08.05.2018

Legal Limbo: Wann ist ein Coin in Österreich und den USA ein “Wertpapier”?

Gastbeitrag. Oliver Völkel und Bryan Hollmann von Stadler Völkel Rechtsanwälte beleuchten die rechtliche Situation von ICOs in Österreich und den USA. Die Unterschiede, wann ein Coin als "Wertpapier" eingestuft wird, sind dabei gravierend.
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Wann ist ein Coin ein Wertpapier?
(c) SVLAW: Oliver Völkel

Aus rechtlicher Sicht stellen ICOs eine große Herausforderung dar. Derzeit gibt es keine speziellen Regelungen für Kryptowährungen abgesehen von den Änderungen zu der 4. Geldwäscherichtlinie in der Europäischen Union. In den Vereinigten Staaten werden Ethereum und Ripple – die zweit- und drittgrößte Kryptowährung nach Marktkapitalisierung – dem Vernehmen nach einer genauen Überprüfung durch Aufsichtsbehörden unterzogen und stehen im Kreuzfeuer verärgerter Investoren. Um einen erfolgreichen ICO abzuhalten, müssen Startups ein komplexes juristisches Regelwerk mehrerer Staaten einhalten. Eine entscheidende Frage: Ist der ausgegebene Coin als “Wertpapier” zu behandeln? Dieser Artikel bietet einen kurzen Überblick über manche rechtlichen Aspekte, die bei der Vorbereitung eines ICOs zu berücksichtigen sind.

+++ Wie wird Washington entscheiden? Schicksalstag für Ethereum und Ripple +++

Rechtliche Überlegungen in Österreich

Eine Legaldefinition des Begriffs “Wertpapier” existiert nach österreichischem Kapitalmarktrecht nicht. Allerdings definiert die EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente den Begriff der übertragbaren Wertpapiere weit, der traditionelle Wertpapiere wie Aktien, Schuldverschreibungen oder Zertifikate für Aktien und Schuldverschreibungen umfasst. Vereinfacht gesagt: All jene Investments, die mit Aktien und Schuldverschreibungen vergleichbar sind, sind Wertpapiere.

Wann ist ein Token ein “Wertpapier”?

Für die rechtliche Einordnung von Coins und Tokens als Wertpapiere muss die konkrete Ausgestaltung mit Aktien und Schuldverschreibungen verglichen werden. Dabei kommt es auf die spezifischen Rechte an, welche die Investoren durch den Erwerb eines Coins oder Tokens erhalten. Coins gewähren üblicherweise keine Rechte an Dritte und sind daher nicht als Wertpapiere im Sinne des österreichischen Kapitalmarktrechts anzusehen. Tokens auf der anderen Seite können Investoren Rechte gewähren, die mit jenen von Aktionären oder Inhabern von Schuldverschreibungen vergleichbar sind. In diesem Fall sind Token als Wertpapiere zu qualifizieren. Stimmrechte in Hauptversammlungen, Dividenden, Zinszahlungsansprüche oder die Rückzahlung des investierten Kapitals am Ende einer bestimmten Laufzeit sind Rechte, die auf das Vorliegen eines Wertpapieres hinweisen.

Die rechtliche Konsequenz der Einordnung eines Tokens als Wertpapier ist die Notwendigkeit der Veröffentlichung eines Wertpapierprospektes. Die Nichteinhaltung ist ein Vergehen, welches mit bis zu zweijähriger Freiheitsstrafe bedroht ist.

…und wann ist ein Token eine “Veranlagung”?

Tokens können unter Umständen auch als Veranlagungen im Sinne des Kapitalmarktgesetzes (KMG) qualifiziert werden. Nur die Gewährung bestimmter Vermögensrechte sind von der Definition der Veranlagung umfasst, über die kein Wertpapier ausgestellt worden sein darf. Weiters muss das von verschiedenen Anlegern auf gemeinsame Rechnung und gemeinsame Gefahr investiert werden. Schließlich darf die Verwaltung des investierten Kapitals nicht durch die Anleger selbst erfolgen. Stellen Coins oder Tokens Veranlagungen dar, so ist ebenfalls ein Prospekt zu veröffentlichen.

Bei der Vorbereitung eines ICOs, kann es ebenso notwendig sein bestimmte Konzessionspflichten nach dem Bankwesengesetz (BWG) oder Zahlungsdienstgesetz (ZaDiG) zu berücksichtigen, welches auf europäischer Ebene durch die Zahlungsdiensterichtlinie harmonisiert wurde. Diese Regelungen sind oft dann anwendbar, wenn Zahlungsdienste angeboten werden oder eine Währung erschaffen werden soll, die auch von Dritten akzeptiert wird.

Rechtliche Überlegungen in den Vereinigten Staaten

Amerikanisches Wertpapierrecht sollte bei der Planung eines ICOs berücksichtigt werden. Wenn ein Coin oder Token ein Wertpapier nach amerikanischem Recht darstellt, kann das Angebot oder der Verkauf in den Vereinigten Staaten oder an Amerikaner (z.B. Amerikanische Staatsbürger oder Einwohner) strafrechtlich verfolgt werden. Die U.S. Securities and Exchange Commission (SEC), die amerikanische Finanzmarktaufsicht, hat in den letzten Monaten die Entwicklung in der Krypto-Szene aufmerksam beobachtet und schon einige Verfahren gegen Startups eingeleitet, die ungemeldet ICOs abgehalten haben.

Vier Kriterien zum “Wertpapier”

Kryptowährungen sind nach amerikanischem Recht dann als Wertpapiere einzustufen, wenn sie die Kriterien des Howey-Tests erfüllen, welcher nach dem Präzedenzfall des Obersten Gerichtshof in den USA, SEC v W. J. Howey Co benannt ist. Der Test enthält vier Elemente (gelegentlich werden die letzten beiden als ein Kriterium zusammengefasst):

1. Eine Investition von Geld

2. in ein Unternehmen

3. mit einer angemessenen Gewinnerwartung

4. welche sich aus den unternehmerischen Bemühungen anderer ableitet.

Das erste Element – die Investition von Geld – ist ziemlich unumstritten. Geld ist nicht gleichzusetzen mit Bargeld; auch eine Investition von Bitcoin, Ether oder jeder andere “Austausch von Werten” ist ausreichend. Geradezu jeder ICO enthält eine Investition von Geld. Die restlichen Elemente sind weniger klar. Die Unsicherheit ergibt sich auch daraus, dass Coins oder Tokens unterschiedliche Eigenschaften haben, was die Schaffung einheitlicher Rahmenbedingungen für die Einordnung erschwert. Ob ein bestimmter Coin oder Token ein Wertpapier darstellt, kann nur durch eine Analyse auf Einzelfallbasis beurteilt werden. Es gibt keinen einheitlichen Ansatz, der alle Aspekte berücksichtigt.

“Jeder bisherige ICO ist ein Wertpapier”

Der derzeitige SEC Vorsitzende, Jay Clayton, hat in einem U.S. Senate Hearing am 6. Februar 2018 angemerkt, dass seiner Meinung nach “jeder bisherige ICO ein Wertpapier” darstellt. Bis die Aufsichtsbehörden die Anwendung der Wertpapiergesetze auf Kryptowährungen klären, sollten Personen, die einen ICO planen, ihre Coins oder Tokens als Wertpapiere betrachten und das amerikanische Wertpapierrecht einhalten.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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