06.09.2021

Höhle der Löwen: Staffel 10 mit türkischen Hausfrauen und Laufmäusen

Einmal mit Alles! Oder doch viel mehr? Die Höhle der Löwen bot moderne Istanbuler Küche, eine Gamification-App für Kinder zum Instrumente lernen und eine Maus, die nicht für den PC gedacht ist.
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Höhle der Löwen, Osmans Töchter,
(c) TVNOW / Bernd-Michael Maurer - (v.l.) Yudum Korkut, Arzu Bulut und Constanza Hörrmann präsentierten mit "Osmans Töchter" kulinarische Köstlichkeiten aus Istanbul.
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Eine Dekade von zitternden Foundern, spannenden und kuriosen Startups, hohen Investments und durch Löwengebrüll auch kritischen Worten fand heute ihren Anfang. Mit dabei die üblichen Gesichter, glückliche Gründer, aber auch alte Fehler. Die ersten in der Höhle der Löwen – die immer montags um 20.15 Uhr bei VOX sowie jederzeit auf Abruf über TVNOW.at zu sehen ist – waren die Gebrüder Carlos und Rui Ramalheiro. Sie haben mit Classplash eine Musik-Lern-App für Kinder entwickelt.

Die beiden Gründer betraten bewaffnet mit Ukulele und Flöte musikalisch die Löwenhöhle und stellten ihr Startup vor. Classsplash ist ein Unternehmen für Musik-Lern-Apps für Kinder. Die Kunst der Melodie hat in dem Leben der Brüder schon immer eine große Rolle gespielt. Seit über 20 Jahren ist Carlos begeisterter Musiker, Musikpädagoge und leitet eine eigene Musikschule: “In meiner täglichen Arbeit sehe ich die positiven Effekte des Musizierens. Doch Noten schrecken vor allem Kinder davon ab, ein Instrument zu lernen”, weiß er.

Innovativster Lehrer der Welt in der “Höhle der Löwen”

Mit Classplash soll sich das ändern, so der Plan der Founder. Ihre Musik-Lernwelt ähnelt einem Computerspiel, wo es darum geht, Punkte durch Noten zu sammeln und anstatt eines Joysticks wird ein echtes Instrument benutzt. “Ich entwickelte das Konzept mit meinen Schülern und Schülerinnen und bewarb mich bei einem internationalen Lehrerwettbewerb. Das Resultat: Ich erhielt die Auszeichnung als innovativster Lehrer der Welt. Diese Auszeichnung hat unser Leben verändert, denn von nun an hatten wir ein großes Ziel”, so Carlos weiter.

Gamification-Ansatz zum Notenlernen

Classplash hat daher Lern-Apps für unterschiedliche Musik-Instrumente entwickelt. Dabei lernen Kinder spielerisch Instrumente spielen und Noten lesen. Das Besondere daran sei ist die Kombination aus einem analogen Musik-Instrument und einer digitalen App. Das Mikrofon des Handys, Tablets oder Computers erkennt in Echtzeit die vom Instrument gespielten Töne und erzeugt dadurch eine direkte Reaktion der Spielfigur. Insgesamt haben die Brüder sechs Apps für unterschiedliche Musik-Instrumente und unterschiedliche Altersstufen entwickelt. Ihr Angebot: 350.000 Euro für zehn Prozent der Firmenanteile.

(c) TVNOW / Bernd-Michael Maurer – Die Brüder Rui Manuel (l.) und Joao Carlos Duarte Ramalheiro haben mit Classplash Musik-Lern-Apps für Kinder entwickelt.

Nachdem Multi-Investor Carsten Maschmeyer das F auf einer Flöte nicht gefunden hat, demonstrierte die Schülerin Nele, wie genau der Gamification-Ansatz des Startups funktionierte. Die App zeigt an, welche Noten man spielen muss, damit die Figur im Spiel erfolgreich Punkte sammelt.

Thema Firmenbewertung

Danach kamen die Löwen an die Reihe, schnappten sich Flöten und die Ukulele und testeten die App selbst aus. Anschließend ging es um Zahlen. Mit 110.000 Euro Umsatz 2020 empfanden Konzernchef Nils Glagau und LEH-Experte Ralf Dümmel die Firmenbewertung als zu hoch angesetzt.

Roland Emmerich interessiert

Aus diesem Grund verabschiedete sich Glagau als erster Löwe der aktuellen Staffel. Die Gründer wollten danach punkten, dass sich Filmemacher Roland Emmerich bei ihnen gemeldet hätte, da aktuell die Zauberflöte verfilmt werde. Classplash dürfe die dazugehörige App und das “Bundle” entwickeln, das weltweit vertrieben werden soll.

Medien-Investor Georg Kofler und Dümmel blieben dennoch skeptisch und gingen ebenfalls ohne Angebot. Maschmeyer meinte, den beiden Gründern fehle eine Vertriebsperson, das würden die niederen Umsätze zeigen. Ein Löwe weniger. Letzte Hoffnung Judith Williams erwies sich als keine und sandte die Gründer ohne Deal aus dem Studio.

Osmans Töchter

Die Zweiten die sich in die “Höhle der Löwen” wagten, waren die drei selbsternannten Genussbotschafterinnen der türkischen Küche Arzu Bulut, Yudum Korkut und Constanza Hörrmann. 2012 eröffnete Bulut gegen den Willen ihrer Familie das erste Restaurant namens Osmans Töchter. Mittlerweile gibt es zwei Restaurants in Berlin und bei beiden stehen Meze auf der Karte.

Hausfrauen und junge Istanbuler

“Das sind typische türkische traditionelle Speisen, die man sich in die Mitte des Tisches stellt”, erklärte Korkut. Die Besonderheit bei Osmans Töchter: Türkische Hausfrauen, die in ihren Berliner Restaurantküchen arbeiten, treffen auf die kreativen Ideen von jungen Köch:innen aus Istanbul. Durch diese Zusammenarbeit werden die traditionellen Rezepte gemeinsam neu interpretiert. Neben den Restaurants starteten die drei Gründerinnen einen Onlineshop, für den sie ein Investment suchten.

Restaurants schließen

“Wir wollten auch die Gäste kulinarisch verwöhnen, die keinen Tisch mehr bei uns bekommen haben. Mitten in unserer Planung kam dann die Pandemie und wir mussten die Restaurants schließen. So hatten wir noch mehr Gründe, unsere Speisen auch für daheim anzubieten”, erklärte Constanza. Ihr Sortiment umfasst 25 Meze-Variationen, die täglich frisch produziert und online bestellt werden können. Für 170.000 Euro boten die Genussbotschafterinnen 20 Prozent ihrer Firmenanteile an.

Die Kostprobe von diversen Speisen brachte die Löwen ins Schwärmen – Formel 1 Weltmeister Nico Rosberg verwendete Begriffe wie phänomenal und gigantisch, Maschmeyer das Wort “unique”.

Beste Kostprobe der “Höhle der Löwen”

Letzterer nannte es auch “das Leckerste” was er in der Show zu kosten bekommen hätte. Aber er sei eigentlich kein Food-Investor, zudem gebe es das Problem mit der kurzen Haltbarkeit von fünf Tagen im Kühlregal. Er ging. Kofler stimmte seinem Vorredner zu, dass es das beste Essen der Show gewesen sei. Allerdings mangelte es ihm an der Skaliermöglichkeit, sehe er sich die Idee an.

Rosberg sprach kurz von der Stiftung von Prinz Charles, die er in Saudi-Arabien besucht habe, gab zu, eigentlich keinen guten Grund zu haben auszusteigen, tat es aber dennoch, da er “selektiv” sein müsse. Nach diesem kryptischen Abschied als potentieller Investor durfte Glagau das Wort übernehmen.

Zwei Angebote

Der begann mit großem Lob, versprach das er ihr Essen “groß machen” könnte und bot 170.000 Euro für 30 Prozent Beteiligung. Familien-Investorin Dagmar Wöhrl hob die Vorbildwirkung der drei Damen hervor, die mitten in der Pandemie ihren Onlineshop geschaffen hätten. Auch sie bot 170.000 Euro, allerdings für “nur” 25 Prozent. Aus dem Frauentrio wurde ein weibliches Quartett. Deal für Osmans Töchter.

Duft fürs Auto

Die Dritte in der “Höhle der Löwen” war die Belgierin Kim Lohmar mit ihrem Startup Astalea (Anm.: zur Aufzeichnung noch Asalea). Sie erklärte gleich zu Beginn: “Ich liebe es, mich mit schönen Düften zu umgeben. Mit Düften verbinden wir Menschen, mit Düften verbinden wir Erinnerungen und Orte. Düfte sind etwas sehr Emotionales.”

Gründerin war bei L´Oréal

Bereits als Kind spielte Lohmar mit den Parfüm-Flakons ihrer Mutter und war sich damals schon sicher, dass es sie auch beruflich in die Kosmetik-Branche ziehen würde. Gesagt, getan: “Ich habe einige Jahre bei der Firma L´Oréal gearbeitet und war dort im Außendienst tätig. Das heißt, ich habe sehr viel Zeit in meinem Auto verbracht”, so die Berlinerin.

Atsalea, Höhle der Löwen
(c) TVNOW / Bernd-Michael Maurer – Kim Lohmar wagte sich mit “Astalea”, einem Duft-Diffuser für das Auto, in die Höhle der Löwen.

Damit es auch in ihrem Auto gut duftet, testete sie sich durch die Autoduftwelt. Fand aber nicht das Richtige. So entwickelte sie mit Astalea einen Aroma-Duftstein für das Armaturenbrett. Der feinporige Stein aus hundertprozentig organischer Kieselgur wird, knapp erklärt, mit dem Lieblings-Parfum oder ätherischen Ölen besprüht und soll so für ein individuelles Dufterlebnis im Auto sorgen.

Magnetclip

Durch einen Magnetclip kann der Diffuser im Auto an der Lüftungslamelle angebracht werden. “Je nach verwendetem Duft hält das Dufterlebnis bis zu 14 Tage an. Das wunderbar Nachhaltige daran ist nicht nur das organische Material, sondern dass man den Duftstein auch immer wieder nachbestäuben kann”, erklärte die Gründerin. Ihr Portfolio umfasst nicht nur den Duftstein, sondern auch korrespondierende Düfte mit etwa Birnen- oder Kaffeearoma. Für 70.000 Euro bot Lohmar 20 Prozent ihrer Firmenanteile an.

Die Gründerin machte in den darauffolgenden Minuten eine gute Figur, erzählte, dass sie eine “One-Woman”-Show sei und bisher 18.000 Euro Umsatz gemacht habe. Maschmeyer meldete sich danach mit der nettesten Absage, die er je gemacht habe – und versprach, dass er wiederkehren würde, wenn kein anderer Löwe Interesse habe.

Schnell “Brand” aufbauen

Nach dieser “Versicherung” wollte Wöhrl wissen, wie man sich vor Nachahmern schützen könnte. Lohmar erklärte, dass es darum ginge, sich schnell eine “Brand” aufzubauen. Bekannt zu werden.

Für die Familien-Investorin war jedoch der Duft-Markt zu groß und sie stieg aus. Williams gab zu, dass der Bereich der Parfümindustrie zwar umkämpft sei, ihr Team aber auch sehr stark wäre. Sie bot 70.000 Euro für 20 Prozent. Glagau verabschiedete sich daraufhin, als Dümmel zu einer Lobesrede ansetzte.

Er sah den riesigen Vorteil, dass man bei Astalea selbst bestimmen könne, welchen Duft man riechen wolle. Und bot das Gleiche wie Williams. Lohmar nahm Dümmel mit ins Boot. Deal für Astalea.

Eine Maus zum Laufen in der “Höhle der Löwen”

Der letzte, den es in die “Höhle der Löwen” verschlug, war der 69-jährige Horst Schüler. Der Sportmediziner stellte mit der Unterstützung seines drei-köpfigen Teams – Martin Rutemöller (50, Geschäftsführer, Vertrieb und Marketing), Oliver Baumgärtel (45, Finanzen) und Thomas Pieper (59, Produktion) – seine Laufmaus vor.

(c) TVNOW / Bernd-Michael Maurer – Martin Rutemöller, Oliver Baumgärtel, Horst Schüler und Thomas Pieper erfanden mit der LAUFMAUS eine Laufhilfe für Jogger.

Dabei handelt es sich um ein Griffelement, dessen Handhabung beim Laufen automatisch für eine entspannte und gesündere Körperhaltung sorgen soll. Anlass für diese Erfindung ist ein persönlicher Schicksalsschlag von Horst Schüler. 2007 hatte der Arzt einen schweren Autounfall.

Keine Kontrolle über Arme und Beine

“Ich erlitt Rückenmarksverletzungen im Bereich der Halswirbelsäule und ich verlor die Kontrolle über meine Arme und meine Beine. Es begannen sieben harte Jahre mit einer komplizierten Operation und Reha. Ich hatte starke Verkrampfungen im Bereich der Hände und Arme, aber ich fand eine Entlastungsposition, die meine Verkrampfungen minderten”, erzählte er.

Aus Knetmasse formte er sich ein Tool, das ihm half, diese bestimmte Position seiner Arme und Hände ermüdungsfrei beibehalten zu können – in einer Art Fingerpistol-Haltung: “Dieses kleine Hilfsmittel brachte mich tatsächlich wieder auf die Beine. Ich begann sogar wieder mit dem Lauftraining und bin heute zu hundert Prozent wieder beschwerdefrei.”

Die ergonomisch geformte und leichte Konstruktion (67 Gramm) soll dafür sorgen, dass sich der Handrücken leicht nach außen dreht, der Daumen zeigt nach vorn oben, der Zeigefinger ist durch eine Schleife fixiert und gestreckt. Das Resultat laut Gründer: Im Unterarm tritt eine Entspannung ein, der Oberkörper richte sich auf und sei stabiler. Um durchzustarten, benötige das Team ein Investment von 280.000 Euro und bot dafür 17,5 Prozent ihrer Firmenanteile.

Joggende Löwen

Glagau testete auf einem Laufband die Erfindung, gab zu, dass er eine Haltungsänderung bemerke. Auch Williams ließ es sich nicht nehmen Fuß anzulegen und joggte ebenfalls im Studio. Maschmeyer tat es ihr als dritter Löwe gleich.

Bisher wurden in sechs Monaten rund 80.000 Euro Umsatz vom Laufmaus-Team erwirtschaftet. Vertrieben wird über den Onlineshop. Dümmel war der erste, der ging, weil Schülers Produkt erklärungsbedürftig sei. Die Löwen wollten danach konkrete Daten haben, was die Gründer aber nicht liefern konnten. Dies verschreckte Williams und auch sie schritt ohne Angebot von dannen.

Zwei Deals

Währenddessen berieten sich Maschmeyer und Glagau, die die Laufmaus als sinnvolles Produkt ansahen. Beide würden gerne das Produkt zu “allen Läufern” und zu anderen Zielgruppen bringen, so die Quintessenz der Löwenberatung. Sie boten zusammen 280.000 Euro für 30 Prozent. Kofler, der die Laufmaus die ganze Zeit nicht aus den Händen gelegt hatte, wollte ebenfalls einsteigen und offerierte ebenfalls 280.000 Euro für 30 Prozent Beteiligung.

Das Quartett kehrte nach kurzer Beratung mit einem Gegenvorschlag zurück, legten 25,1 Prozent auf den Tisch und nahmen Maschmeyer und Glagau ins Team. Deal für die Laufmaus.

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Das brutkasten-Team und seine Weggefährten haben in den vergangenen zehn Jahren viel erlebt | (c) Marko Kovic

Dieser Artikel ist im Dezember 2024 in der Jubiläumsausgabe des brutkasten-Printmagazins – “Wegbereiter” – erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Es gibt bekanntlich für alles ein erstes Mal – und in einem Startup gibt es diese ersten Male noch ein bisschen häufiger. Gründet man ein Medien-Startup, das sich mit Startups beschäftigt, sollte man etwa erst einmal die bekannten Gesichter der Startup-Szene kennenlernen. Aber wie?

“Am Anfang, als ich das Ganze begonnen habe und es mich so fasziniert hat, habe ich erst einmal versucht herauszufinden, wie ich Andreas Tschas (Anm.: damals Gründer und CEO Pioneers Festival) kennenlernen kann. Das war für mich so, als ob ich es schaffen muss, einen Superstar kennenzulernen”, erzählt brutkasten-Gründer und -CEO Dejan Jovicevic. “Auch Hansi Hansmann war für mich weit weg und unerreichbar.” Schließlich schaffte er es bekanntlich, und nach Tschas vor ein paar Jahren ziert nun Hansmann das aktuelle brutkasten-Cover.

Ein besonderer allererster Live stream

Leichter – vielleicht sogar etwas zu leicht – fiel es Redakteur Martin Pacher anfangs, an so richtig bekannte Persönlichkeiten zu kommen. “Es war Anfang 2019; ich war gerade erst zwei Wochen in meiner fixen Position bei brutkasten und hatte noch nie einen Video-Talk moderiert”, erzählt Pacher. “Und dann hat es sich ergeben, dass Dejan kurzfristig die Moderation eines sehr hochkarätig besetzten Livestream-Interviews nicht machen konnte, und ich war der Einzige, der Zeit hatte, einzuspringen.”

Die Gesprächspartner:innen für Pachers allererstes Video-Interview waren keine Geringeren als die damalige Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, der damalige Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny, Business-Angel-Legende Hansi Hansmann und “Future Law”-Gründerin Sophie Martinetz; natürlich alles in einem Take und live in den Social-Media-Kanälen von brutkasten.

Martin Pachers (l.) erster Live-Video-Talk mit (vlnr.) Ewald Nowotny, Margarete Schramböck, Hansi Hansmann und Sophie Martinetz | (c) brutkasten

“Ich habe eigentlich immer den Ansatz, zu sagen: ‘Ja, mach’s einfach!’ – auch wenn es wenig Vorbereitungszeit gibt und man ins kalte Wasser springen muss“, erzählt der Redakteur. In der Situation sei er dann aber doch sehr aufgeregt gewesen. “Haris, unser damaliger Head of Video, hat mir dann positiv zugeredet. Er hat mich schön in Szene gesetzt, die Lichter eingeschaltet und heruntergezählt: ‘3, 2, 1, go!’ Und ja, dann kam es zu meiner ersten Anmoderation. Die hätte ich rückblickend betrachtet vielleicht noch ein bisschen flüssiger machen können“, räumt Pacher ein.

Es sollten noch Dutzende weitere Video-Interviews werden – “ich weiß nicht, wie viele Video-Talks ich in all der Zeit moderiert habe, aber es ist definitiv im dreistelligen Bereich!”, so Pacher. Unter seinen Interviewpartnern waren Leute wie Wikipedia-Gründer Jimmy Wales oder Formel-1-Legende Jean Todt. Letzterer habe mitten im Interview sein Handy abgehoben und zu telefonieren begonnen, erzählt der Redakteur. “Das hat mich dann doch ein bisschen aus dem Konzept gebracht. Aber es ist dann alles gut gegangen und wir konnten die Aufnahme fortführen, nachdem Todt dann noch einen großen Schluck Kaffee genommen hatte.”

Martin Pacher im Gespräch mit Jean Todt | (c) brutkasten

Exit während der Weihnachtsfeier

Manchmal hat man den Kontakt zu den wichtigen Persönlichkeiten schon erfolgreich hergestellt, und dann kommen einem aber andere Hindernisse in die Quere, weiß Redakteur Momcilo Nikolic. Er hatte bei KI-Koryphäe Sepp Hochreiter um ein Interview angefragt – “und er hat sich auch gemeldet. Es war der erste Schultag meines Sohns und wir sind gemeinsam mit anderen Eltern vor der Schule gestanden. Da ruft Hochreiter an und sagt, er hätte jetzt ein paar Minuten Zeit”, erzählt Nikolic. Und dann? “Ich habe festgestellt: Auch das geht. Ich bin kurz auf die Seite gegangen, habe inmitten von nervösen Eltern auf der Straße ein komplexes Interview über KI geführt und war glücklicherweise rechtzeitig wieder fertig.”

Generell ist Nikolic der Mann für solche Fälle bei brutkasten. “2021 hatten wir – noch coronabedingt – eine Remote-Weihnachtsfeier. Kurz nach neun Uhr abends kam die Meldung zum Durchblicker-Exit; einer der größten Exits der österreichischen Startup-Geschichte. Ich habe mir ein Glas Whiskey gegönnt und das runtergetippt”, erzählt der Redakteur.

Die legendäre “gemischte Platte”

Ein halbes Jahr später war die Coronazeit halbwegs überwunden, das brutkasten-Sommerfest konnte in Präsenz stattfinden – und eine brutkasten-Tradition wurde eingeführt, wie sich Conny Wriesnig, Lead Media Consulting und Begründerin dieser Tradition, erinnert: “Damals ist die ‘gemischte Platte’ entstanden.“ Dabei handelt es sich um ein Tablett mit unterschiedlichsten alkoholischen Getränken bzw. Shots – first come, first serve. “Das war praktisch eine neue Sales-Taktik: Erst wollten ein paar Leute nichts trinken, dann habe ich die gemischte Platte gepitcht, und zack: Auf einmal hatte jeder ein Getränk in der Hand”, erzählt Wriesnig.

Gemischte Platte bei der brutkasten-Weihnachtsfeier 2023 | (c) brutkasten

“Mein Highlight war aber am nächsten Morgen: Wir haben alle fast durchgefeiert und höchstens drei Stunden geschlafen und hatten gleich um neun ein Meeting. Dort hat Dejan erzählt: Als seine Frau ihn gefragt hat, was er frühstücken will, hat er instinktiv gesagt: ‘Eine gemischte Platte’. Ab dem Moment wusste ich: Es wird keine Feier mehr ohne die gemischte Platte geben!”. Und tatsächlich sollte das nicht die einzige Anekdote mit Beitrag des besonderen Getränketabletts bleiben.

Folgenreiche Aprilscherze

An dieser Stelle sollte betont werden, dass man es bei brutkasten auch ohne Alkohol lustig haben kann, etwa am 1. April, wie Aprilscherz-und-Weihnachtslied-Beauftragter Dominik Perlaki, Autor dieser Zeilen, weiß. “Der ‘Standard’ ist einmal auf einen meiner Aprilscherz-Artikel hereingefallen und hat den Inhalt zwei Tage später in einem ernst gemeinten Beitrag verarbeitet. Hansi Hansmann, um den es ging, fand das dann leider nicht mehr so lustig”, erzählt Perlaki.

“Ich habe im Laufe der Jahre die brutkasten-Wochenzeitung ‘im Kasten’ erfunden und Sebastian Kurz zum ‘2 Minuten 2 Millionen’-Investor gemacht. Mein Highlight war aber ein Scherz, den hiMoment-Gründer Christoph Schnedlitz, der damals im Büro im weXelerate ein paar Meter entfernt saß, mit mir umsetzte.” Schnedlitz, der sich stets sehr skeptisch zum Konsum sozialer Medien äußerte, wurde im Aprilscherz-Artikel ein 100-Millionen-Euro-Exit an Facebook angedichtet. „Kurze Zeit später hat mir Christoph erzählt, dass es richtig anstrengend für ihn wurde: Sein Steuerberater hat ihn gefragt, wie er so etwas machen kann, ohne es mit ihm zu besprechen, und noch Wochen später haben sich regelmäßig Leute bei ihm gemeldet, mit denen er ewig keinen Kontakt hatte, um zu fragen, wie es ihm denn so geht.“

Titelbild zum HiMoment-Exit-Aprilscherz mit Christoph Schnedlitz | (c) brutkasten

Im Railjet erkannt werden

Mit Prominenz muss man eben umgehen können. Dazu kann auch Dejan Jovicevic etwas erzählen: “Ich bin einmal im Railjet gesessen und bei der Fahrscheinkontrolle kommt die Schaffnerin zu mir und sagt: ‘Du bist doch Dejan vom brutkasten!’ Ich dachte: ‘Jetzt bin ich schon so bekannt, dass mich alle kennen!’ Aber es stellte sich heraus: Sie war ÖBB-Vorständin und quasi undercover unterwegs – und hatte mich kurz zuvor bei einem Event gesehen.”

Zumindest für eine Zeit lang in Erinnerung geblieben dürfte auch Dominik Perlaki einmal einigen Event-Teilnehmern sein, wie er erzählt: “Es war AustrianStartups-Stammtisch im später leider geschlossenen Wiener Coworkingspace sektor5; Stargast war der damalige Kanzler Christian Kern.” Am Ende des Programms habe Moderator Daniel Cronin gesagt, Kern könne nur mehr eine Frage aus dem Publikum beantworten, bevor er gehen müsse. “Und Cronin erklärte, die Frage dürfe derjenige stellen, der auf drei am höchsten hüpft und am lautesten schreit. In einem gestopft vollen Raum mit mehreren Hundert Leuten war ich der Einzige, der gehüpft ist und geschrien hat – und zwar ziemlich hoch und laut”, erzählt Perlaki. An die Frage könne er sich aber nicht mehr erinnern.

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