28.04.2022

IV-Präsident Knill: “Das ist ein realitätsfernes Wunschdenken der Energieministerin”

Der Präsident der Industriellenvereinigung übt harte Kritik an den Energieplänen der Klimaschutzministerin Gewessler.
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IV-Präsident Georg Knill
IV-Präsident Georg Knill © Alexander Müller/IV

Der russische Energiekonzern Gazprom hat Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien eingestellt. Gleichzeitig hat in Österreich das Klimaschutzministerium einen Ausstiegsplan aus russischem Erdgas präsentiert, der von der Österreichischen Energieagentur erarbeitet wurde. Darin wird ein Szenario gezeichnet, das einen Ausstieg bis 2027 ermöglichen soll. Die Industriellenvereinigung (IV) ärgert sich über den Plan. “Was von der Energieministerin und der Energieagentur präsentiert wurde, ist extrem enttäuschend”, sagt IV-Präsident Georg Knill im Interview mit dem brutkasten. Er erklärt, was für ganz konkrete Folgen ein russischer Gasstopp hätte und warum er den Plan der Energieagentur für unrealistisch hält. An Klimaschutzministerin Leonore Gewessler übt er harte Kritik. “Das ist kein Krisenmanagement sondern realitätsfernes Wunschdenken und nicht nachvollziehbar”, sagt Knill.


Die russische Gazprom hat in den ersten Ländern das Gas abgedreht, angeblich weil die Zahlung nicht in Rubel erfolgte. Rechnen Sie damit, dass Österreich das auch blüht?

Georg Knill: Es ist nicht wirklich vorhersehbar, wie die russischen Gaslieferungen in den nächsten Tagen oder Jahren aussehen werden. Bisher waren die Diskussionen eher ein politisches Säbelrasseln. In der Realität ist immer zuverlässig Gas geliefert worden. Jetzt kam es erstmals zu einer Stilllegung der Lieferung nach Polen über die Jamal-Leitung und nach Bulgarien. Ob es dabei wirklich um die Rubel-Zahlungen ging, oder ob es sich dabei nur um eine Drohgebärde oder den Start eines kompletten Herunterfahrens der Lieferungen nach Europa handelt, ist für mich schwer zu sagen.

Einen Hochofen kann ich nicht ein- und ausschalten wie eine Glühbirne. Das muss man strukturiert über mehrere Tage und Wochen machen.

Georg Knill

Welche konkreten Folgen ergäben sich aus einem solchen Stopp für die österreichische Industrie – welche Unternehmen wären zuerst betroffen und wie schnell wären sie betroffen?

Österreich hat jährlich einen Bedarf von rund 90 Terawattstunden Gas. Davon kommt ein Großteil aus Russland. Von diesen 90 Terawattstunden braucht die produzierende Industrie über 40 Prozent – der Rest fließt in die Stromerzeugung zur Stabilisierung der Stromversorgung und in die Haushalte. Der produzierende Sektor ist also der Hauptabnehmer dieses Gases und findet dort breite Anwendung: als Prozessgas, in der Fertigung bei vielen Produktionsschritten. Die Großabnehmer sind bekannt: von Stahl und Zement bis hin zu Papier. Davon gibt es mehrere Dutzende energieintensive Unternehmen in Österreich. Für weitere rund 7000 Unternehmen ist Gas ebenfalls wesentlich für die Produktion – das geht über alle Branchen. Von einem Gas-Lieferstopp wären auch zB Bäckereien betroffen, die ihre Öfen mit Gas befeuern. Würde es morgen kein Gas aus Russland mehr geben, würde der Energielenkungsfall eintreten, also das Gesetz, das geschützte Kunden wie Haushalte und Krankenhäuser bei der Versorgung vorzieht und dann zu Abschaltungen und Reduktionen bei intensiven Abnehmern führt. Energieministerin Leonore Gewessler bleibt bisher sehr vage, wie der Plan für den Ernstfall genau aussehen könnte. Verständlicherweise will man keine Namen nennen.

Was würde eine Abschaltung ganz konkret für diese intensiven Abnehmer in der Industrie bedeuten?

Malen wir schwarz und nehmen an, es kommt kein russisches Gas mehr. Aus heutiger Sicht hätten wir etwa zwei bis drei Monate Gasvorrat für alle Abnehmer – Industrie, private Haushalte, Stromversorgung. Aus Sicht der Industrie würde aber in jedem Fall sehr bald ein Herunterfahren beginnen. Wenn man das nicht planmäßig macht, kann das zu kompletten Anlageausfällen führen. Einen Hochofen kann ich nicht ein- und ausschalten wie eine Glühbirne. Das muss man strukturiert über mehrere Tage und Wochen machen. Und es dauert auch wieder Wochen, um ihn hochzufahren.

Wenn Russland morgen entscheidet, kein Gas mehr zu liefern, fließt dann sofort keines mehr?

So, wie wir das in Polen gesehen haben, geht das innerhalb eines Tages. Die E-Control monitort die Gaslieferungen nach Österreich zweimal täglich und wir würden das sofort sehen. Kommt es zu einer Abschaltung, müsste die Energieministerin zur Energielenkung greifen und je nach Bereich rationieren. Ich gehe davon aus, dass es für die betroffenen Unternehmen schon konkrete Informationen gibt, die ein strukturiertes Herunterfahren der Anlagen ermöglichen. Ein “von heute auf morgen” würde sonst massive Ausfälle ganzer Anlagen bedeuten.

Man muss sich kritisch überlegen, ob weitere Sanktionsschritte dem eigentlichen Ziel der Sanktionen dienlich sind, nämlich einem Ende dieses Krieges.

Georg Knill

Was bedeuten diese Ausfälle für die Wirtschaft in Österreich – egal ob strukturiert oder von heute auf morgen?

Diese Ausfälle in der Produktion ziehen sich wie eine Kettenreaktion durch die gesamte Wirtschaft. Wenn es keine Vorproduktion gibt, gibt es auch keine weitere Produktion. Das muss man sich schon vor Augen halten. Damit wären massiv viele Arbeitsplätze ernsthaft in Gefahr. Das Instrument der Kurzarbeit ist dann wahrscheinlich nicht mehr ausreichend. Ich gehe davon aus, dass es gesellschaftliche Unruhen und soziale Aufstände geben würde. Das wäre eine tiefe Rezession. Derzeit ist das aber ein “Was wäre wenn”-Szenario. Viele Länder haben in diesen sieben bis acht Wochen, seit der Krieg begonnen hat, intensiv an Alternativen gearbeitet.

Österreich hat das verabsäumt?

In Österreich hat man mal einige Wochen gewartet bis man sich mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Was nun von der Energieministerin und der Energieagentur präsentiert wurde, ist extrem enttäuschend. Das ist ein Verblenden von Tatsachen. Man spricht allen Ernstes von einem Einsparpotenzial von rund 30 Terawattstunden bei Gas. Das ist ein Drittel des gesamten Gasbedarfs. Mir ist unerklärlich, wie das gehen soll ohne Abschaltungen in der Industrie oder der Kaltstellung von Haushalten. Das entspricht der Menge an Energie, die man laut Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) bis 2030 zusätzlich aus erneuerbaren Quellen erzeugen will.

Was wäre aus Ihrer Sicht realistisch? Für Haushalte gibt es die Empfehlung, die Heizung um 2 Grad herunterzudrehen – gibt es da ein Äquivalent für Industrieunternehmen?

Zu unterstellen, dass wir Gas in Saus und Braus verschwenden bei diesen Energiepreisen wäre fahrlässig. Das würde Unternehmertum in Frage stellen. Es wird sicher keine Kilowattstunde Energie unnötig verbraucht. Das macht ja Szenarien wie die Reduktion um 30 Prozent so illusorisch. Das ist ein realitätsfernes Wunschdenken der Energieministerin. Die zweite Maßnahme in dem gestern präsentierten Papier spricht von 14 Terawattstunden, die wir im Inland an Gas kompensieren können – etwa durch Biogas und Wasserstoff. Das soll bis 2027 klappen. Weder die Projekte noch die Genehmigungsverfahren sind so weit. Uns das jetzt als die Lösung zu verkaufen ist fahrlässig. Auf die Frage, was jetzt gemacht wird, wenn es morgen kein Gas mehr geben sollte, fehlen die Antworten. Das wurde aufgrund mangelnden Krisenmanagements nicht erarbeitet. Ich denke da an Länder wie Polen, die sich lange auf eine Unabhängigkeit von russischen Lieferungen vorbereitet haben und Alternativen erschlossen haben. Für Polen kann diese Abschaltung offenbar verkraftbar sein. Österreich träfe eine Abschaltung völlig kalt und unvorbereitet. Die Energieministerin forciert die Erreichung von Klimazielen und lässt Themen wie Versorgungssicherheit und soziale Verträglichkeit im Sinne der Leistbarkeit völlig außer Acht. Das ist kein Krisenmanagement, sondern realitätsfernes Wunschdenken und nicht nachvollziehbar.

Kann man in der Produktion von Stahl oder Aluminium “ein bisschen” produzieren oder wäre ein Gasstopp ein Komplettausfall?

Um Prozesse aufrechtzuerhalten, braucht man Gas. Einen Hochofen kann man nicht bei halber Temperatur betreiben. Bei Umformprozessen brauche ich bei sinkender Stückzahl weniger Gas. Es gibt also Stellen, an denen man die Produktion punktuell herunterfahren kann – das steht aber natürlich im Widerspruch zu den hohen Auftragsständen. Ich muss meine Lieferversprechen gegenüber dem Kunden erfüllen. Das würde wiederum zu Kompensationszahlungen und Pönalen führen. Da steckt so viel Wunschdenken drinnen, das an der industriellen Realität vorbeigeht.

Können wir auf Unterstützung aus anderen EU-Ländern bauen?

Wir haben Sorge, dass man sich auf nationaler Ebene zu sehr auf eine europäische Lösung verlässt. Ich zweifle an der europäischen Solidarität, wenn es um die Energieverteilung geht. Wenn wir nicht rechtzeitig vorgesorgt haben, auf das Mitleid anderer Länder zu bauen, sehe ich nicht. Das verschärft unsere Sorgen stark. Wir haben Woche acht und es kommen solche wagen Lösungen zur Abhängigkeit von russischem Gas. Das stimmt uns nicht zuversichtlich.

Was wäre aus Ihrer Sicht der eine wichtige Schritt, den man sofort setzen müsste?

Da mache ich mir sicher nicht viele Freunde: Man muss sich kritisch überlegen, ob weitere Sanktionsschritte dem eigentlichen Ziel der Sanktionen dienlich sind, nämlich einem Ende dieses Krieges. Wir haben mittlerweile Sanktionspaket Nummer fünf implementiert, aber der Krieg geht trotzdem weiter. Daher muss man sich fragen, ob die Sanktionen zu einem Ende des Kriegs führen. Denn Russland ist sehr groß und hat ausreichend Ressourcen, um die Militärmaschinerie am Laufen zu halten. China, Indien und viele andere Länder haben sich den Sanktionen nicht angeschlossen.

Was wäre der logische Schritt im Energiebereich aus Ihrer Sicht?

Wir brauchen endlich einen strategischen Energiemasterplan. Wir haben in Österreich rund 400 Terawattstunden Energiebedarf. Vielleicht können wir in den nächsten Jahrzehnten die Hälfte des Energieverbrauchs national erzeugen. Wo kommen die anderen 50 Prozent unserer Energie her? Wo sind die neuen Energiepartnerschaften, die man medienwirksam mit Treffen in Katar und den Emiraten angekündigt hat? Was sind die weiteren konkreten Schritte? Was machen wir in Afrika, um von Sonnenenergie dort zu profitieren oder in der Nordsee von Offshore-Wind? Eine komplette Energieautarkie Österreichs wird nicht machbar sein, wir brauchen unter anderem starke Public-Private-Partnerships. Sonst geht es in Richtung Verbote – die uns die Energieministerin ohnehin schon oft als einzige Lösung präsentiert hat. Wir fordern hier rasch konkrete Lösungen ein, aber daran zweifle ich, so wie hier agiert wird.

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Teamfoto: Links: Tom Schwartz, rechts Thomas Peroutka | (c) Lympik

Bereits im Oktober 2022 hat die ESA in Hinblick auf die olympischen Spiele 2024 in Paris und 2026 in Milano-Cortina Förderungen unter dem Motto “Space for Olympic Games” ausgeschrieben. Europäische Startups und KMUs sollten und sollen weiterhin dabei unterstützt werden, erfolgreiche Geschäftsmodelle zu entwickeln, die Weltraumtechnologie nutzen und den olympischen Spielen damit Nutzen bringen.

Das niederösterreichische Startup Lympik hat aus dem Topf eine Förderung im unteren sechsstelligen-Bereich erhalten. Damit möchte man seine Produkte weiterentwickeln und Geschäftsfelder ausweiten. Auch eine Folgeförderung stehe im Raum.

Lympik: Angebot ausbauen

“Meine Idee war von Beginn an, Weltraumtechnologie wie Satellitennavigation und -kommunikation, für den Sport zu nutzen”, erklärt der Gründer von Lympik, Thomas Peroutka, der selbst viele Jahre als Leistungssportler aktiv war. “Begonnen haben wir mit einer neuen Art der digitalen Zeitmessung, dann kamen GPS-Tracking und Videoanalyse dazu. Diese Kombination können wir nun dank der ESA-Förderung schneller und umfangreicher ausbauen.” Aktuell ist das ÖSV-Biathlon-Team der erste Testanwender der neuen Lösung.

“In sechs bis neun Monaten wollen wir so weit sein, dass unsere Lösung für digitale Zeitmessung, GPS-Tracking und Videoanalyse für unterschiedliche Sportarten einsatzbereit ist”, so Peroutka weiter.

Bisher konnten in Sportarten wie Ski Alpin oder Langlauf im Training lediglich die Endzeiten sowie drei bis vier Zwischenzeiten verglichen werden. Mit der Technik von Lympik – brutkasten berichtete – sei eine minutiöse Detailanalyse möglich: Etwa, wer an welcher Stelle auf welcher Linie wie viele Millisekunden gewonnen oder verloren hat oder welche Ausrüstung zum Einsatz kam.

Sensoren

“Durch unsere Lösung stehen nicht nur viel mehr Informationen zur Verfügung, die Teams ersparen sich auch viel Zeit- und Personalaufwand bei der Analyse und noch mehr bei der Auswertung. Während bisher immer eine Person während des Trainings alle Eckpunkte manuell in ein Tablet eingeben musste, geht jetzt alles automatisch”, erklärt Peroutka.

Die Athletinnen und Athleten werden vom Startup dazu mit Sensoren ausgestattet und das Training wird gefilmt. Nach dem Training werden die Videos in eine App geladen und automatisch mit den Daten aus der Zeitmessung und dem GPS-Tracking synchronisiert. Nach wenigen Sekunden stehen die Daten aufgegliedert bereit.

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