31.05.2017

Unnötige Unkenrufe

In Österreich hat sich eine dynamische Entrepreneurship-Szene entwickelt. Auch die Politik hat verstanden, dass innovative Unternehmensgründungen eine entscheidende Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft haben. Die Medien leisten einen wichtigen Beitrag zu diesem wichtigen Mentalitätswandel, stellen aber auch immer wieder die Frage, „wann die große Entrepreneurship-Blase platzt“. Gibt es eine Blase? Und droht sie tatsächlich zu platzen? Man sollte die Argumente in Ruhe prüfen.
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In den Medien wird häufig davon gesprochen, dass es nicht viele Startups (im engeren Sinne des Begriffes) in Österreich gibt. Gerade wirklich innovative Jungunternehmen sollen sehr selten sein, genauso wie jene unter ihnen, die tatsächlich erfolgreich sind. In der Startup-Szene beklagt man sich über diesen negativen Grundtenor. Gerade deshalb ist es am sinnvollsten, ihm ganz sachlich zu begegnen.

Startups haben eine hohe Bedeutung für Österreich

Die Wirkung von Entrepreneurship auf Wohlstand, Arbeitsplätze, Wachstum, Fortschritt und Steueraufkommen ist seit längerer Zeit wissenschaftlich nachgewiesen. Unternehmensgründungen beleben den Wettbewerb, schaffen neue Angebote und befriedigen Kundenbedürfnisse. Besonders wichtig für Wirtschaft und Gesellschaft sind Startups, also Unternehmensgründungen, denen eine Innovation zugrunde liegt und die eine klare Wachstumsabsicht haben. Von ihnen gehen stärkere Impulse aus. Dieser Umstand gilt heute mehr denn je, denn im internationalen Wettbewerb spielen Innovation und Flexibilität – die Stärken von Startups – eine viel größere Rolle als früher, als Unternehmensgröße und Stabilität die dominanten Erfolgsfaktoren waren. Dass die Politik sie gezielt fördert, ist völlig richtig.

Die Tatsache, dass wir in Österreich (noch) relativ wenig Startups haben, bedeutet keine Blase, sondern dringenden Aufholbedarf Zunächst ist es korrekt, dass innovative Unternehmensgründungen in Österreich bisher nur eine relativ kleine Rolle spielen. Nicht viele wissen hierzulande, dass unsere Selbstständigenquote mit 9,2 Prozent beispielsweise deutlich höher ist als im Gründerland USA (6,0 Prozent). Doch es ist falsch, daraus abzuleiten, dass das Thema überbewertet ist. Das Gegenteil ist richtig: Wir benötigen dringend mehr innovative Gründungen. Zum Glück ist in dieser Hinsicht viel Konkretes passiert: Wir haben mit den A+B-Zentren, dem Pioneers Festival, einer zunehmenden Anzahl an (privaten) Co-Working Spaces, Inkubatoren und Akzeleratoren eine Reihe von Einrichtungen Initiativen, die uns eindeutig voranbringen. Erfolge dieser Bemühungen sind bereits überdeutlich sichtbar. Und das ist ermutigend.

Überlebensquoten sind nicht das richtige Erfolgsmaß

Kern eines Startups ist eine Innovation, also ein neues Produkt, eine neue Dienstleistung, eine neue Technologie, ein neues Geschäftsmodell. So lange es ungelöste Probleme gibt, von Krankheiten über Staus, Bürokratie, Gewalt, Armut, Umweltproblemen, Leid bis hin zu Langeweile, so lange brauchen wir Innovationen. Startups sind nachweislich am leistungsstärksten, wenn es darum geht, kreative Lösungen zu finden. Manche dieser Innovationen setzen sich enorm schnell durch und verändern Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig. Man denke an die ehemaligen Startups Google (gegründet 1998), Twitter (gegründet 2006), Facebook (gegründet 2004), WhatsApp (gegründet 2009) oder Tesla (gegründet 2003). Andere scheitern. Es ist ein ökonomisches Naturgesetz: Die andere Seite der Chance ist das Risiko. Innovationen sind der Weg ins Unbekannte, niemand weiß sicher, wie sich Technologie, Wettbewerb, Kunden und Komplementäranbieter verhalten werden. Daher kann zu Beginn niemand sicher sagen, wer das nächste Google sein, und wer scheitern wird. Aber eines ist sicher: Eine hohe Überlebensquote ist ein sicheres Zeichen dafür, dass die Gründungen insgesamt nicht auf Risiko gespielt haben, und damit nicht maximal innovativ waren.

Wir brauchen viele Experimente

Wenn wir akzeptieren, dass die ganz großen Gründungserfolge erstens selten und zweitens schwer vorhersehbar sind, dann folgt daraus: Wir brauchen vor allem viele Gründungen. Natürlich nicht irgendwelche, sondern Startups, deren Kern eine Innovation ist und die klare Wachstumsabsichten haben – die also eine echte Erfolgschance haben. Über die Zutaten verfügen wir bereits: Gut ausgebildete, kreative und ehrgeizige Menschen, Kapital und ein ungeheuren Reichtum an technologischen Ideen, Erfindungen, Entdeckungen und Entwicklungen aus Österreichs Universitäten. Es geht also darum, diese Dinge zusammenzubringen. Wenn wir genügend Experimente wagen, wird der eine oder andere Lottotreffer à la Google darunter sein. Wenn – und nur wenn. Gleichzeitig müssen wir akzeptieren, dass ein Teil der Experimente schiefgehen wird. Misserfolge sind unvermeidlich, Fördergelder werden verloren gehen. Das ist bei uns nicht anders als im Silicon Valley.

Redaktionstipps

Der Mentalitätswandel muss weitergehen

Wir haben in Österreich – wie in vielen europäischen Ländern – keine lange Tradition in Entrepreneurship und Innovation. Wenn wir mehr Experimente wollen, dann müssen wir weiter daran arbeiten, dass eine mutige und innovative Unternehmensgründung als selbstverständlicher Karriereweg anerkannt wird. Dazu gehört eine Kultur des Scheiterns. Wir sollten diejenigen, die einen Versuch wagen und unverschuldet fehlschlagen, für ihren Mut und ihre Courage respektieren. Wir sollten zweite und dritte Chancen geben. Und wir brauchen eine Kultur der Anerkennung. Wir sollten diejenigen, die unternehmerischen Erfolg haben, als das anerkennen, was sie sind: gesellschaftliche Helden, deren Erfolg uns letztlich allen zu Gute kommt.

An einem Strang ziehen

Als ich 2001 an die WU kam hieß es „die WU-Studierenden wollen alle in den Staatsdienst“. Das war schon damals nicht richtig, aber heute wirkt es geradezu grotesk. Der Mentalitätswandel seitdem ist ein Ergebnis des Schulterschlusses von Politik, Medien und Bildungsinstitutionen. Heute sind unsere Entrepreneurship Kurse mehrfach überbucht. Im WU-Gründungszentrum hatten wir im vergangenen Jahr fast 150 Veranstaltungen mit tausenden von Besuchern. Der gemeinsame MBA von WU und TU zu Entrepreneurship und Innovation verzeichnet seit Jahren Rekordanmeldezahlen. Die Zusammenarbeit der Universitäten im Rahmen des Entrepreneurship Center Networks (ECN) ist enger als je zuvor. Die Entrepreneurship Avenue der WU, unsere Flagschiff-Veranstaltung, hatte über 1.500 Teilnehmer aus 50 Ländern, was einer Steigerung von 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. An anderen österreichischen Universitäten gibt es ähnliche Erfolgsgeschichten. Doch all das genügt noch nicht. Noch liegt die Zahl der Studierenden, die einen Entrepeneurship-Kurs besuchen können, bei einem Prozent und ich befürchte, der Anteil von Schülern, die das Wort „Entrepreneurship“ korrekt buchstabieren kann, ist nicht viel höher. Dies bedeutet: Es ist noch viel zu tun. Dass die Politik die Bedeutung von Startups erkannt hat, ist daher ein Segen für Österreich.

Nachhaltiger Boom statt Blase

Man kann also zusammenfassend feststellen, dass es gute Gründe gibt, das Thema Startups in Österreich weiter voranzutreiben und einen nachhaltigen Boom zu erzeugen. Und bei allen Problemen und dem noch immer unverkennbaren Nachholbedarf: In den vergangenen Jahren haben viele Menschen in Österreich sehr viel geleistet und einen Startup-Boom geschaffen, wie er hierzulande einmalig ist. Ohne Rückenwind von Politik und Medien werden wir es dennoch nicht schaffen. Und das wäre eine vertane Chance für Österreich.

Über den Autor

Nikolaus Franke ist Leiter des Instituts für Entrepreneurship & Innovation des WU Gründungszentrums und der User Innovation Research Initiative an der WU Wien. Er ist auch Akademischer Leiter des Professional MBA Entrepreneurship & Innovation der von der TU Wien sowie der WU Executive Academy angeboten wird.

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Remitly, ein US-Online-Anbieter für Finanzdienstleistungen, hat 4.200 erwerbstätige Erwachsene aus 22 Ländern in einer Studie rund um das Thema Work-Life-Balance befragt. Im Zuge dessen ging es um tägliche Arbeitsstunden, die Länge des Arbeitsweges, die Schlafdauer vor einem Arbeitstag und und die Länge der täglichen Pausen. Auch die Zufriedenheit mit dem eigenen Arbeitsleben fand Einklang in die Studie. Nach Erhebung der Daten wurden die einzelnen Faktoren bewertet. Das Ziel: Herauszufinden, welche Länder weltweit die “beste Work-Life-Balance bieten”. Erfasst wurden die Daten diesen September.

Der Norden ist am Balance-freundlichsten

Nach dem Ranking des US-Finanzdienstleisters steht Österreich gar nicht so schlecht da: Platz 11 erreichten wir im Rahmen der Studie. Wenig überraschend gingen Platz eins und zwei wieder in den Norden – konkret an Finnland (Platz eins) und Dänemark (Platz zwei). An dritter Stelle im Work-Life-Ranking steht die Schweiz.

Finnland ist laut Remitly mit 73 von 100 Punkten im Index das Land mit den besten Rahmenbedingungen für eine Work-Life-Balance. Der Studie zufolge soll Finnland seinen Erwerbstätigen schon seit fast 30 Jahren flexible Arbeitsbedingungen bieten.

Dänemark auf Platz zwei erreichte 70 von 100 Punkten. Die Durchschnittsarbeitszeit pro Tag belief sich hier auf sieben Minuten und 25 Stunden. Auch laut OECD Better Life Index liegt die Zufriedenheit im Beruf sowie die allgemeine Lebenszufriedenheit in Dänemark über dem weltweiten Durchschnitt.

Trotz längerer täglicher Arbeitszeit und längerer Pendelzeit als Platz 1 und 2 landet die Schweiz auf Platz drei, was Remitly unter anderem mit den vier bis fünf bezahlten Urlaubswochen begründet. Auch die Pausenzeiten umfassen mit 56 Minuten täglich ein Maximum unter den befragten Ländern.

Platz vier ergattert Frankreich – unter anderem auch deshalb, da die Normalarbeitszeit in Frankreich bei 35 Wochenstunden liegt. Alles darüber wird als Überstunde gerechnet und dementsprechend in Zeitausgleich oder Bezahlung vergolten.

Für Work Life Balance wird umgezogen

Neun der zehn führenden Länder befinden sich in Europa. Der einzige Ausreißer: Neuseeland auf Platz 5. Außerdem gaben vier von zehn (42 Prozent) Befragten an, dass sie in den nächsten fünf Jahren auf der Suche nach besseren Arbeitsbedingungen ins Ausland ziehen möchten.

In den Top zehn befinden sich nach den ersten vier Platzierten – nach Rangliste Finnland, Dänemark, Schweiz und Frankreich – schließlich Neuseeland (Platz 5), Schweden (Platz 6), die Niederlande (Platz 7), Portugal (Platz 8), Belgien (Platz 9) und Tschechien (Platz 10).

Österreich belegt Platz 11, gefolgt von Deutschland (Platz 12), Spanien (Platz 13), Italien (Platz 14) und Kanada (Platz 15).

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