05.01.2024

KI im Startup-Marketing: Hype und echte Einsatzfälle

Gastbeitrag. Wie hat sich die AI-Revolution des letzten Jahres auf die Marketingarbeit in Startups ausgewirkt? Marketing Consultant Leander Seidl fasst seine Eindrücke aus verschiedenen europäischen Startups zusammen.
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Das vergangene Jahr war zweifelsfrei geprägt vom Thema Künstliche Intelligenz: angefangen vom Hype um ChatGPT, über Bildgenerierungs-Tools wie Midjourney und DALL-E, bis hin zu KI-Audio und Video. Viele dieser Lösungen scheinen auf den ersten Blick revolutionär und vor allem für das Marketing von Unternehmen ein echter Game Changer zu sein. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Welche Tools konnten in Marketing Teams wirklich brillieren – und welche stellten sich als Eintagsfliegen heraus?

ChatGPT im Marketing-Einsatz

ChatGPT stand zweifelsfrei an der Spitze des Trends zur künstlichen Intelligenz. Die Einsatzformen sind vielseitig, aus Marketing-Sicht sollte man die Einsatzformen in zwei Kategorien betrachten: Intern und Customer-Facing.

Gerade im internen Einsatz hat sich ChatGPT in vielen Teams bereits bewährt. Hier dient der Chatbot als eine Art Brainstorming Partner, um beispielsweise einen ersten Entwurf für Texte zu liefern, um Marketingpläne mit zusätzlichen Ideen anzureichern, oder um große Datenmengen strukturiert wiederzugeben. Konkrete Beispiele im Einsatz bei Startups sind Produkttexte im E-Commerce. Hier werden strukturierte Daten an die AI übermittelt, und ChatGPT liefert einen ersten Textvorschlag für einen Beschreibungstext.

Wichtig dabei: der Text wird danach nochmals menschlich finalisiert und feingeschliffen. Vor allem der seit November 2023 mögliche Einsatz von custom GPTs ist hier sehr hilfreich: so können interne ChatGPT Instanzen vorbereitet und konfiguriert werden, die für den Rest des Teams verfügbar sind, und z.B. die Firmeninternen best Practices und Style Guides bereits beinhalten.

Bei Customer-Facing Einsätzen ist hingegen mehr Vorsicht geboten: wenn Texte aus ChatGPT 1:1 genutzt werden – egal ob auf der Website, auf Social Media, oder in Emails, fällt dies mittlerweile geschulten Augen sehr schnell auf. Der Satz “Hast du das wirklich selber geschrieben, oder ist das von ChatGPT?” ist in letzter Zeit immer häufiger zu hören – das liegt daran, dass die KI oft übertrieben dramatisch und hochgestochen formuliert, und immer wieder auf ähnliche Schreibmuster zurückfällt. Wenn man außerdem das latente Risiko von Halluzinationen bedenkt, folgt das wichtige Learning: AI generierte Texte immer selbst Korrekturlesen und optimieren.

Auch das Implementieren von Chatbots, die Endkunden z.B. bei der Produktwahl beraten, ist dank Open AIs GPT-API prinzipiell deutlich leichter möglich, und kann – bei idealer Umsetzung – positive Auswirkungen auf die Conversion Rate haben. Allerdings sind auch hier die Risiken von Halluzinationen, potenzielle Exploits und DSGVO-Bedenken zu berücksichtigen. Ein Case, der zur besonderen Vorsicht mahnt, ist der Fall eines Autohändlers aus den USA, bei dem ein GPT-basierter Chatbot plötzlich Autos um 1 US-Dollar anbot.

KI-generierte Visuals für Werbungen

Midjourney und DALL-E, letzteres sogar mit direkter Integration in der bezahlten Version von ChatGPT, haben dieses Jahr massive Fortschritte gemacht. Waren Anfang des Jahres noch verstörende Resultate – zu viele Finger bei menschlichen Portraits, unnatürliche Proportionen – die Norm, so sind die Ergebnisse heute deutlich ansprechender und natürlicher. Dadurch stellen die AI-Bildgeneratoren heutzutage eine echte Alternative zu Stock-Photos dar.

In einem A/B Test hat ein österreichisches Startup eine identische fünfsekündige Video Ad einmal mit Stock Fotos und einmal mit KI-Bildern ausgeliefert. Die CPCs, Click Through- und Conversion Raten waren jeweils fast ident. Das bedeutet: Bei kurzen Einsätzen können mit AI generierten Visuals echte Kosteneinsparungen im Vergleich zu Stock-Bildern erzielt werden.

Auch im Bereich KI-Animationen haben sich viele neue Möglichkeiten aufgetan: RunwayML startete im Sommer 2023 mit einer “Text Prompt to Video” Anwendung, wodurch es möglich ist, ca. 5 Sekunden lange, komplett KI generierte Videos zu generieren. Hier ist allerdings noch mit einigen Restriktionen zu arbeiten: die Videos sind vor allem Kameraschwenks und Panoramaaufnahmen – gutes Füllmaterial für größere Videos, aber vor allem für das sinnvolle Einblenden von Text und Call To Actions, sowie den Schnitt von Clips mit klaren CTAs, ist die KI noch nicht geeignet.

Ein Midjourney-Bild mit dem Prompt “A large poster, with the text "Can AI write proper text?" on it”, erstellt mit der aktuellen V 6.0 des Tools
Ein Midjourney-Bild mit dem Prompt “A large poster, with the text “Can AI write proper text?” on it”, erstellt mit der aktuellen V 6.0 des Tools (© Leander Seidl)

Auch Werbebanner, die neben einem Bild auch Grafikelemente und Texte benötigen, können noch nicht zuverlässig von KI generiert werden. Die neuesten Versionen von DALL-E und Midjourney zeigen zwar Verbesserungen – aber zu oft werden Texte weiterhin unleserlich oder sinnfrei in die Bilder eingefügt.

Audio mit KI

Ein Thema, bei dem künstliche Intelligenz tatsächlich beeindrucken kann, ist die Audio-Ausgabe. Es ist heute möglich, mit ca. 30 Minuten an aufgenommener Sprache, eine täuschend echt klingende Text-to-Speech Stimme zu erstellen. Die drei stärksten Tools in diesem Bereich sind Descript, PlayHT und Elevenlabs. Dies ist nicht nur ein beeindruckendes Gimmick, sondern kann auch echten Mehrwert bieten: zum Beispiel können Tutorial Videos für das eigene Produkt nun mit der Stimme des CEOs begleitet werden, und für Neuerungen am Produkt muss nicht jedes mal zurück ins Aufnahmestudio gegangen werden – mit der eigenen Text-to-Speech Stimme kann der Text binnen Minuten neu generiert werden.

Eher in die Richtung eines Tech Gimmicks geht hingegen die KI-generierte Erstellung von Songs: mit tools wie Suno, können innerhalb von Sekunden kurze Songs erstellt werden. Lyrics, Melodie, Gesang – aus einem einzigen Prompt erstellt die AI das gesamte Werk. Für den Marketing-Einsatz wären die Resultate wohl oft zu eigenartig und nicht konsistent genug. Beeindruckend ist das Potenzial allerdings jedenfalls: hier als Beispiel ein kurzer Song, der aus dem Prompt “Leander Seidl wünscht der Brutkasten-Community viel Erfolg für 2024, mit vielen Startups, Exits und Investments“ generiert wurde. 

Ein Ausblick

Unternehmen, die mutig genug sind, KI-Tools auszuprobieren und ihre Marketing-Teams damit aufzuwerten, können einen echten Wettbewerbsvorteil schaffen. Allerdings dürfen sich die Entscheidungsträger nicht von übertriebenen Versprechungen blenden lassen: bisher hat künstliche Intelligenz noch kein größeres Marketing Team vollständig ersetzt – und auch in absehbarer Zukunft wird dies nicht der Fall sein. Den Markt zu beobachten, neue Tools auszuprobieren, und nicht in voreilige Euphorie zu verfallen – das sind meine Vorsätze für KI im Marketing im neuen Jahr 2024.


Über den Autor

Leander C. Seidl ist selbstständiger Digital Marketing Stratege für Startups, KMUs und Corporates. Er arbeitete unter anderem am Aufbau des Travel-Startups Midnightdeal, sowie an Product Launches von verschiedenen Tech-Companies. An der FH Technikum Academy und der FH WKW ist er als Gastlektor für Marketing Automation tätig.

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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