins Daily Business involviert warst. Wann hast du begonnen, selbst Content zu produzieren?

Das ist mit den Facebook-Livestreams gekommen. Das wollte ich unbedingt als First Mover machen. Diese Facebook-Livevideos haben uns dann auch den größten Boost gegeben – wir haben überallhin das Handy mitgenommen, Stative aufgebaut und von überall gestreamt. Das war damals neu und ist super angekommen. In dieser Phase hatten unsere Videos oft 10.000 Views und viele Kommentare.

Wie ging es für das Unternehmen brutkasten wirtschaftlich weiter? Wie kam es zur ersten Finanzierungsrunde im Jahr 2018?

Wir sind nach dem Buyout weiter gewachsen. Die ersten beiden Jahre haben wir operativ positiv abgeschlossen. Wir haben eine ordentliche Sogwirkung gespürt. Das hat dazu geführt, dass uns die ersten Investoren angesprochen haben. Wir hatten einfach Buzz erzeugt, weil ständig Gründer bei uns in den Livestreams waren.

Und dann hat mich einmal Runtastic-Co-Founder Florian Gschwandtner bei einem Drink angesprochen, dass wir uns bei ihm melden sollten, wenn wir mal Investoren suchen sollten. Unsere Eigentümerstruktur hatte sich da schon etwas verändert: Michael Tillian ist zur Russmedia gewechselt und hat, um Interessenskonflikte zu vermeiden, dort seinen 15-Prozent-Anteil eingebracht. Von Russmedia gab es dann ebenfalls die Bereitschaft, in brutkasten zu investieren, um eine Expansion auf den deutschen Markt zu finanzieren.

Über Kontakte und WhatsApp-Nachrichten hatten wir plötzlich eine 1,25-Mio.-Euro-Finanzierungsrunde aufgestellt. Andreas Bierwirth und die mySugr-Gründer waren auch mit dabei. Dann hatten wir noch ein brutkasten-Interview mit den Bitpanda-Gründern Eric Demuth und Paul Klanschek. Nach dem Interview hatte ich einen Notartermin, und als sie erfahren haben, warum, wollten sie ebenfalls einsteigen.

Du hast eindrücklich geschildert, wie wenig Geld am Anfang da war. Dann hast du plötzlich 1,25 Mio. Euro am Konto gehabt. Wie war das für dich in dem Moment?

Da konnte ich zum ersten Mal ein bisschen durchatmen. Gleichzeitig ist es jedoch so, dass so ein Betrag zwar nach einer hohen Summe klingt, aber 500.000 davon haben wir dann für die Akquisition von StartingUp verwendet – einiges für den Kaufpreis, aber da kommen ja noch eine ganze Reihe anderer Kosten, etwa für Anwälte, dazu. Beim Rest hast du dann monatlich gesehen, wie es weniger wird. Wir haben ja auch ins Team investiert.

Gleichzeitig haben wir aber unseren Umsatz gesteigert. Es war keine zweite Finanzierungsrunde nötig, weiteres Wachstum haben wir dann über Fremdkapital finanziert.

In der Coronapandemie entstand dann mit den digitalen Events ein neuer Geschäftsbereich …

Das hat uns einen Boost gegeben, das war ein wichtiger Meilenstein mit wirklich coolem Wachstum. Wir waren lange Zeit ganz klar als Medium positioniert; auf einmal war das Agentur-Business megaerfolgreich. Das war aber eine opportunistische Situation, kein Ergebnis eines langen Strategieprozesses. Es war im ersten Corona-Lockdown einfach überlebensnotwendig, sich etwas anderes zu überlegen.

Manche haben mir zu Kurzarbeit geraten, ich habe mich aber für „Langarbeit“ entschieden. Ich habe gewusst, es wird uns etwas einfallen – und das waren die digitalen Events. Wir waren dann sehr gefragt, weil wir ein Must-have-Produkt hatten. Wir haben diese Dinge eben auch viel schneller gelernt als Agenturen, die auf Kurzarbeit waren. Das digitale Event-Business hat uns viele Aufträge gebracht und für Wachstum gesorgt.

Manche haben mir zu Kurzarbeit geraten, ich habe mich aber für „Langarbeit“ entschieden.

Aber wir haben schon auch gelernt, dass unsere mediale Tätigkeit darunter leidet. 2021 war ein starkes Wachstumsjahr für uns: Wir haben in diesem Jahr über 20 Personen eingestellt und das „Venture Capital Magazin“ in Deutschland gekauft. Damit haben wir den Sprung auf rund 50 Mitarbeiter:innen gemacht.

Aus damaliger Sicht war das nachvollziehbar, weil die Prognosen auf starkes Wirtschaftswachstum hindeuteten. Man hat auf den Aufbruch nach der Pandemie gewartet, und dafür haben wir uns aufgestellt. Ich wollte vorne dabei sein, wenn der Aufschwung kommt. Dann ist es aber anders gekommen – mit dem Ukraine-Krieg, der am 24. Februar 2022 begonnen hat.

Wie hat sich das ausgewirkt?

Im Jänner und Februar war die Wirtschaft noch total im Aufbruch und wir hatten Aufträge, bei denen es um größere Summen ging als jemals zuvor. Dann kamen die Wirtschaftskrise, Inflation, die Venture-Capital-Krise und die ersten großen Layoffs in der Startup-Szene. Das hat uns auch vom Werbemarkt her getroffen. Das Geschäft mit den digitalen Events ist dann gravierend eingebrochen. Die Rezessionsangst in der Wirtschaft war sehr hoch. Eine Firma unserer Größe ohne Cashreserven konnte in so einem Umfeld nicht mehr überleben, auch wenn wir zwischenzeitlich eine Erholung geschafft haben. Das hat dann in einer Notoperation zum Verkauf an die VGN-Gruppe geführt.

Mit dem Deal wurde die VGN neue Mehrheitseigentümerin, du selbst hast die Mehrheit abgegeben. Wie war das für dich?

Es ging alles sehr schnell. Plötzlich standen wir vor dem Aus. Ich habe über tausend unterschiedliche Optionen nachgedacht. Das war eine Phase, in der ich jede Nacht um vier Uhr aufgewacht bin. Für mich persönlich war es die transformativste Phase meines Lebens, im Nachhinein auch im positiven Sinn.

Es hat sich schnell herausgestellt, dass die VGN die einzige Möglichkeit in der notwendigen Geschwindigkeit war. Gemeinsam mit Horst Pirker haben wir mit den Altinvestoren eine für alle gangbare Lösung gefunden. Für mich war es essenziell, auch mir selbst die Frage zu beantworten: Habe ich noch die Kraft, das die nächsten zehn Jahre weiterzumachen? Will ich das? Sehe ich noch die Vision? Und ich bin zum Schluss gekommen: Ja, das möchte ich. Ich habe tatsächlich in meine Kraft zurückgefunden, durch den radikalen Fokus auf die einzige Aufgabe: den Fortbestand von brutkasten zu sichern.

Wir konnten die Restrukturierung dann sehr gut bewältigen. Über den Sommer haben wir strategisch gearbeitet und Klarheit gewonnen. Dann sind wir mit gutem Elan und vielen Hausaufgaben in den Herbst hineingegangen, und wir haben die folgenden 18 Monate bravourös gemeistert; das gesamte Team. Heute stehen wir nach all diesen Erfahrungen mit einer strategischen Klarheit da, die wir nie hatten, mit einem starken kaufmännischen Fundament und mit einem Team, das besser als je zuvor zusammenarbeitet.

Wir feiern jetzt zehn Jahre brutkasten. Wie siehst du den Beitrag, den brutkasten zum Innovations-Ecosystem leistet?

Wir haben Brücken zwischen Startups, Investoren und Corporates gebaut, Innovationen sichtbar gemacht und dem österreichischen Innovations-Ecosystem eine Stimme gegeben. Ohne uns wären viele Erfolgsgeschichten vielleicht unbemerkt geblieben.

Birthday Bash zum zehnjährigen Jubiläum von brutkasten.

Unsere Plattform hat dabei geholfen, die inspirierendsten Köpfe des Landes miteinander zu verbinden und Mut zu machen, neue Wege zu gehen. Mit unseren unterschiedlichen Formaten wie Studiotalks, dem Printmagazin oder unseren Events haben wir dafür gesorgt, dass die Innovationskraft unseres Landes die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient.

Du sprichst jetzt auch die Brückerbauer-Funktion zwischen Startups und Corporates an. brutkasten ist aus der Startup-Szene heraus entstanden, hat sich aber verbreitert und deckt mittlerweile das komplette Innovations-Ecosystem ab. Wie siehst du heute das Verhältnis zwischen brutkasten und der Startup-Szene?

Mich haben die Gründerinnen und Gründer fasziniert. Deshalb habe ich ein Medium für sie gebaut, mit allen Leuten, die den Weg seit Tag eins mitgehen. Aber schon ganz zu Beginn war unser Claim „Bridging the new and the old economy“. Das hatten wir auf der allerersten Website. Ich war von Anfang an überzeugt, dass, wenn man diese beiden Welten zusammenbringt, Startups stärker werden, weil sie Kunden, Partner und Projekte brauchen; und Corporates werden stärker, weil sie Innovation brauchen, die sie alleine nicht schaffen.

Dieser Teil des Brückenbauens hat für mich immer eine große Rolle gespielt, weil ich für die Corporate-Welt große Wertschätzung habe. Das ist letztlich die tragende Säule der Wirtschaft, und wenn man diese durch die Innovationskraft der Startups stärkt, stärkt man beide Seiten.

Ich sehe Startups auch nicht als isoliertes Phänomen – sie sind als Teil der Wirtschaft auch Garant für Wohlstand und das Sozialsystem. Dass alle zusammenarbeiten, ist mir wirklich ein Anliegen – heute mehr denn je, denn Europa muss selbstbewusster werden und die eigene Wettbewerbsfähigkeit stärken.

In diesem Kontext ist ja auch die neue brutkasten-Initiative Austrian Innovators zu sehen, die 2025 starten wird. Was steckt dahinter?

Wir brauchen die Innovationskraft, die Geschwindigkeit und den Mut von Gründerinnen und Gründern. Aber alleine werden sie die Welt nicht umkrempeln können. Da braucht es Corporates, die bereit sind, Geld zu investieren und Infrastruktur zu teilen. Es braucht Investoren und den Kapitalmarkt, der die Transformation finanziert. Und es braucht Policymaker und die Wissenschaft. Alle diese Stakeholder wollen wir zusammenbringen, aus der Überzeugung, dass wirklich große Dinge möglich werden, wenn die richtigen Leute an einem Strang ziehen.

Viele dieser Communitys, die ich jetzt genannt habe, sind untereinander halbwegs gut vernetzt, aber über den Tellerrand noch nicht so wirklich. Hier kann brutkasten als Ecosystem-Player einen Beitrag leisten, diese Akteure an einen Tisch zu bringen; in einem monatlichen Format mit digitalen Komponenten.

Wir feiern jetzt zehn Jahre brutkasten. Wo könnte brutkasten in weiteren zehn Jahren stehen?

Ich sehe brutkasten als Unternehmen, das weiter Pionierarbeit leistet und neue Standards setzt. Wir wollen nicht nur Trends folgen, sondern sie gestalten; sowohl in der Medienwelt als auch im Innovations-Ecosystem. Unsere Vision ist es, die erste Anlaufstelle für alle zu sein, die Innovation in Europa vorantreiben wollen. Mit einem starken Team, einer klaren Strategie und der Bereitschaft, uns immer wieder neu zu erfinden, sind wir bestens gerüstet, um die nächsten zehn Jahre erfolgreich zu gestalten.

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