21.04.2022

PrimeCrowd-Gründer: “In Österreich wird wenig österreichisches Kapital investiert”

Seit fast zwei Jahren gibt es in Österreich ein Gesetz, das für Investments in österreichische Startups eine bürokratische Hürde bedeutet. In einem Interview zieht Investor Markus Kainz Bilanz.
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Markus Kainz über den Business Angel Summit
PrimeCrowd-Co-Founder Markus Kainz © Dominik Perlaki / brutkasten

Markus Kainz hat das Investor:innen-Netzwerk PrimeCrowd mitgegründet, dem mittlerweile in Österreich und Deutschland rund 3000 Investor:innen angehören. 300 davon investieren aktiv in Startups und Unternehmen, wie er im Gespräch mit dem brutkasten erzählt. Heuer will sich das Netzwerk vor allem auf Nachhaltigkeits-Investments konzentrieren. Im Interview spricht Kainz mit dem brutkasten über die erste Bilanz des Investitionskontrollgesetzes, das bald zwei Jahre lang in Österreich inkraft ist und auch im Startup-Bereich Investments verzögert.

Im Juli 2020 trat das Investitionskontrollgesetz in Österreich inkraft und hat in der Startup-Szene für Unmut gesorgt, da ausländische Investitionen in österreichische Unternehmen unter bestimmten Umständen genehmigungspflichtig wurden. Ein erster Bericht zieht Bilanz über das erste Jahr des Kontrollgesetzes und vermerkt dort insgesamt 50 abgeschlossene Verfahren in diesem Zeitraum, von denen keines verweigert wurde und die meisten in einer frühen Phase genehmigt wurden. Wie ist dein Fazit nach fast zwei Jahren?

Markus Kainz: In den letzten acht Jahren vor dem Gesetz gab es insgesamt 25 Verfahren. Die Zahl hat sich also sehr stark erhöht. Von VCs höre ich oft den Vergleich zur Rot-Weiß-Rot-Card – man will schnell vorankommen und muss dann aufgrund bürokratischer Verfahren monatelang warten. Zwischen Antrag und Entscheidung werden da sehr aufwändige bürokratische Verfahren geschoben. Das ist für Investoren oder potenzielle Käufer unattraktiv. 

Ist das in der Praxis wirklich so, dass ausländische Investoren Deals absagen, weil sie zwei Monate warten müssen?

Es ist ohnehin schon sehr schwer, einen Investor zu überzeugen, bei dir zu investieren. Das Kontrollgesetz alleine ist sicher kein Dealbreaker, kann aber in Verbindung mit anderen Dingen vielleicht das Tüpfchen auf dem i sein. Da kommt oft viel zusammen, warum man jetzt eine Entscheidung braucht – vielleicht müssen auch alte Investoren herausgekauft werden. Es ist unangenehm, dann sagen zu müssen, dass es einige Wochen dauern kann, bis die Verträge unterschrieben werden können. Wochen, in denen sich vielleicht auch externe Faktoren ändern können und es sich der Investor wieder anders überlegt. 

Politiker:innen argumentieren, dass solche Kontrollen notwendig sind, um zu verhindern, dass Schlüsseltechnologien aus Europa abwandern. Ist das für dich gar nicht nachvollziehbar?

Ich verstehe das, aber ich glaube, dass die Schlüsse daraus die falschen sind. Ich glaube, dass wir mit Protektionismus den falschen Weg einschlagen. Statt zu sagen, wir produzieren einfach neue innovative Unternehmen nach, wollen wir Innovationen davor beschützen, über die Grenzen hinaus zu wachsen. Das ist nicht weitsichtig. 

Mit welchen anderen Strategien könnte man denn dieser Angst, dass Schlüsseltechnologien aus Europa „herausgekauft“ werden, begegnen?

Da braucht man sich nur anschauen, was bereits funktioniert hat. In den USA hat beim Aufbau des Silicon Valley funktioniert, dem Ökosystem so viel Raum und Finanzierung zu geben, wie möglich ist und das System Stück für Stück aufzubauen. Natürlich ist das viel Arbeit. Wir bräuchten einen europäischen Beschluss, der dem Thema Startup viel Raum gibt und auch Gesetze, um Startup-Investitionen attraktiv zu machen. Es muss mehr Geld in diesen Bereich gepumpt werden – vor allem aus dem privaten Markt. Bei Gesetzen, die das fördern, zögern wir und im Protektionismus sind wir dann Weltmeister. 

Laut dem Bericht zum Investitionskontrollgesetz gehört Österreich zu den Top 5 Ländern gemessen an der Anzahl der Investitionskontrollen in Europa. Das wird dort so interpretiert, dass Österreich für ausländische Investoren besonders attraktiv ist. Siehst du das auch so?

Sie haben insofern recht, weil in Österreich wenig österreichisches Kapital investiert wird. Dadurch sind wir natürlich sehr abhängig von ausländischen Investoren. 

Wir wissen ja auch aus diversen Reports für den Startup-Bereich in Österreich, dass das Kapital in diesem Sektor vor allem aus den USA kommt. Das ist oft, neben der finanziellen Komponente, auch eine strategische Überlegung, wenn es um die weitere Expansion der Startups geht. Ist es also überhaupt ein Problem, dass das Geld aus dem Ausland kommt?

In diesem Zusammenhang ist Israel ein gutes Beispiel. Israel hat praktisch den ganzen Venture-Capital-Bereich mit amerikanischen Investoren aufgebaut. In Israel werden unter anderem anwendungsorientierte Militärtechnologien entwickelt und dort hat auch niemand Angst vor einem Ausverkauf, wenn das Kapital aus den USA kommt. Ob uns jemand was wegnimmt, ist die falsche Frage. 

Laut der Bilanz ging kein Verfahren bei der Investitionskontrolle mit einer Verweigerung der Genehmigung aus – vier von 50 wurden vom Antragsteller zurückgezogen. Lässt sich daraus schließen, dass die Angst vielleicht ohnehin unbegründet ist?

Wenn kein einziges Verfahren abgelehnt wurde, kann man die Sinnhaftigkeit schon anzweifeln. Das klingt vielleicht toll, dass wir so die österreichische Technologie beschützen, wir müssen uns aber auch immer die langfristige Sinnhaftigkeit ansehen. 

Derzeit ist sehr viel Geld im Markt, das Umfeld ist aber auch gerade stark im Umbruch durch hohe Inflation, Krieg und Krisen. Denkst du, dass Startups als Assetklasse interessant bleiben?

Ja, ich glaube schon, dass Startups eine attraktive Assetklasse bleiben. Viele Investoren wollen sehen, worin sie investieren und auch ein Gefühl dafür haben. Ich glaube aber schon, dass es bei den Bewertungen eine Korrektur geben wird. Wir merken an den Börsen, dass Tech-Companies viel Kapital verlieren und die Venture-Capital-Fonds müssen sich dem anpassen. 

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Jumug Carbon Recovery Ataleo Insolvenzen
(c) Adobe Stock

Das Unternehmen ilvi mit Sitz in Gleisdorf, Steiermark, digitalisiert mit seiner Hardware-Software-Kombination die Erfassung von Vitalwerten von Patient:innen. 2018 gab es dafür eine knapp siebenstellige Kapitalspritze unter dem Lead von eQventure. Wie nun der KSV (Kreditschutzverband) bekannt gab, wurde ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung am Landesgericht Graz beantragt.

ilvi: Sanierungsplanquote von 20 Prozent

Es gibt 37 Gläubiger, elf Dienstnehmer:innen und rund 165.000 Euro Aktiva, bei 1,6 Millionen Euro Passiva. Das Unternehmen bietet eine Sanierungsplanquote von 20 Prozent, zahlbar innerhalb von zwei Jahren vom Tag der Annahme des Sanierungsplanvorschlages an.

Zu den Gründen für die Insolvenz zählen, dass die Umsatzerlöse der ilvi GmbH für das Jahr 2024 nicht erzielt werden konnten. Zudem wurde ein gewährtes Darlehen schneller verbraucht als ursprünglich angenommen. Eine weitere Darlehensvergabe war nicht möglich. Gespräche mit potentiellen Investoren führten ebenfalls zu keinem positiven Abschluss.

2018 gegründet

Zur Geschichte: Die ilvi GmbH wurde am 16. August 2018 von Erwin Berger und Christoph Kauer als Spin-off der Berger Medizintechnik GmbH gegründet. Nach mehreren Wechseln an der Spitze wird das Unternehmen seit dem 14. Mai 2024 durch Geschäftsführer Franz Salomon selbstständig vertreten.

Das Medtech fokussierte sich auf Softwareentwicklung im Bereich der Medizintechnik, insbesondere im Bereich mobiler Datenerfassung im Gesundheitsbereich. Darauf basierend entwickelt, produziert und vertreibt das Unternehmen Medizintechnikprodukte.

Die mobilen Softwarelösungen hingegen zielen darauf ab, die Lebens- und Versorgungsqualität der Patient:innen zu verbessern und gleichzeitig die Gesundheitsversorgung der Zukunft sicherzustellen. Der “Personal Digital Assistant”, der Gesundheitswerte direkt am Krankenbett erfasst, via Bluetooth mit unterschiedlichen Geräten kommuniziert und Daten an das Krankenhaus-Informationssystem überträgt, soll die Arbeitsprozesse des Pflegepersonals digitalisieren und dadurch zugleich optimieren.

Fortführung von ilvi geplant

Die ilvi GmbH beabsichtigt das Unternehmen unter Umsetzung einiger Sanierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen fortzuführen: “Der zu bestellende Insolvenzverwalter wird nunmehr zu prüfen haben, ob eine Fortführung im Interesse der Gläubiger liegt und der vorgelegte Sanierungsplan eingehalten werden kann”, sagt Brigitte Peißl-Schickmair, Leiterin Unternehmensinsolvenz Graz.

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