11.09.2023

Deloitte-Expertin: “Es braucht künftig Skills statt Jobs”

Eine neue Studie der Unternehmensberatung Deloitte untersuchte in Österreich die Akzeptanz von Angestellten gegenüber der Digitalisierung der Arbeitswelt. Trotz neuer Möglichkeiten besteht allerdings noch viel Unsicherheit. Deloitte-Expertin Anna Nowshad liefert Tipps für Unternehmen.
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(c) brutkasten

Digitalisierung, künstliche Intelligenz & Fachkräftemangel. Diese Themen bestimmen derzeit die Arbeitswelten vieler Angestellter. Eine neue Studie der Unternehmensberatung Deloitte hat sich nun im Detail angesehen, welche Einstellung österreichische Arbeitnehmer:innen gegenüber dem digitalen Umbruch ihrer Arbeitswelten haben. Dabei zeigt sich: Der Einsatz neuer Technologien im Unternehmenskontext trifft grundsätzlich auf breite Akzeptanz, Ängste halten sich dennoch hartnäckig. Für die Studie wurden 500 Angestellte in Österreich befragt.

Die Key-Findings der Studie

Mit 61 Prozent befürwortet der Großteil der Befragten laut Deloitte eine “ausgewogene Mischung aus menschlicher Interaktion und technologischer Unterstützung”. Dennoch würden auch Unsicherheit einhergehen: 38 Prozent assoziieren damit etwa den Verlust von Arbeitsplätzen. “Das enorme Potenzial von Digitalisierung für die Schaffung neuer Jobs ist also noch nicht bei allen angekommen“, erklärt Anna Nowshad, Partnerin bei Deloitte Österreich.

Das Interview mit Anna Nowshad, Partnerin bei Deloitte Österreich, und Beatrix Praeceptor, CEO von Greiner Packaging, wurde im Zuge des European Forum Alpbach geführt.

Zudem wurde untersucht, inwiefern die Digitalisierung aus Sicht der Angestellten Einzug in heimische Unternehmen hält. So nehmen 87 Prozent der Arbeitnehmer:innen aktuell eine Zunahme der Investitionen in neue Technologien und Infrastruktur wahr, 81 Prozent bemerken außerdem eine Umstrukturierung der Arbeitsabläufe. Und schon jetzt wurden laut rund einem Viertel gewisse Tätigkeiten und Aufgaben automatisiert oder durch digitale Tools ersetzt. “Was allerdings sehr wenig passiert, ist ein offener und transparenter Diskurs über dieses Thema zwischen Unternehmensführung, Führungskräften und Mitarbeitern”, so Nowshad gegenüber brutkasten.

Fokus auf künstliche Intelligenz

Auch der Einsatz von künstliche Intelligenz wurde abgefragt. Nur 16 Prozent der Angestellten gaben an, dass die Technologie zumindest gelegentlich im Unternehmen angewendet wird. Zum Einsatz kommt sie dabei vor allem bei repetitiven Aufgaben und Automatisierungen (49 Prozent) sowie bei datenbasierten Entscheidungen (34 Prozent).

“KI-Systeme können die Arbeitswelt nachhaltig massiv verändern. Die Österreicherinnen und Österreicher haben das erkannt: Mehr als ein Drittel sieht in ihrer Verwendung eine große Chance. Ein weiteres Drittel empfindet die Technologie jedoch gleichzeitig auch als Bedrohung“, sagt Nowshad.

Digitales Know-how als Voraussetzung am Jobmarkt

Durch den zunehmenden Einsatz technologischer Tools ändern sich laut Deloitte auch die Anforderungen an die Kompetenzen der Mitarbeiter:innen. So sehen 75 Prozent der Befragten künftig vor allem technische Kenntnisse und Fähigkeiten wie Programmierung und Datenanalyse als unbedingt notwendig an. Aber auch kritisches Denken und Problemlösungsfähigkeiten (65 Prozent) sowie Kommunikations- und Zusammenarbeitserfahrung (58 Prozent) gewinnen am Jobmarkt an Bedeutung.

Dementsprechend sollten Unternehmen laut Nowshad künftig ihren Fokus nicht auf Jobs, sondern Skills legen. Die Expertin spricht in diesem Zusammenhang von einer “Skills-based Organization”. Dazu zählt auch, dass traditionelle Job-Begriffe hinterfragt werden. Führungskräfte müsste hier auch das “Loslassen” lernen.

Diese Tipps gibt Deloitte Unternehmen:

  • Auf Unternehmensseite gilt es, den digitalen Wandel möglichst holistisch zu begleiten – die Investitionen in Technologie und Infrastruktur sind ein wichtiger Schritt, die konkrete Auseinandersetzung damit, wie sich Aufgaben, Berufsbilder, Skills verändern, ein logisch folgender. Aber auch die kulturellen Aspekte einer zunehmenden Digitalsierung gilt es zu betrachten. Hier stehen folgende Fragen im Zentrum: Wie soll Zusammenarbeit künftig erfolgen? Wie verändern sich Erfolgsparameter im Team durch den verstärkten Einsatz technologischer Tools? Wie kann Technologie dabei helfen, menschliches Potenzial bestmöglich zu heben?
  • Vielfach ist die Digitalisierung auch mit einer Neugestaltung von Jobs verbunden – und einem Umdenken weg von starren Berufsbildern hin zu verfügbaren und benötigten Skills, die dann neu zu einem Gesamtportfolio zusammengesetzt werden. Dabei gilt es aber die Bedürfnisse der unterschiedlichen Generationen zu berücksichtigen, damit sich im Idealfall sowohl ältere wie auch jüngere Mitarbeitende entsprechend entfalten und vom Wissen der jeweils anderen profitieren können.
  • Für Unternehmen wird es in Zukunft essenziell, Arbeit nicht einfach als fixe Jobs mit festgelegten Bündel an Fähigkeiten zu betrachten, sondern zu erkennen, dass auch diese sich stetig wandeln. Um hier das Potenzial voll auszuschöpfen, muss Arbeit proaktiv und kreativ so umgestaltet werden, dass das Beste aus den menschlichen Potenzialen und neuen Technologien herausgeholt werden kann – und gleichzeitig ein echter Mehrwert für Unternehmen und Menschen geschaffen wird.

Tipp der Redaktion

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Werner Vogels, Vice President und CTO von Amazon.com (c) Screenshot YT Amazon News

Wie wird sich unsere Welt in den kommenden Jahren verändern? Welche Wege gibt es, um die globalen Krisen zu bewältigen? Und welche Rolle kann Technologie dabei spielen, diese Herausforderungen zu meistern? Im Mittelpunkt stehen bei diesen Fragen drängende gesellschaftliche Themen wie Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, Ernährungssicherheit, Wirtschaftsstabilität und der verantwortungsvolle Einsatz von KI.

Werner Vogels, Vice President und Chief Technology Officer von Amazon.com, teilt wie jedes Jahr seine Visionen und Überlegungen in seinen “Tech Predictions” für das Jahr 2025.

Gen Z macht es vor: Fokus auf sinnstiftende Arbeit

In der Arbeitswelt zeichnet sich laut dem Amazon-CTO ein grundlegender Wandel ab. Eine Studie der Harvard Business School zeigt, dass die Generation Z großen Wert auf sinnstiftende Arbeit legt. Als Digital Natives erkenne sie das Potenzial von Technologie, um aktiv zur Lösung globaler Krisen beizutragen. Vogels sieht darin den Beginn einer “umfassenden Neuausrichtung von Karrierezielen und gesellschaftlichen Werten”.

Dieser Trend werde künftig auch auf alle anderen Altersgruppen übergreifen, meint der Amazon-CTO: Arbeitskräfte würden zunehmend Rollen bevorzugen, die eine prosoziale Wirkung enthalten und es ihnen ermöglichen, positiv auf Gesellschaft und Umwelt einzuwirken. Der Fokus verschiebe sich von rein finanziellem Erfolg und beruflichem Aufstieg hin zu dem tiefen Wunsch, die Welt nachhaltig zu verändern.

Für Unternehmen bedeute das, ihre Strategien anpassen zu müssen, um wertorientierte Mitarbeitende zu gewinnen und langfristig zu binden. Wer wettbewerbsfähig bleiben möchte, müsse laut Vogels diesen Wandel aktiv erkennen und für sich nutzen.

Ausbau von Kernenergie und erneuerbaren Energien

Die steigende Energienachfrage und der Druck, die Klimaziele zu erreichen, erzwingen einen grundlegenden Wandel in der Energieerzeugung, -speicherung und -nutzung. Im Mittelpunkt stehen dabei laut der Prognose weiterhin Kernenergie und erneuerbare Energien. Vogels hebt die Potenziale moderner Technologien wie kleiner modularer Reaktoren (SMRs) hervor, die im Vergleich zu herkömmlichen Kernkraftwerken kleiner, flexibler und einfacher zu warten und zu betreiben seien.

Auch der steigende Energiebedarf von Rechenzentren, getrieben durch die erhöhte Nutzung generativer KI, erfordere neue Ansätze. Für Vogels liegt die Lösung in Hyperscale-Rechenzentren, die eine deutlich höhere Energieeffizienz bieten.

Zukünftig sieht er großes Potenzial im Bereich der nachhaltigen, sauberen Energie. Durch die Kombination technologischer Innovationen mit einer qualifizierten Belegschaft könne dieser Sektor eine „neue Ära der Innovation“ einläuten.

Open-Source-Branche wird Marktwert von mehreren Milliarden Dollar erreichen

Die rasante Verbreitung von Desinformation zählt auch zu den Problemen unserer Zeit. Laut Prognosen wird eine neue Generation von KI-gestützten Tools entstehen, die Journalist:innen, Forscher:innen und engagierte Bürger:innen dabei unterstützen, Fakten schneller zu überprüfen und die Verbreitung von Fehlinformationen effektiv einzudämmen.

Open-Source Intelligence (OSINT) bewähre sich in den letzten Jahren als entscheidendes Werkzeug, um Wahrheiten ans Licht zu bringen. Vogels prognostiziert, dass die OSINT-Branche in den kommenden Jahren einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung erleben und einen Marktwert von mehreren Milliarden Dollar erreichen könnte.

Verbesserung im Katastrophenmanagement

Auch in diesem Jahr wurden wir weltweit mit Extremwetter und Naturkatastrophen konfrontiert – eine Entwicklung, die durch die Klimakrise weiter verstärkt wird. Die Ereignisse verdeutlichten die Schwächen im Katastrophenmanagement. In Zeiten wie diesen seien zeitnahe und zugängliche Wetterdaten von entscheidender Bedeutung.

Vogels sieht einen wachsenden Trend hin zu „gemeinschaftsorientierten Plattformen, die es jedem ermöglichen, die Verantwortung für seine Sicherheit zu übernehmen“. Hyperlokale, von der Gemeinschaft bereitgestellte Daten würden an Bedeutung gewinnen und könnten das Katastrophenmanagement grundlegend verändern – weg von einem reaktiven, zentralisierten Modell hin zu einem proaktiven, dezentralen und gemeinschaftsorientierten Ansatz. Dieser technologische Wandel zielt laut Vogels darauf ab, „Machtdynamiken zu verschieben und Entscheidungsprozesse näher an die am stärksten Betroffenen zu bringen“.

Zurück zum Ursprung

Der Amazon-CTO fordert die Menschen auf, ihr Verhältnis zur Technologie zu überdenken und bewusster mit ihrer Nutzung umzugehen. Immer mehr Menschen suchen Zuflucht vor ständiger Ablenkung und richten ihre Aufmerksamkeit auf Geräte, die „Achtsamkeit, Absicht und Nachdenken gegenüber einer Flut flüchtiger Reize in den Vordergrund stellen”.

Zweckgebundene Geräte, die eine gezielte Nutzung ermöglichen – wie minimalistische Telefone oder Kameras – gewinnen möglicherweise künftig an Popularität. Sie helfen, uns in einen Zustand des Flows zu versetzen, anstatt unsere Aufmerksamkeit ständig zu beanspruchen, meint Vogels. Er ist sich sicher: Im Jahr 2025 und darüber hinaus wird uns die Technologie eher unterstützen als ablenken.

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