28.04.2016

Interview mit Lisa Fassl: Für die AAIA ist das Team wichtiger als das Business-Modell

Die 25-jährige Lisa Fassl ist die neue Geschäftsführerin der Austrian Angels Initative Association (AAIA), dem größten Business-Angel-Netzwerk Österreichs. Dem Brutkasten hat sie erzählt, was man mitbringen muss um von der aaia weiterempfohlen zu werden, wo sich ein Investor bei Startups zurückhalten sollte und was sich bei der AAIA durch sie ändern wird.
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(c) Stefan Malzner

Wenn man deine Biographie ansieht, geht es schon seit Langem um Startups. Woher kommt die Faszination für das Thema?

Es war ein Zufall, dass ich in die Startupszene hineingerutscht bin. 2012 habe ich zusammen mit einer Kollegin, die ich bei einer Party kennengelernt hatte, das Startup Live in Graz organisiert. Die Faszination ist bei diesem Event entstanden. Denn ich hatte dort das erste Mal mit Leuten zu tun, die extrem motiviert sind und Tag und Nacht arbeiten, um ihren Traum zu verwirklichen und ein Produkt auf den Markt zu bringen, das Menschen das Leben erleichtert und ein Problem löst.
Ich habe mir gedacht: Hey, das ist total cool! Ich möchte auch einen Job haben, bei dem ich so aufgehen kann und freiwillig so viel Energie investieren will.
Aus dem Event heraus ist auch seitens des AplusB-Zentrums Graz und der Uni Graz die Idee entstanden, dass es spannend wäre, wenn es einen studentischen Verein gäbe, der sich mit dem Thema Entrepreneurship beschäftigt und es auf Peer-to-Peer-Ebene vermittelt. Damit sollte niederschwellig Stimmung für das Thema Entrepreneurship gemacht werden, ergänzend zu den klassischen Veranstaltungen auf der Uni. Als Präsidentin dieses Vereins, dem IdeenTriebwerk Graz war ich dann natürlich schon mittendrin in der Startup-Szene.

Du bist erst 25 Jahre alt. Woher kommt der Mut, diese große Aufgabe – Geschäftsführerin der AAIA – anzunehmen?

Ich bin schon immer sehr motiviert gewesen und habe mir die Aufgaben herausgesucht, die nicht ganz easy erscheinen. Ich weiß also nicht ob es Mut ist. Es ist mehr der Wille, etwas zu bewegen. Und ich glaube, in der Position kann man extrem viel bewegen, weil man auf unterschiedlichsten Ebenen die richtigen Leute kennenlernt. Das heißt, auf Startup-Ebene, auf Investoren-Ebene und auf Corporate-EbeneMein Wunsch ist es, einen Beitrag für das Ecosystem zu leisten und es weiterzuentwickeln. Ich will anderen dabei helfen, ihre Ideen zu verwirklichen. Sie sollen in Österreich bessere Rahmenbedingungen vorfinden – und dazu leisten Business-Angels ein wichtigen Beitrag.
Das ist devinitiv eine Challenge, aber ich mag Challenges. Das tut mir gut und ich glaube, nur so kann man sich auch persönlich weiterentwickeln. Man muss sich Aufgaben aussuchen, die herausfordernd sind und wo man viel Herzblut und Energie investieren kann. Sonst wäre es irgendwie fad.

Nun zur Arbeit, die auf dich zukommt: Was hat die AAIA aus deiner Sicht bislang bewirkt. Was sind für dich ihre größten Erfolge?

Der größte Erfolg ist gleichzeitig der größte Mehrwert der AAIA: Ein Netzwerk aus mittlerweile 180 Investoren – sowohl Privatinvestoren als auch Corporates – das in Österreich seines Gleichen sucht. Da sind Leute dabei, die selbst Unternehmen aufgebaut und zum Erfolg geführt haben. Die können sich 1:1 in Gründer hineinversetzen und einfach wahnsinnig viel Erfahrung und Know-How mitbringen und wirklich etwas bewegen. Solche Personen finden in der AAIA einen Platz, wo sie sich auf einer sehr informellen Ebene austauschen können – und genau das schätzen die Mitglieder an unserem Netzwerk. 
Die Leute kommen hier schnell ins Gespräch und reden über ihr Business, über Startups und über potenzielle gemeinsame Investments – sehr entspannt aber trotzdem ziel- und businessorientiert.
“Am Business-Modell kann man feilen – das ist nicht das, was uns auf den ersten Blick auffällt.”

Worauf legt die AAIA bei Startups Wert? Was muss ein Startup haben, dass es vom Business-Angel-Network weiterempfohlen wird?

Ganz klar: Essenziell ist natürlich die Idee – ihr Potenzial, ihre Realisierbarkeit. Was dann für uns aber auch extrem spannend ist, ist das Team. Wer sind die Leute dahinter? Also genau die Faktoren, auf die auch Business Angels Wert legen. An Dingen wie dem Business-Modell kann man feilen – das ist nicht das zentrale Element, das uns auf den ersten Blick auffällt. Wenn wir also sehen: Das hat Potenzial, das überzeugt uns, da sind Leute dahinter, die Herzblut in das Projekt stecken und die Welt verändern wollen, dann haben die Projekte ziemlich gute Chancen, dass sie an unser Netzwerk weiterverwiesen werden.

Wenn jetzt der passende Investor gefunden ist: Was soll der Business-Angel deiner Meinung nach ins Startup einbringen?

Abgesehen vom offensichtlichen, dem Kapital, ist es die Erfahrung, die der Investor hat. Der typische Business-Angel ist ja nicht unbedingt im Alter eines Startup Gründers und hat einfach schon viel Experience. Ein Angel bringt extrem viel Know-How aus bestimmten Branchen und extrem gute Netzwerke mit. Und das hilft jungen Leuten dabei, ihren Weg mit ihrem Startup besser zu finden. Der Business-Angel sollte auch weitere Wege aufzeigen, die die Gründer in ihrem Eifer manchmal übersehen. Er ist oft das notwendige Korrektiv, damit das ganze dann wirklich abhebt.

Und umgekehrt gefragt: Wo sollte sich der Business-Angel zurückhalten?

Aus der Startup-Perspektive, die ich auch erleben durfte, ist es einfach wichtig, dass der Business-Angel die Leute machen lässt. Das heißt, es ist zwar ein gemeinschaftliches Projekt sobald ein Angel mit an Bord ist, es bleibt aber schlussendlich immer das Baby der Founder. Es muss eine Synergie zwischen dem Team und dem Investor geben. Der Business-Angel muss dann je nach Situation abschätzen, wie viel von ihm gebraucht wird, wie intensiv er sich einbringen muss, und wann er sich besser ein Stück zurücknimmt und die Leute einfach mal arbeiten lässt. Zu viel Mitbestimmung vom Investor ist negativ, weil das dem Team schaden und die ganze Dynamik aus dem Startup nehmen kann. Der Investor soll also die Leute auf den richtigen Weg bringen, aber nicht die komplette Kontrolle übernehmen.
“Es dauert oft eine Zeit lang, bis Business-Angels ihr erstes Investment machen. Danach packt viele die Faszination Startup.

Hast du in den letzten Jahren einen Anstieg von Business-Angel-Kapital für Startups bemerkt?

Es hängt zwar davon ab, von welchen Branchen und von welchen Regionen wir reden. Aber ich denke man kann in Summe sagen: ja und das wird sich auch in Zukunft hoffentlich weiter in diese Richtung entwickeln. Ich habe das am Anfang in Graz miterleben dürfen. Da hat es mal damit angefangen, dass sich zunächst überhaupt eine Startup-Szene mit spannenden, innovativen Projekten entwickeln musste. Business-Angels sind dann nach und nach in die Szene gekommen. Beides ist nicht von einem Tag auf den anderen passiert und hat viel Engagement von diversen Playern gefordert.
Mein Eindruck von Business-Angels ist, dass es oft eine Zeit lang dauert, bis sie tatsächlich ihr erstes Investment machen. Wenn dieser erster Schritt gemacht ist, packt viele dann die Faszination Startup. Und dann kommen Folgeinvestments. Daher ist inzwischen insgesamt mehr Kapital im Umlauf. Dennoch gibt es in Österreich noch immer viele potentielle Business-Angels, die alle Voraussetzungen mitbringen, Startups auf ihrem Weg zu begleiten – genau die wollen wir mit dem AAIA-Netzwerk abholen.

Es gab in den vergangenen Monaten einen regelrechten Startup-Hype. Glaubst Du, dass deswegen Startups zu hoch bewertet wurden?

Jein, wobei ich global betrachtet eher zu einem, „Ja” tendiere. Eine Überbewertung gibt es sicher nicht bei allen Startups und definitiv nicht bei allen Business-Angels, aber es gibt schon Formate und Situationen, in denen Bewertungen kritisch hinterfragt werden müssen und oft nicht objektiv nachvollziehbar sind. In Österreich besteht die Gefahr allerdings nicht so stark wie in anderen Ländern. Vergleicht man die Situation hier etwa mit den USA, wo, überspitzt gesagt, gefühlt wöchentlich Unicorns aufpoppen, sieht man: Davon sind wir hier noch weit weg.
Ich glaube auch, dass sich das im Laufe der Zeit wieder einpendeln wird – auch eine mögliche Startup-Blase, die ja öfters diskutiert wird.

Wirst du dich für den Business-Angel-Freibetrag (steuerliche Abstetzbarkeit von Investments) einsetzen?

Unser Hauptaugenmerk liegt auf direkten Investitionen von Smart Money in Startups. Daher unterstützen wir natürlich jegliche Ansätze, die diesen Prozess facilitaten. Das macht auch den Standort Österreich attraktiver. Im Fall des Freibetrages spreche ich mich daher ganz klar dafür aus. Das tut die AAIA schon seit 2013. Wir fordern zusammen mit anderen Playern der Szene einen Freibetrag in Höhe von 100.000 Euro. Dass wir uns bei diesem Thema offensichtlich nach Jahren noch nicht nach vorne bewegen – obwohl die gesamtwirtschaftlichen Vorteile auf der Hand liegen – ist ernüchternd. Der Ball liegt jetzt eindeutig bei den Regierungsparteien, von denen wir eine sinnvolle Einigung fordern. Sollte diese in absehbarer Zeit nicht passieren, müssen alle relevanten Stakeholder zusammenarbeiten, um den Druck auf die Politik zu erhöhen.

Ich bitte noch um einen Ausblick: Was wird sich durch dich in den nächsten zwei Jahren bei der AAIA ändern? Was werden die Auswirkungen auf die österreichische Startup-Szene sein?

Ein ganz großes Thema ist für mich Qualität. Ich will, dass die AAIA auch in Zukunft ein High-Quality-Netzwerk für Business-Angels mit entsprechendem Mehrwert für ihre Mitglieder bleibt. Ein wichtiger Schritt dazu ist der Ausbau unserer lokalen Netzwerke in den Bundesländern und die Vernetzung unserer Investoren untereinander und mit den besten Projekten, die die österreichische Startup-Szene zu bieten hat.
Außerdem hoffe ich, dass wir auf diese Weise noch mehr Business-Angel-Kapital für Startups zur Verfügung stellen können und die richtig guten Startups schneller mit Business-Angel-Kapital vernetzen können. Dadurch kann das gesamte Ecosystem schneller wachsen. Der nächste Schritt ist dann international präsenter zu werden. Dann können wir auch zeigen, was für Projekte wir in Österreich haben und umgekehrt auch spannende Startups nach zu uns holen – zuerst im europäischen Raum und dann vielleicht auch mal über dem großen Ozean. Ich glaube, das würde den Standort unheimlich stärken.
“Die Leute sollen sich einfch trauen, Ideen umzusetzen!”

Eine allerletzte Frage: Gibt es etwas, was du unseren Lesern mitgeben willst?

Ja, total gerne! Ich möchte den Leuten mitgeben, dass sie sich einfach trauen sollen, Ideen umzusetzen! Fehler sind dabei total ok und gehören einfach zum Leben dazu. Wichtig ist nur – Michael Altrichter hat das so schön formuliert – man muss nur einmal öfter aufstehen als hinfallen. Ich glaube nämlich, ein Unternehmen zu gründen und bei einem Startup dabei zu sein, ist so ziemlich das coolste, was man machen kann.
Und jetzt noch meine persönliche Lieblingsmessage: Ich wünsche mir mehr Frauen in der Szene. Ich weiß, dass es da draußen grandios gute Frauen gibt, die tolle Ideen haben, die wirklich Probleme lösen und die einfach ein riesiges Potenzial hätten, super coole Businesses hochzuziehen. Sie sollen ihre Ideen hinaustragen, sollen erzählen, was sie machen und es dann umsetzen. 

Ich danke vielmals für das Interview!

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Tractive
(c) Tractive - (v.l.) Wolfgang Reisinger, COO/CFO bei Tractive und Founder Michael Hurnaus.

Was im Mai 2024 – siehe hier – angekündigt wurde, ist nun wahr geworden. Damals hatte Tractive CEO Michael Hurnaus gesagt, man bewege sich noch heuer auf über 100 Millionen Euro ARR (Annual Recurring Revenue – eine wichtige Kennzahl für Startups mit Abo-Modellen) zu. Nun ist dieser Milestone geschafft.

Tractive erreicht Ziel, das nur wenigen Abonnementunternehmen gelingt

Wie der Gründer auf Linkedin beschreibt, haben er und sein Team nach zwölf Jahren harter Arbeit, Hingabe und der Verbesserung des Lebens von Millionen von Haustiereltern ein lang angestrebtes Ziel erreicht: “100 Mio. € ARR bei Tractive – etwas, das nur sehr wenige Abonnementunternehmen jemals erreichen”.

Er sagt: “Wir sind besonders stolz darauf, dass wir dieses Niveau erreicht haben, während wir Hunde- und Katzenbesitzern helfen, indem wir Produkte entwickeln, die das Leben unserer Kunden wirklich zum Besseren verändern – und das mit viel Spaß.”

Das Abo-Modell

Damit Abo-Modelle wie jene von Tractive funktionieren, müsse man, laut Hurnaus Worten aus dem Spätfrühling, “dem Kunden zuerst erklären, dass es Sinn macht, ein Abo abzuschließen, und dass das nicht reine Abzocke ist”. Nach Erfahrungswerten bot das Scaleup schließlich ein Monats-, Jahres- und Zweijahres-Abo an – jeweils in einer Basic- und Premium-Variante.

Damit, so hieß es damals, gewinne man deutlich mehr Nutzer:innen für das Jahresabo – konkret um 20 Prozent mehr. Schließlich falle der Monatspreis mit der Abo-Dauer. Bezahlt wir das Abo im Voraus.

“Unser ständiges Bemühen, Produkte zu entwickeln, die in ihrer Kategorie führend sind, zahlt sich aus”, so Hurnaus auf Linkedin weiter. “Wir haben das Unternehmen fast aus dem Nichts aufgebaut und benötigten im Laufe der Jahre nur sehr wenige Finanzmittel.”

Tractive: USA als Erfolgstreiber – das Valley aber nicht als Vorbild

Das Tractive-Team hat während seiner gesamten Reise jeden einzelnen Euro in die Verbesserung ihrer Produkte, in die Einstellung von Mitarbeiter:innen aus der ganzen Welt und in den Aufbau der Unternehmenskultur investiert.

“Unser Team besteht aus rund 270 talentierten Mitarbeiter:innen und wir wachsen weiter. Wir sind auch weiterhin auf der Suche nach den besten Talenten und werden noch selektiver vorgehen, um nur die außergewöhnlichsten Mitarbeiter einzustellen, die wir finden können”, so Hurnaus weiter.

Seit knapp dreieinhalb Jahren ist das Pet-Tech auch in den USA vertreten. Im Vorjahr konnten die Staaten sogar Deutschland bei der Anzahl der Tractive-Kunden überholen. Hurnaus dazu: “Die USA sind nach wie vor unser am schnellsten wachsender Markt, und wir werden dieses Wachstum weiter vorantreiben.”

Nach zwölf Jahren erwartet Tractive, dass sich diese Dynamik fortsetzt, und prognostiziert ein Wachstum von rund 40 Prozent im Jahr 2025. “Ein gesundes Wachstum, das heißt: nachhaltig, ohne Massenkündigungen oder übermäßige ineffiziente Marketingausgaben”, erklärt Hurnaus abschließend. “Das ist der österreichische Weg, im Gegensatz zum Silicon-Valley-Ansatz (der für viele Unternehmen funktioniert, aber nicht unser Stil ist)”.

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