16.02.2022

notarity: Wiener LegalTech holt sich zum Launch erstes Investment

Notarity bietet Notar:innen und Klient:innen eine Plattform für digitale Notariatsakte. Im ersten Investment holt das Team Big Cheese an Bord.
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V.l: Benjamin Ruschin (Big Cheese), Alexander Gugler, Sebastian Wodiansky, Jakobus Schuster und Max Pointinger von notarity und Mark Kaslatter (Big Cheese) © Katharina Schiffl
V.l: Benjamin Ruschin (Big Cheese), Alexander Gugler, Sebastian Wodiansky, Jakobus Schuster und Max Pointinger von notarity und Mark Kaslatter (Big Cheese) © Katharina Schiffl

Startups und Investor:innen können Notariatsakte ganz schön viel Zeit kosten – vor allem dann, wenn ein Co-Founder oder Investor im Ausland sitzt oder wenn ein Investor viele Beteiligungen hat. Seit 2020 kann man in Österreich auch digital zum Notar. Das Wiener Startup notarity nutzt diese Chance, um den gesamten Prozess des digitalen Notariatsakts auf einer Webplattform abzubilden. Dafür haben sich die Gründer Jakobus Schuster (CEO, Alexander Gugler (CFO), Sebastian Wodiansky (CTO) und Max Pointner (Lead Dev) zusammengetan und Mitte 2021 gegründet.

Investoren nutzen Technologie selbst

Die Plattform ist nun fertig und das junge Team hat sich zum Start ein erstes Investment gesichert: Die neu gegründete Big Cheese Ventures aus Wien steigt mit einem mittleren sechsstelligen Eurobetrag ein. Für Big Cheese rund um die Unternehmer Ben Ruschin und Mark Kaslatter ist es die erste Beteiligung und zudem eine ungewöhnliche – denn bis auf diese Ausnahme investieren die beiden nicht Geld, sondern ihre Arbeitsleistung als erfahrene Mentoren. “Wir haben investiert, weil wir die Technologie selbst nutzen, um Finanzierungsrunden unserer Startups schneller umsetzen zu können”, erklärt Ruschin im Gespräch mit dem brutkasten. Dementsprechend wurde auch das erste Investment in notarity über die Plattform abgewickelt. “Die Teilnehmer konnten den Notariatsakt bequem von zuhause aus unterzeichnen. Ich bin begeistert”, kommentiert die beurkundende Notarsubstitutin Maria Regina Thierrichter.

Von Identifizierung bis Signatur

Möglich ist die Abwicklung von Notarterminen über die Plattform seit Dezember 2021. Das Besondere daran: Notar:innen müssen nicht mehr unterschiedliche Tools für die digitale Umsetzung verwenden. Auf der Plattform durchlaufen Nutzer:innen einmal einen Identifikationsprozess und können dann fünf Jahre lang digital zum Notar oder zur Notarin “gehen”, wie Schuster im Gespräch mit dem brutkasten erklärt. Die Plattform bietet außerdem einen Videochat, die Möglichkeit, gemeinsam an Dokumenten zu arbeiten und eine elektronische Signatur. Demnächst soll auch eine Terminbuchung starten.

“Wir vermitteln als Plattform zwischen zwei Gruppen, den Klient:innen und den Notar:innen”, so Schuster. Bei Klient:innen gebe es aber zwei Nutzergruppen: einerseits jene, die selten, vielleicht sogar nur einmal zum Notar oder zur Notarin müssen. “Da geht es vielleicht um den Kauf einer Wohnung, bei der man vielleicht mit Sekt anstößt”. Bei dieser Gruppe sei der digitale Notariatsakt weniger gefragt. Unternehmen oder Startups, die sehr oft mit Notariatsakten zu tun haben und Zeit und Reisekosten sparen wollen, sei das anders. “Da sehen wir eine sehr hohe Nachfrage und spezialisieren uns auf diese Zielgruppe”, sagt der Co-Founder.

So kam die Idee zu notarity

Schuster und Gugler kennen sich bereits aus der Schulzeit. Gugler zog es nach dem Studium in eine Rechtsanwaltskanzlei. “Dort bin ich recht schnell wieder weg, das war nichts für mich. Dann bin ich recht schnell mit Jakob und zwei weiteren Freunden ins Gespräch gekommen”, sagt der notarity-Co-Founder. Die Freunde überlegten unterschiedliche Möglichkeiten im Bereich LegalTech wie Vertragsautomatisierung. Auf die Idee zu notarity kamen sie schließlich, als sie sich das Problem der Umgründung einer britischen Limited in eine GmbH im Zuge des Brexit angesehen hatten.

“In diesem Prozess braucht man an einem gewissen Punkt einen Notariatsakt”, erklärt Gugler. Seit 2020 hat das Team das Startup gebootstrappt und über Förderungen finanziert. “Wir haben uns lange keine Gehälter ausbezahlt”, so der Jungunternehmer. Das ändert sich jetzt mit dem Investment, das das Team vor allem auch in den Personalaufbau und die Produktentwicklung stecken will. “Das Ziel ist auf jeden Fall die führende Plattform für die Abwicklung von digitalen Notariatsdienstleistungen in Europa zu werden”, erklärt Schuster die große Vision des Startups. “Aufgrund einer europäischen Richtlinie gehen gerade alle Länder in Europa in diese Richtung” – ein Momentum, das notarity nutzen will.

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Rechtsanwalt Christian Nordberg | (c) Nordberg

Mitten in der österreichischen Startup-Szene sorgte das Quantencomputing-Unternehmen ParityQC im April diesen Jahres für Aufsehen: Das Unternehmen rund um Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser sicherte sich ein Investment der B&C Innovation Investments GmbH, die mit einem nicht genannten Betrag beim Spin-off einstieg. Laut einer Aussendung der Uni Innsbruck und der Österreichische Akademie der Wissenschaften erreichte ParityQC eine Bewertung vergleichbar mit US-börsennotierten Quantenunternehmen. Diese Bewertungen bewegten sich zum damaligen Zeitpunkt meist im niedrigen neunstelligen Bereich. (brutkasten berichtete).

Aber wie läuft ein solcher Deal ab, insbesondere wenn es um hochsensible Technologien wie Quantencomputing geht? brutkasten hatte die Gelegenheit, mit Christian Nordberg, dem Rechtsanwalt, der die Transaktion rechtlich begleitet hat, zu sprechen. Nordberg liefert Einblicke in die Dynamik einer solchen Finanzierung, die Rolle der IP-Rechte und die rechtlichen Rahmenbedingungen. Zudem liefert Nordberg auch Tipps für Startups, die sich in einer Finanzierungsrunde befinden.

Die Ausgangslage im Fall von ParityQC

Das 2019 gegründete Unternehmen ParityQC hat sich in kürzester Zeit einen Namen in der internationalen Quantencomputing-Szene gemacht. Die Gründer Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser entwickelten ein einzigartiges Architekturmodell für Quantencomputer, das speziell auf Optimierungsprobleme ausgerichtet ist. Diese Technologie ist in der Lage, komplexe Probleme schneller und effizienter zu lösen als herkömmliche Systeme – ein entscheidender Vorteil in Bereichen wie Logistik, Energienetzwerken und Finanzmärkten.

Anders als viele Startups, die oft Jahre brauchen, um profitabel zu werden, hatte ParityQC in der Phase der Finanzierungsrunde bereits eine starke finanzielle Basis. Dank renommierten Kunden wie NEC ist das Unternehmen nach eigenen Angaben seit 2023 profitabel – eine Seltenheit in der Quantenbranche (brutkasten berichtete).

“Ein Unternehmen wie ParityQC, das bereits operativ erfolgreich ist, hat natürlich eine viel bessere Verhandlungsposition gegenüber Investoren als ein Startup in der Frühphase, das dringend Kapital benötigt,“ erklärt Nordberg. Die Profitabilität und die bereits bestehende Kundenbasis gaben dem Unternehmen eine gewisse Unabhängigkeit und Verhandlungsmacht.

Die Bedeutung von IP-Rechten

In der hochspezialisierten Welt des Quantencomputings kommen rechtliche Herausforderungen, wie die Bewertung und Absicherung geistigen Eigentums, besonders stark zum Tragen. Bei einer Due-Diligence-Prüfung wird das gesamte Unternehmen auf Herz und Nieren geprüft – von den finanziellen Aspekten über das Geschäftsmodell bis hin zu den IP-Rechten.

Nordberg erklärt: „Für den Investor steht die Frage im Vordergrund, wie gut die einzigartigen Technologien von ParityQC rechtlich geschützt und risikominimiert werden können.“ IP-Rechte, insbesondere bei einer technologischen Innovation, die wie bei ParityQC eine Zukunftsbranche vorantreibt, sind ein entscheidender Faktor, um das Investment langfristig abzusichern.

In diesem Fall wurde ein technischer Berater hinzugezogen, der die Patente und Technologien im Detail analysierte. Neben dem rechtlichen Schutz ist es hier wichtig, dass der Inhalt und die Funktionsweise der Technologie verstanden werden. “Bei Quantencomputing war das auch für uns als Kanzlei eine besondere Herausforderung, da es sich um hochkomplexe technologische Entwicklungen handelt”, so Nordberg.

Weit mehr als reine Paragraphen

Die Rechtsberatung spielte in der Verhandlungsphase von ParityQC eine zentrale Rolle. Neben der Prüfung der rechtlichen Aspekte war es für Nordberg und sein Team essenziell, das Unternehmen durch die Verhandlungen zu begleiten und strategisch zu beraten. Der Unterschied zu größeren Unternehmen besteht oft darin, dass Startups keine eigenen Rechtsabteilungen oder Corporate-Strukturen besitzen. “Bei ParityQC war das zwar nicht der Fall, Startups in der Frühphase benötigen allerdings oft nicht nur rechtliche, sondern auch strukturelle Unterstützung, um den Anforderungen von Investoren gerecht zu werden“, betont Nordberg.

Die Anforderung an den Rechtsberater ist nicht nur eine klassische Rechtsberatung zu liefern, sondern auch ein Verständnis für unternehmerische Abläufe mitzubringen. “Wenn Startups Unterstützung bei Verhandlungen benötigen, dann geht es häufig auch darum, die Verhandlungsposition zu stärken und sicherzustellen, dass das Startup langfristig von der Partnerschaft mit dem Investor profitiert,“ erklärt Nordberg.

Ein zusätzlicher, oft unterschätzter Aspekt sind dabei die vertraglichen Feinheiten, die sich aus der Investmentrunde ergeben. Hierzu zählt etwa der Gesellschaftsvertrag, der neu aufgesetzt wird, um Investoren Mitsprache- und Vetorechte einzuräumen, ohne dabei die Gründungsgesellschaften in ihrer zukünftigen Geschäftsentwicklung zu stark einzuschränken.

Tipps für Startups in Finanzierungsphasen

Nordberg gibt zudem auch Ratschläge für Startups, die sich in einer Finanzierungsphase befinden. „Investoren wollen sehen, dass ein Startup eine gewisse Struktur aufweist, da dies Vertrauen schafft“, betont er. Dabei gehe es keinesfalls darum, die Atmosphäre eines Konzerns zu simulieren, sondern vielmehr darum, grundlegende Prozesse und Abläufe klar zu definieren. “Wenn ein Startup strukturiert auftritt und den genauen Finanzierungsbedarf kennt, zeigt das den Investoren, dass sie es mit einer professionellen Organisation zu tun haben,“ so Nordberg.

Ein weiterer Tipp des erfahrenen Anwalts betrifft die Wahl des Investors. Hier sollten Gründer:innen darauf achten, dass der Investor zur Unternehmenskultur und den Zielen passt. Neben dem finanziellen Beitrag sind es oft die Netzwerke, Branchenkenntnisse und die Unterstützung bei der Weiterentwicklung des Produkts oder der Dienstleistung, die ein Investor bieten kann. “Ein Startup sollte sich gut überlegen, ob der Investor lediglich Kapital bereitstellt oder auch strategischen Mehrwert bringt,“ erklärt Nordberg.

Arbeit mit Startups erfordert Dynamik und Flexibität

Nordberg teilt zudem auch seine persönlichen Learnings. Für Rechtsanwälte, die sich mit Startup-Beratung beschäftigen, bringt diese Arbeit eine besondere Dynamik und Flexibilität mit sich. Die oft noch jungen Gründer:innen sind stark auf die Entwicklung ihrer Produkte und Ideen fokussiert, und Rechtsberatung muss daher effizient und verständlich sein. „Die Gründer haben selten die Zeit und Kapazität, sich in komplexe juristische Details einzuarbeiten. Da ist es unsere Aufgabe, sie praxisnah und lösungsorientiert zu unterstützen,“ sagt Nordberg.

Abschließend betont Nordberg, dass es für die österreichische Gründerszene ein positives Signal sei, dass ein so komplexes Thema wie Quantencomputing in Österreich erfolgreich im Zuge einer Eigenkapitalrunde finanziert werden konnte. Der Anwalt ist überzeugt, dass derartige Deals dazu beitragen, den Innovationsstandort Österreich zu stärken. Mit seiner Kanzlei sieht er sich gut aufgestellt, um weiteren Startups den Weg durch die komplexe Welt der Investorengespräche zu ebnen – eine Rolle, die in einer wachsenden Startup-Landschaft immer wichtiger wird.


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