18.04.2019

“Als Unternehmerin lebe ich nach dem Wert Freiheit”

Interview. Wir sprachen mit der deutschen Unternehmerin, Autorin und Ex-Politikerin Tijen Onaran über ihr Engagement für Frauen im Startup- und Digital-Bereich.
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Tijen Onaran wird Die Höhle der Löwen-Jurorin
Tijen Onaran | (c) Urban Zintel
kooperation

Mit 20 trat Tijen Onaran für die deutsche FDP bei einer Landtagswahl an und bekleidete danach mehrere Funktionen in der Partei. Sie galt als Zukunftshoffnung, doch sie entschloss sich gegen eine Karriere in der Politik. Zu ihren Steckenpferden wurden Digitalisierung, Entrepreneurship und Diversity. Einen besonderen Fokus legt sie als Unternehmerin, Beraterin und Autorin auf die Unterstützung von Frauen im Startup- und Digitalbereich. Im Interview sprachen wir mit Onaran über ihre Initiative Global Digital Women, ihre Plattform FemaleOneZero, ihr Unternehmen startup affairs und die Rolle der Politik im Female Empowerment.

+++ Frauen in der IT: “Wir killen in der Schule das Forschertum” +++


Tijen Onaran tritt als Speakerin am Female Future Festival am 24. April im Festspielhaus Bregenz auf. ⇒ Zur Event-Page


Du hast eine Karriere als Politikerin an den Nagel gehängt. Warum?

Tijen Onaran: Ich wollte nie eine Kreissaal-, Hörsaal- oder Plenarsaal-Karriere, sondern auch mal etwas anderes als die Politik sehen. Deshalb war es mir so wichtig, in verschiedenen Organisationen praktische Erfahrungen zu sammeln, die mich letztlich dazu gebracht haben, mein eigenes Unternehmen zu gründen. Rückblickend kann ich sagen, dass ich innerhalb von Organisationen immer schon Unternehmerin war, sogenannte “Intrapreneurin“. Und als Unternehmerin lebe ich heute nach dem für mich wichtigsten Wert: Freiheit.

Du hast die Initiative Global Digital Women gestartet. Was sind deine Ziele und warum braucht es so eine Initiative?

Mein Ziel mit Global Digital Women ist es, dass es uns als Initiative gar nicht mehr braucht. Mit Global Digital Women setzen wir uns für mehr Diversität in der Digitalbranche ein. Unser Fokus ist dabei, die Frauen, die Digitalisierung in Unternehmen oder als Unternehmenslenkerinnen gestalten, zusammenzubringen und sie sichtbar zu machen. Mit unseren Aktivitäten sind wir in Deutschland, der Schweiz und in UK aktiv, organisieren Veranstaltungen, zeichnen mit dem Digital Award Frauen in Digitalrollen aus und nutzen unsere Reichweite, um die Karrierewege der Frauen nahbar und greifbar zu machen.

Es ist toll zu sehen, wie Frauen, die beispielsweise in Berufen mit Fokus Künstliche Intelligenz unterwegs sind, andere inspirieren die Scheu vor eben diesen neuen Berufen zu verlieren. Neben der Vernetzung und Sichtbarkeit beraten wir Unternehmen bei ihren Diversity-Strategien und wie sie mehr Frauen in Führungsrollen im Kontext der Digitalisierung bekommen.

Mit FemaleOneZero hast du auch eine Content-Plattform zum Thema mitgegründet. Worum geht es da?

Da uns das Thema Sichtbarkeit der Frauen ein großes Anliegen ist, haben meine Co-Gründerin Natascha Zeljko, ehemalige stellvertretende Chefredakteurin der myself, und ich FemaleOneZero gegründet. Auf der Plattform zeigen wir Geschichten rund um die Themen Diversität, Digitalisierung und Empowerment. Man findet Artikel, Interviews und Berichte von Frauen und auch Männern, die der Digitalisierung ein Gesicht geben. Es geht darum, das Digitale in all seinen Facetten nahbar und greifbar zu machen.

“Wenn wir uns gebetsmühlenartig sagen, dass es Gründerinnen grundsätzlich schwerer als Gründer haben, wird es immer so sein.”

Tijen Onaran
(c) Urban Zintel: Tijen Onaran

Mit deinem Unternehmen startup affairs berätst du Jungunternehmen. Legst du dort auch einen Fokus auf weiblich geführte Startups?

Durch mein generelles Engagement für mehr Frauen in der Digitalbranche erreichen mich grundsätzlich viele Anfragen von Gründerinnen für ihre PR. Mein Ansatz ist, hier PR zu demokratisieren, sprich alle zu befähigen, selbst PR für die eigene Geschichte zu machen. Dazu gebe ich Workshops zu Personal Branding, Netzwerkaufbau, und -Pflege sowie Digitales Storytelling.

Haben es Gründerinnen schwerer als Gründer?

Wenn wir uns gebetsmühlenartig sagen, dass es Gründerinnen grundsätzlich schwerer als Gründer haben, wird es immer so sein. Und natürlich sehe ich in meiner Arbeit auch, dass Investorenzirkel männlich sind, ein Hineinkommen schwierig ist. Ich werde das aber nicht dadurch ändern, indem ich Gründerinnen ständig suggeriere, dass sie wenig bis keine Chance haben mit ihrer Gründungsidee Kapital zu finden. Mein Ansatz ist eher der, den Gründerinnen Zugänge zu verschaffen, sie mit anderen Frauen, insbesondere Investorinnen, zu vernetzen und Männer, die sich für die Themen rund um Diversität einsetzen, mit ins Boot zu holen.

Was sollte aus deiner Sicht von politischer Seite her passieren, um Chancengleichheit herzustellen?

Die Politik kann und sollte in meinen Augen nur Rahmenbedingungen schaffen. Es würde allerdings schon helfen, wenn wir in der Politik selbst auch mehr Diversität hätten. Ein diverses Parlament stellt die Weichen für eine diverse Gesellschaft und Wirtschaft.

Zuletzt: Was willst du den Besucherinnen und Besuchern des Female Future Festivals mitgeben?

Es wird immer Menschen geben, die euch sagen dass etwas nicht geht. Haltet euch an die, die euch darin bestärken, dass es geht!


Über Tijen Onaran

Tijen Onaran ist Digital und Diversity Expertin, Unternehmerin und Autorin. Mit Global Digital Women engagiert sie sich für die Vernetzung und Sichtbarkeit von Frauen in der Digitalbranche und berät zudem Unternehmen in Diversitätsfragen. Im Dezember 2018 hat sie gemeinsam mit der ehemaligen stellvertretenden Chefredakteurin des Magazins myself FemaleOneZero gegründet – eine internationale Content-Plattform. Zudem publiziert Onaran regelmäßig als Mitglied des Handelsblatt-Expertenrates Artikel rund um die Themen Digitalisierung, Unternehmertum und Diversität. Sie wurde in das Faculty Board für “Digital Leadership” der Management School St. Gallen berufen.

Vor ihrer Selbstständigkeit war Tijen Onaran für Europa-, und Bundestagsabgeordnete, für das Bundespräsidialamt sowie für Verbände und eine Hochschule in leitenden Funktionen tätig. Das Wirtschaftsmagazin Capital wählte sie zu Deutschlands Top 40 unter 40 und Anfang 2019 erhielt sie den InspiringFifty Award für “Women in Tech”. Jede Woche erscheint der Podcast How to Hack in Kooperation mit Business Punk, bei dem sie spannende Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft interviewt. 2019 erschien ihr erstes Buch “Die Netzwerkbibel” im Verlag Springer Gabler.


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Am diesjährigen Global Leaders Summit haben wir mit der dänischen Founderin Ida Tin gesprochen. Wie sie zur Mother of Femtech wurde und warum sie glaubt, Europa fehle die Vision.
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Ida Tin, Co-Founderin von Clue (c) Valerie Maltsev

Dieser Artikel erschien zuerst in der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download findet sich am Ende des Artikels.

Bunte Hosenanzüge, gepaart mit hohen Absätzen, Sneakers, langen Locken und eleganten Kurzhaarschnitten – beim diesjährigen Global Leaders Summit, organisiert von the female factor und unterstützt von der Stadt Wien, gleicht das Publikum einem bunten Bällebad. An diesem ungewöhnlich warmen September­donnerstag füllt sich das Wiener Rathaus mit über 500 weiblichen Führungskräften aus 50 Nationen.

Is this how a leader looks like?

Mittendrin ragt die dänische Founderin Ida Tin aus der Menge. In einem grau-weiß gestreiften Blazer und mit elegantem Hair-Updo setzt sie kontrollierte Schritte auf den roten Teppich, der Besucher:innen den Weg ins Rathaus markiert. Links und rechts stehen weiß bezogene Stehtische, vor einer türkisen Fotowall tummeln sich Hosenanzüge. „This is how a leader looks like“ steht auf der Fotowand.

„Schriftstellerin“ ist die Berufsbezeichnung, die aus diverser Berichterstattung rund um die dänische Gründerin hervorgeht. In ihrem ersten Buch schrieb sie über Motorradreisen. In Dänemark wurde es zum Bestseller. Ihre Geschichte ist eine, die von vielen gehört und gelesen gehört – denn Ida heißt heute „Mother of Femtech“.

Mother of Femtech

Ida wurde im Kopenhagener Stadtteil Nørrebro geboren und war einen nicht unbeträchtlichen Teil ihres Lebens auf dem Motorrad unterwegs. Mit ihren Eltern und ihrem Bruder hat sie so mehrere Länder der Welt bereist.

Zusammen mit ihrem Vater ­arbeitete sie später für Moto Mundo, einen ­ Motorrad-Reiseveranstalter. In den frühen 2000ern organisierte sie Motor­radtouren durch Vietnam, die USA, Kuba, Chile oder die Mongolei; 2009 erschien ihr besagtes Buch „Direktøs“, in dem sie von ihren Reiseerfahrungen erzählt.

Weil auf Reisen kein Tag ist wie der andere, stand Ida vor einem Problem: Woher weiß sie, wann ihre Monats­blutung kommt? Händisch mitzuschreiben ging nicht, am Motorrad war kaum Platz. Sie brauchte etwas Handliches; etwas, das immer dabei ist. Und etwas, das selbst mitdenkt.

Ida kam auf eine Idee – ­ wenige Jahre später startete sie eine der weltweit ersten Tracking-Apps für Frauengesundheit. Ida gründete Clue als App für menstruierende Personen im Jahr 2012 in Berlin, gemeinsam mit Hans Raffauf, Moritz von Buttlar und Mike LaVigne. Über die Jahre wurde Clue zu einer der berühmtesten Apps unter Menstruierenden. Damit schuf Ida eine technologische Lösung zur Verbesserung von Frauengesundheit – eine Femtech-Lösung.

Forgive me, but I think there is a little bit of a lack of vision for Europe.

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Zurück am Global Leaders Summit höre ich Ida zu, wie sie auf der Global Stage des Großen Festsaals im Wiener Rathaus spricht. Ida setzt ihre Worte gezielt; im Trubel des Summits sticht sie nicht mit Lautstärke hervor, sondern mit Präsenz. Ohne ihre Stimme zu heben, finden Idas Worte ihren Weg durch die Geräuschkulisse des Festsaaltreibens. Sie spricht von einer Reform unseres Ökosystems.

„Let’s invite men into our world“ und „Sense your body, pay tribute to your mental health“ sind nur zwei der Aussagen, die man selten von Gründer:innen im Business-Kontext hört. Mit dem Aufbau ihres Unternehmens hat sie den Begriffen „Gründung“ und „Unternehmensführung“ eine neue Bedeutung verliehen. Sie hat sie menschlicher gemacht.

Nach dem Panel bleibt Zeit für ein kurzes Interview. Wieder schafft es Ida, mit bewusst gesetzten Wortkombinationen eine wichtige Message zu kommunizieren: „Wir müssen aufpassen, was wir als erfolgreich betrachten. Früher war Erfolg Geld, ein hoher Return on Investment; noch größere Finanzierungsrunden. Doch wenn wir ehrlich sind, ist der eigent­liche Reichtum unsere Gesundheit.“

Wie ein System funktioniert

Unverkennbar geht es in unserem Gespräch nicht nur um Geld: „Mehrere Studien zeigen, dass Investitionen in die Gesundheit von Frauen die Wirtschaft ankurbeln. Erst dieses Jahr hat McKin- sey einen Report herausgebracht, der zeigt: Wir würden uns jedes Jahr eine Billion Dollar sparen, wenn die Gesundheitsbedürfnisse von Frauen an- gemessen erfüllt würden.“

Ida zeigt in unserem Interview, dass sie das Thema bewegt: „Frauengesundheit ist teuer, gar keine Frage. Aber wir wissen mittlerweile auch: Wenn es Frauen gut geht, geht es ihren Unternehmen gut, ihren Familien und schließlich auch der Gesellschaft. Viel­fältige Teams begünstigen integrative Unternehmen, bringen weniger Voreingenommenheit und tatsächlich bessere Geschäftsergebnisse.“

Als ob das nicht schon selbsterklärend genug wäre, betont Ida mit einem Kopfnicken: „Wenn wir also Frauen in den Aufbau der Welt miteinbeziehen, funktioniert das System.“

“Die Besessenheit mit Geld macht unser Leben sehr arm. Und engstirnig.”

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Gesundheit!

Dass das in der Corporate-Bubble schwierig umzusetzen ist, weiß Ida. Auch alle bunten Hosenanzüge, die sich zum Global Leaders Summit im Wiener Rathaus versammelt haben, wissen es. Dass nicht tatenlos zugesehen werden darf, wie Frauen, ihre Gesundheit und ihr Potenzial im Unternehmertum vernachlässigt werden, weiß auch jede vor Ort.

„Wir wissen doch alle, dass man mehr Perspektiven in Führungsebenen bringt, wenn man Frauen dort reinsetzt. Wenn man sie einfach machen lässt und niemanden zu formen versucht. Wir leben in einer Kultur, vor allem in der Tech-Szene, in der wir Menschen formen. Du stellst jemanden an, du formst dir deine Arbeitskraft so, wie du sie willst, drückst sie in interne Strukturen. Du etablierst Arbeitsmodelle, die sich nach 40 Wochenstunden richten und Menschen gesundheitlich belasten. Und nicht selten endet das im Burnout. Ich denke, wir müssen uns in dieser Hinsicht mehr am Gesundheitsaspekt unserer Arbeit orientieren. Wenn wir uns kaputtarbeiten, was bleibt dann vom Leben übrig?“, so Ida.

Wenn wir Frauen in den Aufbau der Welt miteinbeziehen, funktioniert das System.

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Langsam lasse ich mir Idas Worte durch den Kopf gehen. „Wenn wir uns kaputtarbeiten, was bleibt dann vom Leben übrig?“ Ja, der Satz kommt wahrlich aus dem Mund einer der erfolgreichsten Founder:innen unserer Zeit. Das ist das Mindset jener Unternehmerin, die mit ihrer Tracking-App den Begriff Femtech prägte und den Grundstein für eine ganze Branche schuf. Sogar Apple war von Idas Technologie begeistert und bat um Zusammenarbeit.

Idas Mindset kommt nicht von irgendwo: „Meine Eltern waren ein Beispiel für Menschen, die genau das taten, was sie wirklich gerne machten; auch, wenn das in den Augen mancher als verrückter kleiner Traum schien. Mit ihrem Traum haben sie sich immerhin ihren Lebensunterhalt verdient. Und ich denke, wenn einem als Kind die Chance gegeben wird, die Welt zu sehen, bekommt man ein Gefühl dafür, wie viele Realitäten es da draußen gibt; und wie viele Dinge miteinander verknüpft sind.“

Der Mangel an Vision

Stichwort Verknüpfung: Sollten wir nicht zuerst anfangen, auf nationaler Ebene zu denken, bevor wir uns die ganze Welt vorknöpfen? Ida sieht das anders:

„Wie soll ein kleines, noch so starkes Land in einem schwachen Europa überleben? Wenn es zu politischen Unruhen auf europäischer Ebene kommt, sind wir alle verwundbar. Wenn die Wirtschaft in Europa zusammenbricht, werden auch einzelne Staaten zusammenbrechen. Es macht keinen Sinn, in nationalen Einheiten zu denken. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir uns in Zukunft versorgen können. Wir müssen ein bisschen mehr an unseren Planeten denken. Ich glaube, es mangelt an einer Vision für Europa; und an gutem Storytelling.“

Der neue Erfolg

Ida redet Klartext über Tatsachen, die eigentlich jeder kennt, aber niemand wirklich wahr­ haben möchte. Mit einem weiteren Kopfnicken teilt sie Lösungsansätze:

„Wenn wir unsere Wirtschaft in etwas Nachhaltiges verwandeln wollen, müssen wir Erfolg neu definieren. Zurzeit feiern wir Investments, wir feiern finanzielle Rendite. Wir feiern Unicorns. Aber die Welt verlangt nach einer mehrdimensionalen Vorstellung von Erfolg.“

Ida meint: sich selbst nach eigenen Maßstäben als erfolgreich zu bezeichnen; Gesundheit als Erfolg zu bezeichnen. Und: „Unternehmen aufzubauen, in denen Menschen gesund sein können, in denen Menschen offen queer sein können, in denen Menschen aus verschiedenen Kulturen zusammenkommen; in denen man sie nicht zwingt, Alkohol zu trinken – und in denen eine integrative Kultur geschaffen wird.“

Wir brauchen weniger

Mit Clue hat Ida genau das versucht, und zwar mit einem der wohl umstrittensten New-Work-Themen unserer Zeit: der Vier-Tage-Woche. „Wir haben gesehen, dass unsere Leute an vier Tagen in der Woche genauso viel geleistet haben wie an fünf.“

Ida bot ihrem Team neben vier Arbeitstagen damit auch drei freie Tage, die Möglichkeit für Side Projects und mehr Zeit für Sport, Familie und Ruhe. „Viele hatten das Gefühl, dass ihr Leben eine ganz neue Qualität gewonnen hat. Und zusätzlich gibt es auch eine Menge an Studien und Daten, die zeigen, dass das funktioniert“, so Ida.

Wie in Island

So wie in Island, wo seit 2020 51 Prozent der Arbeitnehmenden reduzierte Wochenarbeitszeiten von 35 bis 36 Stunden bei gleichem Lohn wie zuvor hatten. Heute soll der Anteil noch etwas höher liegen, heißt es von einer Studie des britischen Autonomy Institute und der isländischen Association for Sustainability and Democracy (Alda). Im vergangenen Jahr soll die Wirtschaft Islands um fünf Prozent gewachsen sein – damit verzeichnet der Staat eine der höchsten Wachstumsraten in Europa.

In Idas Office gab es an den vier Arbeitstagen außerdem schuhfreie Zonen, einen Meetingraum ohne Tisch sowie Schwimm- und Fitnessstunden für ihre Mitarbeiter:innen. „Es sind die kleinen Dinge, die die Leute zusammen und zum Lachen bringen. Irgendwann hatten wir sogar eine Vorstandssitzung im tischlosen Raum.“

Kannst du acht Stunden am Tag sitzen?“ Ida reißt mich aus meinem kurzen Tagtraum. „Ich kann es nicht!“, wirft sie hinterher. „Auch jeder Sportler weiß, dass man Erholung braucht, um Höchstleistung zu erbringen. Warum sollte man das als arbeitender Mensch also vernachlässigen?“

Die Planeten-Perspektive

Nach fast 40 Minuten werden wir von zwei bunten Hosenanzügen unterbrochen. Die Zeit für das Interview ist um, das nächste steht an. Eine Frage fehlt uns aber immer noch: Wie lässt sich unsere Gesellschaft nun nachhaltig umbauen?

„Die Besessenheit mit Geld macht unser Leben sehr arm. Und sie macht uns engstirnig. Niemand auf diesem Planeten muss exorbitant viel besitzen. Alles über einem bestimmten Betrag könnte in Klimafonds fließen, in Sozialprojekte, in die gerechte Verteilung von Vermögen. Die Monopolisierung von Reichtum schafft ein großes demokratisches Problem; und schließlich auch ein Problem für Innovation.“

Was uns Ida sagen will: Man kann keine Gesellschaft aufrechterhalten, in der zu wenige zu viel und zu viele zu wenig haben. „Ich wünsche mir, dass wir an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Manchmal frage ich mich: Warum haben wir nicht eine gemeinsame Marke für unseren Planeten? Einen gemeinsamen Plan mit einer gemeinsamen Perspektive. Das wäre etwas, das uns in unserem Tun sicherlich einiges an Klarheit und Ambition geben würde.“

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