01.08.2022

Mitarbeiterbeteiligung: EU will einheitliche Regelung – das könnte aber schwer werden

Die EU-Kommission will sich mit der Innovation Agenda auch dem Problem der Stock Options widmen. Für Startups einer der wichtigsten Punkte.
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EU, Union, Kommission
© Unsplash

Fast alle Unternehmen haben mittlerweile Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Besonders schwierig wird es bei höher qualifizierten Positionen. Startups locken Talent oft mit der Option, sich direkt am Unternehmen zu beteiligen, doch dafür sind in Europa oft umständliche Konstruktionen notwendig, um eine hohe Besteuerung eines real zu dem Zeitpunkt nicht vorhandenen Einkommens (“Dry Income”) zu vermeiden. Besteuert wird nämlich in der Regel der Wert der gewährten Anteile, der bei Startups nach Finanzierungsrunden hoch ausfallen kann. Die EU-Kommission will sich in ihrer “Innovation Agenda” des Problems annehmen, doch das dürfte schwierig werden.

Steuerliche Fragen national geregelt

“Das Fehlen innovationsfreundlicher Regelungen für Mitarbeiterbeteiligung schränkt die Chancen von Startups in der EU ein, im Wettbewerb um Talente mit großen Technologieunternehmen zu bestehen”, schreibt die Kommission in einer Mitteilung. Das Problem ist also identifiziert, der Handlungsspielraum der EU jedoch eingeschränkt. Man plane eine Arbeitsgruppe, die Empfehlungen für Mitgliedsländer ausarbeiten soll, heißt es in der Innovation Agenda lediglich: “Das Forum wird in erster Linie der Kommission und den Mitgliedstaaten einen Austausch von Informationen und bewährten Verfahren ermöglichen, um einen EU-weit koordinierten Ansatz zu erleichtern”.

Viel mehr Spielraum habe die EU eben nicht, bedauert auch Markus Raunig von Austrian Startups auf Nachfrage des brutkastens: “Die unklare und unattraktive steuerliche Behandlung von Mitarbeiterbeteiligung ist dabei aktuell eines der wichtigsten Themen. Ich würde mir wünschen, dass es generell mehr einheitliche Regelungen in der gesamten EU gibt, aber leider werden steuerliche Themen national geregelt. Die Kommission kann daher das Problem nur möglichst laut thematisieren und einen Dialog zwischen den Mitgliedsstaaten anregen. In jedem Fall ist es wichtig, dass es möglichst bald in Österreich zu einer Verbesserung kommt – besonders auch weil wir im EU-Vergleich beim Thema Mitarbeiterbeteiligung aktuell sehr unattraktiv sind”.

Vorschlag Passporting

Richtig kompliziert kann es werden, wenn Startups in Europa expandieren. “Das Ziel der EU ist es, einen einheitlichen Markt zu bieten”, sagt Martin Mignot von Index Ventures zu Politico. “Das ist eindeutig nicht der Fall, wenn es um Talent geht”. Er schlägt alternativ zu einer Vereinheitlichung der Regelungen ein Passporting-System vor, bei dem steuerliche Regelungen aus anderen Ländern anerkannt werden. Index Ventures hat sich dem Thema Mitarbeiterbeteiligung in Europa ausführlich in einem eigenen Handbuch zu den unterschiedlichen nationalen Regelungen gewidmet und kommt in einer offiziellen Stellungnahme zur Innovation Agenda zum Schluss: “Der durch den Austausch optimaler Lösungen entstehende Gruppendruck ist eine starke Triebkraft für Veränderungen, doch nur ein gesetzlicher Rahmen würde zu nationalen Reformen in dem erforderlichen Tempo führen”.

“Verbitterung gegenüber Startups”

Ein wichtiger Punkt sei die doppelte Besteuerung und vor allem die Besteuerung des “Dry Income” bei Gewährung der Anteile. Ein Problem sieht Index Ventures aber auch beim Vesting und beim Verlassen des beteiligten Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin eines Startups. Diese müssten häufig auf ihre durch Vesting “zusammengesparten” Anteilsoptionen verzichten, da zu diesem Zeitpunkt der Gewährung der Anteile (also vor dem Exit oder IPO, wenn auch tatsächlich Geld fließen würde) eine hohe Steuerlast anfallen würde. “Das Gefühl der Frustration, das damit einhergeht, schlägt oft in Verbitterung gegenüber Startups um. Diese Psychologie kann dem Ökosystem der Startups und ihrem Talentpool erheblich schaden. Menschen, die das Unternehmen verlassen, haben nichts vorzuweisen und keine Motivation, in das Ökosystem zurückzukehren”, schreibt Index Ventures in der Stellungnahme.

Österreich und Deutschland zögerlich bei Reform

In Österreich greifen aufgrund der derzeitigen steuerlichen Regelungen die meisten Startups auf Phantom Shares, also virtuelle Anteile, zurück. Christoph Puchner von Ecovis erklärte kürzlich in einem Talk mit dem brutkasten, wie kompliziert die Mitarbeiterbeteiligung in Österreich werden kann. Die Regierung nimmt sich des Themas sehr zögerlich an und die Pläne, die Beteiligung über eine neue Gesellschaftsform für Startups zu erleichtern, sind ins Stocken geraten.

In Deutschland sind die Regelungen für eine Beteiligung von Mitarbeiter:innen ähnlich ungünstig wie in Österreich, wobei hier bereits eine mehrjährige Phase eingeführt wurde, in der die Besteuerung gewährter Anteile nicht fällig wird. Die jüngst vorgelegte Startup-Strategie birgt in dieser Hinsicht jedenfalls erneut Zündstoff und hat in diesem Punkt auch zu viel Kritik geführt. Bei der Mitarbeiterbeteiligung soll „bei der Besteuerung so weit wie möglich auf den faktischen Liquiditätsfluss“ abgestellt werden. Wie genau das aussehen könnte, ist aber noch offen. Hier sind noch schwierige Diskussionen zu erwarten – von einer einheitlichen Regelung ist die EU folglich sehr weit entfernt.

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Grafiken zur Startup Entwicklung Österreich
Eigene Grafiken, Karte Rechts (c) ASM
mit Visuals

Dieser Artikel erschien zuerst in der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download findet sich am Ende des Artikels.

Es ist das Jahr 2014, brutkasten wurde soeben gegründet. Im September launcht Bitpanda, damals noch unter dem Namen Coinimal, Runtastic bringt ein Fitnessarmband auf den Markt und Shpock steht kurz vor der Übernahme durch den norwegischen Medienkonzern Schibsted. Die Startup-Szene boomt.

Das alles ist heute zehn Jahre her. Eine lange Zeit, in der in der österreichischen Startup-Szene einiges passiert ist – Erfolgsstorys von großen Exits werden geschrieben, Investor:innen stecken Millionenbeträge in junge Unternehmen, staatliche Gesellschaften wie die FFG vergeben jährlich 100 Millionen Euro für Projekte von Startups. Aber auch Krisen wie die Covid-19-Pandemie erschütterten die Wirtschaft – immer wieder werden Startups insolvent.

All diese Veränderungen versucht der Austrian Startup Monitor (ASM) festzuhalten, hinter dem das Austrian Institute of Technology (AIT) steht. Durch jährliche Umfragen erhebt die Forschungseinrichtung wichtige Daten, die einen Überblick über die Welt der Startups liefern. Diese Daten wurden brutkasten exklusiv zur Verfügung gestellt. Wir haben uns an – gesehen, was sich in den letzten zehn Jahren in der österreichischen Startup-Szene verändert hat.

Gründungsland Österreich

Beginnen wir mit den Neugründungen. Insgesamt 277 Startups wurden 2014 – im Entstehungsjahr von brutkasten gegründet. Anschließend stieg die Anzahl der Gründungen jährlich, bis der Wert 2017 mit 379 Startups seinen bisherigen Höhepunkt erreichte.

Was die Daten des ASM ebenfalls zeigen, ist ein kleiner Rückgang im ersten Jahr der Covid-19-Pandemie. Doch die Startup-Szene erholt sich schnell, bereits 2021 befinden sich die Neugründungen wieder auf Vorkrisenniveau. Aufgrund der vom AIT ausgewählten Suchstrategien, scheinen neu gegründete Startups erst mit einer zeitlichen Verzögerung bis zu zwei Jahren in den Daten auf. Doch für 2022 bis heute wird, ähnlich der Werte aus Deutschland, eine stabile Anzahl an Neugründungen erwartet  – wenn auch mit einem leichten Rückgang.

Investments: Mehr Deals, Gesamtsumme aber zuletzt rückläufig

Dass Startups über die Jahre vor allem wirtschaftlich immer relevanter werden, zeigen auch die Daten des jährlich erscheinenden EY Start-up-Barometer. Die Studie verrät, dass die Anzahl der Investments für österreichische Startups im vergangenen Jahr ein Rekordhoch erreicht hat. Noch nie zuvor wurden so viele Deals abgeschlossen.

Hier lohnt sich jedoch der Blick auf die Gesamtsumme der Investments. Denn 2023 waren die Investmentbeträge zum zweiten Mal rückläufig. Wie die Daten von EY zeigen, wurden 2023 zwar weit mehr Investments abgeschlossen als jemals zuvor, allerdings gab es keinen einzigen Großdeal im Umfang über 100 Millionen Euro.

2021 war die Anzahl an Investments zwar noch um einiges niedriger als 2023, allerdings katapultierte die Anzahl an Großdeals - wie etwa jene von Bitpanda oder GoStudent - die Summe in eine noch nie da gewesene Höhe. Über 1,2 Milliarden Euro wurde damals in Startups investiert  – mehr als die Hälfte davon alleine durch Großdeals.

Startups werden immer höher bewertet

Neben der Anzahl an Investments steigt auch die Bewertungen der Startups kontinuierlich. Aus den Daten des ASM geht hervor, dass die Investor:innen 2019 noch den Großteil der Startups mit weniger als 2,5 Millionen Euro bewertet haben. Doch bereits im Jahr darauf hat sich alles geändert: Mehr als die Hälfte der Startups erhielt eine Bewertung über dem Schwellwert. 

Seitdem sind die Bewertungen jährlich gestiegen. Im vergangenen Jahr kamen 44 Prozent der heimischen Startups auf eine Bewertung von mehr als fünf Millionen Euro  –  so hoch war der Wert noch nie. Einige Startups haben Bewertungen von über 100 Millionen Euro erreicht.

Startup-Gründung: eine Frage des Geldes

Insgesamt steigt zwar die Anzahl der Investments und auch die Bewertungen. Doch auf welche Finanzierungsformen setzen österreichische Startups überhaupt in welchem Ausmaß?

Die Daten zeigen: Bootstrapping bleibt nach wie vor häufigste Finanzierungsform. Zwei von drei Founder:innen finanzieren ihr Startup aus eigenen Mitteln. Allerdings ist der prozentuale Anteil an eigenfinanzierten Startups seit 2018 stark zurückgegangen. Vor sechs Jahren wurden noch 81 Prozent der Startups gebootstrappt - letztes Jahr waren es nur noch 66 Prozent.

Auch hier zeigt sich, dass öffentliche Förderungen aktuell wieder häufiger werden. Rund die Hälfte der Startups erhielt nationale Unterstützungen. Auch gaben mehr als ein Viertel der Startups an, sich aus dem Cashflow zu finanzieren. Daneben hat gut jedes vierte Startup einen Business Angel hinter sich. Hingegen spielen Finanzierungsmethoden wie Crowdfunding nur mehr eine sehr geringe eine Rolle.

Beliebte Branchen

Vor zehn Jahren war Künstliche Intelligenz noch weitaus weniger verbreitet als heute. Doch die Grundsteine waren bereits gelegt. Aus den Fortschritten im maschinellen Lernen gingen die ersten Pioniere hervor: 2014 übernahm Google das Startup DeepMind und bald danach wurde auch OpenAI gegründet - das Unternehmen hinter der beliebtesten KI ChatGPT. Es sollte aber noch einige Jahre dauern, bis KI auch die österreichische Startup-Szene umkrempelt.

Was aus der Grafik hervorgeht ist, dass IT & Software prozentual gesehen nach wie vor die dominierende Branche bleibt. Startups in der Branche der Life Sciences bekamen in den vergangenen Jahren starken Zuwachs. Ein Rückgang hingegen gab es bei den Anteilen an Hardware-Startups. Sie verlieren über die Jahre immer mehr an Bedeutung – verhältnismäßig setzen sich auch immer weniger Jungunternehmen in der industriellen Technologie an.

Dass Life-Science-Startups beliebter werden, zeigt sich auch bei den Gründungsformen. Akademische Startups, also Unternehmen, die als Spin-Off an einer Universität oder an einer Fachhochschule entstanden sind, machen heute knapp ein Viertel aller Gründungen aus. Aber dennoch: Mehr als jedes zweite Startup wird weiterhin unabhängig gegründet.

Frauen in den Gründungen

Auch der Frauenanteil in den Gründungsteams verändert sich. Nach den Daten des ASM waren vor sechs Jahren nur rund zwölf Prozent der Gründer:innen Frauen, während insgesamt 29 Prozent der österreichischen Gründungsteams zumindest eine Frau im Team hatten.

Bis 2022 stieg der Frauenanteil in den Gründungsteams auf rund 39 Prozent, bevor er vergangenes  Jahr wieder leicht zurückging. Der Anteil der Gründerinnen insgesamt hat sich bei etwa 17 Prozent eingependelt – auch dieser Wert ist leicht rückläufig.

Startups-Teams wachsen

Anhand der Anzahl der Mitarbeiter:innen zeigt sich: Startups wachsen. Vor sechs Jahren, also 2018, waren durchschnittlich 8,2 Mitarbeitende pro Startups angestellt. Nur drei Jahre später, 2021, waren es mit 12,3 Mitarbeiter:innen bereits um die Hälfte mehr. Auch im vergangenen Jahr waren durchschnittlich wieder 12,3 Mitarbeitende pro Startup angestellt.

In welchen Bereichen werden Mitarbeitenden eingesetzt? Am meisten gefragt ist nach wie vor IT und Softwareentwicklung. Jährlich gaben mehr als 40 Prozent der heimischen Startups an, dass sie hierbei Probleme in der Besetzung haben – 2022 war es sogar die Hälfte aller Startups.

Auch Positionen im Sales und in der Produktentwicklung sind gefragt – mehr als ein Viertel der Startups sucht ergiebig nach Angestellten.

Finanzielle Realität

Doch wie viel Umsatz machen die Startups am Ende des Jahres wirklich? Die Antwort wirkt etwas ernüchternd: Nach wie vor geben etwas mehr als ein Viertel der heimischen Startups an, keinen Umsatz zu machen. Ein weiteres Viertel hingegen äußert, dass sie einen Umsatz bis 50.000 Euro hatten – auch dieser Wert bleibt über die Jahre unverändert.

Immerhin kann die andere Hälfte von sich behaupten, einen Umsatz zu erwirtschaften, der darüber liegt. Nicht nur das, auch gibt mehr als jedes zehnte Startup an, bereits einen Umsatz über einer Million Euro zu haben.

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Die Daten, die wir für diesen Artikel verwenden, wurden dem brutkasten vom Austrian Startup Monitoring (ASM) zur Verfügung gestellt, sowie vom EY Start-up Investment Barometer Österreich 2023 abgerufen. Das ASM wird vom Austrian Institute of Technology (AIT) an der Wirtschaftsuniversität Wien durchgeführt. Jährlich befragt die Forschungseinrichtung die österreichische Startup-Szene empirisch. https://austrianstartupmonitor.at/


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