09.02.2022

MEDCH: Linzer Startup entwickelt Lernplattform für Medikations-Training

Von der Führerscheinprüfung seines Sohnes ließ sich Wolfgang Hilbe inspirieren und gründete gemeinsam mit Gerhard Feilmayr eine Online-Trainingsplattform für medizinisches Personal. Im Fokus steht die Senkung der Arzneimittelfehler.
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Das MEDCH Gründer-Duo Wolfgang Hilbe (l.) und Gerhard Feilmayr (r.)
Das Medch Gründer-Duo Wolfgang Hilbe (l.) und Gerhard Feilmayr (r.) | © MEDCH

Die Medch-Gründer Wolfgang Hilbe und Gerhard Feilmayr verfolgen das Ziel, mit ihrer Lernplattform Ärzt:innen das Thema Arzneimittelverabreichung näher zu bringen. Mit praxisorientiertem und klinischen Wissen möchten die Co-Founder die Information zu den wichtigsten und aktuellsten Medikamenten im klinischen Alltag mit ihren Nutzer:innen teilen. 

“Aktuell gibt es 9.287 verfügbare Arzneimittel in Österreich und jährlich kommen rund 100 Arzneimittel dazu. Die medizinische Ausbildung einer Jungärzt:in ist sehr umfangreich. Im Studium werden hingegen nur die Grundlagen der Wirkstoffe vermittelt. Das praktische Wissen wird erst im klinischen Alltag gelernt”, sagt das Duo.

Laut den Gründern sind sieben bis elf Prozent der Medikationsanordnungen in Österreich Arzneimittelfehler, die nicht nur zu gravierenden Folgen wie zu einem längeren oder zusätzlichen Krankenhausaufenthalt der Patient:innen führen, sondern die Österreichische Gesundheitskasse im Jahr ungefähr 40 Mio. Euro kosten. Auslöser dafür sei das wenige Wissen, das universitär nicht ausreichend vermittelt werden kann, so die Gründer. 

Führerscheinprüfung als Inspiration für digitales Medikations-Training

Die Idee zu Medch war geboren, als sich Hilbes Sohn für die Führerscheinprüfung vorbereitete. Das System mit den 1.000 Fragen, die man meistern muss, bevor man die Prüfung absolvieren kann, inspirierte ihn dazu, eine Lernplattform für Ärzt:innen zu entwickeln. Durch einen Zufall lernten sich der Arzt und Feilmayr, der als Serien-Startupler in der Vergangenheit schon vier Startups gegründet hat, im Spital Ottakring kennen. Während Feilmayr der technischen Entwicklung beigetragen hat, arbeitete Hilbe mit weiteren österreichischen Ärzt:innen an der Content-Entwicklung und am Fragenkatalog. 2021 gründeten Feilmayr im Alter von 58 Jahren und sein Partner mit 56 schlussendlich Medch und arbeiten als stolze Jungunternehmer an der Weiterentwicklung ihrer Idee. 

Seit dem erfolgreichen Abschluss der Betaphase mit 30 bis 40 Fragen und 200 Probanden im Sommer 2021 arbeitet das Team fleißig an der Weiterentwicklung der Plattform. Mit der Zeit möchten sie Wirkstoffe und Fragen zu den vier Fachbereichen der Medizin, Onkologie, Pulmologie, Kardiologie und Gastroenterologie anbieten. Am 1. April hat der onkologische Fachbereich sein Debüt in der Lernplattform. 

Ende 2022 auch Training für Pflegekräfte 

Die Gründer entwickeln zurzeit in Zusammenarbeit mit der FH Oberösterreich ein Fragenkatalog für Pflegekräfte, das Ende 2022 gelauncht werden soll. Durch diese Kooperation möchte das bisher eigenfinanzierte Startup eine FFG-Förderung beantragen. Zudem seien für die nächsten zwei bis drei Monate spannende Gespräche mit potentiellen strategischen Investoren geplant. Vor allem für eine Expansion nach Deutschland sowie in die Schweiz seien Investitionen und Förderungen unbedingt notwendig, so das Duo. “In Österreich und Deutschland gibt es zurzeit 133.400 Medizinstundent:innen sowie 1.2 Millionen Pflegekräfte. Die Nachfrage und das Potential dieser Plattform sind enorm”, so Feilmayr. 

Medch bleibt für Medizin- und Pharmaziestudent:innen kostenlos

Die Plattform bietet zurzeit 400 Fragen mit 1.200 Antworten zu den 100 wichtigsten Wirkstoffen und ist bis Ende März 2022 kostenlos nutzbar. Ab Anfang April löst ein Abo-Modell die kostenlose Vollversion der Webapp ab, wobei Medizin- und Pharmaziestudent:innen Medch für zwei Jahre gratis nutzen können.

Benutzen kann man die Webapp danach entweder über ein Abo-Modell für 8,25 Euro monatlich oder 99 Euro jährlich. Darüber hinaus können Krankenhäuser ein Gesamtlizenz-Paket für 9.900 Euro pro Jahr erwerben. Somit erhält das gesamte medizinische Personal Zugang zu den Tools. Zudem kann die Pharmaindustrie neue oder veränderte Wirkstoffe in der Plattform platzieren.

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Universität Innsbruck, Spin-offs
(c) Universität Innsbruck

Vergleicht man die österreichische Spin-off-Landschaft mit jener anderer Länder, erweist diese sich als mager – wären da nicht diverse heimische Universitäten, die proaktiv Spin-offs fördern, wie brutkasten berichtete. Die Universität Innsbruck gilt als einer dieser Innovationstreiber.

Spin-offs in Deutschland

Eine Studie aus dem Oktober 2023 zur Entrepreneurship Performance deutscher Hochschulen ermittelte die Anzahl an Gründungen aus Hochschulen von 2014 bis 2022 und weist diese Werte für die 20 am höchsten gerankten Universitäten in Deutschland aus. Zusammen waren diese 20 Universitäten Ursprung von knapp 4.800 Startups. Dabei gibt es eine ausgeprägte Spitzengruppe mit der TU München (810 Startups) ganz vorne, gefolgt mit weitem Abstand von der TU Berlin (466) und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT, 321).

Hierzulande hat sich die Universität Innsbruck seit der Gründung ihrer Beteiligungsgesellschaft im Jahr 2008 über die Uni-Holding an 39 Spin-offs beteiligt. Durch die neu gegründeten Unternehmen wurden seither mehr als 200 neue Arbeitsplätze geschaffen.

“Der Ansatz der Universität Innsbruck, akademisch getriebene Spin-offs wirksam zu unterstützen, zeigt Früchte”, sagt Rektorin Veronika Sexl. “Durch die Unternehmen wird spezialisiertes Grundlagenwissen zum Wohle der Gesellschaft transformiert und diesen strategischen Ansatz werden wir auch in Zukunft weiter forcieren.” Neben Studienangeboten im Bereich Entrepreneurship und dem gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Tirol betriebenen Gründungs- und Innovationszentrum InnCubator stellt die 2008 gegründete Beteiligungsgesellschaft Uni-Holding ein Kernelement der Strategie dar.

AQT und ParityQC als Aushängeschilder

Aktuell hält die Uni-Holding 23 Beteiligungen an Ausgründungen aus der Universität Innsbruck. Diese Unternehmen sind in den Bereichen Digitalisierung, Finanzen, Gesundheit, Ökologie und Technologie tätig. Neben den renommierten Ausgründungen im Bereich der Quantentechnologien – AQT und Parity QC – beschäftigt sich etwa das junge Spin-off QND – Quantum Network Design mit der Simulation von Quantennetzwerken, um die wesentlichen Grundsteine für eine industrielle Implementierung zu legen.

Beispiele der Innsbrucker Spin-offs

Innfoliolytix wäre ein weiteres Beispiel der Spin-off-Strategie: Das Startup macht Kapitalmarktanleger:innen aktuelle Forschungsergebnisse in Form von quantitativen Anlagestrategien zugänglich. Die Universitätsprofessoren Matthias Bank und Jochen Lawrenz vom Institut für Banken und Finanzen sind an der gemeinsamen Gründung und Entwicklung des Unternehmens mit der BTV AG und der Universität Innsbruck beteiligt; seit 2024 gilt Innfoliolytix als eine FMA-lizenzierte Wertpapierfirma. Im November 2024 wurde der vom Startup beratene und von der 3 Banken-Generali Investment-Gesellschaft verwaltete Fonds “Quant Global Plus” mit dem Österreichischen Dachfonds Award 2024 des GELD-Magazins in den Kategorien “Aktiendachfonds 1 Jahr” und “Aktiendachfonds 3 Jahre” ausgezeichnet.

KinCon biolabs wiederrum baut seine patentierte Plattformtechnologie weiter aus, um Pharmaunternehmen bei der Lösung medizinischer Herausforderungen, insbesondere bei Krebs und Morbus Parkinson, zu unterstützen. Das von Philipp Tschaikner und Eduard Stefan gegründete Unternehmen entwickelt eine zellbasierte Reportertechnologie, die strukturelle Veränderungen von schwer zu analysierenden Zielproteinen sichtbar macht. Wenn ein Wirkstoffkandidat an einen, spezifisch für das Zielprotein entwickelten Reporter bindet, beginnt der genetisch kodierte Reporter in den Zellen zu leuchten. Damit lasse sich die Wirksamkeit von Medikamentenkandidaten systematisch vorhersagen, sodass die Pharmaunternehmen neuartige Therapien schneller in die klinische Anwendung, d.h. zu den Patient:innen, bringen könnten.

Kartenspiel in USA lizenziert

Das von Physiker:innen an der Universität Innsbruck entwickelte Kartenspiel Seeker Chronicles konnte mittlerweile an den renommierten US-amerikanischen Spieleverlag Wise Wizard Games lizenziert werden. Es verbindet Wissenschaftsvermittlung mit Spielelementen. Dessen Erfinder:innen Hendrik Poulsen Nautrup, Lea Trenkwalder und Fulvio Flamini haben das Spin-off-Unternehmen OneStone Studios gegründet und arbeiten aktuell an Erweiterungen, einer digitalen Version des Spiels und mehreren neuen Spielen, alle mit dem Ziel, Wissenschaft der Gesellschaft näherzubringen.

Arbeitsbedingungen, Arbeitsorganisation und daraus resultierende Beanspruchungen mit dem Ziel zu betrachten, Arbeit “menschenzentriert” zu gestalten und hinsichtlich verschiedener Humankriterien in Unternehmen und Organisationen zum Wohle aller Beteiligten zu verbessern – das ist das Vorhaben von Humane Arbeit. Gegründet von Cornelia Strecker, Christian Seubert und Jürgen Glaser bietet das Spin-off arbeitspsychologische Beratung auf dem aktuellsten Stand wissenschaftlicher Forschung.

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