29.06.2021

Deutsche Börse übernimmt Schweizer Kryptobroker Crypto Finance

Die Deutsche Börse übernimmt die Schweizer Crypto Finance AG für einen dreistelligen Franken-Millionenbetrag - und will deren Angebote in ihre etablierten Plattformen integrieren.
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Crypto-Finance-CEO Jan Brzezek
Crypto-Finance-CEO Jan Brzezek | Foto: Crypto Finance AG

Die Deutsche Börse übernimmt das Schweizer Fintech Crypto Finance AG – und legt dafür einen “moderaten dreistelligen CHF-Millionenbereich” hin. Dafür gehen zwei Drittel des Unternehmens an den deutschen Börsenbetreiber. Die restlichen Anteile bleiben bei Bestandsinvestoren wie CEO und Gründer Jan Brzezek, der das Unternehmen auch nach der Übernahme weiter führen wird.

Die 2017 gegründete Crypto Finance AG bietet Handel, Brokerage und Verwahrung von mehr als 200 digitalen Assets an. Institutionelle Kunden können direkt in Krypto-Assets investieren, ohne eine eigene Infrastruktur und operative Rahmenbedingungen einrichten zu müssen. Daneben bietet das Unternehmen auch Blockchain-Infrastrukturdienste an – sowie im Bereich der Vermögensverwaltung Zugang zu Krypto-Assets über ein aktives, regelbasiertes Angebot an alternativen Anlagefonds.

Angebot soll in etablierte Plattformen integriert werden

Die Deutsche Börse will das Angebot der Crypto Finance AG nun in ihre etablierten Plattformen integrieren. Mit dem Kauf schaffe die Deutsche Börse einen direkten Einstiegspunkt für Investitionen im Bereich digitaler Assets, heißt es in einer Aussendung des Unternehmens. „Digitale Assets werden die Finanzindustrie verändern. Immer mehr etablierte Finanzinstitute wollen in dieser neuen Assetklasse aktiv werden und suchen einen vertrauenswürdigen Partner“, wird Thomas Book, Vorstand Trading & Clearing der Deutschen Börse, darin zitiert. Als Ziel nennt das Unternehmen den Aufbau “eines neutralen, transparenten und hoch skalierbaren Digital-Asset-Ökosystems unter europäischer Regulierung”, heißt es weiter.

„Unser Ziel war es von Anfang an, eine Brücke zwischen der alten und der neuen Welt zu schlagen”, sagt Crypto-Finance-Gründer und CEO Jan Brzezek. Gemeinsam mit der Deutsche Börse werde man nun “Tausenden von Finanzinstituten und professionellen Anlegern in Europa” den sofortigen Einstieg in die neue Anlageklasse der Krypto-Assets “auf eine ihnen vertraute Weise ermöglichen.“

Die Transaktion soll, abhängig von regulatorischen Genehmigungen, bis zum vierten Quartal 2021 abgeschlossen werden. Die Übernahme ist nicht der erste Schritt der Deutschen Börse in den Krypto-Bereich. Im April etwa hat das Unternehmen gemeinsam mit der Commerzbank in das neugegründete Fintech 360X investiert, das am Aufbau von Blockchain-Marktplätzen arbeiten soll.

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brutkasten-CEO Dejan Jovicevic über den Kapitalmarkt
brutkasten-CEO Dejan Jovicevic | (c) brutkasten / Hintergrund (c) Nicholas Cappello via Unsplash

Ich bin im jugoslawischen Kommunismus aufgewachsen. Kapitalmarkt? Aktien? Investitionen? Das waren Begriffe, mit denen ich bis ins Erwachsenenalter nie in Berührung kam.

Es hat mir in meiner Kindheit an nichts gefehlt – aber ich hatte auch keinen Bezug zu Wirtschaft oder Vermögen. Meine Mama nahm Kleinkredite auf, damit wir in Österreich skifahren konnten. Der Kapitalmarkt? Nie ein Thema.

Auch als ich später nach Österreich kam, hatte ich keinen natürlichen Zugang zum Kapitalmarkt. Stichwort: keine Finanzbildung. Bis heute besitze ich keine einzige Aktie – also keine Unternehmensbeteiligung dieser Art. Leider.

Ich habe jedoch ein starkes soziales Gewissen aus meiner Herkunft mitgenommen. Und genau das ist der Grund, warum ich für einen starken Kapitalmarkt eintrete. Ich sehe ihn nicht durch eine ideologische Brille, sondern ganz pragmatisch. Denn für mich ist klar: Ein starker Kapitalmarkt ist essenziell für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standortes, für die Absicherung unseres Sozialsystems und damit für unseren Wohlstand. Und doch kommt dieses Thema im neuen Regierungsprogramm nur am Rande vor. Warum?

Kapitalmarkt als Fundament für Innovation und Wohlstand

Wir sprechen viel über die Bedeutung von Risikokapital für Startups, über Innovation, über die Notwendigkeit, Österreich als Wirtschaftsstandort fit für die Zukunft zu machen. Doch was oft vergessen wird: Risikokapital ist nur ein Unterkapitel eines funktionierenden Kapitalmarktes. Ist dieser schwach, gibt es weniger Investitionen in neue Ideen, weniger Skalierungsmöglichkeiten für Unternehmen und letztendlich weniger Wertschöpfung und Arbeitsplätze.

Viele argumentieren, der Kapitalmarkt sei ein Spielfeld für Spekulanten – ein Werkzeug für jene, die ohnehin schon genug haben. Diese Sichtweise ist jedoch zu kurz gedacht. Ein gut funktionierender Kapitalmarkt ist eine Grundvoraussetzung für nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Und nachhaltiges Wirtschaftswachstum ist die Grundlage für ein stabiles Sozialsystem. Wer also die soziale Absicherung erhalten will, muss sich auch für einen starken Kapitalmarkt einsetzen.

Kapitalmarktstärkung ist keine Mammutaufgabe – sondern ein No-Brainer

Lange dachte ich, dass der Aufbau eines starken Kapitalmarktes eine Generationenaufgabe sei. Doch in Gesprächen mit Experten wie Christoph Boschan, dem CEO der Wiener Börse, wurde mir klar: Es wäre gar nicht so schwer. Der Schlüssel liegt in den sogenannten Capital Pools – also Kapitalquellen, die langfristig für Investitionen zur Verfügung stehen. Die zweite und dritte Säule unseres Pensionssystems könnten genau das bieten.

In anderen Ländern gibt es solche Modelle längst. Sie sorgen dafür, dass langfristige Investitionen in die Wirtschaft fließen, Innovationen finanziert werden und der Wohlstand gesichert bleibt. Österreich steht in starkem Kontrast zu solchen kapitalmarktorientierten Ländern wie Dänemark oder den Niederlanden. Während dort Pensionsfonds-Vermögen in Größenordnung des zwei- bis dreifachen BIP vorhanden sind, ist in Österreich der Wert mit etwa sechs bis sieben Prozent des BIP verschwindend gering. Dadurch muss Österreich einen weit höheren Anteil der Wirtschaftsleistung für die öffentliche Pension aufwenden – rund 14 Prozent, während der Wert in vergleichbaren Ländern meist unter zehn Prozent liegt.

Warum die Politik hier versagt

Unser Staatshaushalt steht unter Druck. Die Wirtschaft schwächelt. Unser Sozialsystem wird immer teurer. In dieser Situation wäre eine Kapitalmarktreform eigentlich ein No-Brainer. Warum also geschieht nichts? Warum klammern wir dieses Thema aus?

Ich bin kein Ökonom, sondern denke mit Hausverstand. Und aus dieser Perspektive ist es unverständlich, warum jene Parteien, die besonders viel umverteilen möchten, nicht zugleich für einen starken Kapitalmarkt kämpfen. Denn nur wenn wir wirtschaftlich zukunfts- und investitionsfit sind, können wir uns um jene kümmern, die es besonders brauchen.

Es ist kein Widerspruch, an ein starkes Sozialsystem und zugleich an einen starken Kapitalmarkt zu glauben – vielmehr bedingt das eine das andere. Wer Wachstum und Wohlstand will, braucht Investitionen, braucht Risikokapital, braucht Finanzierungsoptionen für Unternehmen und Startups. Und all das setzt einen funktionierenden Kapitalmarkt voraus.

Der Dachfonds – ein Schritt, aber nicht die Lösung

Im Regierungsprogramm findet sich die Ankündigung eines Dachfonds für Risikokapital. Ein wichtiger Schritt – aber einer, der zu kurz greift. Denn Risikokapital ist nur ein Unterkapitel eines starken Kapitalmarktes. Wenn wir in Österreich wirklich mehr Kapital für Innovationen und Startups haben wollen, dann müssen wir das Problem an der Wurzel angehen: Wir brauchen eine umfassende Stärkung des Kapitalmarktes insgesamt.

Ein funktionierender Kapitalmarkt bedeutet nicht nur einige gezielte Förderprogramme oder einzelne Risikokapitalfonds. Er bedeutet breit verfügbare Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen in jeder Entwicklungsphase. In Ländern mit starken Kapitalmärkten fließen automatisch mehr Mittel in Startups und Innovationen, weil institutionelle Investoren, Pensionskassen und private Anleger systematisch investieren.

Solange wir in Österreich nicht den Kapitalmarkt als Ganzes stärken – etwa durch bessere steuerliche Anreize, eine Förderung von zweiten und dritten Pensionssäulen und eine aktivere Beteiligung institutioneller Investoren – wird ein Dachfonds allein nicht reichen. Wir behandeln damit nur die Symptome, nicht die Ursachen. Wenn wir den Kuchen nicht vergrößern, bleibt die Debatte über Risikokapital Stückwerk.

Eine historische Chance – und die Frage, ob wir sie nutzen

Die neue Regierung hat eine historische Chance, hier entscheidende Reformen umzusetzen. Wir könnten in Österreich Rahmenbedingungen schaffen, die langfristiges Investieren fördern, Innovationen ermöglichen und den Standort wettbewerbsfähiger machen. Und damit nicht nur Unternehmen helfen, sondern vor allem jenen, die auf ein stabiles Sozialsystem angewiesen sind.

Doch stattdessen wird der Kapitalmarkt vielmehr zu einer Randnotiz.

Wir sollten uns endlich die Frage stellen, ob wir in zehn oder zwanzig Jahren noch dieselben Möglichkeiten zur Umverteilung haben wollen wie heute – oder ob wir in einem Land leben wollen, das den Anschluss an internationale Entwicklungen verloren hat.

Die gute Nachricht: Wir könnten es ändern. Der Weg ist klar. Bitte lasst uns diesen auch gehen.

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