19.02.2018

Grundeinkommen: Brot und Spiele für den neuen Plebs?

Kommentar. Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Gesellschaft könnten verheerend sein. Es bedarf einer politischen Strategie jenseits von Liberalismus und Sozialismus.
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Bedingungsloses Grundeinkommen Brot und Spiele
(c) fotolia.com - Pascal Ledard

“Startups. Das sind doch die, die aktiv die Arbeitsplatzvernichtung vorantreiben”, bekomme ich von einem Bekannten gesagt. Ich hatte gerade über meine Tätigkeit als Innovations- und Startup-Journalist gesprochen. Und in einer Weise muss ich meinem Gesprächspartner Recht geben. Tatsächlich habe ich fast täglich mit Firmen zu tun, die menschliche Arbeitskraft durch ihr Produkt ersetzen. Dennoch liegen unsere Meinungen weit auseinander. Mein Gegenüber spricht von politischen Maßnahmen, mit denen die Schaffung neuer Jobs forciert werden soll. Und mir liegt auf der Zunge: “Das bringt doch alles nichts mehr”. Aber was bringt dann etwas? etwa ein bedingungsloses Grundeinkommen?

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Eine schnelle Transformation

Vielleicht liegt es daran, dass ich mich in einer Digitalisierungs-Blase bewege. Vielleicht sehe ich die Dinge etwas drastischer, als sie sind. Bei mir hat sich im Laufe der Zeit jedenfalls eine sehr klare Zukunftsvision verfestigt: Die menschliche Arbeitskraft wird zusehends nicht mehr gebraucht werden. Und die Transformation zu diesem Punkt wird deutlich schneller gehen, als es Normalverbraucher erwarten.

Nahrungsmittelerzeugung ohne Menschen

Selbstfahrende Autos sind nur ein besonders augenscheinlicher Bereich, wo Maschinen in absehbarer Zeit übernehmen werden. Viele davon fahren in den Innovations-Hubs der Welt bereits jetzt täglich auf den Straßen. Der große Rollout steht kurz bevor. Ersetzt werden dadurch nicht nur Taxi-, Uber- und Lastwagenfahrer. “Ich sitze nur mehr im Traktor, weil es das Gesetz vorschreibt”, erzählt mir ein Bauer in meinem Heimatort. Er ist kein Großgrundbesitzer, bearbeitet eine im Österreich-Vergleich durchschnittlich große Fläche. Sein Arbeitsgerät könnte schon jetzt fast alles selbstständig machen, erzählt er. Es ist absehbar: Die Grundlage unserer Nahrungsmittelproduktion, wird schon bald ganz in der Hand von Maschinen liegen. Bei der Weiterverarbeitung, Lieferung und im Verkauf wird es nicht anders sein.

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Fast die gesamte Wertschöpfung in der Hand von Maschinen

Und es wird nicht lange dauern, bis auch die Wartung von Maschinen fast nur noch durch Maschinen durchgeführt wird. Maschinen werden die Stromerzeugung regulieren. Und Maschinen werden die stromerzeugenden Maschinen, die den für die Maschinen so wichtigen Strom erzeugen, warten. Maschinen werden auf Dauer auch im höher qualifizierten Bereich nach und nach Jobs ersetzen. Künstliche Intelligenz kann schon heute so manches besser als Menschen. Es werden mehr Dinge werden, bis die künstliche Intelligenz auch, besser als Menschen, eine noch bessere künstliche Intelligenz schaffen kann. Kurzum: Fast die gesamte Wertschöpfung, wie wir sie heute kennen, kann auf Dauer von Maschinen übernommen werden. Und die Entwicklung dorthin verläuft nicht linear, sondern exponentiell.

Kein Platz mehr für Menschen

“Das klingt wie die Vorgeschichte zu Matrix oder Terminator”, mag man sich jetzt denken. Doch Angst, dass die Maschinen nach der Macht greifen, will ich an dieser Stelle sicher nicht schüren. Denn: Warum sollten sie? Sie sind ja schließlich keine Menschen, denen Macht etwas bedeutet. Es ist, man erahnt es schon im Titel dieses Textes, ein anderes Problem, das mich bewegt. Es ist die Tatsache, dass es in diesem System für die meisten Menschen keinen Platz in der Wertschöpfungskette gibt.

Analogie zu den industriellen Revolutionen?

Klar werden eine ganze Reihe von Jobs, die genau auf zwischenmenschlichen Handlungen beruhen, erhalten bleiben. Klar werden auch neue Jobs dieser Kategorie geschaffen werden. Viele sagen ja zurecht, bei den ersten industriellen Revolutionen seien ja schließlich auch am Ende immer mehr neue Berufe kreiert, als alte vernichtet worden. Das ist die eine historische Analogie, die man heranziehen kann.

…oder Analogie zum alten Rom?

Es gibt aber noch eine zweite historische Analogie. Die Welt erlebte nämlich schon einmal ein System, in dem ein großer Teil der Bevölkerung nicht an der Wertschöpfung teilnahm. Es war, wie man sich anhand des Titels schon denken kann, das alte Rom. Dort waren es natürlich nicht Roboter und AI, sondern Sklaven, die die Wertschöpfung übernahmen. Sie waren im Besitz der Patrizier, die den Staat lenkten und hochqualifizierte Tätigkeiten verrichteten. Sklaven gab es nicht nur für harte körperliche Arbeiten. Sie waren etwa auch technische Fachkräfte und Lehrer. Dafür hatte die römische Expansion in hochentwickelte Länder gesorgt. Und das einfache Volk, das nicht versklavt war – die Plebejer bzw. der Plebs – stand zu einem großen Teil ohne Erwerbsarbeit da.

“Brot und Spiele”

Die Losung, die daraufhin von ganz oben ausgegeben wurde, um ein Aufbegehren der Arbeitslosen zu verhindern, ist bekannt und ziert den Titel dieses Textes: “Brot und Spiele“. War das Volk zufrieden – so die Theorie – gab es auch keine Probleme. Und tatsächlich hielt das System (mehr schlecht als recht) mehrere Jahrhunderte bis zum Zusammenbruch des römischen Reichs. Und der hatte wohlgemerkt wenig mit den Plebejern zu tun.

Was tun mit dem neuen Plebs?

Nun wieder in die Gegenwart. Sicher weiß man es natürlich erst in einigen Jahren. Doch es gibt durchaus Grund zur Annahme, dass die gesellschaftliche Auswirkung, die sich durch KI und Roboter ergibt, noch größer ist, als jene der vergangenen industriellen Revolutionen. Es gibt Grund zur Befürchtung, dass gerade im niedrig qualifizierten Segment der Bevölkerung ein neuer Plebs entsteht, der unter den veränderten Bedingungen keine neue Erwerbstätigkeit findet. Und dann könnte sich die Frage stellen: Brauchen auch wir Brot und Spiele für den neuen Plebs?

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Grundeinkommen: Roboter gründen keine Gewerkschaft

Die in der derzeitigen Diskussion dominierende Variante von Brot und Spielen ist das bedingungslose Grundeinkommen. Dabei sind noch viele Fragen offen. Wie kann etwa die Kaufkraft halbwegs stabil gehalten werden, wenn alle den gleichen Betrag bekommen? Führt das nicht gleichsam automatisch zu verstärkter Inflation? Wie wirken sich Besitzverhältnisse auf so eine Gesellschaft aus? Sind jene die, wie Karl Marx es ausdrückte, im Besitz der Produktionsmittel (also KI und Roboter) sind, in so einem System nicht noch viel mächtiger, weil, salopp ausgedrückt, Roboter keine Gewerkschaft gründen?

Der Sieg des Kapitals über die Arbeit

Diese Fragen ergeben sich aus einer Denkweise, die der aus dem 19. Jahrhundert stammenden (wirtschafts-)politischen Landschaft aus Liberalsimus und Sozialismus entspringt. In unserem derzeitigen sozial-marktwirtschaftlichen System scheint das bedingungslose Grundeinkommen gleichsam zum Scheitern verurteilt zu sein. Denn wenn man es monetär definiert, gerät es auch automatisch in die monetären Mechanismen unseres Systems. Und das baut – egal ob das spezifische System eher liberalistisch oder sozialistisch geprägt ist – auf den beiden Faktoren Kapital und Arbeit auf. Im skizzierten Szenario würde der Faktor Arbeit aber großteils wegfallen.

Liberalsimus und Sozialismus verlieren ihre Grundlage

Die logische Folge: Die Macht des Kapitals würde enorm gestärkt. Die, wie es im Marxschen Theoriekomplex heißt, “besitzende Klasse” könnte die Wertschöpfung auch ohne die “arbeitende Klasse” zustande bringen. Nicht nur der Sozialismus würde damit sein Königsargument verlieren: die Angewiesenheit der Arbeitgeber auf die Arbeitnehmer. Auch im liberalistischen Theorie-Gebäude fiele damit eine essenzielle Komponente weg: Die Kaufkraft der Erwerbsbevölkerung. Die Waren werden ja schließlich für die Verbraucher produziert. Was aber, wenn diese sie sich nicht mehr leisten können, weil sie kein Einkommen erwirtschaften? Und selbst wenn sie dann das bedingungslose Grundeinkommen bekommen – reicht es für den nötigen Konsum, den das System braucht?

Jetzt aber wirklich: “Think outside the box”

Wenn man tatsächlich eine gute Lösung für die riesige Herausforderung finden will, die uns bevorsteht, wäre es nun also Zeit, das zu tun, wovon ohnehin alle sprechen: Außerhalb der Box zu denken. Nach mehr als 300 Jahren Liberalismus und mehr als 150 Jahren Sozialismus, die in ihrem Zusammenspiel (und ihrer Gegnerschaft) die “westliche Welt” konstituiert haben, scheinen die beiden großen Theorie-Gebäude bald ausgedient zu haben. Das Spannungsfeld von Kapital und Arbeit und die damit verbundene Dynamik von Angebot und Nachfrage können die Welt 4.0 nicht mehr erklären. Und sie können keine Antworten mehr auf die großen gesellschaftlichen Fragen liefern.

Die Lösung muss jetzt gefunden werden

Wenn die Politik aber so lange in ihren bewährten Mustern verharrt, bis der große Umschwung vollzogen ist, werden wir vielleicht eine gesellschaftliche Katastrophe erleben. Eine adäquate Reaktion auf die mögliche Entstehung eines neuen Plebs muss jetzt gesucht und gefunden werden. Sie könnte zwar durchaus “Brot und Spiele” lauten. Doch als bloßes “Add-On” zum derzeitigen System würde dieser Versuch grandios scheitern. Denn das bedingungslose Grundeinkommen könnte eben nicht als Sozialleistung funktionieren. Das ganze System müsste rundherum aufgebaut werden.

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Elisabeth Zehetner | (c) Oecolution
Elisabeth Zehetner | (c) Oecolution

*Diese Themenpartnerschaft erschien zuerst in der neuen Ausgabe unseres Printmagazins. Eine Downloadmöglichkeit findet sich am Ende des Artikels.

Zu strenge Klimagesetze für Unternehmen können dem Klima schaden – das klingt auf den ersten Blick paradox, ist aber bei genauerer Betrachtung völlig logisch. Denn durch Überregulierung und Bürokratie, kombiniert mit hohen Lohnnebenkosten und Energiekosten, drohen regionale Betriebe abzuwandern.

“Es wäre nicht nur mit Blick auf Arbeitsplätze, Ausbildung und Wohlstand verantwortungslos, diese Betriebe etwa durch eine zu rigide Klimagesetzgebung und überbordende Bürokratie sowie hohe Energiekosten aus Österreich zu vertreiben. Die Menschen sehen klar, dass das auch Klima und Umwelt schaden würde, weil in anderen Regionen nicht so umweltfreundlich produziert wird“, sagt Elisabeth Zehetner, Geschäftsführerin von oecolution. Die Initiative hat es sich zum Ziel gesetzt, in Österreich Klimaschutz und wirtschaftlichen Erfolg im Einklang miteinander zu fördern.

Ein besonders wichtiges Ziel ist dabei, regionale Betriebe zu sichern. Dazu hat oecolution die Aktion “Regional produzieren statt Wohlstand verlieren!” ins Leben gerufen. Bekannte Leitbetriebe mit starker regionaler Verankerung und einer aktiven Klimaschutzstrategie, wie Baumit aus Niederösterreich, Sappi in der Steiermark, Miba aus Oberösterreich, Bachmann electronic aus Vorarlberg oder die Schwechater Kabelwerke, präsentieren sich im Rahmen der Aktion als “Klimahelden”, die den Wohlstand vor Ort auf umweltverträgliche Art und Weise sichern; weitere Betriebe können dafür nominiert werden.

“Die Politik muss den Rahmen vorgeben, wie ein Unternehmen nachhaltig agieren kann”

Für Petra Merkel von den Schwechater Kabelwerken (SKW) ist klar, warum ihr Betrieb sich an der Aktion beteiligt: “Die Politik muss den Rahmen dafür vorgeben, wie ein Unternehmen hier nachhaltig agieren kann. Man muss sich bewusst sein: Wenn wir hier in Europa strengere Regeln einführen, schaden wir unserer eigenen Wirtschaft. Und es kommt dann so weit, dass die Produkte aus China angeliefert werden, was natürlich weniger nachhaltig ist, als wenn das Ganze regional produziert wird.” Denn bei SKW wird viel Wert auf Nachhaltigkeit gelegt – das Unternehmen betreibt eine Photovoltaikanlage am Fabriksdach und setzt in der Mobilität auf E-Bikes und E-Firmenautos. „Außerdem sind die Kabel, die wir verkaufen, so nachhaltig produziert, wie es derzeit technisch möglich ist“, so Merkel.

Auch für Miba hat Klimaschutz einen hohen Stellenwert und wird mit zahlreichen Maßnahmen in die Tat umgesetzt. “Ich glaube, wenn wir nachhaltig den Standort sichern wollen, braucht es Unternehmen, die in die Zukunft denken”, sagt Oliver Hierschläger von Miba. Dann könne auch hier in Österreich Verantwortung übernommen werden. “Ich bin persönlich davon überzeugt, dass man Innovation und Klimaschutz nicht auf andere Länder und Kontinente abwälzen kann. Besonders beim Klimaschutz braucht es uns alle auf der Welt. Wir teilen uns eine Erde und einen Himmel”, so Hierschläger.

“Weniger Bürokratie, gezielte Steuererleichterungen und Anreize für Investitionen”

Doch wie kann sichergestellt werden, dass die regionalen Betriebe weiter positiv vor Ort wirtschaften können? “Damit Unternehmen hierbleiben, müssen wir dafür sorgen, dass sie konkurrenzfähig bleiben. Das heißt, wir brauchen weniger Bürokratie, gezielte Steuererleichterungen und Anreize für Investitionen”, meint Elisabeth Zehetner. Besonders wichtig seien Maßnahmen, um die Energiekosten zu senken und die Infrastruktur – vor allem im Bereich Energieversorgung und Verkehrsanbindung – zu verbessern. “Nur so schaffen wir ein Umfeld, in dem Unternehmen nicht nur überleben, sondern auch erfolgreich sein können“, so die oecolution-Geschäftsführerin.

Auch damit österreichische Unternehmen zu “Klimahelden” werden können, brauche es die richtigen Rahmenbedingungen, betont Zehetner: “Dazu gehören ein innovationsfreundliches Mindset, Investitionsanreize für neue Technologien und eine gut ausgebaute Infrastruktur, zum Beispiel bei den Energienetzen für Strom und Wasserstoff oder im Schienengüterverkehr.” Die Politik müsse Unternehmen dabei unterstützen, durch gezielte Anreize und weniger bürokratische Hürden in klimafreundliche Lösungen zu investieren.

Doch aktuell drohe eine negative Entwicklung, warnt die oecolution-Geschäftsführerin: “Unsere Unternehmen stehen durch hohe Lohnnebenkosten, Bürokratie und sinkende Investitionen unterimmensem Druck. Insbesondere die Industrie leidet unter steigenden Produktionskosten und einer sinkenden Wettbewerbsfähigkeit. Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, droht unser Wirtschaftsmodell zu erodieren.“ Genau zu diesem Gegensteuern soll auch die Kampagne “Regional produzieren statt Wohlstand verlieren!” beitragen – denn letztlich ist für Zehetner klar: “Wenn unsere Unternehmen hierbleiben und sich weiterentwickeln, tragen sie nicht nur zur wirtschaftlichen Stabilität bei, sondern auch zu einem effektiven Klimaschutz.“

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