04.05.2021

Hygiene-Austria-Chefin: “Ich liebe die Herausforderung”

brutkasten-Interview: Claudia Witzemann ist neue Geschäftsführerin bei Hygiene Austria.
/artikel/hygiene-austria-chefin-auch-wir-muessen-auf-den-markt-reagieren
Claudia Witzemann © Daniel Shaked
Claudia Witzemann © Daniel Shaked

Claudia Witzemann war bis 2019 Geschäftsführerin des Startup-Hubs weXelerate. Vergangenes Jahr machte sie sich als Unternehmensberaterin selbstständig – jetzt wechselt sie aber wieder in eine Führungsposition in einem Unternehmen. Seit April ist sie Teil der neuen Geschäftsführung des Schutzmasken-Unternehmens Hygiene Austria. Im Interview mit dem brutkasten spricht die Managerin darüber, was sie aus der Startup-Welt für ihre neue Aufgabe mitnehmen kann, über Change Management in Krisen und über Female Leadership.

Du warst als Unternehmensberaterin auf Transformation und Change spezialisiert und hast dann großen Unternehmen geholfen, mit Startups zusammenzuarbeiten. Helfen dir diese Erfahrungen jetzt für deine Aufgaben bei Hygiene Austria?

Claudia Witzemann: Man braucht Anpassungsfähigkeit und ein offenes Ohr. Man muss Menschen empathisch zuhören können. Was ich aus meiner Zeit im weXelerate mitgenommen habe: Da gibt es kleinere Startups, die ich immer als Flitzeboote wahrgenommen habe und die großen Corporates, die sich gegenseitig sehr befruchten können. Jeder hat große Lust voneinander zu lernen, man muss nur die Sprache des anderen verstehen oder sich übersetzen lassen. Und man braucht die Lust, sich zu verändern. Für mich ist es bei solchen Prozessen immer am wichtigsten gewesen, die Mitarbeiter mitzunehmen. Das ist auch in meiner neuen Funktion bei Hygiene Austria so. Wenn man ein Unternehmen stabilisiert und in dieser Phase sind wir jetzt, ist es ganz wichtig, sich alles genau anzuhören und Mitarbeiter und Kunden mitzunehmen. Dann überlegt man sich, wie man mit allen gemeinsam einen guten Weg finden kann. 

In der Corona-Krise haben sich viele Unternehmen neu erfinden oder zumindest stark verändern müssen. Was sind die kritischen Erfolgsfaktoren in so einem Prozess?

Am Anfang ist es hilfreich, sich zu fragen: woher kommen wir und was war bisher gut? Auch wenn man sich neu erfinden muss, gibt es in der Vergangenheit gewisse Teile, die sehr gut waren und gut funktioniert haben. Die sollte man kultivieren und mitnehmen. Zu sagen, dass alles schlecht war und alles neu gemacht werden muss, funktioniert weder finanziell, noch für die Mitarbeiter, noch für die Kunden. Man steht mit seinem Namen ja für etwas. Mir ist also immer wichtig, herauszufinden, was die guten Dinge sind, die man kultivieren und weiterentwickeln kann. Das Gute kann man dann ergänzen, statt sich komplett neu zu erfinden. 

Was hast du aus den ersten Gesprächen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Hygiene Austria bereits herausgehört?

Meine Aufgabe ist es, die vorhandene Motivation noch weiter zu steigern. Was ich auch aus meinen Projekten aus der Beratung weiß, ist, dass alleine eine neue Geschäftsführung schon Verunsicherung bringt. Wir haben eine sehr gute Basis und hochmotivierte Mitarbeiter. In allen Unternehmen, in denen ich war, hatte ich nie das Gefühl, dass es eine große Zahl demotivierter Mitarbeiter gibt. Die sind ja aus einem Grund in dem Unternehmen und wollen sich einbringen. 

Resilienz ist zu einem Schlagwort der Corona-Wirtschaftskrise geworden. Was brauchen Unternehmen, um grundsätzlich für Krisen gut gerüstet zu sein?

Ich war die letzten eineinhalb Jahre selbstständige Beraterin. Ich habe also auch genau in dieser Krisenzeit Unternehmen begleitet und da gibt es wirklich dramatische Geschichten. Es gibt Unternehmen mit Umsatzausfällen von 70 bis 80 Prozent und das, obwohl sie einige Monate offen haben durften. Es gibt auch Unternehmen, die die ganze Zeit offen haben mussten und dennoch massive Verluste haben. Gerade im ersten Lockdown sind die Leute ab und zu in den Supermarkt gegangen. Bäcker oder Fleischhauer sind fast ohne Kunden dagestanden. Kunden, die ich betreut habe, sind eher große Konzerne, aber auch da waren Unternehmen dabei, die 80 Prozent weniger Kunden hatten. 

Wie sind die Unternehmen damit umgegangen?

Besonders Unternehmen, die vor der Coronazeit gerade in einem hart erarbeiteten Steilflug waren, sind in ein tiefes Loch gefallen. Das ist emotional sehr schwierig, denn die haben sich natürlich auch gefragt, wie sie eigentlich dazu kommen. Selbst Unternehmen, die vorher Marktführer waren, sehr gute Umsätze gemacht haben und Gewinne hatten, mussten sich vielleicht neu erfinden. Nach einer kurzen Schockphase haben aber viele Unternehmen erkannt, dass sie weiter tun können. Und sie sind vor einer großen Aufgabe gestanden – ich habe Großunternehmen betreut, wo vielleicht zehn Prozent der Mitarbeiter einen Laptop hatten. Die haben es trotzdem geschafft, innerhalb eines Wochenendes auf Laptops umzustellen. Da sind schon viele auch wieder schnell ins Arbeiten gekommen. Bei uns geht das sicher leichter als in Dritte-Welt-Ländern oder in Bangladesh, wo ganze Dörfer und Familien keine Arbeit mehr haben, wenn wir keine Klamotten mehr kaufen. 

Hygiene Austria ist zuletzt in einer sehr schwierigen Lage gewesen – was hat dich an dem Job gereizt?

Ich wurde angesprochen, ob ich mir das vorstellen kann und habe ganz spontan gesagt: ja, klar! Ich glaube, dass wir in Europa und Österreich in Zukunft einige Dinge selbst abdecken sollten. Das haben wir in den ersten Wochen und Monaten der Lockdowns gelernt: Wenn wir niemanden haben, der in der Landwirtschaft die Ernte macht, schaut es schlecht aus. Das gleiche gilt für Schutzkleidung und da gehören Masken dazu. Es ist deshalb wichtig, dafür zu kämpfen, dass wir auch in Österreich zumindest einen großen Teil der Schutzausrüstung vor Ort entwickeln und produzieren können. Und ich liebe die Herausforderung. Wenn ich einen Job angeboten bekomme, wo ich mir denke, ich kann ganz wenig verändern, dann reizt mich der auch deutlich weniger. Die Produktion in Österreich zu organisieren und betreiben zu können, ist sicher eines der derzeit spannendsten Themen. 

Die Vision, Schutzkleidung zu produzieren, bleibt also dieselbe?

Ich bin erst seit drei Wochen im Unternehmen. Derzeit arbeiten wir mit der bestehenden Vision. Auch wir müssen auf den Markt reagieren. Auch hier gibt es das Thema Resilienz und Veränderungsfähigkeit. Man muss immer schauen, was am Markt gebraucht wird und agil darauf reagieren. Ein Unternehmen wie Hygiene Austria, das sich für eine Pandemie gerüstet hat, ist davon abhängig, wie sich eine Pandemie entwickelt. Wir sind noch nicht sicher, ob wir diese Krise nach der Impfung in allen Dimensionen überstanden haben. Es ist noch unklar, ob wir mit Schutzkleidung nicht auch im privaten Bereich noch länger leben müssen. 

Ihr habt Hygiene Austria als Doppelgeschäftsführung übernommen. Ist diese Art der Unternehmensführung auch resilienter – überhaupt, wenn sie divers zusammengesetzt ist?

Ich glaube, dass diverse Teams immer wichtig sind und zwar in allen Dimensionen. Mann und Frau ist da nur eine Dimension, die am meisten besprochen wird. Alt und jung spielt aber genauso eine Rolle. Eines meiner Lieblingsbeispiele ist ein Autohersteller, der ein Auto für Senioren bauen wollte, aber nur junge Ingenieure hatte. Das hat nicht geklappt. Dann haben sie ältere Mitarbeiter hereingeholt und sind auf die Idee gekommen, den Sitz drehbar zu machen, um das Ein- und Aussteigen zu erleichtern. Wir dürfen keine Dimension der Diversität vernachlässigen. Es gibt sehr viele Studien, die belegen, dass diverse Teams besser arbeiten. Ich glaube auch, dass eine Vielfalt in der Ausbildung eines Teams eine große Rolle spielt. Ich bin Physikerin und arbeite sehr oft mit Menschen zusammen, die BWL studiert haben. Es braucht aber auch viel Energie in der Führung von Teams mit sehr unterschiedlichen Backgrounds. Worst case ist, man nimmt zehn gleiche auf und einen anderen. Der eine wird nie gehört. Man muss wirklich dahinter sein, dass diese Teams dann auch funktionieren. 

In der Startup-Welt ist Diversity ein sehr präsentes Thema. Wie wird damit in der Welt der Corporates umgegangen, in die du wieder zurückgewechselt hast?

Das ist ein Thema, das von allen großen Unternehmen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, sehr ernst genommen wird. Dazu gibt es in der Regel Unternehmensrichtlinien, die auch gelebt werden. In jungen Teams ist das oft auch bereits sehr erfolgreich. An der Unternehmensspitze sind wir da noch nicht, wo wir sein wollen. Aber auch nicht da, wo die Unternehmen selbst sein wollen. Ich denke, es braucht da Geduld, denn die diversen Teams der jungen Generation müssen sich erst nach oben arbeiten. Wir brauchen auch mehr Vorbilder und auch weibliche Vorbilder mit Familie, mit Kindern. Um zu zeigen, dass beides geht. Ich kann als Frau mein Privatleben entwickeln wie ich will und gleichzeitig meine Karriere entwickeln wie ich will. Es gibt nicht das eine Frauenmodell, ich kann viele verschiedene Wege wählen und alle sind gut und möglich. 

Was war für dich entscheidend, um deinen Weg gehen zu können?

Ich glaube, dass Sheryl Sandberg Recht hat, wenn sie sagt, dass die Wahl des Partners entscheidend ist. Wieviel will und kann dieser jemand für Kinder beitragen? Auch Frauen in Führungspositionen sind keine Wunderwuzzis. Man kann nicht zu hundert Prozent Mutter, zu hundert Prozent Geschäftsführer und hundert Prozent Ehefrau sein. Man muss sich überlegen, welche Aufgaben man wo abgeben kann. Es gibt auch bei meinen Kindern Aufgaben, die ich immer schlechter machen würde, als jemand anderer. Fahrradfahren konnte ich meinen Kindern zum Beispiel nicht beibringen. Das konnte mein Mann besser. Man muss sich auch im Privaten überlegen, was man selbst machen kann und unbedingt will und für die anderen Aufgaben jemand anderen finden. Ich backe zum Beispiel keinen Kuchen. Das kann ich nicht besonders gut und es macht mir keinen Spaß. Torten kaufe ich einfach. Wenn man solche Entscheidungen ganz bewusst trifft und sich nicht beirren lässt, kann das eine sehr gute Wirkung haben. 

Deine ungelesenen Artikel:
22.11.2024

Woman in Business Award: Nadina Ruedl ist Gründerin des Jahres

Am Mittwoch wurde der Woman in Business Award erstmals verliehen. Nadina Ruedl, Gründerin des Wiener Startups "Die Pflanzerei" wurde als "Gründerin des Jahres" ausgezeichnet.
/artikel/woman-in-business-award-nadina-ruedl-ist-gruenderin-des-jahres
22.11.2024

Woman in Business Award: Nadina Ruedl ist Gründerin des Jahres

Am Mittwoch wurde der Woman in Business Award erstmals verliehen. Nadina Ruedl, Gründerin des Wiener Startups "Die Pflanzerei" wurde als "Gründerin des Jahres" ausgezeichnet.
/artikel/woman-in-business-award-nadina-ruedl-ist-gruenderin-des-jahres
Nadina Ruedl | © Die Pflanzerei

Der Preis wurde von Frau in der Wirtschaft (FiW) und der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) ins Leben gerufen und in diesem Jahr erstmals verliehen. Ziel des Awards ist es, die Leistungen österreichischer Unternehmerinnen zu würdigen, ihre Bedeutung für die Wirtschaft hervorzuheben und Frauen in Führungspositionen sichtbarer zu machen.

„Mit dem Woman in Business Award zeichnen wir heuer erstmals herausragende Unternehmerinnen aus und zeigen, was Frauen in der Wirtschaft bewegen. Sichtbarkeit schafft Vorbilder und fördert ein vielfältigeres Wirtschaftsumfeld, von dem wir alle profitieren können“, betonte WKÖ-Präsident Harald Mahrer bei der Übergabe der Trophäen.

Die Pflanzerei bietet vegane österreichische Küche

Nadina Ruedl, Gründerin des Wiener Food-Startups Die Pflanzerei, wurde mit dem Titel „Gründerin des Jahres“ ausgezeichnet. Ihr Startup vereint heimische Landwirtschaft und traditionelles Handwerk in pflanzlichen Fleischalternativen. Dabei zeigt Die Pflanzerei, dass vegane Ernährung und typisch österreichische Küche nicht unbedingt im Widerspruch stehen müssen.

Im Oktober 2021 startete das Startup mit seinem ersten Produkt, dem veganen Leberkäse “Gustl”. Nach einer einjährigen Pilotphase war der vegane Gustl in den Feinkosttheken von über 130 Billa-Filialen zu kaufen – brutkasten berichtete. Ende Mai letzten Jahres erweiterte Die Pflanzerei ihr Sortiment um zwölf weitere Produkte, darunter vegane Alternativen von Käsekrainer, Fleischknödel und Kaiserschmarrn.

Die Preisträgerinnen des Woman in Business Award 2024

  • Gründerin des Jahres: Nadina Ruedl, Die Pflanzerei – Veganer Lebensmittelhandel GmbH
  • Ein-Personen-Unternehmerin des Jahres: Maren Wölfl, FEMALE WAKE-UP CALL e.U
  • Innovatorin des Jahres: Birgit Mitter, Ensemo GmbH
  • Social Entrepreneurin des Jahres: Madeleine Alizadeh, dariadéh GmbH
  • Unternehmerin mit besonderer Leistung: Renate Ozlberger, Fleischhauerei Ozlberger GmbH
  • Unternehmerin mit Lebenswerk: Gesine Tostmann, Tostmann Trachten GmbH und CoKG

Weibliche Gründungen steigen an

Der Woman in Business Award will sichtbar machen, wie bedeutend der Beitrag von Unternehmerinnen zur heimischen Wirtschaft ist. Im Jahr 2023 wurden 39,3 Prozent der österreichischen Einzelunternehmen von Frauen geführt, was einem Anstieg von 2,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht.

Zudem war 2023 ein Rekordjahr für weibliche Gründungen: Noch nie zuvor wurden so viele Einzelunternehmen von Frauen ins Leben gerufen. Der Anteil der Gründerinnen stieg auf 44,5 Prozent, ein Zuwachs von 5,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag

AI Summaries

Hygiene-Austria-Chefin: “Ich liebe die Herausforderung”

AI Kontextualisierung

Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Hygiene-Austria-Chefin: “Ich liebe die Herausforderung”

AI Kontextualisierung

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Hygiene-Austria-Chefin: “Ich liebe die Herausforderung”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Innovationsmanager:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Hygiene-Austria-Chefin: “Ich liebe die Herausforderung”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Investor:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Hygiene-Austria-Chefin: “Ich liebe die Herausforderung”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Politiker:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Hygiene-Austria-Chefin: “Ich liebe die Herausforderung”

AI Kontextualisierung

Was könnte das Bigger Picture von den Inhalten dieses Artikels sein?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Hygiene-Austria-Chefin: “Ich liebe die Herausforderung”

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Personen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Hygiene-Austria-Chefin: “Ich liebe die Herausforderung”

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Organisationen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Hygiene-Austria-Chefin: “Ich liebe die Herausforderung”