17.09.2019

Sieben Schritte zur Gestaltung von Employee Experience

Im aktuellen Teil der Serie über Employee Experience liefert EX-Experte Max Lammer eine Anleitung mit sieben Schritten, die bei den Mitarbeitern zu einem besseren "Erlebnis Job" führen.
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Employee Experience - War for Talents
(c) fotolia.com - Rawpixel.com

Die ersten drei Teile unserer Serie über Employee Experience (EX) haben sich mit Erklärung, Argumenten und Messmethoden beschäftigt, um die Wichtigkeit des Themas zu erarbeiten und Erfolge durch EX Design nachzuvollziehen. Zudem haben wir erläuter, warum Employee Experience nicht nur der jüngste HR-Trend ist, sondern es sich in mehrfacher Form bezahlt macht, in das “Erlebnis Job” der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu investieren.


Bisher in der Serie erschienen:


Soweit die Theorie – nun kommen wir zur Praxis. Entlang einer Checklist von sieben Schritten soll kurz dargestellt werden, wie Employee Experience Design aufgesetzt werden kann.

1. Priorität erkennen und Verantwortung übernehmen

Wie bereits erläutert sind jene Initiativen für bessere Mitarbeitererfahrung besonders erfolgreich, die vom C-Level bzw. vom CEO ausgehen. Auf der anderen Seite gibt es entsprechend weitsichtige Vorstöße aus dem HR-Bereich (oder auch von anderen Teilen des Unternehmens), die dann zur Überzeugung der obersten Führung eventuell Unterstützung und Argumente brauchen. Die Verantwortung für die Umsetzung von Employee Experience Design liegt anschließend bei einem dezidierten Team, das für Abwicklung und Gestaltung die koordinierende Rolle einnimmt.

+++Mehr über Employee Experience am EX Summit (27. April 2020, weXelerate, Wien)+++

2. Menschen (besser) verstehen lernen/beginnen

Was wir im Marketing insbesondere mit der Digitalisierung von Werbung und Kanälen für unsere Kunden erlernt haben, hilft uns auch bei der Employee Experience. Dazu sollten die Verantwortlichen erstens wissen, welche Daten zu den Mitarbeitenden bereits im Unternehmen vorhanden sind und was diese aussagen. Zweitens muss festgestellt werden, welche Fragen beantwortet werden sollten für die Gestaltung des “Erlebnisses Job”.

Personas, die wir im Vertrieb vermutlich bereits breit einsetzen, helfen auch hier bei der Einschätzung und Einordnung – wenn es um Bedürfnisse und Wünsche geht. Das ist deshalb so wichtig – auch nicht neu – weil wir bis zu vier Generationen (Babyboomer, X, Y und Z) mit unterschiedlichen Lebenseinstellungen in unseren Organisationen haben, für die es individuelle Angebote braucht.

+++Mehr zu New Work und EX im HR-Channel des brutkasten+++

3. People Analytics etablieren

Eine neue Disziplin in HR breitet sich langsam auch in Europa und Österreich aus. Organisationen sollten sich ernsthaft mit diesem Thema auseinandersetzen und zu lernen beginnen, unabhängig von ihrer Größe und Struktur. Die Aufgabe und der Zweck von People Analytics sind bessere Entscheidungen basierend auf Daten, Zahlen und Research. Den Anfang hätte man mit Schritt 2 bereits gemacht – Mitarbeiterbezogene Daten im Unternehmen sichten und verstehen, sowie beginnen, die richtigen Fragen zu stellen.

Relativ einfach sind normalerweise Analytics zu Kündigungen bzw. Abgängen, die als erste Übung dienen können (falls dies nicht schon laufend gemacht wird). Außerdem ist zu klären, welche Skills zusätzlich benötigt werden, also beispielsweise Data Science, Statistik, etc. Da es sich bei People Analytics um ein wenig verbreitetes Thema in den Unternehmen handelt, ist es sehr wichtig, offen zu kommunizieren und den Sinn und Zweck zu erklären.

+++Mitarbeiter finden mit der Jobplattform des brutkasten+++

4. Entscheidende Momente definieren

Unsere Employee Experience ist geprägt von Erlebnissen – in unterschiedlicher Konstellation und Wahrnehmung. Entlang der Employee Journey ergibt sich eine Vielzahl von “moments that matter”, aus denen sich unsere Mitarbeitererfahrung zusammensetzt und die unser “Erlebnis Job” prägen. Insgesamt kann man in etwa 20 solcher “Momente” in unterschiedlicher zeitlicher Länge definieren – beginnend beim ersten Eindruck, also noch vor der Bewerbung, über die diversen Momente vor und während der Firmenzugehörigkeit bis zur Zeit nach dem Ausscheiden.

Jedes Unternehmen sollte für sich die entscheidenden Momente finden, beschreiben, clustern und designen – beispielsweise mit einem “People Deal”, wie bei Cisco. Wichtig ist, sich grundsätzlich über das Koordinatensystem für Employee Experience im eigenen Unternehmen klar zu werden.

5. Feedbacksysteme einführen

Um besser zu verstehen und regelmäßig Rückmeldung für die Entwicklung zu erhalten, sind entsprechende Mechanismen notwendig. Warum? Weil Employee Experience nicht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemacht wird, sondern MIT ihnen. Daher ist es so wichtig sich Feedback einzuholen – zu vorgeschlagenen Gestaltungsmaßnahmen, Zufriedenheit, etc.

Das passiert sowohl persönlich (Mitarbeitergespräch, etc.) als auch über technische Tools (wie teamecho, kununu engage, peakon oder ähnliche), die in kürzeren Abständen Feedback einholen. Die einmal pro Jahr oder alle zwei Jahre stattfindende Mitarbeiterbefragung hat ausgedient und ist nicht mehr zeitgemäß. Aus der Funktion “People Analytics” und den relevanten Fragen ergeben sich die Ableitungen für Tools und Gesprächsdesign.

+++Diese digitalen Tools helfen, Feedback von Mitarbeitern einzuholen+++

6. Aktive Gestaltung der EX-Dimensionen

Anhand der Kenntnis aus People Analytics, den “Moments that matter” und den Personas können die drei Dimensionen Arbeitsplatz, Tools und Kultur (und damit wiederum die entscheidenden Momente) entsprechend designed und gestaltet werden.

Unter Einsatz “moderner” Methoden wie Design Thinking, Rapid Prototyping, Kanban, Scrum, etc. lässt sich auch Employee Experience gestalten – in vielen Unternehmen wird unter dem Schlagwort “agile” gerade viel gelernt und ausprobiert, am besten ab nun insbesondere für das “Erlebnis Job”. Wichtig ist, dass es immer MIT den Mitarbeitern passiert – Einbindung, Partizipation und Feedback sind für Erfolg der Maßnahmen entscheidend.

7. Review & Learnings

Die Gestaltung von Employee Experience ist ein regelmäßiger Iterationszyklus, der nicht einfach abgeschlossen wird. Es ist ein Transformationsprozess bzw. eine Journey der Organisation und braucht Reviews in entsprechenden Abständen sowie die Ableitung von Learnings, um stetig besser zu werden. Wie bei der Digitalisierung bzw. der Innovation generell gilt: Machen ist besser als planen, und Experimente sind unbedingt erlaubt.

Über den Autor

Max Lammer ist Solopreneur, Trainer und Employee Experience Designer. Auf Basis seiner Erfahrung mit vielen Unternehmen – von klein bis multinational – und aus unterschiedlichen Blickwinkeln, ist er der Überzeugung, dass Employee Experience das entscheidende strategische Handlungsfeld für Organisationen egal welcher Größe und Branche ist – für mehr wirtschaftlichen Erfolg, sowie Zufriedenheit der Mitarbeiter und Kunden.

Seine berufliche und unternehmerische Erfahrung im Zusammenhang mit Innovation, Digitalisierung und New Work ist unter anderem geprägt durch beispielsweise die Initiative “Innovation to Company” in der er etablierte Unternehmen und Startups zusammen bringt, oder das Projekt des zukunftsweisenden Innovationscampuskonzept “Talent Garden” in Österreich . Außerdem hat er mehrere Jahre aktiv in einem österreichischen Technologiestartup mitgearbeitet.

Als Trainer und Solopreneur begleitet er Projekte zur Entwicklung von Innovationsstrategien und digitaler Transformation (in 8 Schritten) sowie zur “New World of Work”, und unterrichtet an Unis und bei Corporates mit Schwerpunkten auf Startup-Methoden, Employee Experience und Innovation. 

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Ida Tin, Co-Founderin von Clue (c) Valerie Maltsev

Dieser Artikel erschien zuerst in der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download findet sich am Ende des Artikels.

Bunte Hosenanzüge, gepaart mit hohen Absätzen, Sneakers, langen Locken und eleganten Kurzhaarschnitten – beim diesjährigen Global Leaders Summit, organisiert von the female factor und unterstützt von der Stadt Wien, gleicht das Publikum einem bunten Bällebad. An diesem ungewöhnlich warmen September­donnerstag füllt sich das Wiener Rathaus mit über 500 weiblichen Führungskräften aus 50 Nationen.

Is this how a leader looks like?

Mittendrin ragt die dänische Founderin Ida Tin aus der Menge. In einem grau-weiß gestreiften Blazer und mit elegantem Hair-Updo setzt sie kontrollierte Schritte auf den roten Teppich, der Besucher:innen den Weg ins Rathaus markiert. Links und rechts stehen weiß bezogene Stehtische, vor einer türkisen Fotowall tummeln sich Hosenanzüge. „This is how a leader looks like“ steht auf der Fotowand.

„Schriftstellerin“ ist die Berufsbezeichnung, die aus diverser Berichterstattung rund um die dänische Gründerin hervorgeht. In ihrem ersten Buch schrieb sie über Motorradreisen. In Dänemark wurde es zum Bestseller. Ihre Geschichte ist eine, die von vielen gehört und gelesen gehört – denn Ida heißt heute „Mother of Femtech“.

Mother of Femtech

Ida wurde im Kopenhagener Stadtteil Nørrebro geboren und war einen nicht unbeträchtlichen Teil ihres Lebens auf dem Motorrad unterwegs. Mit ihren Eltern und ihrem Bruder hat sie so mehrere Länder der Welt bereist.

Zusammen mit ihrem Vater ­arbeitete sie später für Moto Mundo, einen ­ Motorrad-Reiseveranstalter. In den frühen 2000ern organisierte sie Motor­radtouren durch Vietnam, die USA, Kuba, Chile oder die Mongolei; 2009 erschien ihr besagtes Buch „Direktøs“, in dem sie von ihren Reiseerfahrungen erzählt.

Weil auf Reisen kein Tag ist wie der andere, stand Ida vor einem Problem: Woher weiß sie, wann ihre Monats­blutung kommt? Händisch mitzuschreiben ging nicht, am Motorrad war kaum Platz. Sie brauchte etwas Handliches; etwas, das immer dabei ist. Und etwas, das selbst mitdenkt.

Ida kam auf eine Idee – ­ wenige Jahre später startete sie eine der weltweit ersten Tracking-Apps für Frauengesundheit. Ida gründete Clue als App für menstruierende Personen im Jahr 2012 in Berlin, gemeinsam mit Hans Raffauf, Moritz von Buttlar und Mike LaVigne. Über die Jahre wurde Clue zu einer der berühmtesten Apps unter Menstruierenden. Damit schuf Ida eine technologische Lösung zur Verbesserung von Frauengesundheit – eine Femtech-Lösung.

Forgive me, but I think there is a little bit of a lack of vision for Europe.

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Zurück am Global Leaders Summit höre ich Ida zu, wie sie auf der Global Stage des Großen Festsaals im Wiener Rathaus spricht. Ida setzt ihre Worte gezielt; im Trubel des Summits sticht sie nicht mit Lautstärke hervor, sondern mit Präsenz. Ohne ihre Stimme zu heben, finden Idas Worte ihren Weg durch die Geräuschkulisse des Festsaaltreibens. Sie spricht von einer Reform unseres Ökosystems.

„Let’s invite men into our world“ und „Sense your body, pay tribute to your mental health“ sind nur zwei der Aussagen, die man selten von Gründer:innen im Business-Kontext hört. Mit dem Aufbau ihres Unternehmens hat sie den Begriffen „Gründung“ und „Unternehmensführung“ eine neue Bedeutung verliehen. Sie hat sie menschlicher gemacht.

Nach dem Panel bleibt Zeit für ein kurzes Interview. Wieder schafft es Ida, mit bewusst gesetzten Wortkombinationen eine wichtige Message zu kommunizieren: „Wir müssen aufpassen, was wir als erfolgreich betrachten. Früher war Erfolg Geld, ein hoher Return on Investment; noch größere Finanzierungsrunden. Doch wenn wir ehrlich sind, ist der eigent­liche Reichtum unsere Gesundheit.“

Wie ein System funktioniert

Unverkennbar geht es in unserem Gespräch nicht nur um Geld: „Mehrere Studien zeigen, dass Investitionen in die Gesundheit von Frauen die Wirtschaft ankurbeln. Erst dieses Jahr hat McKin- sey einen Report herausgebracht, der zeigt: Wir würden uns jedes Jahr eine Billion Dollar sparen, wenn die Gesundheitsbedürfnisse von Frauen an- gemessen erfüllt würden.“

Ida zeigt in unserem Interview, dass sie das Thema bewegt: „Frauengesundheit ist teuer, gar keine Frage. Aber wir wissen mittlerweile auch: Wenn es Frauen gut geht, geht es ihren Unternehmen gut, ihren Familien und schließlich auch der Gesellschaft. Viel­fältige Teams begünstigen integrative Unternehmen, bringen weniger Voreingenommenheit und tatsächlich bessere Geschäftsergebnisse.“

Als ob das nicht schon selbsterklärend genug wäre, betont Ida mit einem Kopfnicken: „Wenn wir also Frauen in den Aufbau der Welt miteinbeziehen, funktioniert das System.“

“Die Besessenheit mit Geld macht unser Leben sehr arm. Und engstirnig.”

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Gesundheit!

Dass das in der Corporate-Bubble schwierig umzusetzen ist, weiß Ida. Auch alle bunten Hosenanzüge, die sich zum Global Leaders Summit im Wiener Rathaus versammelt haben, wissen es. Dass nicht tatenlos zugesehen werden darf, wie Frauen, ihre Gesundheit und ihr Potenzial im Unternehmertum vernachlässigt werden, weiß auch jede vor Ort.

„Wir wissen doch alle, dass man mehr Perspektiven in Führungsebenen bringt, wenn man Frauen dort reinsetzt. Wenn man sie einfach machen lässt und niemanden zu formen versucht. Wir leben in einer Kultur, vor allem in der Tech-Szene, in der wir Menschen formen. Du stellst jemanden an, du formst dir deine Arbeitskraft so, wie du sie willst, drückst sie in interne Strukturen. Du etablierst Arbeitsmodelle, die sich nach 40 Wochenstunden richten und Menschen gesundheitlich belasten. Und nicht selten endet das im Burnout. Ich denke, wir müssen uns in dieser Hinsicht mehr am Gesundheitsaspekt unserer Arbeit orientieren. Wenn wir uns kaputtarbeiten, was bleibt dann vom Leben übrig?“, so Ida.

Wenn wir Frauen in den Aufbau der Welt miteinbeziehen, funktioniert das System.

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Langsam lasse ich mir Idas Worte durch den Kopf gehen. „Wenn wir uns kaputtarbeiten, was bleibt dann vom Leben übrig?“ Ja, der Satz kommt wahrlich aus dem Mund einer der erfolgreichsten Founder:innen unserer Zeit. Das ist das Mindset jener Unternehmerin, die mit ihrer Tracking-App den Begriff Femtech prägte und den Grundstein für eine ganze Branche schuf. Sogar Apple war von Idas Technologie begeistert und bat um Zusammenarbeit.

Idas Mindset kommt nicht von irgendwo: „Meine Eltern waren ein Beispiel für Menschen, die genau das taten, was sie wirklich gerne machten; auch, wenn das in den Augen mancher als verrückter kleiner Traum schien. Mit ihrem Traum haben sie sich immerhin ihren Lebensunterhalt verdient. Und ich denke, wenn einem als Kind die Chance gegeben wird, die Welt zu sehen, bekommt man ein Gefühl dafür, wie viele Realitäten es da draußen gibt; und wie viele Dinge miteinander verknüpft sind.“

Der Mangel an Vision

Stichwort Verknüpfung: Sollten wir nicht zuerst anfangen, auf nationaler Ebene zu denken, bevor wir uns die ganze Welt vorknöpfen? Ida sieht das anders:

„Wie soll ein kleines, noch so starkes Land in einem schwachen Europa überleben? Wenn es zu politischen Unruhen auf europäischer Ebene kommt, sind wir alle verwundbar. Wenn die Wirtschaft in Europa zusammenbricht, werden auch einzelne Staaten zusammenbrechen. Es macht keinen Sinn, in nationalen Einheiten zu denken. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir uns in Zukunft versorgen können. Wir müssen ein bisschen mehr an unseren Planeten denken. Ich glaube, es mangelt an einer Vision für Europa; und an gutem Storytelling.“

Der neue Erfolg

Ida redet Klartext über Tatsachen, die eigentlich jeder kennt, aber niemand wirklich wahr­ haben möchte. Mit einem weiteren Kopfnicken teilt sie Lösungsansätze:

„Wenn wir unsere Wirtschaft in etwas Nachhaltiges verwandeln wollen, müssen wir Erfolg neu definieren. Zurzeit feiern wir Investments, wir feiern finanzielle Rendite. Wir feiern Unicorns. Aber die Welt verlangt nach einer mehrdimensionalen Vorstellung von Erfolg.“

Ida meint: sich selbst nach eigenen Maßstäben als erfolgreich zu bezeichnen; Gesundheit als Erfolg zu bezeichnen. Und: „Unternehmen aufzubauen, in denen Menschen gesund sein können, in denen Menschen offen queer sein können, in denen Menschen aus verschiedenen Kulturen zusammenkommen; in denen man sie nicht zwingt, Alkohol zu trinken – und in denen eine integrative Kultur geschaffen wird.“

Wir brauchen weniger

Mit Clue hat Ida genau das versucht, und zwar mit einem der wohl umstrittensten New-Work-Themen unserer Zeit: der Vier-Tage-Woche. „Wir haben gesehen, dass unsere Leute an vier Tagen in der Woche genauso viel geleistet haben wie an fünf.“

Ida bot ihrem Team neben vier Arbeitstagen damit auch drei freie Tage, die Möglichkeit für Side Projects und mehr Zeit für Sport, Familie und Ruhe. „Viele hatten das Gefühl, dass ihr Leben eine ganz neue Qualität gewonnen hat. Und zusätzlich gibt es auch eine Menge an Studien und Daten, die zeigen, dass das funktioniert“, so Ida.

Wie in Island

So wie in Island, wo seit 2020 51 Prozent der Arbeitnehmenden reduzierte Wochenarbeitszeiten von 35 bis 36 Stunden bei gleichem Lohn wie zuvor hatten. Heute soll der Anteil noch etwas höher liegen, heißt es von einer Studie des britischen Autonomy Institute und der isländischen Association for Sustainability and Democracy (Alda). Im vergangenen Jahr soll die Wirtschaft Islands um fünf Prozent gewachsen sein – damit verzeichnet der Staat eine der höchsten Wachstumsraten in Europa.

In Idas Office gab es an den vier Arbeitstagen außerdem schuhfreie Zonen, einen Meetingraum ohne Tisch sowie Schwimm- und Fitnessstunden für ihre Mitarbeiter:innen. „Es sind die kleinen Dinge, die die Leute zusammen und zum Lachen bringen. Irgendwann hatten wir sogar eine Vorstandssitzung im tischlosen Raum.“

Kannst du acht Stunden am Tag sitzen?“ Ida reißt mich aus meinem kurzen Tagtraum. „Ich kann es nicht!“, wirft sie hinterher. „Auch jeder Sportler weiß, dass man Erholung braucht, um Höchstleistung zu erbringen. Warum sollte man das als arbeitender Mensch also vernachlässigen?“

Die Planeten-Perspektive

Nach fast 40 Minuten werden wir von zwei bunten Hosenanzügen unterbrochen. Die Zeit für das Interview ist um, das nächste steht an. Eine Frage fehlt uns aber immer noch: Wie lässt sich unsere Gesellschaft nun nachhaltig umbauen?

„Die Besessenheit mit Geld macht unser Leben sehr arm. Und sie macht uns engstirnig. Niemand auf diesem Planeten muss exorbitant viel besitzen. Alles über einem bestimmten Betrag könnte in Klimafonds fließen, in Sozialprojekte, in die gerechte Verteilung von Vermögen. Die Monopolisierung von Reichtum schafft ein großes demokratisches Problem; und schließlich auch ein Problem für Innovation.“

Was uns Ida sagen will: Man kann keine Gesellschaft aufrechterhalten, in der zu wenige zu viel und zu viele zu wenig haben. „Ich wünsche mir, dass wir an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Manchmal frage ich mich: Warum haben wir nicht eine gemeinsame Marke für unseren Planeten? Einen gemeinsamen Plan mit einer gemeinsamen Perspektive. Das wäre etwas, das uns in unserem Tun sicherlich einiges an Klarheit und Ambition geben würde.“

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