22.07.2022

Marketing KPIs: 5 Kennzahlen gegen das Bullshit Bingo – Finance Hacks für Startups

CLV, LCR, CAC und Co: Welche Marketing-KPIs sollten Startups wirklich messen und wie entscheiden Gründer:innen, was für ihr Unternehmen relevant ist?
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© unsplash

“Wie ist eure LCR?“, „Wie hoch sind eurer CAC?“ „Steigen euer CLV und Marketing ROI?“ Diese Bullshit Bingo Fragen muss man sich als Gründer:in von zumeist selbsternannten Startup-Kennern regelmäßig anhören. Gerade im Bereich Marketing gibt es wahrlich nicht zu wenige wichtig klingende Akronyme und aufgeblähte Whitepapers zur Messung der Performance. Eine kurze Google Recherche liefert eine Vielzahl an Seiten, die allesamt für sich beanspruchen, die „Top X Marketing KPIs“ aufzeigen. 

So weit so gut, jedoch ist es wenig nützlich Marketing KPIs wild drauf loszumessen nur weil sie wichtig klingen. Besser ist es, das Ganze mit System und Konzept anzugehen.

Marketing KPIs follow objectives, nicht umgekehrt

Das mag jetzt verrückt klingen, aber das Ziel von Marketing ist nicht, schnelle Abschlüsse zu landen, sondern möglichst nachhaltige Umsätze zu generieren. Alle KPIs rund um das Marketing sollten demnach auf dieses Ziel ausgelegt sein. Mit einem Werttreiberbaum könnt ihr die Zusammenhänge zwischen den einzelnen KPIs darstellt. Für das Marketing kann dieser so aussehen:

  • Hoher Customer Lifetime Value wird durch hohen Neukunden Umsatz und geringe Customer Acquisition Cost erreicht.
  • Dies wird erreicht durch eine hohe Lead-to-Customer Rate und geringe Lead-to-Customer Time.

Damit haben wir die 5 KPIs, mit denen ihr das Marketing Bullshit Bingo durch Fakten ersetzt:

Customer Lifetime Value

Wie schon angeführt enden Marketing KPIs nicht bei der Neukundenakquise, sondern betrachten auch den Wert, den Kund:innen über die Geschäftsbeziehung generieren. Der Customer Lifetime Value ist jene KPI, die den gesamten Kundenlebenszyklus berücksichtigt.

Was und wie

Der Customer Lifetime Value zeigt den durchschnittlichen Umsatz, den ihr mit euren Kund:innen während der gesamten Geschäftsbeziehung erzielt, oder besser: erzielen wollt:

  • Customer Lifetime Value = (Erwartete Kundenumsätze – Kundenspezifische Kosten) * Erwartete Dauer der Geschäftsbeziehung – Customer Akquisition Cost

Für die KPI benötigt ihr neben Informationen aus der Kundenakquise vor allem planerisches Gespür, um die erwarteten Umsätze, Kosten und Dauer der Geschäftsbeziehung einschätzen zu können.

Sinn und Unsinn

Der Customer Lifetime Value ist sehr wirkungsvoll, da er die Einschätzung der Kundenrentabilität in der Zukunft ermöglicht. Das ist aber auch seine Schwäche: durch die getroffenen Annahmen ist die Unsicherheit sehr hoch. Das Kaufverhalten ändert sich dynamisch und beeinflusst die KPI maßgeblich. Daher ist der Customer Lifetime Value im engsten Wortsinn als Indikator zu verstehen.

Neukunden Umsatz

Im unternehmerischen Kontext gilt: Marketing, das keinen Umsatz generiert, hat keine Daseinsberechtigung. Daher ist der generierte Umsatz mit Neukunden jene Zahl, auf die alle Augen gerichtet sind. 

Was und wie

Der Neukunden Umsatz zeigt, mit wie viel zusätzlichen Umsatz ihr durch neu gewonnen Kunden rechnen könnt:

  • Neukunden Umsatz = Neu gewonnen Kunden * (Erwarteter) Umsatz mit Neukunden

Für die KPI benötigt ihr Daten aus eurem CRM-System. Sofern ihr im Projektgeschäft seid, solltet ihr eine Trennung zwischen Auftragsvolumen und erwarteter Umsätze vornehmen.

Sinn und Unsinn

Der Neukunden Umsatz ist eine wichtige KPI um den Marketingerfolg und das Wachstum des Unternehmens bewerten zu können. Weniger sinnvoll ist es, sein gesamtes Marketing-Streben auf den Neukunden Umsatz auszurichten. Schließlich kann auch mit dem Kundenbestand Wachstum (durch Upgrades oder neue Projekte) erzielt werden.

Customer Acquisition Cost

Marketing soll Umsatz bringen, so viel wissen wir nun schon. Häufig wird jedoch vergessen, dass die Generierung von Umsatz auch Geld kostet und ein teuer gewonnener Neukunde vielleicht kein erwünschter Neukunde ist. Customer Acquisition Cost ist jene KPI, die diese These mit Zahlen füttert.

Was und wie

Customer Acquisition Cost stellt den Neukunden die zur Kundengewinnung notwendigen Gesamtkosten für Marketing und Vertrieb gegenüber:

  • Customer Acquisition Cost = (Marketingkosten + Vertriebskosten) / Anzahl Neukunden

Für die KPI benötigt ihr neben der Anzahl an Neukunden alle marketing- und vertriebsrelevanten Kosten. Diese beinhalten externe Kosten (z.B.: Werbung, Messen) sowie Gehälter der relevanten Mitarbeiter:innen. Die Daten bekommt ihr aus eurer Buchhaltung.

Sinn und Unsinn

Customer Acquisition Cost ist eine enorm wichtige KPI, da sie auch die ungeliebten Kosten berücksichtigt. Setzt man die KPI ins Verhältnis mit dem Customer Lifetime Value, zeigt sich, ob die Neukundenakquise langfristig profitabel ist. Nachteilig ist, dass die berücksichtigen Kosten häufig nicht trennscharf sind (z.B.: wieviel Personalkosten sind in Marketing geflossen?) und dass die KPI auf einen Durchschnitt setzt. Ausreißer sind damit nicht sichtbar. 

Lead-to-Customer Conversion Rate

Gerade Startups lieben es, ihre Website Conversion intensiv zu analysieren. Was helfen aber viele Klicks und Website-Zugriffe, wenn daraus keine Kunden entstehen? Die KPI zur Messung der Kundengewinnung ist die Lead-to-Customer Conversion.

Was und wie

Die Lead-to-Customer Conversion zeigt jenen Anteil von qualifizierten Leads, die zu zahlenden Kunden werden:

  • Lead-to-Customer Conversion Rate = (Anzahl konvertierte qualifizierte Leads / Gesamtanzahl qualifizierte Leads) * 100

Für die KPI benötigt ihr Daten aus eurem CRM-System. Wichtig ist eine klare Periodenabgrenzung der Leads, um die tatsächliche Konvertierung zu sehen. Eine weitere Trennung sollte nach den Kanälen (Outbound, Inbound) vorgenommen werden.

Sinn und Unsinn

Die Lead-to-Customer Conversion hilft euch zu verstehen, wie gut ihr qualifizierte Leads in zahlende Kunden verwandeln könnt. Die Detailauswertung dieser KPI nach Kanälen, Regionen oder Teammitgliedern ermöglicht ein Benchmarking. Ein Nachteil, dass sie die benötigte Zeit zur Konvertierung nicht berücksichtigt und daher auch keine Aussage über den Aufwand gibt.

Lead-to-Customer Conversion Time

So erfreulich eine hohe Conversion Rate ist, so ernüchternd sind lange Sales Zyklen und daraus resultierender hoher Aufwand zur Kundengewinnung. Daher ist die zeitliche Optimierung der Konvertierung genauso wichtig wie eine hohe Abschlussrate. Die Lead-to-Customer Conversion Time ist die KPI der Wahl hierfür.

Was und wie

Die Lead-to-Customer Conversion Time misst die benötigte Zeit, um qualifizierten Leads in zahlende Kunden zu verwandeln:

  • Lead-to-Customer Conversion Time = Zeitpunkt Vertragsabschluss – Zeitpunkt Lead-Generierung

Für die KPI benötigt ihr Daten aus eurem CRM-System. Wichtig hierbei sind genaue Zeitstempel für Lead-Generierung und Vertragsabschluss. Eine weitere Trennung sollte nach den Kanälen (Outbound, Inbound) vorgenommen werden.

Sinn und Unsinn

Die Lead-to-Customer Conversion Time ist wichtig, um Zeit und Aufwand für die Kundengewinnung zu messen. Ergänzt um die Kontaktpunkte ergibt sich ein gutes Bild des Marketing- und Vertriebsaufwands. Nachteilig ist, dass die KPI auf einen Durchschnitt setzt. Ausreißer sind damit nicht sichtbar.

Fazit: Bei KPIs lieber wenig Gutes als alles Mögliche

Marketing KPIs gibt es wie Sand am Meer und jedes Sandkorn kann dank Tracking Technologie erhoben werden. Sinnvoller als jedes Sandkorn unter die Lupe zu nehmen ist es aber, die Marketingaktivitäten mit einem integrierten KPI System und realistischen Zielwerten zu steuern, die einen klaren Fokus auf das Hauptziel des Marketings legen: nachhaltige Umsätze zu generieren. Falls ihr ein Akronym hierfür wollt, nennen wir es doch: SCR (Sustainable Customer Revenues).

Über den Autor

Bernhard Frühlinger ist von Adam, dem digitalen Controlling-Service für KMU und Startups. Zuvor war er viele Jahre als Unternehmensberater für Finance Themen tätig.

Bereits in der Serie „Finance Hacks für Startups“ erschienen:

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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Die Partner von No Hype KI
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