10.03.2021

Cookie Wars: Das Google-Imperium schlägt zurück

Google blockiert im Chrome Browser in Zukunft Cookies auf Websites. Ein Weckruf, die isolierte Abhängigkeit zu großen Plattformen zu reduzieren.
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Google, Google Duplex, Ai, KI, Artificial Intelligence, Künstliche Intelligenz, Android, Apple, Smartphone,
© Aleksei/ stock.adobe.com

Dieter Rappold ist serial entrepreneur, Angel Investor und hält Lehraufträge in den Bereichen Digital Marketing & Content Strategy. Er ist Gründer von Speedinvest Pirates, dem führenden Growth Marketing Partner für Startups und Scale-ups. In seinem Gastbeitrag schreibt er über Googles neuesten Tracking-Schachzug und die damit verbundenen Konsequenzen.


Die Meldung vor wenigen Tagen kam für Brancheninsider nicht völlig überraschend und ist in Ihrer Tragweite dennoch nicht zu unterschätzen. Schon 2020 angekündigt, setzt Google seine Pläne in wenigen Wochen in die Tat um und blockiert in seinem bevorstehenden Chrome Browser Update in Zukunft Cookies von Drittanbietern auf Websites. Dies klingt paradox, verdient der börsennotierte Konzern Alphabet doch den Löwenanteil seines Umsatzes mit Online Werbung. 

 Cookies, zu verstehen wie Krümel im Netz die wir als Spur auf unseren Pfaden durch das Internet hinterlassen, sind die Grundlage von Nutzerprofilen, die wiederum die Grundlage für personalisierte Online Werbung sind. 

Druck aus Europa

Warum entscheidet sich also Google zu so einem Schritt, beschneidet er doch scheinbar die Geschäftsmöglichkeiten des Konzerns? Zum einen kommt dieser Schritt nicht völlig freiwillig, sondern entsteht im Kontext einer weltweit wachsenden Sensibilität persönliche Daten betreffend – dieser Druck kommt vorwiegend aus Europa – und einem kritischen Blick auf eine mögliche marktbeherrschende Stellung – auch in den USA. Daher könnte man auch sagen Google kommt dem Regulator nur zuvor. 

Schneidet sich Google wirklich ins eigene Fleisch?

Zum anderen ist dieser Schritt sowohl taktisch als auch strategisch ein sehr kluger. Taktisch klug deshalb, weil bisher Apple unter den “GAFA”-Unternehmen die “good cop” Rolle im Bereich der persönlichen Daten einnahm, hier zieht Google nach. Was bei Apple einfach ist, denn das Online Advertising Business ist verschwindend im Vergleich zu Hardware und Service Subscriptions. Aber Google schneidet sich damit massiv ins eigene Fleisch – scheinbar.

Strategisch ist dies ein kluger Schritt, denn den größten Schaden hat der große Wettbewerber im Werbemarkt: Facebook. Facebook hat auf fast jeder Website einen Werbe Cookie integriert und Chrome ist durch die Vor-Installation auf Android-Handys der weltweit meistbenutzte Browser. Das heißt Facebook verliert erheblichen Zugriff und damit tieferes Verständnis der Bewegungsmuster seiner User im Netz. 

Warum Google die Daten nicht braucht

Google braucht diese Daten nur bedingt, weil sie diese Informationen alle haben. Denn neben der dominanten Nutzung von Chrome, schauen 2 Mrd. User YouTube im eingeloggten Modus, 72% der User sind auf Android-Handys eingeloggt unterwegs und 90% der Internet Nutzer suchen mit Google als Suchmaschine und oben drauf Gmail. 

Auf dieser Basis macht es Sinn in Richtung interessensbasierte Werbung auf Grundlage von User-Kohorten zu gehen. Die konkrete Situation macht auch einen wachsenden Zusammenhang zwischen Datenschutz und dem geltenden Wettbewerbsrecht, bzw den Schritten des Regulators offensichtlich. 

Für Werbetreibende gilt: Wer schon in den vergangenen Jahren eine klare First-Party Data Strategie entwickelt und exekutiert hat, der ist nun in einer komfortableren Situation. Für den Rest gilt: dies ist ein Weckruf, die isolierte Abhängigkeit zu großen Tech-Plattformen zu reduzieren. 

Dieter Rappold © Klaus Vyhnalek
Dieter Rappold © Klaus Vyhnalek
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(vlonru.) Everest Carbon, cortEXplore, My Esel und Simventure nutzten und nutzen die umfassenden Möglichkeiten an den TECH HARBOR-Standorten | (c) TECH HARBOR
(vlonru.) Everest Carbon, cortEXplore, My Esel und Simventure nutzten und nutzen die umfassenden Möglichkeiten an den TECH HARBOR-Standorten | (c) TECH HARBOR / tech2b / My Esel / Simventure

Der Begriff “Co-Working-Space” wäre bei TECH HARBOR in Linz eindeutig zu kurz gegriffen. Viel zu kurz gegriffen. Denn hochwertige Büroräume für Startups gibt es an den zwei Standorten TECHCENTER und NEUE WERFT zwar durchaus. In einem üblichen Co-Working-Space würde man aber wohl sehr schnell an die Grenze stoßen, wenn man dort eine Serienproduktion für Fahrräder oder eine Produktionsstätte für hochpräzise chirurgische Geräte aufbauen wollte.

Genau das und noch viel mehr passiert in den TECH HARBOR-Standorten. Sie bieten Hardware-Startups mit komplexen technischen Anforderungen und teilweise viel Platzbedarf eine Heimat. Große Werkstattbereiche, Techlabs für Forschung und Entwicklung und Lagermöglichkeiten machen dabei den entscheidenden Unterschied.

My Esel: Vom Prototypen bis zur Serienproduktion im TECHCENTER

Ein Unterschied, der etwa dem mittlerweile einer breiten Öffentlichkeit bekannten Holzfahrrad-Startup My Esel mehr als nur die ersten Schritte ermöglichte. “In der Zeit im TECHCENTER fand die Entwicklung von den ersten Prototypen hin zur Serienproduktion statt”, erzählt Gründer Christoph Fraundorfer. 2016 sei nach einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne von dort aus der Markstart erfolgt. “Parallel wurde an der Optimierung der Rahmenkonstruktion und an den My Esel E-Bikes gearbeitet. 2019 konnten noch aus dem TECHCENTER die ersten E-Bikes ausgeliefert werden.”

Im TECHCENTER kam Christoph Fraundorfer mit My Esel vom Prototypen bis zur Serienproduktion | (c) TECH HARBOR
Im TECHCENTER kam Christoph Fraundorfer mit My Esel vom Prototypen bis zur Serienproduktion | (c) My Esel

Ebenfalls im Jahr 2019 Jahr zog My Esel dann um. “In Traun fanden wir in den ehemaligen Produktionsstätten der Carrera-Brillen unseren neuen Standort. Inzwischen nutzen wir hier über 800 Quadratmeter und konnten 2023 mit etwas mehr als 1.000 Bikes zirka 2.7 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften”, erzählt Fraundorfer.

Simventure: Im TECH HARBOR-Standort zum Wingsuit-Simulator

Die Räumlichkeiten im TECHCENTER blieben danach freilich nicht leer. Auch aktuell arbeiten viele spannende Startups im TECH HARBOR-Standort und schreiben die Erfolgsgeschichten der Zukunft. Einer der Mieter ist etwa Simventure. Das Startup baut Geräte, mit denen Extremsportarten vollimmersiv simuliert werden können. Das erste dieser Geräte – WingSim – simuliert den Flug in einem Wingsuit – in Realität bekanntlich ein hochriskantes Unterfangen.

“Seit dem Einzug im TECHCENTER Anfang 2023 haben wir die Hard- und Software für unseren Prototypen entwickelt. Wir haben diesen Prototypen im Techlab gebaut und umfangreich getestet. Nun können wir den Demonstrator Kunden und potentiellen Investoren vorführen. Wir haben den Firmenwert seit dem Einzug vervielfacht”, sagt Gründer Norman Eisenköck.

Das Simventure-Team baut im TECHCENTER seine Simulatoren | (c) Simventure

Das TECHCENTER biete die idealen Voraussetzungen für das Startup und seine Wachstumsherausforderungen, so der Simventure-Gründer. “Ein Startup ist während der Unternehmensgründung und dem Unternehmens-Aufbau Schwankungen im Bedarf an Büroflächen und – in unserem Fall – eines Mechatronik Labors unterworfen. Die Flexibilität des TECHCENTER hat uns geholfen, diese Schwankungen sehr gut zu berücksichtigen.” Und die Infrastruktur diene nicht nur dem Team zur Arbeit, sondern biete auch schöne Repräsentationsräume, um Partner und Kunden zu empfangen.

cortEXplore: Von der NEUEN WERFT zu Yale und MIT als Kunden

Absolute HighTech-Produkte sind auch aus dem Standort NEUE WERFT schon vielfach hervorgegangen. Bis 2024 hatte dort etwa das Startup cortEXplore seinen Sitz, das eine Technologie für Gehirn-OPs für Forschungszwecke entwickelt hat. “Wir verkaufen unsere Technologie international in die EU, die USA und China und haben Kunden wie die US-Unis Berkeley, Yale und MIT”, sagt Gründer Stefan Schaffelhofer. Diesen April wurde das Unternehmen mehrheitlich von einem internationalen Medizintechnikkonzern übernommen.

Den Grundstein dafür legte cortEXplore am TECH HARBOR-Standort. “Wir haben in der NEUEN WERFT gestartet. Wir hatten zunächst Platz für die Entwicklung, hatten aber auch später ein Lager dort und Platz für Assemblierungen unserer Produkte”, erinnert sich der Gründer. “Es ist die optimale Location in Linz. Sie ist gut für Anlieferungen und den Versand der Produkte. Und es gibt Räumlichkeiten für Veranstaltungen und die Einladung von Kunden.”

cortEXplore baute in der NEUEN WERFT seine Hightech-Produkte für Gehirn-OPs | (c) tech2b/Andreas Balon
cortEXplore baute in der NEUEN WERFT seine Hightech-Produkte für Gehirn-OPs | (c) tech2b/Andreas Balon

Everest Carbon: “Unser Fortschritt übertrifft unsere Erwartungen”

Und auch in der NEUEN WERFT kamen seitdem viele spannende Unternehmen nach, etwa Everest Carbon, das diesen Sommer eingezogen ist. “Momentan entwickeln wir unser erstes Produkt, einen digitalen Umweltsensor für die Bindung von CO2 in Projekten basierend auf dem Prozess des beschleunigten Verwitterns, und testen es in Feldern hier in der Umgebung”, erklärt Gründer Matthias Ginterseder.

In der NEUEN WERFT baue man seit dem Einzug den primären Forschungs- und Produktionsstandort auf. “Wir sind gerade dabei, unser Team in der NEUEN WERFT zu vervollständigen, um Anfang nächsten Jahres die Produktionszahlen unserer ersten Produktlinie bedeutend erhöhen zu können”, sagt der Everest Carbon-Gründer. “Unser Fortschritt dabei übertrifft unsere Erwartungen, nicht zuletzt wegen der proaktiven Unterstützung durch Georg Spiesberger und sein Team hier im TECH HARBOR.” Und auch die Location selbst sei “hervorragend” für das Startup: “Das flexible Platzangebot sowie die zahlreichen Events, helfen uns sehr dabei, unsere Bedürfnisse in verschiedenen Entwicklungsstadien zu decken”, so Ginterseder.

Everest Carbon baut in der NEUEN WERFT gerade seine Produktion auf | (c) TECH HARBOR

Große Zukunftspläne – vom TECH HARBOR in die ganze Welt

Die Voraussetzungen für große Zukunftspläne und weitere Erfolgsgeschichten, wie die oben genannten, sind damit also perfekt gegeben. Der Everest Carbon-Gründer gibt einen Einblick: “Wir wollen in naher Zukunft unser erstes Produkt am Markt etablieren und unsere Technologie als eine bahnbrechende Lösung für zukunftsträchtige Formen von negativen Emissionen etablieren.”

Auch Simventure will am TECH HARBOR-Standort noch viel erreichen, wie Gründer Norman Eisenköck erklärt: “Wir werden weiterhin sowohl die Büroflächen als auch das Techlab für die Entwicklung weiterer Bewegungsplattformen nutzen. Es ist geplant, das weitere Wachsen des Teams und der Produktlinien im TECHCENTER zu machen.” Der erste WingSim werde aber schon bald ins Ars Electronica Center übersiedelt, um dort – ganz in der Nähe – für Kundenvorführungen zur Verfügung zu stehen. “Im Techlab werden dann neue Produkte entwickelt”, so der Gründer.

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