01.08.2022

CDTM als Münchner Lehrstunde: Das Geheimnis der Spin-Off-Strategie

Das CDTM ist ein Joint Venture der Münchner TU und der Ludwig-Maximilians-Universität München. Bisher sind daraus über 240 Startups entstanden. Davon sieben Unicorns. Professor Klaus Diepold und der Gründer des PropTechs Alasco, Sebastian Schuon erklären das Münchner Erfolgsgeheimnis und liefern damit - auch für österreichische - Universitäten ein Fallbeispiel, wie "Spin off"-Absichten gedacht und gebaut gehören. Ein Faktor dabei: Keine Startups gründen wollen.
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CTDM, Klaus Diepold, Spin Off Uni, TU München, LUM,
(c) Astrid Eckert - Klaus Diepold, Professor an der Technischen Universität München, spricht über den Transfer von Bildung zu Business.

Eigentlich ist es ganz simpel, was das CDTM macht: “Wir entwickeln Innovatoren und nicht nur Startups”, erklärt Klaus Diepold, Professor an der Technischen Universität München (TUM). “Es steht nicht in unserer Agenda, Gründer zu erzeugen, sondern Talenten, die Möglichkeit zu geben, genau das umzusetzen, von dem sie glauben, dass es ist wichtig ist.”

Das CDTM (Center for Digital Technology and Management) ist ein 1998 gegründetes, gemeinsames Forschungs- und Lehrinstitut der Technischen Universität München sowie der Ludwig-Maximilians-Universität. Und sitzt “freischwebend” zwischen beiden Universitäten.

25 Plätze pro Semester fürs CDTM

Studierende aller Fakultäten können sich für das Studienprogramm bewerben, das parallel als Zusatzpaket zum Hauptstudium mitläuft. Pro Semester werden aus 300 Bewerbungen 25 Plätze vergeben.

Inhaltlich finden Teilnehmer:innen mehrere Kurse vor, konkret ein paar Kernmodule, ergänzt durch Wahlprogramme.

Im “Trend-Seminar” wird mit Industriepartnern ein Thema untersucht. Beim “Management Product Developement” sitzen kleinere interdisziplinäre Teams von maximal sechs Personen zusammen und bauen – ebenfalls mit Partnern aus der Industrie – eine Produktidee aus. Meist aus dem Interessensgebiet der Gäste. Hierbei geht es nicht bloß um Theorie, sondern es werden Prototypen entwickelt und jene gleich getestet.

Im “Entrepreneurship Lab” indes lernen Teams mit strategischen Beratern für Unternehmen das Beratungsgeschäft kennen. Und stellen sich unter anderem die Frage, wohin soll die Firmenstrategie gehen. Optional ist noch ein Auslandsaufenthalt für ein halbes Jahr an einer der Partner-Universitäten möglich. Das ganze Programm dauert drei bis vier Semester, parallel zum normalen Unterricht.

Sieben Unicorns von der TU München und der Ludwig-Maximilians-Universität

Der Erfolg beider Münchner Universitäten spricht allein in Zahlen Bände. Sieben Unicorns und über fünf Milliarden Euro, die in – übers Programm – entstandene Startups geflossen sind, zeichnen ebenso beeindruckende Fakten, wie auch die Namen jener Unicorns, die Almumnis gegründet haben: Trade Republic, die Razor Group, Personio, Tier, monzo, forto und foodora.

Man bemerkt schnell, dass zwischen Diepolds Zeilen eine zwanghafte auf Startup-Gründung ausgelegte “Joint Venture Spin Off-Strategie” in seinen Augen der falsche Weg wäre, um ähnlichen Erfolg zu suchen. Besonders seine Aussage, “wir entwickeln Innovatoren, nicht Startups” gilt hier als der Leitfaden, der sich seit vielen Jahren durch die Geschichte des CDTM zieht, betrachtet man das Münchner Modell von außen.

Rund ein Drittel aller Absolvent:innen des “Zusatzstudiums” landen zwar im Startup-Bereich, ein zweites Drittel jedoch in der Industrie und ein weiteres promoviert und geht in die Wissenschaft. Was auch im Sinne des “Rückflusses” ein wichtiger Erfolgsaspekt ist, wie sich zeigt.

Die beiden Universitäten sind nämlich nicht an den Startups bzw. finanziellen Erfolgen ihrer Teilnehmer:innen beteiligt, sondern sie ziehen jene in ihr Alumni-Netzwerk hinein. Was Synergien erzeugt.

Ein Circle-System im CDTM

“Frühere Absolvent:innen kommen als ‘Business Angels’ fürs Seed-Funding zurück und investieren in die nächste Generation. Sie unterrichten und begleiten oder sind eine der Lerneinheiten, die als Kurse angeboten werden”, erklärt Diepold. “Feiern werden ab und zu gesponsert, aber sowohl materiellen Rückfluss, als auch Anteilsaneignung an Unternehmen gibt es bis dato nicht. Das hat unter anderem auch damit zu tun, dass wir (Anm.: CDTM) kein eigenes Rechtsgebilde sind.”

Einer dieser “Rückflüsse” ist Sebastian Schuon. Der Gründer des PropTechs Alasco – das in Österreich Soravia, Cuubuus Real und Alpin Immo als Kunden bedient – hat Benjamin Günther während des Studiums am CDTM kennengelernt und mit ihm 2008 sein erstes Startup Stylight gegründet. 2016 verkauften sie es für 80 Millionen Euro an Pro7Sat1.

CDTM, Alasco, München, TUM, LUM,
(c) Alasco – Die Alasco-Founder Benjamin Günther, Anselm Bauer-Wohlleb und Sebastian Schuon.

Nach einer kurzen Auszeit haben sich die zwei Founder vor allem als Business Angels und Investoren engagiert. So waren sie z.B. beim Unicorn Personio mit an Bord. Heute leiten sie (mit Anselm Bauer-Wohlleb) ihr Property-Startup, in das auch Personio-CEO Hannes Renner investiert ist.

“Social fit” wichtig für CDTM-Platz

Laut Schuon braucht es drei Dinge, um einen der 25 Plätze im CDTM zu ergattern. Gute Noten wären ein Faktor, jedoch müsse man nicht zwangsweise “top of the class” sein, da das Center sicherstellen will, dass Teilnehmer:innen mit ihrer Arbeitsbelastung gut durchkommen.

Zudem sei ein gewisser “social fit” wichtig. Es würden nicht bloß die guten Noten zählen, sondern die Persönlichkeit. Und schlussendlich lege man Wert auf “Diversity” – im Sinne von “open minded people”.

Beim CDTM würden dadurch vor allem Konstellationen entstehen, die sonst kaum Berührungspunkte haben. Etwa wenn BWLer auf Tekkies treffen, wie Schuon sagt: “Es ist wichtig, einmal zusammenzuarbeiten sowie Vorbilder und ein Netzwerk zu haben. Da merkt man, dass mal als Team funktioniert.”

BMW als Industriepartner

Der Alasco-Gründer selbst hatte zu seiner Zeit als Studierender die Aufgabe für BMW eine Marketingkampagne für “ein BMW in 15 Jahren” zu erstellen. Solch konkreten Aufgabenstellungen würden dazu führen, dass sich Leute mehr “reinhauen” als bei theoretischen Semester-Arbeiten, die oft im Papierkorb landen, meint er.

Schuon selbst hält regelmäßig zwei bis drei Kurse im Center, darunter Organisationsaufbau und ein VC-Kurs. Auch er bestätigt Diepolds Einstellung hinsichtlich Strukturaufbau des Münchner Joint Ventures.

“Wichtig ist, dass das CDTM nicht notwendigerweise dafür gegründet wurde, um Startups zu produzieren”, sagt er. “Wir haben einen Visionsprozess erschaffen und ’empowern’ die ‘leaders of tomorrow’, die auch vielleicht eine NGO gründen oder in die Politik gehen. Es geht um Kompetenzen und Interdisziplinarität. Du wirst gezwungen, andere Personen zu erleben und mit ihnen zu arbeiten.”

Ein Punkt, den sein Professor, Klaus Diepold, ebenfalls herausstreicht. Er nennt es “die richtigen Leute haben” und bezeichnet das als die Grundzutat des CDTM. Personen mit digitalen Visionen müssen zueinander finden.

Die Erfolgsfaktoren der Spin Off-Strategie

“Es ist ein Prozess, der Jahre dauert und im Sinne von ‘trial and error’ seine eigene Entwicklung durchläuft”, sagt er und mahnt dazu, ein paar Dinge zu beachten, um Erfolgsfaktoren zu generieren.

“Man muss dem Drang widerstehen, alles in eine bürokratische Zwangsjacke einzusperren”, so Diepold weiter. “Das Konzept muss möglichst ‘dünn’ gehalten werden, frei schwebend sein und mit einem minimalen Aufwand von Verwaltung.”

Für eine einzelne Universität sei es wohl schwerer diesen Freiraum zu geben, meint der Professor, im Joint Venture funktioniere dies an manchen Stellen einfach anders.

Halte man sich daran, so würden “der gestalterische Freiraum, eine Minimierung der bürokratischen Akademisierung und allgemein der Bürokratie sowie die richtigen Individuen, zum Erfolg führen”, sagt er.

Nicht Technologie transferieren, sondern Innovatoren

Abschließend weist Diepold darauf hin, dass die meisten in Deutschland und Österreich bei der Frage, ‘wie man die Brücke zwischen der akademischen und Wirtschafts-Welt schlägt’, an Technologietransfer denken. Dies sei falsch.

“Was wir jedoch transferieren können, sind Innovatoren. Menschen einfach in die Wildnis schicken. Und mehr auf unternehmerische Ausbildung setzen, bevor sie den Master gemacht haben und promovieren. Möglichst frühzeitig agieren. Das ist unser Konzept seit 20 Jahren, dessen Erfolg man an Zahlen ablesen kann”, sagt er. “Es ist besser, in Ausbildung zu investieren, als in Forschungsprojekte, wo vielleicht etwas in zwei Jahrzehnten herauskommt. So etwas ist nicht planbar.”

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Das "Expedition Zukunft"-Team, Annamaria Andres (erste links) | (c) FFG

In Zeiten großer gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Herausforderungen braucht es mutige Ideen, die nicht nur schrittweise verbessern, sondern bestehende Systeme grundlegend neu denken. Genau hier setzt das Förderprogramm „Expedition Zukunft“ der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) an. Annamaria Andres, die das Programm maßgeblich mitentwickelt hat, betont: “Die EU und auch Österreich sind sehr gut in inkrementellen Innovationen und Grundlagenforschung, doch es braucht auch disruptive Ansätze, um die Welt zu einem besseren, gerechteren und nachhaltigeren Ort zu verändern.”

Mehr als inkrementelle Verbesserungen

Das Ziel von “Expedition Zukunft” ist es, Projekte zu unterstützen, die einen echten Paradigmenwechsel bewirken können. Während traditionelle Innovationsprogramme oft auf Verbesserungen bestehender Technologien und Prozesse abzielen, sucht „Expedition Zukunft“ nach bahnbrechenden Ideen. Es geht darum, mit komplett neuen Ansätzen die jetzigen Herausforderungen anzugehen. Diese Herausforderungen könnten technologischer, gesellschaftlicher oder ökologischer Natur sein.

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Zwei Wege in die Zukunft: #START – Business Edition und #INNOVATION

Das Programm gliedert sich in mehrere Ausschreibungsschienen. Hier ein Überblick zu zwei Förderschienen, die sich besonders für Gründer:innen von Startups und KMU eignen:

  • #START – Business Edition: Hier können Gründer:innen und KMU einreichen, die ganz am Anfang stehen. Sie haben eine visionäre Idee, aber noch kein ausgearbeitetes Konzept. Es geht darum, die Durchführbarkeit zu testen – nicht nur aus technischer Sicht, sondern auch in Bezug auf soziale Aspekte, strategische und rechtliche Rahmenbedingungen. Für diesen Schritt stellt die FFG bis zu 80.000 Euro zur Verfügung.
  • #INNOVATION: In dieser Schiene wurde ein Problem bereits klar definiert, die Lösung ist jedoch noch offen. Mit einer Förderung von bis zu 150.000 Euro bei einer Förderquote von 50 Prozent unterstützt das Programm die Lösungsfindung in Zusammenarbeit mit relevanten Stakeholdern. Hier geht es um iterative Innovationsprozesse, wie zum Beispiel Open Innovation und Design Thinking, um eine optimale Lösung für eine Zielgruppe oder ein disruptives Geschäftsmodell zu entwickeln.

Weitere Ausschreibungsschienen findet ihr auf der Programm-Website.

Mut zum Risiko und zur Veränderung

Disruptive Innovationen sind riskanter als schrittweise Verbesserungen. Sie bewegen sich oft in unklaren rechtlichen Rahmenbedingungen, müssen neue Märkte erschließen und kulturelle Veränderungen anstoßen. Diese bahnbrechenden Ideen haben ein höheres Umsetzungsrisiko. Deshalb bietet das Programm neben finanzieller Unterstützung auch umfassende Beratungsservices und Expeditionsguides.

Die Expeditionsguides sind Expert:innen, die die geförderten Projekte begleiten. Neben der individuellen Begleitung bietet das Programm auch Netzwerktreffen, bei denen sich die Fördernehmer:innen untereinander austauschen können.

Von der Vision zur Umsetzung

Ein zentrales Kriterium für die Förderung ist der Mut zur großen Vision. Dahingehend werden Fördernehmer:innen gesucht, die größer denken und bereit sind, neue Wege zu gehen. Diese Vision muss auch einen gesellschaftlichen oder ökologischen Mehrwert bieten. Es geht nicht nur um Profit, sondern um Impact – sei es in der Umwelt, der Gesellschaft oder der Wirtschaft.

Ein Beispiel für solche visionären Projekte sind Innovationen in der Raumfahrt, der Krebsbekämpfung, sozialen Inklusion oder Pflegekonzepte für eine alternde Gesellschaft.

Solche Ideen stoßen jedoch oft auf große gesellschaftliche Herausforderungen. So stellt beispielsweise die Bereitschaft der Menschen, eingefahrene Verhaltensmuster zu ändern, eine Hürde dar. Genau hier setzt das Programm an, um den notwendigen Wandel zu unterstützen und den Weg für zukunftsweisende Innovationen zu ebnen.

Unterstützung, die über Geld hinausgeht

Neben der finanziellen Förderung bietet „Expedition Zukunft“ auch umfangreiche Beratungsleistungen. Dazu gehören Workshops zu Geschäftsmodellen, Strategieberatung oder Hilfe bei IP-Fragen. So soll sichergestellt werden, dass die Projekte nicht nur technisch funktionieren, sondern auch erfolgreich umgesetzt werden können.

Das Programm „Expedition Zukunft“ vernetzt die Teilnehmenden gezielt mit relevanten Partner:innen aus Wirtschaft, Forschung und öffentlichem Sektor. Ein starkes Netzwerk aus Wirtschaftsagenturen, Ministerien und internationalen Partnern unterstützt dabei, die richtigen Kontakte zur richtigen Zeit zu knüpfen – oft der Schlüssel zum Erfolg eines Projekts.

Bewerbungsfrist und Kriterien

Die Einreichfrist für die #START Business Edition endet am 28. Januar um 12:00 Uhr. Die Schiene #INNOVATION ist als laufende Ausschreibung angelegt. Bewerber:innen müssen neben einer bahnbrechenden Idee auch den Willen mitbringen, Risiken einzugehen und groß zu denken. Diversität, gesellschaftlicher Impact und die Bereitschaft zur Veränderung sind entscheidend.

Abschließend merkt Andres an: “Wir suchen Visionär:innen, die bereit sind, die Welt zu verändern. Die Expedition Zukunft ist für diejenigen, die über den Tellerrand hinaus denken, die mutig sind und größer denken. Wer bereit ist, sich dieser Herausforderung zu stellen, findet in dieser Initiative der FFG nicht nur einen Förderer, sondern einen Partner auf dem Weg in die Zukunft.”

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