04.11.2016

Jumio: „Die Nahtoderfahrung hat uns weitergebracht“

Jumio, ein Silicon Valley-Startup mit österreichischen Wurzeln, das einen Identity-Check-Service anbietet, ging dieses Jahr in Konkurs. Es wurde gekauft und neu gegründet. Der Brutkasten analysierte die komplexe Vorgeschichte und sprach mit Österreich-Chef Alexey Grubauer über den Neustart.
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(c) Jumio Corp.: Das Jumio-Team in Palo Alto, Silicon

“Jumio hatte in letzter Zeit viel negative Publicity”, sagt Alexey Grubauer, Geschäftsführer der österreichischen Jumio-Tochter Jumio GmbH. Das war nicht immer so. Der oberösterreichische Founder, Daniel Mattes, war noch vor zwei Jahren in verschiedenen Medien als „Bill Gates der Alpen“ bezeichnet worden. 2015 wurde Mattes als CEO von Jumio Inc. abgesetzt, oder trat zurück – je nach Erzählweise. 2016 musste das Unternehmen dann in den USA Konkurs anmelden. Obwohl die österreichische Jumio GmbH nicht in die Geschehnisse involviert war, die zum Konkurs führten, bedeutete das auch für Grubauer einen tiefen Einschnitt, den er für einen Neustart nutzte.

+++ Dossier: Scheiterkultur +++

Restart mit Umstrukturierung: “Boote” statt Matrix

(c) Daniel Antalfi: Alexey Grubauer
(c) Jumio corp.: Alexey Grubauer

“Das war natürlich eine extrem harte Zeit mit vielen schlaflosen Nächten für mich”, erzählt Grubauer. Doch er hätte versucht, das Beste daraus zu machen und nahm die notwendigen Einsparungen zum Anlass, die Firmenstruktur komplett umzukrempeln. War das Unternehmen zuvor in einer klassischen Matrix-Struktur organisiert, sollte es nun in Arbeitsgruppen gleichberechtigter Experten umstrukturiert werden. Dazu trennte sich Grubauer fast vollständig vom mittleren Management. Die Abteilungen wurden aufgelöst und ihre Mitarbeiter in “crossfunctional delivery teams” zusammengefasst. “Wir nennen diese Teams ‘Boote‘. Sie sind empowered. Sie werden mit Problemstellungen und anvisierten Zielen konfrontiert. Das Boot selbst entscheidet wie der Plan zur Erreichung dieser Ziele aussieht”, erklärt Grubauer.

“Die Nahtoderfahrung hat uns weitergebracht. Sie war der Katalysator um Jumio moderner, schlanker, und agiler zu organisieren.”

Mehr Effizienz durch enge Zusammenarbeit und intrinsische Motivation

Innerhalb dieser Kleingruppen gibt es keine Hierarchie. Koordinationsfunktionen werden eigenständig festgelegt. Dahinter stehen natürlich unternehmensweite Ziele, Regeln und Constraints. Effizienz, Motivation und Commitment hätten sich durch die neue Arbeitsweise maßgeblich gesteigert, sagt Grubauer. Denn Entscheidungen würden nun viel schneller getroffen werden. Die Teams seien zusammengeschweißt und fokussiert. Die Motivation der Mitarbeiter käme viel stärker von ihnen selbst. Sie würden die Projekte nun mehr als ihre eigenen wahrnehmen und stünden viel stärker dahinter. Grubauer resümiert: “Die Nahtoderfahrung hat uns weitergebracht. Sie war der Katalysator um Jumio moderner, schlanker, und agiler zu organisieren.”

Durchstarten nach dem Neustart

(c) Daniel Antalfi: Neue Arbeitskultur bei der Jumio GmbH.
(c) Daniel Antalfi: Neue Arbeitskultur bei der Jumio GmbH.

Grubauer blickt nun optimistisch in die Zukunft: Nach der Krise wolle Jumio die Innovationen im ID-Verification-Sektor nun schneller vorantreiben, als je zuvor. Die Teams könne man nun wieder erweitern. Neue Projekte gäbe es insbesondere in den Bereichen Computer Vision und Deep Learning und in der backend Entwicklung. Jumio arbeite dazu mit vielen jungen Coworkern zusammen, sagt Grubauer: “Es macht Spaß zu experimentieren und zu sehen, dass Empowerment bei unseren Mitarbeitern und Partnern zu Commitment und Spitzenleistung führen”.



Die Passage über die Vorgeschichte zum Jumio-Konkurs wurde von der Redaktion nach Beanstandung durch Founder Daniel Mattes vorübergehend entfernt.

Detaillierte Informationen zur Vorgeschichte finden Sie hier:

 

 

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Das Scripe-Founder-Trio (vlnr.) Carmen Jenny, Eva Egg und Christoph Meise | (c) Mirjam Hagen
Das Scripe-Founder-Trio (vlnr.) Carmen Jenny, Eva Egg und Christoph Meise | (c) Mirjam Hagen

“People trust people, not brands” – dieses Bonmot zitiert das Berliner Startup Scripe in einer Aussendung. Dabei geht es um Personal Branding auf LinkedIn. Starke Personal Brands der Mitarbeiter:innen würden Unternehmen nämlich ungemein im Marketing helfen, argumentiert das Unternehmen. Um nicht weniger als 45 Prozent erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit eines Verkaufsabschlusses, wenn Vertriebsmitarbeitende regelmäßig auf LinkedIn posten.

KI fungiert als Ghostwriter, Strategieberater und liefert sogar passende “Fotos”

Die Ironie, genau diesen Slogan anzuführen, dürfte dem Scripe-Team aber durchaus bewusst sein. Denn für das perfekte Personal Branding, das für das besagte Vertrauen von Menschen in Menschen sorgt, soll – wie könnte es 2024 auch anders sein – Künstliche Intelligenz sorgen.

Der Ansatz des Startups geht dabei denkbar weit: Die KI fungiert nicht nur als Ghostwriter sondern liefert auch Strategie- und Marketing-Beratung und sogar die passenden Business-“Fotos” als Illustration. Für letzteres müssen User:innen nur einige echte Fotos von sich hochladen, um die KI anzutrainieren.

Scripe verspricht bis zu 90 Prozent Zeitersparnis

All das soll Unternehmen viel Zeit und damit Geld sparen. Denn im Schnitt nehme es ganze zehn Stunden pro Woche ein, zwei bis drei Mal pro Woche in entsprechender Qualität auf LinkedIn zu posten. “Teure Zeit, die sich viele Unternehmen nicht leisten können und wollen”, meint man bei Scripe. Und die Tools des Startups sollen diesen Aufwand um bis zu 90 Prozent reduzieren.

Kein “belangloser, generischer Content”

Dabei soll aber kein “belangloser, generischer Content” herauskommen, wie er dank ChatGPT und Co. zuletzt recht üblich auf LinkedIn wurde. Die KI-Software sammelt und analysiert zu diesem Zweck fortlaufend LinkedIn-Daten von tausenden Profilen und erkennt dabei erfolgreiche Beiträge. Um genuinen Content zu liefern, kann die KI laut Scripe unstrukturierte Input-Quellen wie Sprachnachrichten, Podcasts oder einfache Notizen in “hoch-qualitative, humanlike Social-Media-Posts” umwandeln.

Tiroler Mitgründerin und CEO Eva Egg mit Erfahrung bei Personal Branding

“Unsere Vision ist es, Unternehmen dabei zu unterstützen, individuelle Persönlichkeiten zu starken Marken zu machen, die sich von der zunehmend homogenen Social-Media-Masse abheben und zum Erfolg des Unternehmens beitragen”, sagt Eva Egg, Co-Founderin und CEO von Scripe. Die Tirolerin – übrigens die Schwester von ROI-Ventures-Gründerin Laura Raggl – hat das Unternehmen gemeinsam mit Carmen Jenny (CMO) und Christoph Meise (CTO) gegründet und startete Anfang des Jahres in die Beta-Phase. Bereits mit ihrem vorigen Startup Notus, das Egg in der Schweiz mitgegründet hat, beschäftigte sich die Gründerin mit dem Thema Personal Brands, wie brutkasten berichtete.

Schon Tausende Scripe-Nutzer:innen, WeWork und Qonto als Referenzen

Mit Scripe kann das Gründer:innen-Trio schon einige Erfolge vorweisen. Seit dem Start der Beta-Phase Anfang des Jahres habe man bereits mehr 2.000 User:innen gewonnen, die über 20.000 Posts generiert haben, heißt es vom Startup. Seit dem offiziellen Launch Anfang September habe sich die Nutzerzahl vervielfacht. Auf LinkedIn habe man mit Beiträgen zum Unternehmen mehr als eine Million Impressions erreicht. Unter den Referenzkunden sind Namen wie WeWork und Qonto.

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