03.04.2023

Martin Kocher: “4-Tage-Woche wird in gewissen Bereichen Norm werden”

Arbeitsminister Martin Kocher sprach im brutkasten-Gespräch über Inflation, Maßnahmen dagegen und darüber, was eine nationale Regierung für Steuerungselemente in dieser Causa hat. Zudem denkt er, dass sich die 4-Tage-Woche in manchen Bereichen durchsetzen wird, warnt aber zugleich vor einer gesamtgesellschaftlichen Illusion (mit Video).
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Martin Kocher, Kocher, 4-Tage-Woche,
(c) brutkasten - Minister Martin Kocher im exklusiven brutkasten-Talk.

Österreich blickt Arbeitsminister Martin Kocher nach auf bessere Konjunkturerwartungen, als dies noch im letzten Herbst den Anschein hatte. Man könne zwar noch nicht ausschließen, dass eine technische Rezession (zwei aufeinanderfolgende Quartale mit Negativwachstum) folge, aber sie würde im Fall der Fälle “nicht so schlimm” so die Einschätzung des Politikers. Die Zahlen seien, was die Prognosen betreffe, insgesamt besser als noch im Vorjahr.

Kocher versprüht Positivität

“Natürlich gibt es Unsicherheiten”, betont Kocher, “aber die liegen nicht so sehr in Europa. Es sind vor allem die geopolitische Lage sowie der russische Krieg in der Ukraine und Entwicklungen dort, die die Preise treiben. Und die Preise treiben dann die Konjunkturerwartungen. Aber die Lage ist glücklicherweise um einiges besser, als unsere Erwartungen vor einem halben Jahr.”

Minister Martin Kocher (das ganze Video)

Insgesamt spürt der VP-Minister eine leicht verbesserte Stimmung, die Gefahr eines Winters mit Energieversorgungsproblemen hat sich nicht bewahrheitet, der private Konsum sei aufrecht geblieben, obwohl es eine starke Teuerung gegeben habe. Nicht bei allen, wie Kocher zugibt, man spreche natürlich noch über Kaufkraft und Schwierigkeiten bei Teilen der Bevölkerung, dies sei ihm bewusst. Aber je nach Energieversorgung gab es, allgemein gesehen, unterschiedliche Betroffenheit.

Kocher erwartet auch, dass wir noch heuer eine gewisse Dynamik erleben werden, denn das IHS und WIFO haben für das zweite Halbjahr eine Wachstumsprognose von 0,3 bis 0,5 Prozent beim BIP ausgegeben, für das Jahr darauf 1,4 bis 1,8 Prozent.

“Die Teuerung ist natürlich etwas, was alle Haushalte und Unternehmen belastet”, sagt er. “Das große Ziel ist es, sie auf ein gewisses Niveau zu beschränken und nicht mehr als zwei Prozent Teuerung zu haben. Doch das ist vornehmlich die Aufgabe der Geldpolitik. Die EZB (Europäische Zentralbank) hat die Aufgabe über Zinsen, die Nachfrage und Entwicklung der Geldentwertung zu steuern. Wichtig ist es, dass nationale Politiken beitragen. Das ist nicht einfach, aber wir wollen die Kaufkraft aufrechterhalten.”

Inflation und ihre treibenden Faktoren

Kocher betont, dass die Inflation durch verschiedene Faktoren getrieben ist. Die Preise im Energiesektor seien derart so stark angestiegen, weil die Erwartung war, Energie würde knapp werden. So ein Problem könne man nicht alleine, sondern nur geopolitisch lösen. “Da helfen Zinserhöhungen nicht alleine. Zinspolitik heißt, dass Zinsen steigen und es für Unternehmen teurer wird zu investieren” erklärt Kocher. “Haushalte bauen weniger. All das führt zu weniger Projekten und möglicherweise zu höheren Belastungen. Mit der Zinspolitik möchte man die Inflation einbremsen, sollte sie aber nicht zu stark ausführen, um keine negativen Effekte auf Unternehmen zu haben.”

Der Wirtschaftsminister erklärt weiter, dass eine einzelne Regierung keinen Zugriff auf die Geldpolitik habe und man durch andere Maßnahmen gegensteuern wolle und tue. Etwa damit, dass man den Wettbewerb befeure. Denn wenn jener funktioniere, würden die Preise nicht steigen, sondern sinken. Man müsse auch darauf schauen, dass die Preisreduktionen auf internationalen Märkten an die Konsument:innen weiteregegeben werden. In Österreich agiere da eine Task-Force, bestehend aus der E-Control und der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), die sich um derartige Dinge kümmere.

“Aber es wäre eine Illusion zu glauben, dass eine Regierung die Preise senken kann. Die ergeben sich am Markt durch den Wettbewerb”, stellt Kocher klar. “Aber was wir tun können, ist eben diesen Wettbewerb zu stärken, wie beim Spritpreisrechner die Transparenz zu erhöhen, Konsument:innen zum Vergleichen zu ermuntern, wo es möglich ist. Per Regulierung kann das eine Regierung nicht machen, weil das Versorgungsschwierigkeiten erzeugt. Das schlimmste wäre, man reguliert und dann gibt es das Produkt nicht mehr. Aber, unterstützen kann man bei Gebühren und Steuern.”

Willkürliche Preisanstiege

Da viele aus der Bevölkerung in den letzten Monaten das Gefühl hatten, dass in manchen Branchen Preise willkürlich erhöht worden sind, mahnt Kocher hierbei dazu, zu unterscheiden. Gebe es in einem Bereich zu wenig Wettbewerb, dann müsse man ihn stärken. Falls es irgendwo eine Monopolisierung gebe oder gar ein Verstoß gegen das Kartellrecht oder Preisabsprachen vorliegen, würden Beteiligte gegen das Strafrecht verstoßen. Hier sei die BWB am Zug.

In weitere Folge geht Kocher auf die teilweise hohen Lohnverhandlungsabschlüsse der Gewerkschaften und Sozialpartner ein, beteurte, dass die Kaufkrafterhaltung in Österreich sehr wichtig sei, man aber in eine Spiralentwicklung käme, wenn die Abschlüsse der Verhandlungen “zu hoch” würden.

“Im Prinzip ist es eine Diskussion, die bei allen Lohnverhandlungen auch die gesamtwirtschaftliche Komponente berücksichtigt”, sagt er. “Ich bin davon überzeugt, dass dies beide Seiten wissen und dass es in Österreich gute Praxis ist. Da braucht es keine guten Ratschläge der Regierung.”

Fachkräftemangel für Kocher entscheidendes Thema

Das Thema Arbeits- und Fachkräfte hält Kocher für eine entscheidende Frage, die die nächsten 15 Jahre prägen wird. Demografische Entwicklungen zeigen, dass in naher Zukunft viele in Pension gehen werden; die jungen Jahrgänge am Arbeitsmarkt dagegen substantiell kleiner. Dies würde vor allem zu einem Problem werden, wenn sich die Konjunktur wieder verbessere und von Wirtschaftsseite mehr Arbeitskräfte verlangt werden würden.

Die Maßnahmen seines Ministeriums hierbei seien vor allem eine “zielgerichtete Arbeitsvermittlung”, Fokus auf Bildungspolitik und Gesundheitsvorsorge. Auch möchte die Regierung das Arbeiten nach der Pension attraktiver gestalten, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – mit Blick auf Frauen – verbessern und schlicht mehr Möglichkeiten für “mehr Arbeiten” schaffen. Etwa durch den Ausbau an Kinderbetreuung oder von Ausbildungs- und Fortbildungschancen. Auch die Wirtschaft müsse hier ihren Teil leisten und richtige Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, so Kocher schlussfolgernd.

In diesem Sinne vollführt der Minister an dieser Stelle den Spagat zu New Work und betont, dass es bei der emotional geführten Diskussion zur verkürzten Arbeitszeit nicht eine einzige Lösung für alle gebe.

“Die 4-Tage-Woche wird in gewissen Bereichen die Norm werden”, sagt er. “Sie ist ja heute auch bereits möglich. Wir müssen jetzt gesetzliche Voraussetzungen schaffen, sodass es branchenspezifische Lösungen entweder auf der Ebene der Betriebe gibt, oder in Kollektivverträgen auf Branchenebene. Da wird es natürlich auch Wettbewerb geben, aber es ist eine Illusion, dass alles für alle Arbeitnehmer:innen, für alle vier Millionen selbstständig Beschäftigten in Österreich, gleich geregelt werden kann.”

Kocher plädiert indes dafür, die New-Work-Tendenzen und Entwicklungen, wo es funktioniert, zu ermöglichen, aber nicht alles über einen Kamm zu scheren.

Belohung statt Strafe

In weiterer Folge zeigt sich der Minister als Verfechter dafür, “mehr Arbeit” zu incentivieren, statt Teilzeit zu bestrafen. Er weiß, dass Österreich hohe Belastungen in Sachen Lohnnebenkosten und Besteuerung hat und dass es Arbeitszeitmodelle brauche, in denen man längere Arbeitszeiten pro Woche unterstütze, so die Kurzform seiner Aussagen im brutkasten-Talk. Eines möchte er aber betonen.

“Wir wollen nicht die Wahlfreiheit einschränken, sondern die Möglichkeit schaffen (Anm.: mehr Stunden pro Woche zu arbeiten)”, so Kocher. “Es geht jetzt darum, dies attraktiv zu machen. Es ist für den Wohlstand in Österreich und für die Sicherung des Sozialsystems entscheidend. Wenn immer mehr in Teilzeit arbeiten, haben wir weniger im Sozial- und Gesundheitssystem und weniger für Dinge, wo wir alle überzeugt, sind, dass wir ein hohes Niveau haben”, beteuert Kocher.

Startups für Kocher ein Motor

Abschließend lobt der Wirtschaftsexperte die Startup-Szene als Innovationsmotor und Taktgeber für technische Neuerungen, die viele Jahre später erst Usus in Corporates werden, berichtet vom Gründungsfonds II und weiß, dass die Szene weitere Wünsche und Bedürfnisse hat, ohne näher darauf einzugehen. Es gebe noch Dinge zu klären – auch zwischen zuständigen Ministerien.

“Innovation kann nicht alles lösen”, so Kocher abschließend, “aber die Zukunftsfitness (Anm: eines Wirtschaftsstandortes) ist immer davon abhängig, dass man bestehende Lösungen überdenkt und anpasst. Jetzt ist eine Zeit, wo es durch exogene Faktoren, wie die Pandemie, Lieferkettengesetze und den russischen Angriffskrieg ohnehin viele Anpassungen gibt. Dies ist ein hoher Anspruch, wir werden das Tempo aufrechterhalten müssen. Es wird nicht einfach, ist aber unsere große Chance.”

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Benefits, Home-Office
(c) GrECo - Joachim Schuller, Competence Center Manager Health and Benefits GrECo.

Es herrscht eine Zeit im Arbeitswesen, in der sich sehr viele Personen mit der Zukunft und davon ausgehend mit Benefits von Unternehmen beschäftigen. Dabei steht vor allem die betriebliche Vorsorge hoch im Kurs. Neun von zehn Befragte finden eine Pensionsvorsorge (91 Prozent), eine private Krankenversicherung (90 Prozent) oder steuerfreie Zukunftsleistungen wie lohnsteuerfreie betriebliche Vorsorge (89 Prozent) bei der Jobsuche besonders attraktiv. Das zeigt die aktuelle “Health & Benefits Studie” des Versicherungsunternehmens GrECo, die sowohl die Arbeitnehmer:innen- als auch die Arbeitgeberseite befragt hat.

Benefits: Anforderungen an Jobs steigen

Die unternehmenseigene Befragung unter österreichischen Unternehmen wurde im Juli und August 2024 durchgeführt, um die Sichtweisen und Strategien der Arbeitgeber zu beleuchten. Diese Umfrage richtete sich an heimische Entscheidungsträger:innen aus den Bereichen “Human Resources” und “Benefits-Management”. Insgesamt nahmen 274 Unternehmensrepräsentant:innen an der Befragung teil. Dabei lag der Fokus auf den geplanten Benefits-Maßnahmen der nächsten zwei Jahre.

“Die Anforderungen an den Job steigen weiter. Viele Arbeitnehmer:innen wünschen sich, dass ihr Arbeitgeber sie bei den alltäglichen Herausforderungen unterstützt. Auch eine zusätzliche Pensions- und Krankenvorsorge, die deutlich über die staatliche Grundversorgung hinausgeht, wird zunehmend geschätzt. Lösungen, die Mitarbeiter:innen auch in Zukunft gut absichern, stehen insgesamt an oberster Stelle der Wunschliste”, erklärt Joachim Schuller, Competence Center Manager Health and Benefits bei GrECo.

Für Unternehmen gilt es, sich bewusst zu machen, dass Benefits, die zeitgemäß und besonders relevant für die Lebensqualität der Mitarbeitenden sind, den besten Pull-Faktor darstellen und einen direkten Einfluss auf die Loyalität haben.

Langfristig vs. kurzfristig

Vor allem langfristige Benefits wie Vorsorgelösungen hätten laut der Umfrage für acht von zehn Befragten (83 Prozent) eine höhere Priorität als kurzfristige Vorteile wie Fitnessangebote. Ein Unterschied zeigt sich jedoch bei der Gen Z, deren Fokus auf anderen Herausforderungen wie beispielsweise mentaler Gesundheit und der Vereinbarkeit von Familie und Karriere gerichtet ist.

“Das liegt nicht daran, dass die Gen Z Pensionsvorsorge oder Krankenversicherung nicht schätzt. Untersuchungen zeigen, dass die Gen Z anfälliger für Burnout und Stress ist. Der Mental Health-Aspekt wird somit immer wichtiger, um Fluktuation und geringer Produktivität entgegenzuwirken“, erklärt Schuller. “Es geht hier um ein abgestimmtes Paket, das sowohl Prävention als auch die entsprechende Absicherung im Bedarfsfall sicherstellen kann.”

Bemerkenswert ist, dass trotz aller Bemühungen aktuell 67 Prozent der Unternehmen die Vorteile betrieblicher Vorsorgeleistungen noch nicht ausschöpfen. Dabei bieten steuerfreie Zukunftssicherungen, Berufsunfähigkeitsversicherung und Pensionszusagen gerade die finanzielle Sicherheit, die sich die Mitarbeiter:innen wünschen würden, so die Studie.

Der Jahresbericht der Pensionsversicherung Österreich zeigt, dass ein Viertel der österreichischen Arbeitnehmer:innen (25 Prozent) noch vor dem Ruhestand berufsunfähig sind und nur vier Prozent der Erwerbstätigen in Österreich eine private Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen haben.

“Diese Lücke wird aber nach wie vor auch in der Praxis von nur rund 17 Prozent der Unternehmen abgedeckt. Auch eine “Pensionszusage” bieten nur 27 Prozent an und das, obwohl sie angesichts der steigenden Lebenserwartung ein wichtiges Angebot wäre, um die Erhaltung des Lebensstandards im Alter sicherzustellen”, liest man im Bericht.

Benefits kein Obstkorb

Im Kampf um die besten Talente steigt der Druck auf die Arbeitgeber, über das Gehalt hinaus ansprechende Sozialleistungen anzubieten. Über ein Drittel (35 Prozent) der heimischen Arbeitnehmer:innen ist sogar bereit, auf zehn Prozent des Gehalts zu verzichten, wenn sie dafür wichtige Benefits erhalten – in der Gen Z ist es sogar jede:r Zweite (46 Prozent).

Benefits wie Home-Office oder flexible Arbeitszeiten, zählen jedoch nicht dazu. Sie werden viel mehr als selbstverständliche Voraussetzung betrachtet und sind wie der Obstkorb, den nur mehr 24 Prozent als sehr ansprechend bewerten, seit langem kein Alleinstellungsmerkmal mehr.

“Eine ‚One-size-fits-all-Lösung‘ bei Benefits ist nicht mehr zeitgemäß. Unternehmen, die die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter:innen erkennen und entsprechend handeln, sind für die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt besser gerüstet und langfristig erfolgreicher”, so Schuller weiter.

Kommunikation mangelhaft

Aufholbedarf gibt es auch in der Kommunikation: Nur 56 Prozent der Mitarbeiter:innen kennen auch alle angebotenen Benefits. Auf Seite der Arbeitgeber gilt es dringend, eine zugängliche Übersicht der angebotenen Benefits zu schaffen und diese laufend zu kommunizieren. Etwa ein Drittel (32 Prozent) der befragten Unternehmen gibt zudem an, keine genaue Kenntnis darüber zu haben, wie viel Prozent der Lohnsumme für Benefits aufgewendet werden.

“Das zeigt deutlich, dass Unternehmen ihre Kommunikationsstrategie für bestehende Mitarbeiter:innen dringend verbessern müssen, denn 88 Prozent wünschen sich einen Arbeitgeber, der sich um sie kümmert”, fasst Schuller abschließend zusammen. “Nur wer langfristige Absicherung und moderne Arbeitsmodelle kombiniert, wird im Wettbewerb um die besten Talente bestehen können – erst recht in Zeiten des Fachkräftemangels.”

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